IT- und Medienrecht

Keine Rückzahlung von Lizenzgebühren aufgrund anerkannter Lizenzzahlungspflicht durch Lizenzabrechnungen

Aktenzeichen  7 O 23064/16

Datum:
15.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14973
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 781, § 812, § 813 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die handschriftlich unterzeichnete Bestätigung der Wahrheit und Richtigkeit getätigter Zahlungen in Lizenzabrechnungen ist als kausales Anerkenntnis der entsprechenden Lizenzgebührenschuld für die verkauften Produkte zu verstehen (kausales Schuldanerkenntnis). (Rn. 36) (red. LS Götz Schulze)
2 Ist der Erklärende selbst Inhaber von gewerblichen Schutzrechten und lizenziert er Patente, die für unterschiedliche Technologiestandards essentiell sind, so kann seine Erklärung nicht anders als ein verbindliches, feststellendes Anerkenntnis der konkreten Lizenzgebührenpflicht verstanden werden. (Rn. 42) (red. LS Götz Schulze)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
sowie folgenden 
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR … festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A. Zur Entscheidung stand die volle Klageforderung i.H.v. …, nachdem die teilweise Klagerücknahme der Klägerin im Termin vom 08.02.2018 unwirksam ist, weil die Beklagte ihre Zustimmung hierzu verweigert hat. Diese Zustimmung war aber erforderlich, nachdem die Klägerin bereits mündlich zur Hauptsache und ihren ursprünglich angekündigten Antrag gestellt hatte. Ein von der Klägerin vorgeschlagenes Ersetzen der Zustimmung wegen Sachdienlichkeit sieht das Gesetz für die Klagerücknahme nicht vor.
B. Die Klage ist unbegründet.
I. Die Rückforderung der Lizenzgebühren mit der Begründung, die streitgegenständlichen Produkte unterfielen nicht dem Lizenzvertrag, ist ausgeschlossen, weil die Klägerin ihre Lizenzzahlungspflicht insoweit durch ihre Lizenzabrechnungen anerkannt hat. Es kam daher nicht darauf an, ob die streitgegenständlichen Produkte von einem der ca. 600 lizenzierten Patente nach dem jeweils anzuwendenden nationalen Recht unmittelbar oder mittelbar Gebrauch machen oder FHG-Technologie enthalten bzw. verwenden.
1. In den Lizenzabrechnungen ist je ein kausales Schuldanerkenntnis zu sehen. Die handschriftlich unterzeichnete Bestätigung der Wahrheit und Richtigkeit der getätigten Zahlungen in den neun Lizenzabrechnungen der Klägerin ist als kausales Anerkenntnis der entsprechenden Lizenzgebührenschuld für die verkauften Produkte zu verstehen.
Voraussetzung für die Annahme eines kausalen Schuldanerkenntnisses ist, dass unter den Parteien Streit oder Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte herrschte (BGHZ 66, 250, 255; BGH NJW 1982, 996, 998; 1984, 799; 1995, 960, 961; 1995, 3312; 1998, 1492; 1999, 2889; 2000, 2501, 2502; NJW-RR 2005, 247; 2007, 530 Rn. 8; WM 1984, 62, 63; 1984, 667, 668; 2008, 1301). Erforderlich und ausreichend ist eine subjektive Ungewissheit der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
Die konkrete Lizenzgebührenpflicht der Klägerin hing von der Anzahl der hergestellten beziehungsweise verkauften oder verwendeten „Licensed Products“ ab. Die Höhe der konkreten Lizenzgebührenpflicht war daher bis zum Ablauf einer jeden Lizenzperiode objektiv ungewiss. Für die Beklagte blieb die Höhe der konkreten Lizenzgebühren auch danach ungewiss, weil sie insofern abhängig war von Auskünften der Klägerin über die Anzahl von hergestellten/verkauften/benutzten „Licensed Products“.
Die Klägerin hat durch ihre jeweilige Bestätigung der Richtigkeit der gezahlten Beträge die inhärente höhenmäßige Ungewissheit ihrer stückzahlabhängigen, konkreten Lizenzgebührenzahlungspflicht beseitigt. Die Lizenzabrechnungen der Klägerin haben die Höhe der konkreten Lizenzgebührenzahlungspflicht der Klägerin für die jeweilige Lizenzperiode der Ungewissheit entzogen. Es handelt sich um Erklärungen der Klägerin über die konkrete Ausgestaltung ihrer bis dahin abstrakten, weil in der Höhe unbestimmten, Lizenzgebührenzahlungspflicht.
Ohnehin besteht in dem Maße Unsicherheit auch über die abstrakte Lizenzgebührenzahlungspflicht, wenn aus dem Patentlizenzvertrag nicht hervorgeht, dass über ein bestimmtes Verständnis von dem Schutzbereich eines lizenzierten Patents bei Vertragsschluss Konsens bestand, sondern über den Schutzbereich im Rahmen vertretbarer Positionen gestritten werden kann. Die Zahlung von Lizenzgebühren ist ein Umstand, der auf ein zur Zahlungspflicht führendes Schutzbereichsverständnis des Lizenznehmers schließen lässt. Macht der Lizenznehmer an mehreren Gelegenheiten nacheinander deutlich, dass er geleistete Zahlungen nach seinem besten Wissen für inhaltlich gerechtfertigt hält, ist ein Irrtum über das Bestehen eines Rechtsgrunds gerade nicht wahrscheinlich. So liegt der Fall auch hier. Die Klägerin hat die Decoder-Produkte in dem streitgegenständlichen Zeitraum als lizenzgebührenpflichtige „Licensed Products“ behandelt
2. Ein solches kausales Schuldanerkenntnis schließt jegliche Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur aus, mit denen der Anerkennende mindestens rechnete (vgl. Habersack in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, Rz. 6 zu § 781 BGB). Welchen Umfang der Einwendungsverzicht im Einzelfall hat, hängt davon ab, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm bekannten Interessen des Schuldners verstehen muss.
Ein objektiver Erklärungsempfänger verstand die Erklärung der Klägerin, dass die Abrechnung der geschuldeten und gezahlten Lizenzgebühren „nach […] bestem Wissen wahr und richtig“ erfolgt sei, als kausale Bestätigung der konkreten Lizenzgebührenzahlungspflicht. Den Lizenzabrechnungen lag die prüfende Tätigkeit der Klägerin zugrunde, zu ermitteln, welche ihrer hergestellten, verkauften oder benutzten Produkte eine Lizenzgebührenzahlungspflicht gemäß dem Lizenzvertrag auslösen. Nach dieser Prüfung hat die Klägerin die Wahrheit und Richtigkeit ihrer Abrechnung schriftlich anerkannt. Die Klägerin ist selbst Inhaberin eines umfangreichen Portfolios an gewerblichen Schutzrechten. Sie hält und lizenziert Patente, die für unterschiedliche Technologiestandards essentiell sind. Ihre Versicherung, dass ihre Prüfung der Lizenzgebührenzahlungspflicht ihrer eigenen Produkte wahr und richtig ist, konnte die Beklagte nicht anders als ein verbindliches, feststellendes Anerkenntnis der konkreten Lizenzgebührenpflicht der genannten Decoder-Produkte verstehen.
II. Soweit sich die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung darauf berufen hat, in ihrem bisherigen Verhalten sei eine konkludente Rücktrittserklärung zu sehen bzw. eine zumindest teilweise Rücktrittserklärung könne bereits ihrem vorgerichtlichem Verhalten konkludent entnommen werden, führt auch dies nicht zum Erfolg der Klage. Die Klägerin hat schon keinen Rücktrittsgrund dargetan. Zudem hat der Rücktritt nur ex nunc-Wirkung. Die streitgegenständlichen Abrechnungsperioden würden hiervon nicht betroffen.
III. Auch soweit die Klägerin – ebenfalls erstmals in der mündlichen Verhandlung – geltend gemacht hat, der Lizenzvertrag sei wegen Verstoßes gegen AGB- sowie gegen Kartellrecht unwirksam, ändert dies nichts an der Klageabweisung.
Zur Frage, ob der Vertrag der AGB-Klauselkontrolle unterliegt, führt die Klägerin an, der Vertragstext sei von der Beklagten vorgegeben worden. Dies bestreitet die Beklagte und trägt vor, der Vertrag sei in einzelnen Punkten ausgehandelt worden. Die Klägerin hat für die Richtigkeit ihrer gegenteiligen Behauptung keinen Beweis angeboten. Auch hat die Klägerin nicht angegeben, welche konkrete Klausel der Kontrolle nicht standhalten wird,
Weiter fehlt klägerischer Vortrag dazu, dass und warum der Lizenzvertrag eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt hat, § 1 GWB.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
D. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 3 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 2, 3 ZPO.


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