IT- und Medienrecht

Nachträgliche Minderung des Kaufpreises eines Dieselfahrzeugs wegen Installation einer “Schummelsoftware” durch den Hersteller

Aktenzeichen  3 O 677/16

Datum:
20.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155544
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 278, § 434 Abs. 1, § 437 Nr. 2, § 439, § 441 Abs. 1
VO (EG) 715/2007 Art. 10 Abs. 1
StVZO § 19
VwVfG § 44 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Durch die Bewerbung bzw. Benennung eines Fahrzeuges mit dem Merkmal „Blue Motion Technology“ geht einher, dass diese Maßnahmen ein sparsames Fahren sowie geringe Emissionen mit sich bringen sollen. Jedoch ist nicht Gegenstand dieses Ausstattungsmerkmals die Zusage eines bestimmten Abgaswertes, sondern lediglich eine Gebrauchsoptimierung relativ zu anderen Fahrzeugen desselben Typs ohne entsprechende Ausstattungsmerkmale. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es liegt ein Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor, wenn ein Fahrzeug zur Regulierung des Stickstoffausstoßs mit einer sogenannten Schummelsoftware ausgestattet ist. Denn wegen dieser Manipulation weist das Fahrzeug keine Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Denn eine solche technische Vorrichtung sorgt dafür, dass im Prüfstandbetrieb eine Abgasreinigung vorgetäuscht wird, die im Alltagsbetrieb schon grundsätzlich nicht stattfindet.  (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verwendung einer Software, die das Emissionsverhalten gezielt beim Betrieb auf einem Rollenprüfstand und dem entsprechenden Prüfzyklus „optimiert“, wodurch Emissionswerte erzielt werden, die außerhalb dieser Prüfkonfiguration unter normalen Betriebsbedingungen nicht erzielt werden können, verstößt gegen Art. 10 Abs. 1 der unionsrechtlichen Verordnung (EG) 715/2007. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Durchschnittskäufer eines Pkw kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise, insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit aus der Tatsache, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
5. Es ist zweifellos möglich, dass ein Händler das Software-Update der Motorsoftware aufspielt und gegebenenfalls weitere Änderungen an der Motortechnik durchführt, auch wenn diese Maßnahmen durch den Hersteller vorbereitet worden sind. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.501,- € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Rückzahlung nach Minderung gem. §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1 S. 1, S. 2, 441 BGB zu. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor.
Zwar ist das streitgegenständliche Fahrzeug mangelhaft, jedoch steht einem Minderungsrecht des Klägers entgegen, dass er der Beklagten eine Möglichkeit zur Nachbesserung nicht hinreichend eingeräumt hat.
1. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mangelbehaftet. Gem. § 434 Abs. 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängel, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffen hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
a.) Zwar weicht das streitgegenständliche Fahrzeug nicht negativ von der zwischen den Parteien im Kaufvertrag vereinbarten Beschaffenheit ab. Denn soweit im Kaufvertrag in diesem Punkt ein Fahrzeug mit „Blue Motion Technology“ verkauft wurde und damit das Vorhandensein dieser Eigenschaft vereinbart wurde, verfügt das Fahrzeug darüber. Auch wenn der Klagepartei zuzugestehen ist, dass durch die Bewerbung bzw. Benennung des Fahrzeuges mit dem Merkmal „Blue Motion Technology“ einhergeht, dass diese Maßnahmen ein sparsames Fahren sowie geringe Emissionen mit sich bringen sollen. Jedoch ist nicht Gegenstand dieses Ausstattungsmerkmals, die Zusage eines bestimmten Abgaswertes, sondern lediglich eine Gebrauchsoptimierung relativ zu anderen Fahrzeugen desselben Typs ohne entsprechende Ausstattungsmerkmale.
b.) Allerdings liegt ein Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor. Denn das streitgegenständliche Fahrzeug weist angesichts der dargestellten Manipulation keine Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Denn eine technische Vorrichtung sorgt dafür, dass im Prüfstandbetrieb eine Abgasreinigung vorgetäuscht wird, die im Alltagsbetrieb schon grundsätzlich nicht stattfindet. Das streitgegenständliche Fahrzeug nutzt eine unzulässige Software zur Motorsteuerung und zur Reduzierung von Schadstoffwerten beim Betrieb des Fahrzeugs auf einem Rollenprüfstand. Dies folgt bereits aus dem Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 04.02.2016 sowie der Einlassung der Beklagten in der Klageerwiderung, in denen bestätigt wird, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über eine Software verfügt, die bei Dieselmotoren des Typs EA189 den Ausstoß von Stickoxid auf dem Rollenprüfstand optimiert.
Die Verwendung einer solchen Software verstößt nach Auffassung des Gerichtes gegen Art. 10 Abs. 1 der VO (EG) 715/2007, nach dem der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten hat, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Der Hersteller des Fahrzeuges nutzt hier eine Software, die das Emissionsverhalten gezielt beim Betrieb auf einem Rollenprüfstand und dem entsprechenden Prüfzyklus „optimiert“, wodurch Emissionswerte erzielt werden, die außerhalb dieser Prüfkonfiguration unter normalen Betriebsbedingungen nicht erzielt werden können.
Ein Durchschnittskäufer – ganz gleich, ob der eines Neu- oder Gebrauchtfahrzeuges – kann davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise, insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Insoweit resultiert die Mangelhaftigkeit aus der Tasache, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstandlauf nur aufgrund der manipulierten Software einhält.
2. Dem vom Kläger ausgeübten Minderungsrecht steht allerdings entgegen, dass er der Beklagten eine Möglichkeit zur Nachbesserung (§ 439 BGB) nicht hinreichend eingeräumt hat. Gem. § 441 Abs. 1 BGB kann der Käufer statt zurückzutreten den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern. Eine Minderung wegen Sachmangels kommt daher nur in Betracht, wenn die „Hürde“ der Nacherfüllung genommen ist. Die Minderung setzt damit zusätzlich zum Vorliegen eines Mangels voraus, dass die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist oder eine Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich war.
a.) Die Nacherfüllung ist vorliegend aber gerade nicht fehlgeschlagen. Denn der Kläger hat das Angebot der Beklagten zur Nacherfüllung durch deren Schriftsatz vom 15.06.2016 nicht angenommen. Die Beklagte hat dem Kläger in diesem Schreiben mitgeteilt, dass ein Aufspielen der Software nun kostenlos und durch einen VW – Partner seiner Wahl oder die Beklagte selbst stattfinden kann. Der Kläger ist auf dieses Nacherfüllungsangebot jedoch nicht eingegangen, sondern hat die Minderung erklärt.
Der Kläger kann sich dabei nicht darauf berufen, dass die Nacherfüllung nicht in der von ihm geforderten Form, insbesondere durch Abgabe der zusätzlichen Erklärung der Beklagten gemäß Schreiben des Klägervertreters vom 21.04.2016 angeboten hat. Dem Kläger steht zwar im Rahmen seines Nacherfüllungsverlangens gem. § 439 Abs. 1 BGB ein Wahlrecht dahingehend zu, ob er Beseitigung des Mangels an der gelieferten Sache oder Lieferung einer mangelhaften Sache verlangt, nicht jedoch einen Anspruch auf Abgabe einer derartigen Erklärung gegenüber der Beklagten. Eine solche ist zur Wahrung der Interessen und Rechte aus der Nacherfüllung weder geeignet, noch erforderlich.
b.) Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war im vorliegenden Fall auch nicht etwa entbehrlich, weil die Nacherfüllung in Form der Nachbesserung gemäß § 275 BGB unmöglich war. Hiervon ist auch die Klagepartei letztendlich ausgegangen, indem sie immer wieder Fristen zur Abgabe der geforderten Erklärung und Nacherfüllung gesetzt hat. Sofern sie nun behauptet, es liege eine Verweigerung der Nacherfüllung sowie eine Ungeeignetheit einer solchen vor, so teilt das Gericht diese Ansicht nicht.
aa.) Die Beklagte hat die Leistung nicht ernsthaft und endgültig verweigert. Sofern durch die Klagepartei in der Weigerung der Abgabe einer gemäß Schriftsatz vom 21.04.2016 geforderten Erklärung eine endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten gesehen wird, so tritt das Gericht dieser Ansicht nicht näher. Durch die Weigerung der Abgabe dieser Erklärung hat die Beklagte eine Nacherfüllung nicht ausgeschlagen. Die von der Klagepartei geforderte Erklärung geht vielmehr über das dem Kläger zustehende Nacherfüllungsrecht hinaus. Zur Abgabe einer solchen Erklärung war die Beklagte – wie bereits ausgeführt – nicht verpflichtet. Durch diese Erklärung wäre zudem die geschuldete Nacherfüllung nicht als erfolgt anzusehen. Vielmehr war für die Durchführung der Nacherfüllung der Beklagten die Möglichkeit zuzugestehen, die schadhafte Software durch ein Update bzw. durch eine neue Software zu beheben. Diese Möglichkeit hat der Kläger der Beklagten aber gerade selbst nicht eingeräumt.
Sofern eingewandt wird, die Beklagte habe eine eigene Einstandverpflichtung abgewiesen und nur auf den Hersteller verwiesen, so trägt diese Argumentation nicht. Die Nachbesserung ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil diese die Beklagte ggf. nicht selbst erbringen kann. Es ist aus Sicht des Gerichts zweifellos möglich, dass die Beklagte das Software-Update der Motorsoftware aufspielt und gegebenenfalls weitere Änderungen an der Motortechnik durchführt. Dass diese Maßnahmen durch den Hersteller vorbereitet worden sind, ist unschädlich und ganz offenkundig im Falle von Mängelbeseitigungen im Rahmen von Rückrufaktionen üblich, nachdem auch der Hersteller Adressat dieser Anordnungen ist. Vielmehr geht im Kern auch die Klagepartei von der Rechtmäßigkeit der Zuhilfenahme des Herstellers aus, da sie selbst ausführt, die Beklagte habe sich ggf. unter Beiziehung fachkundiger Hilfe um die Mängelbeseitigung bemühen müssen. Dies hat die Beklagte durch Abstimmung mit der … AG auch getan, weshalb sich die Argumentation des Klägers dem Gericht insoweit nicht in Gänze erschließt bzw. sich als widersprüchlich erweist.
bb.) Soweit die Nachbesserung zum Zeitpunkt des ersten Nacherfüllungsverlangens tatsächlich nicht durch Austausch der Software erfolgen konnte, weil eine solche noch nicht entwickelt und vom KBA freigegeben war, stellt dies keine Unmöglichkeit i.S.d. § 275 BGB dar, weil die Nachbesserung jedenfalls nur in einer angemessenen Frist möglich sein muss. Mangels konkreter Parteivereinbarung richtet sich die Bewertung der Angemessenheit hier nach objektiven Maßstäben. Insoweit ist die Dimension der Softwareproblematik bei diversen Dieselmotoren der VW – Fahrzeugflotte zu berücksichtigen. Bei der vom Kläger gerügten Mangelhaftigkeit handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Vielmehr sind allein in Deutschland bekanntermaßen Millionen von Fahrzeugen betroffen. Insofern war dem Hersteller VW und damit auch den VW – Vertragshändlern zuzugestehen, zunächst eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen, insbesondere auch unter Einbeziehung der beteiligten Behörden. Ferner kann bei der Angemessenheit der Fristsetzung nicht vernachlässigt werden, dass die Fahrtauglichkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht eingeschränkt ist und den Kläger auch keine rechtlichen Nachteile und Nutzungsverbote treffen. Er war und ist damit für die volle Nutzbarkeit des Pkw nicht auf die umgehende Durchführung des Softwareupdates angewiesen gewesen.
(1) Dem streitgegenständlichen Fahrzeug wurde nämlich unstreitig die notwendige Typengenehmigung nach §§ 19 StVZO und der RL 2007/46/EG erteilt. Diese Erteilung erfolgt unbefristet und bleibt grundsätzlich über das gesamte Leben eines Kfz bestehen und erlischt ausnahmsweise nur, wenn sie kraft Gesetzes erlischt oder von der Behörde durch Verwaltungsakt entzogen wird (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 19 StVZO Rn. 5).
(2) Die Typengenehmigung ist auch nicht durch den Einsatz der manipulierten Software unwirksam. Zwar ist gemäß Art. 10 der VO (EG) 715/2007 Voraussetzung für die Erteilung der Typengenehmigung für ein Kfz, dass dessen Emissionen den Grenzwerten der Verordnung entsprechen. Werden diese Grenzwerte durch Nutzung einer unzulässigen Motorsoftware erreicht, führt dies nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht zur Unwirksamkeit der – ggf. materiell nicht berechtigten – Genehmigung.
Gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt dann nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch Art. 13 der VO (EG) 715/2007 sieht als Sanktionen für falsche Angaben des Herstellers nicht vor, dass auf dieser Basis erteilte Genehmigungen automatisch ihre Wirkung verlieren oder von Anfang an als unwirksam gelten sollen.
(3) Die Betriebserlaubnis erlischt auch nicht von Gesetzes wegen auf Grund der Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO. Dies aus zweierlei Erwägungen: Zunächst setzt diese Bestimmung eine Änderung an dem Fahrzeug im Vergleich zu dem genehmigten Typ voraus. Dies ist hier schon nicht der Fall. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügte bereits werksseitig über die manipulierte Software. Insofern unterscheidet sich der Fall entscheidend von sogenannten „Chiptuning“ Fällen, bei denen nach Erteilung der Typengenehmigung Änderungen an der Motorsteuerung vorgenommen werden. Ferner ist im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob durch die betreffende Veränderung eine Verschlechterung des Abgasverhaltens eintritt (Huppertz, NZV 2011, 172).
Ein Entzug der Betriebserlaubnis bzw. eine Rücknahme oder ein Widerruf der Typengenehmigung durch Verwaltungsakt des KBA nach §§ 48 und 49 VwVfG liegt jedenfalls noch nicht vor.
(4) Nachdem das Fahrzeug daher formell auch jedenfalls gegenwärtig den Anforderungen der EURO 5 Klassifizierung genügt, sind auch keine negativen Beeinträchtigungen bei der Besteuerung des Fahrzeuges und etwa dessen Nutzung in Umweltzonen zu befürchten. Denn Voraussetzung hierfür wäre die Umsetzung einer tatsächlichen materiellen Divergenz beim Abgasverhalten nach dem vorgeschriebenen Prüfzyklus ohne die manipulierte Software und ein Tätigwerden der zuständigen Behörden um den betroffenen Fahrzeugen auch förmlich bestimmte Abgaseigenschaften abzusprechen oder ganz die Betriebserlaubnis zu entziehen. Diesen Entscheidungen, die wohl sämtlich Ermessensentscheidungen der zuständigen Fachbehörden sind, kann nicht im Rahmen eines zivilrechtlichen Klageverfahrens vorgegriffen werden. cc.)
Auch objektiv ist die Beseitigung des Mangels – hier der Software mit manipulativer Erkennung eines Testzyklus – möglich. Dies ist Gegenstand der vom KBA veranlassten Rückrufaktion.
dd.) Eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Nacherfüllung kann der Kläger jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht daraus geltend machen, weil durch das Aufspielen des Software – Updates sich nachteilige und relevante Veränderungen zu den übrigen Leistungsdaten des Fahrzeuges, Leistung, Verbrauch, übrigen Emissionen etc., wie auch der Langlebigkeit des Fahrzeuges bzw. dessen Bestandteilen und des Gebrauchs, einstellen werden. Nachdem die Software für den Motor des streitgegenständlichen Pkw noch nicht installiert ist, wird damit praktisch ein Scheitern der Nacherfüllung i.S.d. § 440 BGB antizipiert und ins Blaue hinein behauptet. Dementsprechend bietet die Klagepartei zwar Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Dies hält das Gericht allerdings für unzulässig. Weitere Mangelgewährleistungsrechte stehen einem Käufer zu, sofern eine Nachbesserung scheitert, nicht aber für die Erwartung, dass die Nachbesserung scheitert. Denn wäre die klägerische Position tatsächlich zutreffend, müsste schon vor einer Nachbesserung der Kauf rückabgewickelt werden, was dem dargestellten Beweisangebot die Grundlage entziehen würde, da dann keine Nachbesserung an dem Fahrzeug vorzunehmen wäre. Ferner hat nicht jeder Mehrverbrauch (und damit zusammenhängend nicht jeder höhere CO² Ausstoß) zur Folge, dass eine Nachbesserung als gescheitert anzusehen wäre.
ee.) Eine Nachbesserung ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil bei dem Fahrzeug dauerhaft ein merkantiler Minderwert anhaften würde. Dass gegebenenfalls gegenwärtig ein Minderwert des Fahrzeuges besteht, begründet nicht die Unmöglichkeit der Nachbesserung, weil bei jeder mangelbehafteten Sache eine Wertminderung vorliegt, bis der Mangel beseitigt ist. Genau dies ist auch der Zweck der Nacherfüllung durch Nachbesserung. Dass auch beim Aufspielen des Updates und damit einer letztlich erfolgreichen Nachbesserung durch die Beklagte ein solcher Minderwert verbleiben würde, ist von der Klagepartei ins Blaue hinein behauptet und kann durch das angebotene Sachverständigengutachten nicht bewiesen werden und ist daher als ungeeignet zurückzuweisen. Durch ein Sachverständigengutachten sind keine Aussagen zu künftigen Marktverhältnissen in Bezug auf das klägerische Fahrzeug möglich.
c) Die Nacherfüllung ist auch nicht unzumutbar i.S.d. §§ 440 Satz 1 bzw. 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Anhaltspunkte oder nur greifbare Indizien dafür, dass die Beklagte als VW – Vertragshändlerin Kenntnis von den Vorgängen bei der technischen Ausführung der Motorsoftware und deren manipulativer Komponente hatte, liegen nicht vor. Eine Verschuldenszurechnung – soweit diese bei der Frage der arglistigen Täuschung überhaupt in Betracht kommen sollte – nach § 278 BGB findet nicht statt. Ein Vertragshändler muss sich ein Verschulden des Kfz – Herstellers beim Bau eines Neufahrzeug nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, weil der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (OLG München, Urteil vom 23.04.2009 – 8 U 4070/08).
Die Nacherfüllung ist daher weder im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB unmöglich noch vom Verkäufer verweigert worden (§§ 225 Abs. 2, Abs. 3, 439 Abs. 3 BGB). Tatbestände die die Entbehrung einer Fristsetzung rechtfertigen sind vorliegend ebenfalls nicht ersichtlich.
II.
Mangels Minderungsanspruch bleibt der mit der Feststellungsklage verfolgte Anspruch auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für künftige Schäden ebenfalls ohne Erfolg. Gleichsam unbegründet sind aus diesem Grund die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zahlung von Verzugszinsen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Der Feststellungsantrag wurde dabei mit 500,- € bewertet.
Verkündet am 20.01.2017


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