IT- und Medienrecht

Keine Schadensersatzansprüche bei im April 2016 erworbenem, vom Abgasskandal betroffenem Fahrzeug (hier: Audi A6 Avant 2,0 TDI)

Aktenzeichen  18 U 3121/19

Datum:
8.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41860
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 97 Abs. 1, § 522 Abs. 2
BGB § 826

 

Leitsatz

1. Vgl. zum Kauf nach Bekanntwerden des Dieselskandals: OLG Frankfurt BeckRS 2019, 27981; OLG Saarbrücken, BeckRS 2019, 20813; OLG Stuttgart, BeckRS 2019, 21326; 2019, 29977; OLG Köln, BeckRS 2019, 13405; OLG München, BeckRS 2020, 4669; 2019, 40404; 2020, 4671; BeckRS 2020, 6258; OLG Braunschweig, BeckRS 2017, 147936; OLG Schleswig-Holstein, BeckRS 2019, 33012; OLG Koblenz, BeckRS 2019, 36722; 2019, 32689; OLG Dresden BeckRS 2020, 6276; OLG Naumburg BeckRS 2020, 6836; a.A.: OLG Hamm, BeckRS 2019, 20495; OLG Oldenburg, BeckRS 2020, 280; BeckRS 2020, 6021; OLG Dresden, BeckRS 2020, 4135; OLG Koblenz BeckRS 2020, 5086. (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann ausgeschlossen werden, dass dem Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs bei Erwerb des Fahrzeugs im April 2016 der seit Monaten in sämtlichen Medien ausführlich erörterte Diesel-Abgasskandal unbekannt gewesen war. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Rechnet der Käufer bei Vertragsschluss mit der Möglichkeit, dass das von ihm erworbene Fahrzeug betroffen sein könnte, und unternimmt er keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte, um diese Frage vor dem Kauf zu klären, lässt ein solches Verhalten regelmäßig den Rückschluss zu, dass die Abgasproblematik für seine Kaufentscheidung keine Rolle gespielt, er die Betroffenheit des erworbenen Fahrzeugs also billigend in Kauf genommen hat. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 O 3366/18 2019-06-25 Berichtigungsbeschluss LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 10.05.2019, im Tatbestand berichtigt mit Beschluss vom 25.06.2019, Az.: 5 O 3366/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Das vorgenannte Endurteil des Landgerichts Traunstein sowie dieser Beschluss sind im Kostenpunkt ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.246,59 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin nimmt als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns, der einen vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw erworben hatte, die Beklagte in deren Eigenschaft als Herstellerin des in das Fahrzeug verbauten Dieselmotors vom Typ EA189 Eu5 auf Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 23.980,00 € Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs und Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 14.733,41 € in Anspruch.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des berichtigten Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 10.05.2019 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des vorgenannten Urteils Bezug genommen.
Das erstinstanzliche Urteil wurde dem früheren Kläger am 15.05.2019 zugestellt. Nach dessen Tod am 18.05.2019 hat die nunmehrige Klägerin, seine alleinige Erbin, mit Schriftsatz vom 12.06.2019, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 14.06.2019, Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 14.07.2019, eingegangen am 15.07.2019, begründet.
Die Klägerin beantragt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger (sic!) 23.980,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.10.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs Audi A6 Avant 2,0 TDI, Fahrzeugidentnummer: …25, und Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 14.733,41 € zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger (sic!) von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € freizustellen.
III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Abnahme des Fahrzeugs in Verzug befindet.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 14.07.2019 (Bl. 196/198 d.A.) und 25.09.2019 (Bl. 249/258 d.A.) sowie die Berufungserwiderung der Beklagten vom 30.08.2019 (Bl. 208/241 d.A.) verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 10.05.2019, Az.: 5 O 3366/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 04.09.2019 (Bl. 242/246 d.A.) Bezug genommen. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 25.09.2019, die sich im Wesentlichen mit dem Vortrag der Beklagten, aber nicht mit der Argumentation des Senats auseinandersetzen, geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
Die Klägerin verkennt nach wie vor, dass die Kausalität der von der Beklagten durch Inverkehrbringen des mit der Umschaltlogik ausgestatteten Dieselmotors konkludent verübten Täuschung für den Kaufentschluss des früheren Klägers nicht erst dann zu verneinen ist, wenn diesem die Betroffenheit des konkreten Fahrzeugs vom Abgasskandal positiv bekannt war. Der Käufer hat die erforderliche Kausalität bereits dann nicht nachvollziehbar dargelegt, wenn er bei Vertragsschluss mit der Möglichkeit gerechnet hat, dass das von ihm erworbene Fahrzeug betroffen sein könnte, aber keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, um diese Frage vor dem Kauf zu klären. Denn ein solches Verhalten des Käufers lässt regelmäßig den Rückschluss zu, dass die Abgasproblematik für seine Kaufentscheidung keine Rolle gespielt, er die Betroffenheit des erworbenen Fahrzeugs also billigend in Kauf genommen hat.
Wie im Hinweisbeschluss im Einzelnen dargelegt, kann der Senat nach der allgemeinen Lebenserfahrung ausschließen, dass dem früheren Kläger bei Erwerb des Fahrzeugs am 22.04.2016 der seit Monaten in sämtlichen Medien ausführlich erörterte Diesel-Abgasskandal unbekannt gewesen war. Da der Pkw erstmals am 09.10.2013 – lange vor Bekanntwerden des Skandals – zugelassen worden war, musste der frühere Kläger mit der naheliegenden Möglichkeit rechnen, dass der in diesem Fahrzeug verbaute Dieselmotor mit einer entsprechenden „Umschaltlogik“ ausgestattet war. Bei dieser Sachlage rechtfertigt die – nicht unter Beweis gestellte – Behauptung, ein nicht namentlich genannter Mitarbeiter des Autohauses H. habe dem früheren Kläger erklärt, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug „bedenkenlos ablösen“ könne (Schriftsatz vom 25.09.2019, S. 3 = Bl. 251 d.A.), nicht das Vertrauen darauf, dass das Fahrzeug vom Abgasskandal nicht betroffen sei. Nach Darstellung der Klägerin hatte ihr verstorbener Ehemann beim Verkäufer des Fahrzeugs nicht einmal konkret nachgefragt, ob der darin verbaute Dieselmotor mit der in den Medien ausführlich erörterten „Abschalt-Automatik“ ausgestattet war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch, dass das angefochtene Urteil nunmehr ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, findet seine Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10 Satz 2, § 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.
München, 08.10.2019
1. Beschluss vom 08.10.2019 hinausgeben an: …
2. Schlussbehandlung


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben