IT- und Medienrecht

Patentanmeldung, Erfindung, Patentanwalt, Patent, Zwangsvollstreckung, Vollstreckungsgegenklage, Kostenfestsetzungsbeschluss, Einstellung, Anerkenntnisurteil, Patentschutz, Unwirksamkeit, Kostenschuldner, Vollstreckung, Anlage, Einstellung der Zwangsvollstreckung, einstweilige Einstellung, Interesse der Allgemeinheit

Aktenzeichen  21 O 2201/21

Datum:
22.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2021, 41253
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 23.07.2020, Geschäftszeichen: 21 O 11648/18, wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.052,50 € einstweilen eingestellt.

Gründe

Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 23.07.2020, Az. 21 O 11648/18, war dem Antrag des Klägers entsprechend gemäß §§ 769 Abs. 1, 767 Abs. 1 ZPO einstweilen einzustellen.
I. Der Antrag des Klägers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist zulässig. Das Landgericht München I ist das für die von dem Kläger mit Klageschrift vom 21.02.2021 erhobene Vollstreckungsgegenklage zuständige Prozessgericht, § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Den erforderlichen Kostenvorschuss hat der Kläger bezahlt. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist bereits deswegen zu bejahen, weil der im Verfahren 21 O 11648/18 obsiegt habenden Klägerin eine vollstreckbare Ausfertigung des streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschlusses erteilt worden ist (Bl. 179 d. Beiakte 21 O 11648/18). Überdies hat die Vindikationsklägerin und hiesige Beklagte über die von ihr beauftragen Prozessbevollmächtigten bereits die Zwangsvollstreckung eingeleitet und dem Kläger am 17.02.2021 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt (Anlage SB 38).
II. Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist auch begründet.
I. Die Entscheidung über den Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 769 Abs. 1 ZPO liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, das die dem betroffenen Schuldner drohenden Nachteile und die Erfolgsaussichten der Klage sowie das Interesse des Gläubigers an einer zügigen Vollstreckung zu berücksichtigen und abzuwägen hat (BGH, BeckRS 2020, 27280 Rn. 4). Nur wenn die gebotene Abwägung ein Überwiegen des Schutzinteresses des Schuldners gegenüber dem Vollzugsinteresse des Gläubigers ergibt, hat eine Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erfolgen (Vorwerk/Wolf/Preuß, BeckOK ZPO, 39. Edition, Stand: 01.12.2020, § 769 ZPO Rn. 7).
I. Im vorliegenden Fall gebietet die Abwägung der widerstreitenden Interessen die Einstellung der Zwangsvollstreckung. Die von dem Kläger erhobene Vollstreckungsgegenklage ist zulässig und bietet in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg.
I) Die von dem Kläger erhobene Vollstreckungsgegenklage ist zulässig. Das Landgericht München I ist als Prozessgericht erster Instanz zuständig. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist zu bejahen, da mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.07.2020 ein Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vorliegt.
I) Der derzeitige Sach- und Streitstand rechtfertigt aus Sicht der Kammer vorbehaltlich des weiteren Vortrags beider Parteien die begründete Annahme, dass sich der Kläger zu Recht auf die Unwirksamkeit des zwischen Herrn Patentanwalt K und der Beklagten anlässlich der Erhebung der Vindikationsklage vom 17.08.2018 geschlossenen Patentanwaltsvertrages gemäß § 134 BGB i.V.m. § 39a Abs. 4 PAO beruft.
I) Der Rechtsfolge nach führt ein Verstoß gegen das Verbot des § 39a Abs. 4 PAO zur Nichtigkeit des fraglichen Patentanwaltsvertrages. Bei 39a Abs. 4 PAO handelt es sich um ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB (so für den Rechtsanwaltsvertrag und die parallele berufsrechtliche Bestimmung des § 43a Abs. 4 BRAO: BGH, NJW 2016, 2561 Rn. 7; OLG München, NJW-RR 2010, 131, 132).
I) Gemäß § 39a Abs. 4 PAO ist es einem Patentanwalt verboten, widerstreitende Interessen zu vertreten. Auf der Grundlage der Ermächtigung des § 52b Abs. 2 Nr. 1 lit. E) PAO konkretisiert § 5 BOPA dieses Verbot dahingehend, dass der Patentanwalt nicht tätig werden darf, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise im Sinne der §§ 41 und 41a PAO beruflich befasst war. Überschneidet sich also der von dem einen Mandanten dem Anwalt unterbreitete Lebenssachverhalt mit den daraus resultierenden materiellen Rechtsverhältnissen auch nur teilweise mit dem Tatsachenkomplex, der dem Anwalt von einem anderen Klienten anvertraut worden ist, darf er die sich daraus ergebenden rechtlichen Interessen nicht gegenläufig wahrnehmen.
Grundlage der Regelung des § 39a Abs. 4 PAO sind das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, die Wahrung der Unabhängigkeit des Patentanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BT-Drs. 12/4993, 40). Das Wort „Interesse“ ist dabei nicht im „objektiven“, sondern im „subjektiven“ Sinne zu verstehen, so dass es nicht darauf ankommt, welches Verhalten etwa tatsächlich („objektiv“) im Interesse einer Partei liegt, sondern welches Ziel diese selbst verfolgt wissen will (Träger, in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 43a, Rn. 61 a.a.O.; so auch bereits BGH, NJW 1954, 726, 728). Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Patentanwalt voraus (vgl. BGH, NJW 2016, 256 Rn. 6 m.w.N.). Ein Anwalt, der sich zum Diener gegenläufiger Interessen macht, verliert jegliche unabhängige Sachwalterstellung im Dienste des Rechtssuchenden (BVerfG, NJW 2006, 2469, 2470; NJW 2003, 2520, 2521). Über das individuelle Mandatsverhältnis hinaus ist die Rechtspflege zudem allgemein auf die Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung angewiesen (BVerfGE, a.a.O.; BGH, a.a.O.).
I) Nach derzeitigem Sach- und Streitstand sprechen aus Sicht der Kammer ganz erhebliche Gründe dafür, dass Patentanwalt K gegen diese Maßstäbe verstoßen hat. Patentanwalt K wurde von der Beklagten bereits im Jahr 2016 beauftragt, sie in die fraglichen Patentanmeldungen einzubeziehen. Trotzdem wurde er mit Vollmacht auch des Klägers im Rahmen des von diesem in Abstimmung mit den Herrn S1. T und M. K bereits eingeleiteten Patentanmeldeverfahrens ab Ende Februar/Anfang März 2017 als gemeinsamer anwaltlicher Interessenvertreter aller drei Anmelder einschließlich des Klägers tätig, gegen den er sodann gezielt im Wege der am 17.08.2018 zum Landgericht München I erhobenen Vindikationsklage, Az. 21 O 11648/18, vorging.
(I) Ein Patentanwalt, der aber zunächst für eine Mehrheit an Anmeldern eines bestimmten Patents tätig wird, kann nicht ohne unmittelbare Zuwiderhandlung gegen das auf die Begründung und Aufrechterhaltung von Patentschutz gerichtete Interesse eines Anmelders an einer gegen eben diesen Anmelder erhobenen Patentvindikationsklage mitwirken. Anderenfalls könnte ein Anmelder einem im Rahmen des Anmeldeverfahrens tätigen Patentanwalt trotz des dem Grunde nach bestehenden, vertraulichen Anwalts-MandantenVerhältnisses keine Informationen zu seiner persönlichen Mitwirkung bei der Entwicklung der Erfindung offenbaren und anvertrauen, ohne fürchten zu müssen, dass diese Informationen im Rahmen eines von seinen Mitanmeldern oder einer dritten Partei zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise gegen ihn geführten Vindikationsverfahrens gegen ihn verwendet würden. Damit aber wäre aber die einem Patentanwalt dem Grunde nach zukommende Vertrauensstellung bereits im Ansatz in ihr Gegenteil verkehrt und die gebotene Gradlinigkeit anwaltlichen Handelns nicht mehr gewahrt.
(I) Besonders schwer wiegt aus Sicht der Kammer, dass Patentanwalt K im Zeitpunkt der Aufnahme seiner Tätigkeit für den Kläger Anfang März 2017 bereits seit Oktober 2016 von der Beklagten beauftragt worden war, deren Aufnahme in die streitgegenständliche Patentanmeldung zu erreichen (Seite 26 der Vindikationsklage vom 17.08.2018, Az. 21 O 11648/18). Dazu kommt, dass Patentanwalt K am 13.02.2017 von dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn K. A, per E-Mail über ein Gespräch mit dem Mitanmelder Stefan T informiert worden war, in dem dieser berichtete, dass der hiesige Kläger sich zu Unrecht als Miterfinder in die Patentanmeldung eingetragen habe, nicht bereit sei, eine Teilungserklärung für die streitgegenständliche Patentanmeldung zu unterzeichnen und Herr T daher bei dem vorliegenden Projekt nicht weiter mit dem Kläger zusammenarbeiten möchte (Anlage K 25, Az. 21 O 11648/18). Ausdrücklich wurde Patentanwalt K dabei mit der Frage betraut, wie weiter vorgegangen werden müsse, um zu verhindern, dass „Herr Z [Anm.: der Kläger] Unfug im Markt betreibt“ (Anlage K 25, Seite 2, Az. 21 O 11648/18). In einem weiteren E-Mail vom 17.02.2017 wies Herr A Patentanwalt K weiter darauf hin, dass der Streit zwischen Herrn T und dem Kläger dahingehend eskaliert ist, dass Herr T die Kommunikation mit dem Kläger eingestellt hat, dem Kläger aber bewusst sei, ohne Herrn T keine Chance bei der Umsetzung und Vermarktung des Patents zu haben. Vor diesem Hintergrund bat Herr T über Herrn A bei dem Patentanwalt K um einen persönlichen Termin zur Besprechung einer Lösung des Problems (Anlage K 26c, Az. 21 O 11648/18).
Trotz dieser Vorbefassung und ohne diesen Interessengegensatz dem Kläger gegenüber offenzulegen bestellte sich Patentanwalt K daraufhin Anfang März 2017 gegenüber allen Anmeldern einschließlich dem Kläger als gemeinsamer Patentanwalt, ließ sich von allen drei Anmeldern entsprechend persönlich bevollmächtigen und bot allen drei Anmeldern einschließlich dem Kläger an, für Rückfragen zur Verfügung zu stehen und wies explizit darauf hin, die weiteren Verfahrenshandlungen „mit Ihnen allen gemeinsam“ abzustimmen (Anlagen VoGeKl 3 und VoGeKl 4).
(I) Entgegen der Beklagten kommt es dabei schon aus rechtlichen Gründen nicht darauf an, ob und inwieweit der Kläger durch seinerseits vermeintlich grob rechtswidriges Verhalten Anlass zu der Erhebung der im Verfahren 21 O 11648/18 gegen ihn gerichteten Vindikationsklage gegeben hat. Der Kläger hat das entsprechende Rechtsschutzziel anerkannt. Die hiesigen Beklagten haben damit ihr Klageziel erreicht. Im vorliegenden Verfahren geht es auch nicht um die grundsätzliche Kostentragungspflicht des hiesigen Klägers als im Vindikationsverfahren unterlegene Partei. Es geht vielmehr allein um die Frage, ob er die Kosten für die Mitwirkung der Patentanwaltskanzlei K zu tragen hat. Diese Kostentragungspflicht kann indes nicht mit einem vermeintlich bewusst rechtswidrigem Vorverhalten des Klägers als grundsätzlichem Kostenschuldner begründet werden. Dagegen spricht bereits, dass das Verbot des § 39a PAO nicht nur dem Interesse der betroffenen Partei, sondern auch dem Interesse der Allgemeinheit an einer geordneten Rechtspflege und einem gradlinigen Verhalten des anwaltlichen Berufsstandes dient. Ungeachtet dessen erscheint der Kammer das Argument der Beklagten auch in der Sache nicht überzeugend. Denn noch in einer Gesprächsnotiz, die der Mitanmelder Stefan T zu einer Besprechung mit Herrn M2. K und dem Kläger vom 16.09.2015 fertigte, wird dem Kläger ausdrücklich dem Grunde nach eine Mitberechtigung an der Erfindung zuerkannt (Anlage K 21b, Az. 21 O 11648/18: „Es wird von allen anerkannt, daß sowohl die Erfinder, als auch A einen Anteil an der Gesamtentwicklung und einem möglichen Markterfolg haben. A hat den Bedarf erkannt, ich [Anm.: Stefan T] hab die Technologie entwickelt, Markus [Anm.: Markus K] hat erkannt, daß diese Technologie zusammen mit seinem Gehäuse den Bedarf decken könnte, ich habe den Nachrüstmarkt durch das Verlegen der Sensorik von aussen in den Deckel geöffnet, Werner [Anm.: der Kläger] formuliert und wickelt das Patent ab und hat einen ‘Nur durch Temperaturmessung’ Modus zur Abwehr von Konkurrenz mit eingebracht.“). Eine Beteiligung der Beklagten wurde jedenfalls zu diesem Zeitpunkt explizit offen gehalten (Anlage K 21b, Az. 21 O 11648/18).
(I) Weiter kann die Beklagte dem hier nach derzeitigem Sach- und Streitstand erfolgten Verstoß gegen § 39a Abs. 4 PAO nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass nur der Miterfinder Stefan T Auftraggeber und Mandant von Herrn Patentanwalt K war. Tatsächlich räumten der Kläger ebenso wie der Mitanmelder Markus K am 04.03.2017 und 24.02.2017 zunächst Herrn S1. T eine Vollmacht ein, die notwendigen Schritte zur Einleitung der nationalen Phasen der internationalen Patentanmeldung PCT/… einzuleiten (Anlage VoGeKl 2). Auf Grundlage dieser gemeinsamen Bevollmächtigung stellte Herr S1. T am 08.03.2017 sodann eine auf die Patentanwaltskanzlei K lautende Vollmacht aus (Anlage VoGeKl 5). Überdies wies der Kläger in einer E-Mail vom 03.03.2017 Herrn Patentanwalt K selbst nochmals darauf hin, dass er und Herr K ihm eine Vollmacht ausstellen (Anlage VoGeKl 4). Die entsprechende Bevollmächtigung durch alle drei Anmelder bestätigte der Mitanmelder Stefan T sodann gegenüber Herrn Patentanwalt K mit E-Mail vom 05.03.2017, indem er dem Kläger für dessen Einsatz dankte und Herrn K bat, alle notwendigen nächsten Schritte durchzuführen (Anlage B 26, Az. 21 O 11648/18).
(I) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger Herrn T in diesem Zusammenhang als „Auftraggeber“ bezeichnete.
Die Gesamtumstände zeigen aus Sicht der Kammer gerade nicht, dass mit dem Begriff „Auftraggeber“ das Mandatsverhältnis auf das bilaterale Verhältnis zwischen Herrn T und Herrn Patentanwalt K beschränkt werden sollte. Dagegen spricht bereits, dass der Kläger an den patentanwaltlichen Kosten beteiligt werden sollte. In einer E-Mail des Mitanmelders Stefan T vom 23.02.2017 schreibt dieser ausdrücklich an den Kläger, dass er Herrn K gebeten habe, die notwendigen Schritte in den genannten Ländern zu unternehmen und bat zugleich um Mitteilung, ob der Kläger noch weitere Länder im Sinne habe. Hinsichtlich der für die Tätigkeit von Herrn K geschuldeten Vergütung wies Herr T den Kläger darauf hin, dass er das Geld vorschießen wird und später eine Einigung über den von dem Kläger zu bezahlenden Betrag später erfolgen solle (Anlage K 29, Az. 21 O 11648/18).
(I) Ebenso wenig greift das Argument der Beklagten durch, wonach es sich bei der Vertretung im Patentanmeldeverfahren und der Vertretung im Vindikationsverfahren nicht um dieselbe Rechtssache handelte.
Wenn der Vergleich beider Sachen (oder der „älteren“ mit der „neuen“) nach Maßgabe des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts ergibt, dass der historische Vorgang sich auch nur teilweise überschneidet, liegt dieselbe Rechtssache vor (Dahs in Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl. 2019, § 356 Rn. 69). Gegenstand der von der Beklagten mit Klageschrift vom 17.08.2018 erhobenen Vindikationsklage ist die Patentfamilie um die technische Lehre gemäß der deutschen Patentanmeldung DE x sowie der deren Priorität in Anspruch nehmenden PCT-Anmeldung PCT/… (Veröffentlichungsnummer: WO/…). Mit der weiteren patentanwaltlichen Betreuung des Anmeldeverfahrens betreffend diese Patentanmeldung, insbesondere der Einleitung der nationalen Phasen, hat der Kläger gemeinsam mit den Mitanmeldern Stefan T und Markus K Herrn Patentanwalt K beauftragt (Anlagen VoGeKl 2, VoGeKl 3 und VoGeKl 4). Entgegen der Beklagten können die Fragen der Aufrechterhaltung des Patentschutzes einerseits und der Vindikation dieses Patent andererseits nicht als unterschiedliche Lebenssachverhalte beurteilt werden. Mit der Patentvindikationsklage wurde die Berechtigung des Klägers an der streitgegenständlichen Erfindung dem Grunde nach in Frage gestellt und damit das auf Begründung und Aufrechterhaltung des Patentschutzes gerichtete Interesse des Klägers dem Grunde nach negiert. Hierin kommen aber gerade die von Patentanwalt K vertretenen, grundlegend widerstreitenden Interessen zum Ausdruck. Die Ansicht der Beklagten liefe dagegen darauf hinaus, die Wahrnehmung widerstreitender Interessen mit dem zu Grunde liegenden Interessengegensatz zu legitimieren. Eine solche Argumentation ist letztlich zirkelschlüssig und hat daher außer Betracht zu bleiben.
(I) Daraus folgt zugleich, dass auch das Argument der Beklagten, wonach Patentanwalt K zumindest keine widerstreitenden Interessen vertreten habe, nicht durchgreifen kann. Entgegen der Beklagten hat Patentanwalt K nicht nur abstrakt im Interesse der Aufrechterhaltung des Patentschutzes an sich gehandelt. Vielmehr sollte aus der insoweit maßgeblichen subjektiven Sicht des Klägers der Patentschutz im Interesse aller Anmelder und damit auch in seinem Interesse begründet und aufrechterhalten werden.
Dass der Kläger die geltend gemachten Vindikationsansprüche dennoch letztlich anerkannt und sich mit den Rechten an der Zusatzerfindung gemäß Unteranspruch 5 der ursprünglich eingereichten Patentanmeldungen zufrieden gegeben hat, kann ihm insoweit nicht entgegengehalten werden. Insbesondere ist nicht schlüssig dargetan, dass Patentanwalt K im Interesse aller Anmelder einschließlich des Klägers auch damit beauftragt war, eine richtige Zuordnung der Erfindung zu bewirken. Vielmehr ergibt sich aus den von der Beklagte selbst vorgelegten E-Mails vom 13.02.2017 und 17.02.2017, dass die Beauftragung von Herrn K mit Blick auf die Einbeziehung von A in die Patentanmeldung und die entsprechende Zuordnung der Erfindung nur mit Herrn T und Herrn K besprochen und abgestimmt wurde (Anlagen K 25 und K26c, Az. 21 O 11648/18). Dem Kläger wurde der Patentanwalt K von dem Mitanmelder T hingegen als „zentraler“ Ansprechpartner für alle drei Anmelder benannt, über den im nächsten Schritt die Einleitung der nationalen Phase erfolgen solle (Anlagen K 28, K 29, K 29a, K 29b und K29c). Der im Hintergrund bereits ausdrücklich erteilte Auftrag, die Beklagte in die Patentanmeldung einzubeziehen und dem Kläger die Mitberechtigung an der Erfindung zumindest teilweise wieder zu entziehen, wurde diesem dagegen anlässlich der Bevollmächtigung zur Einleitung der nationalen Phase und weiteren Betreibung der Patentanmeldung weder von Patentanwalt K selbst noch von den Mitanmeldern des Klägers, Herrn S1. T und Markus K, offengelegt.
(I) Ob das Verhalten von Patentanwalt K damit zugleich einen Verstoß gegen § 356 StGB darstellt, kann der Kammer zufolge offen bleiben. Für die zivilrechtliche Unwirksamkeit kommt es auf ein insoweit erforderliches schuldhaftes Handeln des betroffenen Patentanwalts nicht an. Insoweit ist weder der Erfolg des hiesigen Antrages noch der anhängigen Vollstreckungsgegenklage von dem Ergebnis des derzeit noch anhängigen, strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens abhängig.
I. Der Einwand der Beklagten, wonach dem Kläger die Wahrnehmung widerstreitender Interessen durch Herrn Patentanwalt K bereits während des vor dem LG München I geführten Erkenntnisverfahrens bekannt gewesen sei, steht den Erfolgsaussichten der von dem Kläger erhobenen Vollstreckungsgegenklage nicht entgegen.
I) Soweit man den Vortrag der Beklagten als Rüge der Präklusion des Einwandes der Unwirksamkeit des zwischen Herrn Patentanwalt K und der Beklagten im Rahmen des Vindikationsverfahrens mit dem Az. 21 O 11648/18 geschlossenen Patentanwaltsvertrages gemäß § 767 Abs. 2 ZPO versteht, ist das Argument bereits aus rechtlichen Gründen irrelevant. § 767 Abs. 2 ZPO findet im Falle einer gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss erhobenen Vollstreckungsgegenklage keine Anwendung (grundlegend: BGH, NJW 1952, 144; OLG Schleswig, NJW-RR 2004, 356, 357; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 767 ZPO Rn. 31; Karsten Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 767 ZPO Rn. 28, 79).
I) Aber auch unter dem Gesichtspunkt einer Verjährung oder Verwirkung greift das Argument der Beklagten nicht durch.
I) Eine Verjährung kommt gemäß § 194 Abs. 1 BGB nur für Ansprüche in Betracht. Dem Einwand der Unwirksamkeit des Patentanwaltsvertrages gemäß § 134 BGB kann eine Verjährung daher bereits im Ansatz nicht entgegengehalten werden.
I) Unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung wird dem Inhaber die Ausübung eines Rechts nur dann versagt, wenn er von diesem Recht über einen längeren Zeitraum keinen Gebrauch gemacht und dadurch bei der Gegenseite den Eindruck erweckt hat, mit der Inanspruchnahme des Rechts werde in Zukunft nicht mehr zu rechnen sein (Schubert in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 242 BGB Rn. 369 m.w.N.).
Vorliegend scheitert eine Verwirkung bereits daran, dass der Kläger im Rahmen des von der Beklagten gegen ihn geführten Vindikationsverfahrens bereits in der Klageerwiderung vom 05.10.2018 ausdrücklich auf die standesrechtlichen Probleme hingewiesen hat, die sich aus dem Mitwirken der Patentanwaltskanzlei K an eben diesem Verfahren ergeben können (Bl. 56 d. Beiakte 21 O 11648/18). Darüber hinaus beanstandete der Kläger auch in der Duplik vom 13.11.2018, dass die Patentanwaltskanzlei K trotz ausdrücklichen Hinweises auf die ihrerseits erfolgte Vertretung widerstreitender Interessen das Mandat nicht niedergelegt hatte (Bl. 77 d. Beiakte 21 O 11648/18). Bei dieser Sachlage fehlt aber für die Annahme einer unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB illoyal verspäteten Geltendmachung des Einwands der aus diesen standesrechtlichen Problemen resultierenden Unwirksamkeit des entsprechenden Patentanwaltsvertrages jedwede Grundlage.
III. Die Entscheidung über die Sicherheitsleistung ergibt sich aus § 769 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Rechtsverfolgung bietet zwar hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat indes nicht dargelegt, zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage zu sein.
Eine Entscheidung über die Kosten bleibt der Entscheidung über die anhängige Vollstreckungsgegenklage vorbehalten. Die mit dem Antrag des Klägers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 Abs. 1 ZPO verbundenen Kosten sind solche des anhängigen Rechtsstreits (Karsten Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 769 Rn. 37).


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