IT- und Medienrecht

(Landes) Disziplinarrecht, Disziplinarklage, Aberkennung Ruhegehalt, „Reichsbürgerbewegung“, Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung

Aktenzeichen  M 13L DK 18.4077

Datum:
17.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 47413
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 13
BayDG Art. 14 Abs. 2 S. 2
BeamtStG § 47 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts erkannt. 
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten gemäß Art. 13 BayDG erkannt.
Trotz Ausbleiben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2021 konnte entschieden werden, da der Beklagte ordnungsgemäß im Wege öffentlicher Zustellung geladen und auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen wurde, Art. 3 BayDG i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO.
I. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder i.S.v. Art. 53 Abs. 1 BayDG geltend gemacht noch von Amts wegen ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.
II. Dem Ruhestandsbeamten wird in der Disziplinarklage folgendes zur Last gelegt:
„1. In diversen Schreiben an das Finanzamt E … äußerte der Beklagte reichsbürgertypische Ansichten. Beispielhaft wird Folgendes ausgeführt:
a. Mit Schreiben vom …03.2014 (Bl. 98 ff. d.A.) zum Bescheid vom …01.2014 gibt der Beklagte als eigenes Geschäftszeichen „Staatssimulation 100314/3“ an und bezeichnet sich im Kopf des Schreibens als „L … Mann aus der Familie H …, Mensch und natürliche Person entspr. § 1 des staatlichen BGB“. Er fordert den Leiter des Finanzamtes E … auf, seine amtliche Legitimation in notariell beglaubigter Form zu erbringen sowie notarielle Beglaubigungen der Gründungsurkunden der Bundesrepublik Deutschland und des Bundeslandes Bayern beizubringen. Er setzt dazu eine Frist von 72 Stunden.
Im Fall der Nichteinhaltung der Frist gelte dies als Zustimmung zu einem privaten, kommerziellen Pfandrecht in Höhe von 30.000 Euro gegen den Leiter des Finanzamtes E … persönlich und zu einem Bußgeld in Höhe von 1.000.000 Euro für das Finanzamt E … Der Beklagte droht dem Leiter des Finanzamtes darüber hinaus an, ihn im Falle der Nichteinhaltung der Frist oder des Nichterbringens der geforderten Beweise in ein internationales Schuldnerverzeichnis aufnehmen zu lassen.
Der Beklagte fügte dem Schreiben einen angeblichen Brief des ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily vom …02.2004 bei, der an alle Beschäftigten des Bundesinnenministeriums, des Bundesgrenzschutzes, der Polizei und des Zolls adressiert ist und in dem unter anderem festgestellt wird, dass die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich de jure erloschen sei, dass jegliche Rechtsgrundlagen der Organe und Behörden der Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsgültigkeit mehr hätten und das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 weiter bestehe. Dieser Brief kursiert im Internet, ist jedoch gefälscht.
b. Im Schreiben vom …03.2014 (Bl. 101 f. d.A.) an den Leiter des Finanzamtes E … führt der Beklagte aus, dass es sich beim Finanzamt E … nicht um eine Behörde handele, die einen rechtsfähigen Staat vertrete, sondern um eine Staatssimulation ohne jede Rechtsgrundlage der Steuererhebung, ohne ein Staatsgebiet und ohne Staatsangehörige. Er fordert den Leiter des Finanzamtes auf, die von ihm bezahlten Steuern zurückzuzahlen. Für den Fall, dass das Finanzamt Maßnahmen gegen den Beklagten ergreife, fordere er die Vorlage des Dienstausweises und des Personalausweises des Leiters des Finanzamtes.
Der Beklagte kündigt an, an die privatrechtliche Firma (gemeint ist das Finanzamt E … ) weder irgendwelche Steuererklärungen abzugeben noch Steuern zu zahlen. Außerdem untersagt er dem Leiter des Finanzamtes, irgendwelche Daten oder Informationen an andere Stellen weiterzuleiten, da ihm eine staatliche Legitimation hierzu fehle. Dies betreffe z.B. die IHK oder auch andere „Behörden“ der Staatssimulation.
c. Im Schreiben vom …03.2014 (Bl. 103 f. d.A.) an den Leiter des Finanzamtes E … nimmt der Beklagte Bezug auf ein Antwortschreiben vom …03.2014. Er führt unter anderem aus, dass das Bundesverfassungsgericht eine Firma der Staatssimulation sei und weder der Leiter des Finanzamtes noch der Beklagte selbst Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland seien.
Er beendet den Brief mit den Worten: „Die Zeit ist gekommen. Das Volk erhebt sich. Das Licht erhellt die dunklen Machenschaften, auf dass auch Du erkennst, welchem Herrn Du gedient hast.“.
d. Mit Schreiben vom …04.2014 (Bl. 105 d.A.) an den Leiter des Finanzamtes E … fordert der Beklagte diesen auf, ihm eine notariell beglaubigte Gründungsurkunde des Staates Bundesrepublik Deutschland vorzulegen, dann würde er auch ganz sicher alle Steuern nachentrichten.
e. Im Schreiben vom …06.2014 (Bl. 106 d.A.) verweist der Beklagte auf eine Recherche, wonach es sich beim Finanzamt E … um eine Firma handele. Er fordert den Leiter des Finanzamtes E … auf, eine vorformulierte Erklärung zu unterzeichnen, dass der Staat Bundesrepublik Deutschland existiere und dass das Finanzamt E … rechtmäßig Steuern erheben dürfe. Sollte diese Erklärung bis …06.2014 nicht abgegeben werden, hätte der Beklagte bewiesen, dass es sich beim Finanzamt E … nicht um eine staatliche Einrichtung, sondern um eine Privatfirma handele, welche die Menschen durch eine fortgesetzte Täuschungshandlung ausbeute.
f. Der Beklagte fordert mit Schreiben vom …08.2014 (Bl. 107 ff. d.A.) den Leiter des Finanzamtes E … erneut auf, eine von ihm vorformulierte Erklärung zu unterzeichnen, dass der Staat Bundesrepublik Deutschland existent sei, Staatsangehörige habe und ein Staatsgebiet besitze und dass das Finanzamt als nachgeordnete Behörde rechtmäßig Steuern erheben dürfe.
g. Mit Schreiben vom …09.2014 (Bl. 113 ff. d.A.) fragt der Beklagte nach den geltenden Steuergesetzen und deren örtlichem Geltungsbereich.
h. Im Schreiben vom …10.2014 (Bl. 116 f. d.A.) verweist der Beklagte unter anderem darauf, dass der Bundestag, das Finanzamt E … und die „Staatssimulations-Gerichte“ in Unternehmensregistern eingetragen seien.
Er weist darüber hinaus darauf hin, der Leiter des Finanzamtes E … müsse sich die „Staatssimulationssteuer“ holen, wenn er sie kassieren wolle. Dann bräuchte der Beklagte nach § 823 BGB nur noch die rechtswidrige Handlung anführen und schon sei der Leiter des Finanzamtes E … dann für jeden Schaden privat haftbar.
Der Beklagte beendet den Brief mit den Worten: „Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht. Das Volk erwacht. Erwachen auch Sie. Die Zeit ist da.“.
i. Mit Schreiben vom …10.2014 (Bl. 118 d.A.) wirft der Beklagte dem Leiter des Finanzamtes E … vor, dass dieser bis dato nicht kundgetan habe, wo der Beklagte jeweils den Geltungsbereich für diese „Steuereintreibungsgesetze“ finden könne. Diese „Scheingesetze“ würden auf keinen Fall dort gelten, wo der Beklagte sich aufhalte.
Der Leiter des Finanzamtes E … könne sich enthaften, wenn er sich von seinem Vorgesetzten einen schriftlichen Handlungsbefehl zur Pfändung geben lassen würde.
Der Beklagte wünsche dem Leiter des Finanzamtes E … viel Erkenntnis und nicht mehr den Zwang, für Verbrechen einer Staatssimulation das Geld einfordern zu müssen.
j. Im Schreiben vom …02.2015 (Bl. 119 d.A.) mit der Überschrift „Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom …01.2015“ will der Beklagte wissen, wann die Abgabenordnung in Kraft getreten sei, weil er davon ausgehe, dass dieses Gesetz niemals in Kraft getreten sei. Außerdem möchte er den Geltungsbereich der Abgabenordnung mitgeteilt bekommen sowie eine Antwort auf die Frage, für welchen Staat dieses Gesetz gelte.
k. Mit Schreiben vom …02.2015 (Bl. 120 ff. d.A.) bietet der Beklagte der Adressatin, einer Mitarbeiterin des Finanzamtes E …, an, sie könne sich privat „enthaften“, wenn sie ihre Bedenken bei ihrem Dienstvorgesetzten vorbringe und sich von diesem bis …02.2015 einen schriftlichen Befehl für ihr Vorgehen geben lasse. Dann würde der Beklagte sie nicht zur Rechenschaft ziehen. Für den Fall, dass sie dies nicht täte, gibt der Beklagte der Adressatin den Tipp, den „Schadenfall“ schon jetzt ihrer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung zu melden. Seine Schadenersatzforderung werde unausweichlich sein. Melde sie den Schaden nicht an die Versicherung, begehe sie eine Obliegenheitsverletzung und der Versicherungsschutz könne ihr wegen ihres Fehlverhaltens verweigert werden.
Unterzeichnet ist der Brief – wie schon andere zuvor – mit „L … Mann aus der Familie H …“. Darunter steht Folgendes eingeklammert: „Diese Formulierung soll sagen, dass ich keine Person bin, das wäre ein Maskenwesen. Ich bin ein gefühlvoller, bewusster Mensch aus Fleisch und Blut. Deshalb habe ich auch keinen Personalausweis. Wessen Personal – Abhängiger wäre ich denn mit einem solchen Ausweis? Jener vielleicht der Staatssimulation „Bundesrepublik Deutschland“? Wollen Sie eigentlich eine „Bundesrepublik Deutschländerin“ sein oder wessen Staates Angehörige sind denn Sie?“.
l. Im Schreiben vom …06.2015 (Bl. 123 ff. d.A.) mit der Überschrift „Ihr diktatorisches Staatssimulatons-Aktenzeichen (…)“ führt der Beklagte zunächst aus, dass der Staat „Bundesrepublik Deutschland“ nicht existiere und die „Staatssimulationsgesetze“ keinen Geltungsbereich hätten. Er kommt zum Schluss, dass an seinem Wohnort die vom Finanzamt E … zu vollziehenden Gesetze keine Gültigkeit hätten. Der Beklagte erklärt der Adressatin, einer Mitarbeiterin des Finanzamtes E …, sie würde sich privat und persönlich schadenersatzpflichtig machen und er würde sich von ihr privat alles zurückholen, wenn die Zeit reif sei. Der Beklagte erklärt, dass dieses Schreiben auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Adressatin sei, weil sie die H …usgabe ihres Vornamens verweigere.
Er beendet das Schreiben mit „P.S.: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Die Zeit der Abrechnung naht.“.
Als Anlage legt der Beklagte eine an die Mitarbeiterin des Finanzamtes E … adressierte „Kulanzmitteilung (Courtesy Notice)“ bei, in der die Adressatin darüber in Kenntnis gesetzt wird, dass sie „für sämtliche verursachten rechtswidrigen und illegalen Handlungen gegen den Versender, (…) für Haupt- und Dreifach-Schadenersatz nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich und haftbar ist.“.
Als weitere Anlage legt er seine „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ bei, die ebenfalls persönlich an die Mitarbeiterin des Finanzamtes E … adressiert sind. Darin werden für zahlreiche Tatbestände, die aus Sicht des Beklagten z.B. bei Gerichtsvollziehereinsätzen regelmäßig tangiert werden, Tarifentgelte in Form von Feinsilberunzen erhoben.
Darüber hinaus ist erneut das gefälschte Schreiben von Otto Schily beigefügt.
m. In den Schreiben vom …05.2016 (Bl. 142 f. d.A.) und …06.2016 (Bl. 144 d.A.) bezeichnet der Beklagte das Finanzamt E … als Firma, zweifelt die Existenz der Bundesrepublik Deutschland an, nennt die Bundesrepublik Deutschland eine „Diktatur der Staatssimulation“, das Einkommenssteuergesetz ein „Nazi-Gesetz“ und weist darauf hin, dass seit 1982 die Staatshaftung aufgehoben und durch den „Bundesverfassungsbescheid“ vom …10.1982 stattdessen die persönliche Haftung für Beamte nach §§ 823, 839 BGB wieder eingeführt worden sei.
n. Mit Schreiben vom …08.2016 (Bl. 146 f. d.A.) an einen Mitarbeiter des Finanzamts E … „persönlich und privat als haftende Person bei Finanzamt E …“ macht der Beklagte Ausführungen zur Bundesrepublik Deutschland als „Staatssimulation“.
Als Anlage ist erneut das gefälschte Schreiben von Otto Schily beigefügt.
o. Wegen dieser Schreiben wurde gegen den Beklagten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen versuchter Nötigung geführt. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft L …t vom 21.06.2017 (Bl. 148 f. d.A.) wurde von der Verfolgung gem. § 154 Abs. 1 StPO abgesehen (Az.: 301 Js 12957/17).
2. Unter der Internetadresse gab der Beklagte unter dem Namen „… … … … … )“ eine „Willenserklärung von freien geistig-sittlichen Lebewesen menschlicher Natur“ der Reichsbürgerbewegung „Amt Deutscher Heimatbund“ ab.
3. Auch im Bußgeldverfahren der Staatsanwaltschaft L …t (Az.: 410 VRs 1568/15) zeigte der Beklagte reichsbürgertypische Verhaltensweisen:
a. Am …12.2014 legte der Beklagte gegen den Bußgeldbescheid vom …11.2014, der aufgrund einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ergangen war, Einspruch bei der Zentralen Bußgeldstelle in V … ein. Er wies die zuständige Sachbearbeiterin darauf hin, dass sie aufgrund ihrer Ausbildung wissen müsse, dass es einen Straftatbestand darstelle, ohne Rechtsgrundlage einen Mitmenschen zu verfolgen und dass sie damit rechnen müsse, durch ihre Verfolgungstechnik ein Verbrechen der Freiheitsberaubung zu begehen, da der Beklagte nicht bereit sei, irgendwelche Zahlungen zu leisten. Darüber hinaus brachte er zum Ausdruck, dass er den räumlichen Geltungsbereich des Straßenverkehrsgesetzes nicht anerkenne und deshalb keine Zahlung leiste.
b. In der auf den Einspruch folgenden öffentlichen Sitzung vor dem Amtsgericht E … am 05.03.2015 übergab der Beklagte dem Gericht schriftliche Unterlagen, aus denen sich ergeben solle, dass die BRD kein Staat sei, sondern ein Besatzungskonstrukt. Als gegen den Beklagten eine Geldbuße in Höhe von 100,00 Euro verhängt wurde, erklärte er, dass er diese nicht zahle, da er diese nicht anerkenne. Der Beklagte wies den Richter darauf hin, dass dieser ein Verbrechen provoziere.
c. Am …07.2015 wandte der Beklagte sich wegen einer Erzwingungshaftanordnung per Fax an das Amtsgericht E … und bezeichneten dieses im Anschreiben als „Firma angeblich Amtsgericht E …“. Im Text verwies der Beklagte auf seinen Schriftverkehr mit der „Firma Staatsanwaltschaft L …t“. Im weiteren Verlauf versuchte er, anhand der Angabe v …iedener Gesetzesstellen sowie einer Veröffentlichung auf der Internetseite des Deutschen Bundestages vom 30.06.2015 zu belegen, dass das Deutsche Reich nicht untergegangen sei. Weiter führte er aus, dass ihm die Wahrheit verbiete, der Freiheit b …ubt zu werden. Er bezeichnete die Bundesrepublik Deutschland mangels Staatsgebiet, Staatsbürger und mangels einer vom Volk bestätigten Verfassung als Staatssimulation.
Auch dem Schreiben an das Amtsgericht E … fügte der Beklagte eine sogenannte Kulanzmitteilung und den oben erwähnten Brief des ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily bei.
d. Am …07.2015 wandte der Beklagte sich an den zuständigen Richter. Das Amtsgericht E … bezeichnete er in der Anschrift als Firma. Er gab an, den Beschluss des Amtsgerichts E … vom 13.07.2015 nicht anzuerkennen. Weiter versuchte er zu erklären, dass das Straßenverkehrsgesetz wegen der fehlenden Zitierung des räumlichen Geltungsbereichs nicht gültig sei und damit der Beschluss nicht rechtskräftig sein könne. Er verwies darauf, dass es sich um eine Verfolgung Unschuldiger handele und dass durch die ahnungslosen Erfüllungsgehilfen nun ein Verbrechen der Freiheitsberaubung begangen werde. Weiter bezeichnete er die Richterin und ihren Kollegen als „diktatorische Staatssimulationspraktiker“.
e. Mit Schreiben vom …08.2015 wandte der Beklagte sich an die Staatsanwaltschaft L …t, in der Anschrift bezeichnet als „Firma angeblich Staatsanwaltschaft L …t“, bedankte sich für die „nette Einladung“ zum Antritt der Erzwingungshaft und gab an, dass er an der „Erzwingungshaftparty“ nicht teilnehme. Weiter wies er darauf hin, dass die Adressaten in ihrer Staatssimulation Gefahr laufen würden, ein Verbrechen der Freiheitsberaubung zu begehen.
Die dem Schreiben beigefügte Kulanzmitteilung an die Adressaten weist auf die Bewegung One Peoples´ Public Trust (OPPT) hin. Weiter fügte der Beklagte dem Schreiben den oben genannten gefälschten Brief des ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily vom 14.02.2004 bei.
f. Am …10.2015 weigerte der Beklagte sich, trotz vorliegendem Erzwingungshaftbefehl eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro zu zahlen. Daraufhin wurde der Haftbefehl vollzogen und der Beklagte in die JVA L …t verbracht.
4. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt am …01.2016 beleidigte der Beklagte vor dem Anwesen … … … …, den Obergerichtsvollzieher G … … im Rahmen einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen ihn mit den Worten „greislicher Nazi“, um seine Missachtung auszudrücken.
Wegen dieses Sachverhalts wurde durch das Amtsgericht E … am 21.06.2016 ein Strafbefehl verhängt, welcher seit 08.07.2016 rechtskräftig ist. Es wurde wegen Beleidigung eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen von je 40 Euro verhängt (Az.: 302 Js 19728/16).
5. Am …04.2016 unterstützten Beamte der PI E … Herrn Obergerichtsvollzieher G … … auf Ersuchen bei der Vollstreckung eines abwendbaren Haftbefehls beim Beklagten. Er verweigerte zunächst alle Maßnahmen. Erst als es um den Vollzug des Haftbefehls ging, zeigte er sich unter Protest zur Zahlung bereit.
6. Im Rahmen eines Einsatzes wegen eines vorliegenden Haftbefehls gegen den Beklagten am …04.2016 lehnte er die Ansprache mit seinem Namen ab. Er wollte stattdessen als „Mensch M … zu S …“ angesprochen werden. Er bezeichnete die Polizeibeamten als „Mietmenschen“ einer ungültigen Regierung.
Der Beklagte versuchte, die eingesetzten Polizeibeamten zum Lesen von Schriftstücken, welche die Unrechtmäßigkeit des Staates hervorheben würden, zu bewegen. Er bestand auf Anzeigenaufnahme gegen den Dienststellenleiter der PI E … wegen Strafvereitelung im Amt und Nötigung sowie auf die Herausgabe der Namen der Polizeibeamten, damit er diese zur Anzeige bringen könne. Nachdem er die Namen der Polizeibeamten erfahren hatten, leistete er die Zahlung von 250 Euro, um den Haftbefehl abzuwenden.
7. Mit Schreiben vom …06.2016 wandte der Beklagte sich an Polizeirat A … von der PI E … In dem Brief bezeichnet er sich als „L … Mann aus der Familie (H … )“. Er fordert in dem Brief den Leiter der PI E … auf, eine bestimmte Stelle des Internetangebotes des Bundestages zu lesen und sich dort zu versichern, dass das Deutsche Reich nicht untergegangen sei. In der weiteren Argumentation bezeichnet der Beklagte die Bundeskanzlerin, die Minister und alle Beschäftigten des Staates als Angehörige einer Reichsbürgerbewegung. Außerdem bat er den Adressaten um Beantwortung der Frage, wie der Staat heiße, dessen Gesetze er ausführe, und wies ihn darauf hin, dass seit 1982 die Staatshaftung aufgehoben und durch den BVerfG-Entscheid vom 19.10.1982 stattdessen die persönliche Haftung für Beamte wiedereingeführt worden sei nach §§ 823 und 839 BGB.
In den Anlagen fügte der Beklagte eine von mehreren Personen der „Heimatgesellschaft C …“ unterzeichnete Willenserklärung sowie seine „Allgemeinen Handelsbedingungen und Gebührenordnung“ bei, in der die Kosten für verschiedene Tatbestände wie z.B. Androhung von Zwangsmaßnahmen, politische Verfolgung oder Anwendung ungültiger oder rechts- oder grundgesetzwidriger Gesetze aufgeführt sind. Die Gebühren dafür reichen bis zu einer Höhe von 3 Millionen Euro.
Die an den Dienststellenleiter der PI E … übersandte Gebührenordnung sollte diesen dazu veranlassen, auf polizeiliche Eingriffsmaßnahmen beim Beklagten entweder selbst oder durch beauftragte Beamte zu verzichten.
Mit Entscheidung des AG E … (Az.: 301 Js 29879/16) vom 27.09.2016, rechtskräftig seit 14.10.2016, wurde der Beklagte insoweit wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen a 40 Euro verurteilt.
Dem Schreiben vom 12.06.2016 legte der Beklagte eine „Urkunde“ mit der Aufschrift „Öffentlicher Eid und Urkunde – Willenserklärung declarativo voluntatif von dem Mann m … l … von S … lebendgeb. … … … … nach § 143 Abs. 1 BGB und § 130 Abs. 1 BGB auf C … i H …, den … n.Chr.“ (Bl. 76 ff. d.A.) bei.
Auf Seite 6 des Schreibens erklärt er, die Staatsangehörigkeit „Königreich Bayern“ vor RuStAG vom 22.07.1913 durch Abstammung erworben zu haben. Weiter erklärt er, auf die Staatsangehörigkeit nach Art. 116 GG nach § 26 StAG zu verzichten.
Auf Seite 8 unterschrieb der Beklagte mit dem Namen „M … L … von S …“.
Das Schreiben ist auf Seite 8 von 5 weiteren Angehörigen der Heimatgesellschaft C … unterzeichnet.
Auf Seite 11 des Schreibens befinden sich ein Stempel der „Heimatgemeinde C …“ sowie eine nichtleserliche Unterschrift eines Oberamtmanns der „Heimatgesellschaft C …“.
8. Mit Schreiben vom …06.2016 an die Staatsanwaltschaft G …, Herrn Rechtspfleger B … persönlich, das am gleichen Tage bei der Staatsanwaltschaft G … eingegangen ist, führt der Beklagte in Beziehung auf ein durch den Geschädigten B … gegen ihn geführtes Vollstreckungsverfahren aus, dass die vom Geschädigten angewandten „Vollstreckungsgesetze“ „Nazigesetze“ seien und der Geschädigte B … mithin als „Nazi“ bezeichnet werden dürfe. Des ehrverletzenden Charakters dieser Äußerung war sich der Beklagte bewusst.
Aufgrund dieses Sachverhalts erließ das Amtsgericht G … gegen den Beklagten am …01.2017 einen Strafbefehl, in dem gegen ihn wegen Beleidigung eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 € festgesetzt wurde (Az.: 171 Js 24234/16). Der Strafbefehl ist seit …01.2017 rechtskräftig.
Mit Beschluss des Amtsgerichts E … vom …04.2017 (Bl. 238 f. d.A.), rechtskräftig seit …05.2017 (Az.: 301 Js 29879/16), wurde diese Einzelstrafe unter Einbeziehung der Einzelstrafen des Strafbefehls des Amtsgerichts E … vom …09.2016 wegen Nötigung (Az.: 7 Cs 301 Js 29879/16; vgl. Ziffer I.7) und des Strafbefehls des Amtsgerichts E … vom …06.2016 wegen Beleidigung (Az.: 7 Cs 302 Js 19728/16; vgl. Ziffer I.4) auf eine Gesamtgeldstrafe von 105 Tagessätzen zu je 40,00 € zurückgeführt.
9. Bei der Überprüfung der Wohnung des Beklagten durch Beamte des K-Fahndung der KPI E … am …07.2016 wurde an der Haustüre eine Klarsichthülle festgestellt, auf der Folgendes zu lesen war: „Handelsbedingungen mit Gebührenordnung gültig für alle Behordeten (Behörden) und deren Erfüllungsgehilfen sowie meine Willenserklärung + Infomaterial“.
Unten war folgender Hinweis angebracht: „M … von S … … … … souverän, geistig-sittliches Wesen menschlicher Natur.“.
Seitlich stand geschrieben: „Bitte Kenntnis nehmen vor jedem Eingriff. Weigerung gilt als Kenntnis!!! Nach gültigem Handelsrecht.“.
In der Mitte war in Großbuchstaben zu lesen: „Du denkst wenn etwas in ein Gesetz gefasst wird ist es gut. Legal und richtig?. Wer dagegen verstößt, ein Verbrecher? Was wenn die Gesetze von den Verbrechern geschrieben werden?“.
In der Klarsichthülle befanden sich eine Allgemeine Willenserklärung, die Allgemeinen Handelsbedingungen sowie die Gebührenordnung.
10. Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem …08.2016 rief der Beklagte im Internet als „M … von S …“ dazu auf, ab …08.2016 die Kfz-Kennzeichen der „organisierten freien Menschen“ auf dem Kopf stehend an den Fahrzeugen anzubringen. Die auf dem Kopf stehenden Kennzeichen sollten analog einer Geschichte aus dem römischen Senat verdeutlichen, wie viele Mitstreiter sich solidarisch für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und die Wahrheit einsetzen würden.
11. An der Holzscheune auf Ihrem Grundstück befand sich von außen sichtbar am …02.2017 ein Schild mit dem Wappen und der Aufschrift „Königreich Bayern“.“
Der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt, dem dieser nicht entgegengetreten ist, steht aufgrund der vorgelegten Akten auch zur Überzeugung des Gerichts fest.
III. Der Beklagte hat dadurch ein einheitliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 2 BeamtStG begangen, da er sich durch den ihm zur Last gelegten Sachverhalt gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigte.
Die Pflicht zur Verfassungstreue stellt eine Kernpflicht eines Beamten gegenüber dem Staat dar, die auch über die aktive Dienstzeit hinausgeht und Ruhestandbeamte entsprechend verpflichtet, § 47 Abs. 2 BeamtStG. Dabei ist der Pflichtenrahmen für Ruhestandsbeamte insoweit enger gezogen, als sich die Pflicht eines Ruhestandsbeamten auf ein Verbot der Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bezieht, während von einem aktiven Beamten ein Gebot zum Bekenntnis für die freiheitlich demokratische Grundordnung und eine Verpflichtung, für sie einzutreten, besteht. Ein Ruhestandsbeamter begeht folglich ein Dienstvergehen, wenn er sich selbst verfassungsfeindlich betätigt, wofür entsprechend Aktivitäten feindseliger Art gefordert werden (vgl. BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – beck-online; vgl. VG Ansbach, U.v. 6.11.2019 – AN 13b D 18.529 – beck-online Rn. 242 ff.).
Der Kläger hat in der Disziplinarklage ausführlich und in zutreffender Weise dargelegt, dass sich der Beklagte durch das ihm zur Last gelegte Verhalten und der daraus deutlich zu Tage tretenden Zugehörigkeit zur sog. „Reichsbürgerbewegung“ gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt hat.
Das Gericht macht sich insoweit die nachfolgend zitierten Ausführungen zu eigen:
„b. In Anbetracht des gezeigten Verhaltens und seiner Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ hat der Beklagte sich nach Auffassung der Disziplinarbehörde gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt.
Der „Reichsbürgerbewegung“ gehören Personen und heterogene Gruppierungen an, die – mit zum Teil unterschiedlichen Begründungen – unter Berufung auf das historische Deutsche Reich die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen, das Rechtssystem nicht anerkennen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen und deshalb bereit sind, Verstöße gegen die Rechtsordnung zu begehen. Die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung manifestiert sich weniger in der formalen Mitgliedschaft in einzelnen Gruppierungen als vielmehr in reichsbürgertypischen Äußerungen, einem entsprechenden öffentlichen Auftreten sowie im Rückgriff auf reichsbürgertypische Handlungsmuster, welche zum Ausdruck bringen, kein Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu sein, sondern einem eigenständigen Staatsgebilde anzuhängen.
aa. Mit den unter Ziffer I.1, I.3 und I.7 geschilderten Äußerungen in zahlreichen Schreiben an das Finanzamt E …, die Staatsanwaltschaft L …t sowie die PI E … setzt der Beklagte die freiheitlich demokratische Grundordnung h …b, diffamiert verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen und fordert zum Bruch geltender Gesetze auf.
Der Beklagte spricht darin an, dass es sich bei dem Finanzamt E … nicht um eine Behörde handele, die einen rechtsfähigen Staat vertrete, sondern um die Vertretung einer Staatssimulation ohne jede Rechtsgrundlage der Steuererhebung, ohne ein Staatsgebiet und ohne Staatsangehörige. Außerdem zweifelt er die amtliche Legitimation des Leiters des Finanzamts E … an. Der Beklagte kündigt daher an, an die privatrechtliche Firma (gemeint ist das Finanzamt E … ) weder irgendwelche Steuererklärungen abzugeben noch Steuern zu zahlen.
Der Beklagte fügt seinen Schreiben oftmals einen angeblichen – gefälschten – Brief des ehemaligen Bundesinnenministers Otto Schily bei, in welchem u.a. festgestellt wird, dass die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich de jure erloschen sei, dass jegliche Rechtsgrundlagen der Organe und Behörden der Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsgültigkeit mehr hätten und dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 weiter bestehe.
Er selbst sei kein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland.
Der Beklagte führt aus, dass das Bundesverfassungsgericht eine Firma der Staatssimulation sei; auch bei dem Finanzamt E … handele es sich lediglich um eine Firma. Bei den „Steuereintreibungsgesetzen“ würde es sich um „Scheingesetze“ handeln, die auf keinen Fall dort gelten, wo er sich aufhalte. Weiter spricht er davon, dass die Abgabenordnung niemals in Kraft getreten sei. Er komme daher zum Schluss, dass an seinem Wohnort die vom Finanzamt zu vollziehenden Gesetze keine Gültigkeit hätten.
Der Beklagte fordert die Vorlage notarieller Beglaubigungen der Gründungsurkunden der Bundesrepublik Deutschland und des Bundeslandes Bayern.
Er zweifelt die Existenz der Bundesrepublik Deutschland an, nennt dieselbe mangels einer vom Volk bestätigten Verfassung eine „Diktatur der Staatssimulation“ und ein Besatzungskonstrukt, das Einkommenssteuergesetz bezeichnet er als „Nazi-Gesetz“ und weist darauf hin, dass seit 1982 die Staatshaftung aufgehoben und durch den „Bundesverfassungsbescheid“ vom 19.10.1982 stattdessen die persönliche Haftung für Beamte nach §§ 823, 839 BGB wieder eingeführt worden sei.
Der Beklagte erkennt den räumlichen Geltungsbereich des Straßenverkehrsgesetzes nicht an, erklärt dieses deshalb für ungültig und zweifelt an der Legitimation von Richtern; er bezeichnet diese stattdessen als „diktatorische Staatssimulationspraktiker“. Er bezeichnet das Amtsgericht E … als „Firma angeblich Amtsgericht“ und die Staatsanwaltschaft L …t als „Firma angeblich Staatsanwaltschaft L …t“.
Im Schreiben an den Polizeirat A … von der PI E … bezeichnet der Beklagte die Bundeskanzlerin, die Minister und alle Beschäftigten des Staates als Angehörige einer Reichsbürgerbewegung.
Er gibt schließlich an, die Staatsangehörigkeit „Königreich Bayern“ vor RuStAG vom 22.07.1913 durch Abstammung erworben zu haben und auf die Staatsangehörigkeit nach Art. 116 GG nach § 26 StAG zu verzichten.
Im Rahmen eines Einsatzes wegen eines vorliegenden Haftbefehls gegen den Beklagten am …04.2016 bezeichnete er die anwesenden Polizeibeamten als „Mietmenschen“ einer ungültigen Regierung und sprach ihnen damit die amtliche Legitimation ihres Handelns ab.
Bei dem unter Ziffer I.1.a genannten Schreiben vom …03.2014 an den Leiter des Finanzamtes E … handelt es sich um ein reichsbürgertypisches Vorgehen. Für den Fall der Nichtvorlage notariell beglaubigter Gründungsurkunden der BRD u.a. durch den Leiter des Finanzamtes fingiert der Beklagte ein Pfandrecht und fordert die Zahlung einer siebenstelligen Summe. Ebenso bedrohte er eine Mitarbeiterin des Finanzamt E … mit einer angeblichen Schadensersatzforderung, welche sie schon einmal ihrer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung melden solle; die Schadenersatzforderung des Beklagten werde unausweichlich sein (vgl. Ziffer I.1.k). Wie in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. etwa OVG Magdeburg, Beschluss vom 21.05.2015 – 10 M 4/15, Rn. 23), besteht kein Anlass, derartige reichsbürgertypische Schreiben als „harmlose Spinnerei“ abzutun. Vielmehr sind sie als ernst gemeinter Versuch des Aufbaus einer Drohkulisse zu verstehen. Hiermit machte der Beklagte sich also reichsbürgertypische Handlungsmuster durch konkrete Handlungen zu eigen (vgl. OVG Magdeburg a.a.O.: „bewusstes, zielgerichtetes Gebrauchmachen“ durch Versenden entsprechender Schreiben).
Die unter Ziffer I.2 abgegebene „Willenserklärung von freien geistig-sittlichen Lebewesen menschlicher Natur“ entspricht ebenso dem Gedankengut der Reichsbürgerbewegung. Gleichermaßen verhält es sich mit den unter Ziffer I.9 genannten, an der Haustüre aufgefundenen Schriftstücken (Allgemeine Handelsbedingungen, Gebührenordnung, etc.), da diese für Anhänger der Reichsbürgerbewegung typische Inhalte und Formulierungen enthalten.
Das unter Ziffer I.4, I.5, I.6, I.8 sowie I.10 geschilderte öffentliche Verhalten weist ebenso reichsbürgertypische Verhaltensweisen auf. Es manifestiert sich hierin die mangelnde Anerkennung des Beklagten der im Dienste des Staates handelnden Personen sowie der Gültigkeit der Rechtsordnung. So beleidigte er zum einen Herrn Obergerichtsvollzieher D … im Rahmen einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen ihn mit den Worten „greislicher Nazi“ und zum anderen Herrn Rechtspfleger B … in Beziehung auf ein durch den Geschädigten B … gegen ihn geführtes Vollstreckungsverfahren als „Nazi“, um jeweils seine Missachtung auszudrücken. Ebenso bezeichnete der Beklagte Polizeibeamte während eines Einsatzes wegen eines vorliegenden Haftbefehls gegen ihn als „Mietmenschen“ einer ungültigen Regierung. Schließlich forderte er im Internet dazu auf, die Kfz-Kennzeichen der „organisierten freien Menschen“ auf dem Kopf stehend an den Fahrzeugen anzubringen und rief damit zum Verstoß gegen eine sonstige Pflicht des Fahrzeugführenden nach § 23 Abs. 1 S. 3 StVO auf, wonach jeder Fahrzeugführende dafür zu sorgen hat, dass die vorgeschriebenen Kennzeichen stets gut lesbar sind. Auch durch dieses Verhalten wird deutlich, dass der Beklagte die Rechtsordnung mit ihren gültigen rechtlichen Normen nicht anerkennt.
Mit dem unter Ziffer I.11 beschriebenen Wappen „Königreich Bayern“ auf seinem Grundstück bringt der Beklagte zum Ausdruck, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in ihrem heutigen Bestand zu leugnen und nicht anzuerkennen.
Die Äußerungen und Handlungen des Beklagten gehen über eine bloße Kritik an bestehenden Zuständen hinaus. Er stellt vielmehr die Grundlagen des deutschen Rechtsstaates, die Geltung des Grundgesetzes sowie die verfassungsmäßigen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland in Frage.
Die Grenzen einer sich im Rahmen der Verfassung haltenden Kritik werden überschritten, wenn bei der Beschreibung der Verfassungswirklichkeit sowie der wirklichen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Außerachtlassung jeder Bemühung um Augenmaß an die Stelle des kritischen Urteils eine Darstellung tritt, die im Einzelnen kritikwürdige Zustände bewusst entstellt, sodass der Eindruck entsteht, die „Missstände“ hätten letztlich ihre Ursache in der Grundordnung selbst (Zängl: Bayerisches Disziplinarrecht, MatR/II, Rn. 108). Bei der Reichsbürgerideologie, welche auch der Beklagte vertritt, handelt es sich nicht um eine punktuelle Kritik an politischen oder gesellschaftlichen Verhältnissen, sondern um die Leugnung der Legitimität des Staates und seiner Organe schlechthin (vgl. auch VG München, Beschluss vom 20.06.2016 – M 5 S 16.1250: Verhalten nicht von der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Grundgesetz gedeckt). Zudem basiert die Reichsbürgerideologie auf objektiv nicht nachvollziehbaren bzw. erwiesenermaßen falschen Behauptungen, die keinerlei rationalen Zugang etwa für eine Diskussion eröffnen. Es handelt sich daher nicht um Kritik an Staat oder Gesellschaft, sondern schlicht um (bewusste) Leugnung unter Zugrundelegung falscher Behauptungen. Insofern liegt auch keine „kritische“ Hinterfragung des zeitgenössischen Geschichtsverständnisses vor, über die (wissenschaftlich) diskutiert werden könnte, da sich entsprechende „Argumentationsstränge“ der Reichsbürgerbewegung von den Grundsätzen der Logik, Dogmatik und der intersubjektiven Nachprüfbarkeit verabschiedet haben. bb.
Die oben genannten Schreiben sowie die unter Ziffer I. beschriebenen sonstigen Verhaltensweisen erfüllen auch das Tatbestandsmerkmal „betätigen“ im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 BeamtStG. Dieses Merkmal erfordert eine gesteigerte Aktivität des Ruhestandsbeamten. Einmalige Handlungen ohne Außenwirkung können demnach ohne Hinzutreten weiterer Faktoren regelmäßig nicht als Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gewertet werden. Anders verhält es sich, wenn durch nachhaltiges reichsbürgertypisches Verhalten eine Außenwirkung entsteht, insbesondere wenn das Verhalten in der Öffentlichkeit bekannt wird. So können etwa Interviews, Reden, Publikationen oder die aktive Teilnahme an Reichsbürgerveranstaltungen als Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. als Teilnahme an Bestrebungen, die darauf abzielen, den Bestand der Bundesrepublik zu beeinträchtigen, gewertet werden.
Der Beklagte versucht durch seine Schreiben, nachhaltig und gezielt auf verschiedene staatliche Einrichtungen, wie das Finanzamt, die Staatsanwaltschaft oder sonstige Amtsträger einzuwirken. Damit betätigt er sich bewusst gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.“
Der Beklagte handelte schuldhaft und ohne Schuldausschließungs- und Rechtfertigungsgründe.
IV. Das (einheitliche) Dienstvergehen wiegt derart schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG, dass ein endgültiger und vollständiger Vertrauensverlust des (ehem.) Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten eingetreten ist. Wäre der Beklagte noch im Dienst, wäre er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Folglich ist ihm als Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt i.S.v. Art. 13 BayDG abzuerkennen, Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, seinem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG wäre bei einem aktiven Beamten die Höchstmaßnahme in Betracht.
Dem liegt zugrunde, dass es die Grundlagen des Beamtenverhältnisses nicht zulassen, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung ablehnen oder offensichtlich in Frage stellen (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 91). Die verfassungsrechtliche Konstituierung einer wehrhaften Demokratie schließt es aus, dass der Staat, dessen verfassungsmäßiges Funktionieren auch von der freien inneren Bindung seiner Amtsträger an die geltende Verfassung abhängt, zur Ausübung staatlicher Gewalt Amtsträger im Dienst belässt, die die freiheitliche demokratische Grundordnung in grundsätzlicher Weise ablehnen oder jedenfalls offenkundig in Frage stellen (vgl. BVerfG, B.v. 6.5.2008 – 2 BvR 337.08 – juris Rn. 18 und 22). Diese Kernaufgabe kann nicht erfüllen, wer die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und damit auch seinen eigenen Beamtenstatus leugnet oder in Frage stellt (vgl. VG Trier, U.v. 14.8.2018 – 3 K 2486/18.TR – juris Rn. 102 f.). Außerdem begegnen Dienstherr, Kollegen und vor allem Bürger einem Polizeibeamten, der der „Reichsbürgerszene“ oder auch nur ihrem Gedankengut nahesteht und dies auch kundtut, mit Unverständnis und bringen ihr nicht mehr das erforderliche Vertrauen entgegen, was letztlich zu einem Ansehensschaden der Polizei führt (VG Ansbach, U.v. 29.11.2018 – AN 13a D 18.00600 – juris Rn. 262).
Schon durch die gesetzgeberische Wertung in § 47 Abs. 2 BeamtStG sowie in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG zum Ausdruck gebracht, wirkt dies – unter Beachtung des dargestellten graduellen Unterschieds des Pflichtenkreises – bis in den Ruhestand fort. Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht eines Ruhestandsbeamten hat erhebliches Gewicht und ein Versagen im Kernpflichtbereich dar. In der vorliegenden Weise hat sich der Beklagte derart schwerwiegend pflichtwidrig verhalten, dass eine mildere Maßnahme als die Höchstmaßnahme nicht mehr in Betracht kommt. Schließlich verfolgte der Beklagte die reichbürgerliche Ideologie über Jahre in einer beharrlichen und ausdrucksstarken Weise. Dass er mit Ausnahme des ihm zur Last gelegten Verhaltens darüber hinaus weder strafrechtlich noch disziplinarisch in Erscheinung getreten ist, fällt insoweit nicht beachtlich ins Gewicht.
Milderungsgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für eine verminderte Steuerungsfähigkeit i.S.v. § 21 StGB, zumal es sich bei der verletzten Pflicht um eine einerseits sehr gewichtige, andererseits leicht einsehbare, gar offensichtliche Pflicht eines Ruhestandsbeamten handelt, den Staat, von dem er Ruhegehalt bezieht, nicht abzulehnen und ihm jede Legitimation abzusprechen. Auch angesichts dessen, dass die Ruhestandsversetzung des Beklagten im Jahre 1995 im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung stand, vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass der Ruhestandsbeamte die erhebliche Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht einzusehen vermochte.
Die Aberkennung des Ruhegehalts als Höchstmaßnahme ist im Übrigen auch verhältnismäßig. Eine mildere Maßnahme würde der Schwere des Dienstvergehens unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls nicht gerecht werden.
Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Klageschrift verwiesen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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