IT- und Medienrecht

Kommunalverfassungsrechtliche Organstreit in Form einer Feststellungsklage –

Aktenzeichen  Au 7 K 18.1674

Datum:
12.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19381
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 1, § 88
BayGO Art. 48 Abs. 1 S. 1, Art. 52 Abs. 2
BGB § 134, § 459

 

Leitsatz

1. Auch im kommunalverfassungsrechtlichen Organstreit, in dem Gemeindeorgane oder Organteile über Bestand und Reichweite zwischen- oder innerorganschaftlicher Rechte streiten, ist die verwaltungsgerichtliche Klage nur dann zulässig, wenn und soweit der Kläger geltend machen kann, durch die betreffende Maßnahme in eigenen, ihm durch Gesetz eingeräumten Rechtspositionen betroffen zu sein.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit ist kein objektives Beanstandungsverfahren; sie dient vielmehr dem Schutz und der Durchsetzung subjektiver, d. h. organschaftlicher Rechte.  (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie mangels Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bereits unzulässig ist.
Nach dem maßgeblichen Begehren des Klägers gemäß § 88 VwGO ist bei der vorliegenden Verwaltungsstreitsache von einer Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits auszugehen, da die Parteien zum Zeitpunkt der Entscheidung als Stadt eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bzw. als Stadtratsmitglied Organteil derselben sind. Eine solche kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit kennt mehrere Klagearten; die Rechtsprechung lässt sowohl Gestaltungsklagen als auch Feststellungsklagen zu (BayVGH, U.v. 28.4.1995 – 4 B 94.2561 – BeckRS 1995, 8923). Vorliegend wurde ausdrücklich die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses des Stadtrats beantragt.
Die Feststellungsklage ist mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Eine Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte des Klägers, der aufgrund seiner Stellung als Stadtratsmitglied klagt und sich hierbei ausschließlich auf seine Rechte als solches berufen kann, ist jedoch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
1. Für eine Feststellungsklage ist im Allgemeinen nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung anerkannt, dass eine Klagebefugnis in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich ist (BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 9 C 10.07 – juris Rn. 14; U.v. 29.6.1995 – 2 C 32.94 – juris; BayVGH, B.v. 12.8.2010 – 4 ZB 09.1230 – juris Rn. 6; Happ in Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 4; aA Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 63, § 43 Rn. 22).
Der kommunalverfassungsrechtliche Organstreit – vorliegend in Form einer Feststellungsklage – im Besonderen ist dadurch gekennzeichnet, dass Gemeindeorgane oder Organteile über Bestand und Reichweite zwischen- oder innerorganschaftlicher Rechte streiten. Nach dem die Verwaltungsgerichtsordnung beherrschenden Prinzip des subjektiven Rechtsschutzes ist auch in einem Kommunalverfassungsstreit die verwaltungsgerichtliche Klage nur dann zulässig, wenn und soweit der Kläger geltend machen kann, durch die betreffende Maßnahme in eigenen, ihm durch Gesetz eingeräumten Rechtspositionen betroffen zu sein d.h. sich auf eine Rechtsposition berufen kann, die ihm durch das Gesetz eingeräumt ist, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO analog (VG Augsburg, U.v. 26.7.2013 – Au 7 K 12.1425; VG Bremen, B.v. 21.7.2007 – 1 V 331/07 – juris). Eine Klage, die auf die Feststellung einer allein objektiv-rechtlichen Verletzung von Rechtsnormen gerichtet ist und nicht dem weiteren Erfordernis genügt, dass der Kläger durch rechtswidriges Organhandeln in einer ihm gesetzlich eingeräumten Rechtsposition als Organteil verletzt sein kann, bleibt auch im Gewand des kommunalverfassungsrechtlichen Organstreits eine unzulässige Popularklage (VGH BW, U.v. 24.2.1992 – 1 S 2242/91 – juris Rn. 13).
Auch eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit ist demnach kein objektives Beanstandungsverfahren, sondern dient wie jedes andere verwaltungsgerichtliche Verfahren dem Schutz und der Durchsetzung subjektiver d.h. organschaftlicher Rechte (BayVGH, B.v. 25.6.2007- 4 CE 07.910 – juris Rn. 21).
An einer Klagebefugnis mangelt es jedoch, da der Kläger keine Verletzung in eigenen, d.h. organschaftlichen Rechten geltend machen kann.
2. Eine Verletzung des – aus der Teilnahmepflicht des Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) spiegelbildlich folgenden – Teilhaberechts, d.h. des Rechts, an der Ausübung der Verpflichtung nicht gehindert zu werden, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Teilhaberecht beinhaltet insbesondere ein Recht auf Anwesenheit in den Sitzungen, Teilnahme an der Beratung und auf Stimmabgabe. Dazu gehört im Vorfeld eine ordnungsgemäße Ladung mit hinreichend konkreter Tagesordnung. Nur durch eine hinreichend konkrete Bezeichnung der Beratungsgegenstände in der Tagesordnung wird den Gemeinderatsmitgliedern ermöglicht, sich über das betreffende Thema vorab zu unterrichten und diejenigen Informationen einzuholen, die für eine sachgerechte Beratung erforderlich sind. Diesem Maßstab entsprechend war das streitgegenständliche Thema im Tagesordnungspunkt 6a der Ladung entgegen der Ansicht des Klägers hinreichend konkret formuliert. Zusammengehörige Themen können unter einem treffenden Oberbegriff zusammengefasst werden. Damit war die Ladung hier insbesondere nicht deshalb mangelhaft, weil beispielsweise die Zahlung eines etwaigen Verwendungsersatzes nicht ausdrücklich in die Tagesordnung aufgenommen worden war. Sowohl die Zahlung eines Verwendungsersatzes als auch der von der Ausübung des Wiederkaufsrechts abhängende erneute Verkauf des Grundstücks stehen in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem in Tagesordnungspunkt 6a ausdrücklich bezeichneten Thema. Darüber hinaus wäre jedenfalls auch eine kollektive rügelose Einlassung seitens sämtlicher geladener und auch erschienener Stadtratsmitglieder durch Beratung zum entsprechenden Tagesordnungspunkt erfolgt.
3. Ein eigenes organschaftliches Recht des Klägers kann auch nicht auf den Grundsatz der Öffentlichkeit, wie er in Art. 52 Abs. 2 GO Ausdruck findet, gestützt werden. Dabei wird die Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes als tragendes Verfahrensprinzip der Kommunalverfassung nicht verkannt (BayVGH, U.v. 26.1.2009 – 2 N 08.124 – juris Rn. 8). Diese Vorschrift dient aber lediglich dem öffentlichen Interesse (vgl. BayVerfGH, E.v. 15.2.1952 – Vf. 86-VI-51 – juris Ls. 3), wie sich schon aus ihrem Wortlaut und dem Zweck der Beteiligung der Öffentlichkeit ergibt. Sie verleiht dem einzelnen Gemeinderatsmitglied deshalb – anders als entsprechende Vorschriften in anderen Bundesländern (vgl. HessVGH, U.v. 6.11.2008 – 8 A 674/08 – NVwZ-RR 2009, 531; OVG NRW, U.v. 24.4.2001 – 15 A 3021/97 – DVBl 2001, 1281) – kein subjektives Recht auf Einhaltung der Öffentlichkeit (VG München, U.v. 19.2.2014 – M 7 K 13.2991 – juris Rn. 13; Bauer/Böhle/Ecker, GO, Stand: April 2013, Art. 52 Rn. 7 m.w.N). Der Gegenansicht, dass durch einen zu Unrecht erfolgten Ausschluss der Öffentlichkeit das einzelne Gemeinderatsmitglied in seinem freien Mandat beeinträchtigt wird, ist daher nicht zu folgen. Insofern kann dahinstehen, ob die Öffentlichkeit vorliegend zu Recht gemäß Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO ausgeschlossen worden ist.
Die Bedeutung der Sitzungsöffentlichkeit im demokratischen Rechtsstaat liegt vor allem in der Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaft und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie für die Willensbildung bei künftigen Wahlen zu schaffen. Mit dem Zweck, eine gesetzmäßige und sachgerechte Arbeit des Gemeinderats zu ermöglichen und Missdeutungen seiner Willensbildung und Beschlussfassung zu vermeiden, dient der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit allein dem öffentlichen Interesse an demokratischer Legitimation des Gemeinderats, seiner Kontrolle durch die Bürger und der bürgerschaftlichen Begleitung seiner Beratungen und Entscheidungen. Dem organschaftlichen Individualinteresse des Gemeinderatsmitglieds an öffentlicher Selbstdarstellung oder Vertretung der öffentlichen Interessen als „Sachwalter“ der Allgemeinheit ist der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht zu dienen bestimmt. Im Übrigen ist es Aufgabe der Kommunalaufsichtsbehörde, auf entsprechende Anregung oder von Amts wegen zu prüfen und zu entscheiden, ob im öffentlichen Interesse ein Einschreiten zur Wahrung des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen geboten ist (vgl. zum Ganzen VGH BW, U.v. 24.2.1992 – 1 S 2242/91 – juris Rn. 15 f.).
4. Eine wehrfähige Rechtsposition folgt auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass die Rechtswidrigkeit eines Gemeinderatsbeschlusses, der in einer nichtöffentlichen Sitzung gefasst wird, in einem kommunalverfassungsrechtlichen Verfahren gelten gemacht werden können muss, da diese ansonsten gar nicht überprüft werden könnte. Der Kläger übersieht dabei nämlich die Möglichkeit des rechtsaufsichtlichen Einschreitens gemäß Art. 109 ff. GO. Dem Kläger stand die Möglichkeit, ein aufsichtliches Einschreiten anzuregen, offen. Folglich ist das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz gewahrt. Weitergehender Rechtsschutz hingegen ist nach dem System der Verwaltungsgerichtsordnung wie aufgezeigt nicht vorgesehen.
5. Nach alledem war die vorliegende Klage bereits unzulässig, sodass die Frage, ob der gefasste Beschluss materiell rechtmäßig ist, nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung sein kann.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Absatz 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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