IT- und Medienrecht

Pflichten des Plattformbetreibers bei Angebot von Veranstaltungstickets durch Dritte

Aktenzeichen  33 O 6588/17

Datum:
4.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10541
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 5 Abs. 1, § 5a Abs. 2 Nr. 1
TMG § 5 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Im Rahmen einer Verkaufsplattform für Veranstaltungstickets nicht über Identität und Anschrift des Vertragspartners zu informieren, verletzt § 5a Abs. 2 Nr. 1 UWG, wenn die Verträge tatsächlich von der Plattform nur vermittelt werden. (Rn. 40 – 47) (red. LS Dirk Büch)
2. Eine “Ticketgarantie” kann irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 UWG sein, wenn diese in Bezug auf die Gültigkeit der gehandelten Tickets und die Rechtzeitigkeit ihrer Lieferung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingeschränkt wird. (Rn. 48 – 56) (red. LS Dirk Büch)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern
1. auf der Internetseite www.v….de den Verkauf von Eintrittskarten zu ermöglichen, ohne dass ein Käufer über die Identität und Anschrift des Verkäufers informiert wird und zwar bei unternehmerisch handelnden Verkäufern rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Käufers und bei nicht unternehmerisch handelnden Verkäufern unmittelbar nach Abgabe der Vertragserklärung des Käufers, wenn dies wie aus Anlage K2 ersichtlich geschieht,
2. und/oder
a) den Verkauf von Eintrittskarten wie aus Anlage K11 und K12 ersichtlich (und dort mit einem Pfeil gekennzeichnet) blickfangmäßig hervorgehoben mit einer Garantie zu bewerben, sofern nicht in unmittelbarer Nähe der Garantie die Garantiebedingungen wiedergegeben werden,
und/oder
b) auf der Internetseite www.v…de den Verkauf von Eintrittskarten damit zu bewerben, dass die Lieferung „gültiger Tickets“ garantiert werde, wenn die beworbene Eintrittskarte kein Recht zum Besuch der jeweiligen Veranstaltung verschafft, wenn dies geschieht, wie aus Anlage K 11 und K 12 ersichtlich und dort jeweils mit Pfeil gekennzeichnet,
und/oder
3. auf der Internetseite www.v…de die Adresse der elektronischen Post nicht anzugeben.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist in Ziffer I. vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 Euro, in Ziffer III. gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
A. Die Klage ist zulässig.
I. Soweit die Änderungen der Antragsfassungen und der Reihenfolge von Haupt- und Hilfsanträgen Klageänderungen i.S.d. § 263 ZPO bewirken, welchen die Beklagte widersprochen hat, sind sie jedenfalls sachdienlich. Sachdienlichkeit nach Maßgabe des § 263 ZPO liegt dann vor, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bildet und die Zulassung der Änderung die endgültige Beilegung des Rechtsstreits fördert und einen neuen Prozess vermeidet (BGHZ 1, 65, 71; BGH NJW 2000, 800, 803). Dies ist der Fall. Sämtliche Anträge nehmen auf den zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt Bezug. Weder wird durch die Änderung ein neuer Lebenssachverhalt eingeführt noch werden mit den geänderten Anträgen im Vergleich zu den bis dahin gestellten Anträgen wesensverschiedene Begehren verfolgt. Vielmehr verfolgt der Kläger auch nach der Antragsänderung im Kern seine lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsbegehren fort.
II. Das angerufene Landgericht München I ist zuständig.
Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über den Streitgegenstand international zuständig gem. Art. 24 Lugano-Übereinkommen, nachdem der Beklagte zuletzt mit Recht die Rüge der internationalen Zuständigkeit nicht aufrechterhalten hat. Andernfalls hätte sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 3 Lugano-Übereinkommen ergeben, weil Erfolgsort vorliegend (auch) München ist. Das Landgericht München I ist örtlich zuständig gem. § 14 Abs. 2 UWG und sachlich gem. § 13 Abs. 1.
III. Der Anträge sind in ihrer zuletzt gestellten Form hinreichend bestimmt. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2018, 417 – Resistograph Rn. 21). Diese Voraussetzungen sind gewahrt. Mit Blick auf den Klageantrag II. 1. hat der Kläger detailliert dargestellt, welches Verhalten er von der Beklagten begehrt, nämlich Identität und Anschrift des Vertragspartners bei unternehmerisch handelnden Verkäufern unmittelbar vor Abgabe der Vertragserklärung und bei privat handelnden Vertragspartnern unmittelbar nach Abgabe der Vertragserklärung mitzuteilen. Die Begriffe „Identität“ und „Anschrift“ sind hinreichend konkret. Nicht zu beanstanden ist ferner die Formulierung des Antrags II. 2, zumal der Kläger hier auf eine konkrete Verletzungsform Bezug nimmt.
IV. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG auch klagebefugt. Durch das angegriffene Verhalten werden Verbraucherinteressen berührt, was daran zu erkennen ist, dass sich nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers ein Verbraucher beschwerdeführend wegen des Verhaltens der Beklagten an diesen gewandt hat.
V. Die Klage ist auch überwiegend begründet. Auf sämtliche Anträge ist deutsches Recht anwendbar (hierzu 1.), das Betreiben der streitgegenständlichen Internetseite durch die Beklagte stellt sich als geschäftliche Handlung dar (hierzu 2.) und die angegriffenen Verhaltensweisen sind mit Ausnahme der Nichtangabe der vertretungsberechtigten Personen der Beklagten im Impressum der Webseite unlauter (hierzu 3.), weshalb dem Kläger ein entsprechende Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG zusteht.
1. Auf sämtliche streitgegenständlichen Ansprüche ist deutsches Recht anwendbar. Da Gegenstand der Klage Ansprüche wegen Verletzung lauterkeitsrechtlicher Vorschriften sind, die spezielles Deliktsrecht darstellen, richtet sich die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach den Vorschriften der Rom-II-VO. Die Rom-II-VO ist wegen der in Art. 3 Rom-II-VO statuierten universellen Anwendung auch im Verhältnis zur Schweiz, einem Nichtmitgliedstaat der EU, anwendbar. Nach Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Dabei ist regelmäßig auf den Marktort abzustellen, der im Hinblick auf beanstandete Handlungen vor Vertragsschluss dort liegt, wo auf die in Frage stehenden Verbraucher eingewirkt wird (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 37. Aufl. 2019, UWG Einl. Rn. 5.19). Im vorliegenden Fall liegt der Marktort in Deutschland, weil die streitgegenständliche Webseite in Deutschland abrufbar und auf dieses Land ausgerichtet war, was insbesondere aus der Verwendung der .de-Domain und dem Verfassen in deutscher Sprache erkennbar ist. Zudem werden Tickets für zahlreiche Veranstaltungen in Deutschland angeboten. Auch sind durch das beanstandete Verhalten kollektive Interessen deutscher Verbraucher beeinträchtigt worden.
2. Das Betreiben der streitgegenständlichen Webseite www.v….de ist als geschäftliche Handlung anzusehen. Hierunter fallen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG Verhaltensweisen einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach dem Abschluss eines Geschäfts, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Die Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Beklagte ein wirtschaftliches Interesse am Betreiben eines Sekundärmarktes für Veranstaltungstickets hat. Denn die Beklagte verdient nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers an jedem Ticketverkauf über eine Provision mit.
3. Das angegriffene Verhalten ist weit überwiegend unlauter. Nicht über Identität und Anschrift des Vertragspartners zu informieren, verletzt § 5 a Abs. 2 Nr. 1 UWG (hierzu a.), das Garantieversprechen stellt sich als irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 Abs. 1 UWG dar (hierzu b.) und das Nichtvorhalten einer E-Mail-Adresse im Impressum der Webseite verstößt gegen § 5 a Abs. 2 UWG (hierzu c.). Nur die unterbliebene Nennung der vertretungsberechtigten Personen auf der Webseite der Beklagten begründet keine Unlauterkeit (hierzu d.). Durch die begangenen Verstöße ist die für den Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr indiziert. Eine ausreichend strafbewehrte Unterlassungserklärung zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr hat die Beklagte nicht abgegeben.
a. Dadurch, dass die Beklagte während des gesamten Bestellprozesses bis zum Vertragsschluss dem Nutzer der Internetseite Informationen über Identität und Anschrift des Anbieters der Veranstaltungstickets vorenthält, verstößt sie gegen § 5 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 UWG, zumindest wenn es sich bei dem in Frage stehenden Anbieter um einen Unternehmer handelt. Die Beklagte hat den substanziierten Vortrag des Klägers, dass die Plattform auch gewerbliche Anbieter zum Ticketverkauf nutzen nicht qualifiziert bestritten. Zudem spricht schon das Vorhandensein des frequent-seller-Handbuchs dafür, dass die Plattform auch gewerblichen Anbietern zur Verfügung steht. Handelt es sich bei dem Anbieter um einen Verbraucher, liegt ein Verstoß gegen § 5 a Abs. 2 S. 1 UWG unter Berücksichtigung der Wertung des § 13 Abs. 6 TMG dann vor, wenn die Information nicht unverzüglich nach Vertragsschluss, also nach Abgabe der bindenden Vertragserklärung durch den Verbraucher erfolgt.
aa. Der Unlauterkeitstatbestand des § 5 a Abs. 2 UWG ist vorliegend auch in Richtung auf die Beklagte anwendbar, weil sie gegenüber Verbrauchern geschäftlich handelt. Dabei ist unerheblich, ob die Beklagte im konkreten Fall lediglich eine Vermittlungsleistung in Bezug das Zustandekommen eines Kaufvertrags über Veranstaltungstickets erbringt und nicht selbst als Verkäuferin auftritt. Für eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG genügt die bloße Förderung des Bezugs von Waren und Dienstleistungen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 37. Aufl. 2019, UWG § 5 a Rn. 3.6). Da die Beklagte nach eigenem Vortrag ein Portal zum Erwerb und Verkauf von Veranstaltungstickets und den weltgrößten Sekundärmarkt hierfür zur Verfügung stellt, schafft sie eine Gelegenheit zum Absatz solcher Waren und fördert somit den Absatz derjenigen Unternehmer und Verbraucher, die über ihr Portal Veranstaltungstickets zum Kauf anbieten. Weil sich das Angebot der Beklagten schon nach ihrem eigenen Vortrag insbesondere an Fans richtet, liegt auch eine geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern vor.
bb. Dadurch, dass die Beklagte im Rahmen des Bestellprozesses den Verbraucher nicht über Identität und Anschrift des Vertragspartners informiert, verstößt sie gegen § 5 a Abs. 2 S. 1 UWG. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Die Information ist vor dem Vertragsschluss also vor der bindenden Erklärung des Nutzers zu geben, wenn Anbieter des Tickets ein Unternehmer ist (hierzu (1)) und unmittelbar danach, wenn Anbieter des Tickets ein Verbraucher ist (hierzu (2)).
(1) Bei „Identität und Anschrift des Unternehmers“ handelt es sich bereits nach der Konkretisierung des § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG um wesentliche Informationen, zumal über die Internetseite der Beklagten Waren und Dienstleistungen, wie gem. § 5 a Abs. 3 1. HS UWG erforderlich, unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise unbestritten so angeboten werden, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann. Auch für die Anwendung des § 5 a Abs. 3 UWG ist unerheblich, dass die Beklagte lediglich eine Vermittlungsleistung erbringt und Veranstaltungstickets von Dritten angeboten werden. Eine entsprechende Einschränkung lässt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen noch wäre sie mit ihrem Sinn und Zweck vereinbar, dem Verbraucher zu ermöglichen, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Hierfür muss er wissen, wer sein potentieller Geschäftspartner ist und wie er zu ihm Kontakt aufnehmen kann (BGH GRUR 2013, 1169 – Brandneu von der IFA; BGH WRP 2014, 545 – Alpenpanorama im Heißluftballon). Nur auf diese Weise kann er vor allem den Umfang der aus dem Vertragsverhältnis fließenden Rechte und Pflichten, wie z.B. das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts, ersehen. Beim Kauf von Veranstaltungstickets auf einem Sekundärmarkt ist die Information für den Verbraucher auch deshalb entscheidend, weil nicht selten von der konkreten Person des Vertragspartners abhängen wird, ob die Veranstaltungstickets einem Weiterveräußerungsverbot unterliegen. So folgt aus dem vom Kläger vorgelegten AGB des TSV 1860 München, dass der Weiterverkauf nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und nur privat handelnden Personen gestattet ist. Erfolgt die Vertragsanbahnung über ein Vermittlungsportal, so trifft die Informationspflicht grundsätzlich dessen Betreiber, wenn dieser, wie hier, über das Portal die Modalitäten der Vertragsanbahnung und Durchführung festlegt und letztlich nur er in der Lage ist, die Informationen zu erteilen.
Handelt es sich beim Anbieter um einen Unternehmer, so ist der letztmögliche Zeitpunkt für die Erteilung der Information unmittelbar vor Abgabe der bindenden Vertragserklärung des Verbrauchers. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Verbraucher den Bestellprozess ohne rechtliche Konsequenzen abbrechen. Spätestens auf der Bestellabschlussseite müssen ihm die entsprechenden Informationen zur Verfügung stehen, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können (vgl. auch OLG München WRP 2019, 502 – Bestellabschlussseite). Dieses Ergebnis folgt ferner aus dem 39. Erwägungsgrund der RL 2011/83/EU, die für Fernabsatzverträge in Art. 6 vergleichbare Informationspflichten statuiert. Dort wird insbesondere betont, es sei wichtig sicherzustellen, dass die Verbraucher bei Fernabsatzverträgen, die über Webseiten abgeschlossen werden, in der Lage sind, die Hauptbestandteile des Vertrags vor Abgabe ihrer Bestellung vollständig zu lesen und zu verstehen. Aus diesem Grund sei Anliegen eben jener Richtlinie, dafür Sorge zu tragen, dass diese Vertragsbestandteile in unmittelbarer Nähe der für die Abgabe der Bestellung erforderlichen Bestätigung angezeigt werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht diesem Ergebnis, soweit der Anbieter ein Unternehmer ist, nicht die Wertung des § 13 Abs. 6 TMG entgegen. Nach dieser Vorschrift hat der Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Die Vorschrift bezieht sich ausweislich ihres klaren Wortlauts allein auf die Nutzung des Telemediendienstes. Sie trifft hingegen keine Aussage in Bezug auf die Vertragsanbahnung, den Vertragsschluss und die Vertragsdurchführung zwischen zwei unterschiedlichen Nutzern des Telemediendienstes. Zudem ist für das Vertragsverhältnis zum Diensteanbieter anerkannt, dass § 13 Abs. 6 TMG die Datenabfrage im internen Verhältnis zum Nutzer nicht ausschließt (OLG Hamburg ZUM 2009, 417, 420 – Long Island Ice Tea). Mit anderen Worten ergibt sich aus der Vorschrift kein Recht auf absolute Anonymität. Selbst wenn man die Vorschrift aber dahingehend auslegen würde, dass sie auch den Vertragsschluss zwischen zwei Personen unter Zurhilfenahme eines Telemediendienstes regelt, so stünde die das Prinzip der Datenvermeidung aus Art. 6 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 95/46/EG umsetzende Vorschrift des § 16 Abs. 6 TMG (vgl. Beck TMG/Jandt/Schaar/Schulz, 1. Aufl. 2013, TMG § 13 Rn. 13) in Widerspruch zu ebenfalls europarechtlich determinierten Vorschriften wie etwa § 5 a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 UWG, die eben eine solche Offenbarung personenbezogener Daten verlangen. Dieser Normenkonflikt ist folglich aufzulösen, wobei sich bereits aus dem Wortlaut der § 13 Abs. 6 TMG ergibt, dass eine anonyme Nutzung nur dort zu erfolgen hat, wo dies für den Telemediendienst auch zumutbar ist. Eine Zumutbarkeit ist aber dort nicht gegeben, wo zwingende Vorschriften die Offenlegung personenbezogener Daten verlangen (ähnlich wohl auch Beck TMG/Jandt/Schaar/Schulz, 1. Aufl. 2013, TMG § 13 Rn. 127 f.). Dies ist vorliegend in Gestalt des § 5 a Abs. 2 UWG der Fall.
(2) Ist Anbieter ein Verbraucher bzw. nicht unternehmerisch handelnder privater Anbieter sind Identität und Anschrift unmittelbar nach dem Vertragsschluss mitzuteilen. Auch die Identität und Anschrift eines privaten Ticketanbieters sind wesentliche Informationen für den Nutzer der Plattform der Beklagten. Denn wie bereits ausgeführt wurde, richtet sich die Frage nach der Weiterveräußerungserlaubnis der angebotenen Tickets teilweise nach der Qualifikation des Vertragspartners als Unternehmer oder Verbraucher. Wie aus den vom Kläger vorgelegten Ticketbedingungen der TSV 1860 München GmbH & Co. KGaA ersichtlich, ist es Anliegen mancher Veranstalter, u.a. zur Sicherung eines sozialen Preisgefüges, den gewerblichen Handel mit Veranstaltungstickets zu unterbinden.
Allerdings sind § 5 a Abs. 3 UWG und § 5 a Abs. 4 UWG i.V.m. Art. 246 a, § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB Wortlaut und Systematik nach nur auf Vertragsschlüsse zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass eine Anonymisierung nach der Wertung des § 13 Abs. 6 TMG bis zu dem Zeitpunkt zu erfolgen hat, in dem der Vertrag abgeschlossen ist, d.h. der potentielle Erwerber der Veranstaltungstickets seine Vertragserklärung in rechtlich bindender Weise abgegeben hat. Sobald nämlich der Vertrag zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen ist, hat der Nutzer der Internetseite der Beklagten schon vor dem Hintergrund möglicher Ansprüche wegen Leistungsstörungen ein anzuerkennendes Interesse daran, Informationen über Identität und Anschrift seines (auch privaten) Vertragspartners zu erhalten. Der Betreiber einer Vermittlungsplattform – wie die Beklagte – muss diese Informationen deshalb spätestens unmittelbar nach Abgabe der Vertragserklärung durch den Nutzer erteilen.
b. Die von der Beklagten während des Bestellvorgangs vorgehaltene und nachfolgend abgedruckte Garantie
stellt eine irreführende geschäftliche Handlung nach § 5 Abs. 1 UWG dar. Danach handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG jedenfalls dann irreführend, wenn sie unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen, enthält.
aa. Die allgemeinen Voraussetzungen des Irreführungstatbestands liegen vor. Die vorgehaltene Garantie stellt sich als geschäftliche Handlung dar. Insbesondere liegen der erforderlich Unternehmens- und Marktbezug vor. Der Unternehmensbezug ist schon deshalb gegeben, weil das Garantieversprechen eine Einstandspflicht der Beklagten beinhaltet, also Rechte aus dem Vertragsverhältnis zwischen Ticketkäufer und der Beklagten betrifft. Der erforderliche Marktbezug ergibt sich aus dem Provisionsinteresse der Beklagten. Die Garantie stellt sich bei objektiver Betrachtung als gewichtiger Anreiz für den potentiellen Käufer zum Abschluss eines Kaufvertrags dar. Somit dient die vorgehaltene Garantie dem Absatz von Dienstleistungen. Die Handlung erfolgte auch im Rahmen des Bestellvorgangs, also in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss.
bb. Die im Rahmen des Bestellvorgangs vorgehaltenen Angaben über die von der Beklagten übernommene Garantie sind auch „irreführend“ i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG. Denn die Angaben erzeugen bei den angesprochenen Verkehrskreisen, nämlich den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern, zu denen sich auch die Mitglieder der erkennenden Kammer als jedenfalls potentielle Ticketinteressenten zählen, eine Vorstellung, die mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang steht (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 5 Rn. 1.56).
(1) Das Garantieversprechen richtet sich bereits nach dem Vortrag der Beklagten zuallererst an interessierte Fans, die über das Portal der Beklagten Tickets für ihre Lieblingsveranstaltung erwerben wollen. Es ist demnach auf die Sicht dieser angesprochenen Verkehrskreise auf Grundlage eines objektiven Empfängerhorizonts abzustellen (BGH GRUR 1995, 612, 614 – Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie; BGH GRUR 1996, 910, 912 – Der meistverkaufte Europas; BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; BGH GRUR 2015, 1019 Rn. 19 – Mobiler Buchhaltungsservice; BGH GRUR 2016, 521 Rn. 10 – Durchgestrichener Preis II).
(2) Nach dem eindeutigen Wortlaut des Versprechens, garantiert die Beklagte, dass die potentiellen Ticketkäufer gültige Tickets rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn erhalten. Die Durchschnittsverbraucher, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer als jedenfalls potentielle Ticketinteressenten zählen, werden die Erklärung dahin verstehen, dass die Tickets gültig sind, Zugang zu der Veranstaltung gestatten und die Beklagte hierfür und für rechtzeitige Lieferung eine Einstandspflicht übernimmt.
(3) Hierzu in direktem Widerspruch steht aber Ziff. 1.3 der AGB der Beklagten. Danach garantiert die Beklagte zwar, dass die Erwerber die Tickets rechtzeitig vor der Veranstaltung erhalten. Sollte dies nicht der Fall sein, so werde die Beklagte jedoch nach eigenem Ermessen, vergleichbar bepreiste Tickets prüfen und dem Käufer ohne Mehrkosten Ersatztickets anbieten oder den Betrag für die Tickets zurückerstatten.
(4) Diese Bedingungen weichen in mehrfacher Hinsicht von der im Bestellvorgang vorgehaltenen Erklärung ab. Grundsätzlich ist zwar die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter dem Gesichtspunkt der Irreführung unbedenklich (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, 37. Aufl. 2019, UWG § 5 Rn. 8.6). Es darf aber nicht der unzutreffende Eindruck erweckt werden, bestimmte Risiken seien abgesichert, wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist (vgl. für den Bereich des Versicherungsvertragsrechts: BGH GRUR 1983, 654, 655) – Kofferschaden; KG WRP 1987, 32; KG GRUR 1991, 787).
Die Beklagte wirbt im Rahmen des Bestellvorganges mit einer unbestimmten Einstandspflicht für die Gültigkeit der gehandelten Tickets und die Rechtzeitigkeit ihrer Lieferung. In ihren AGB schränkt sie diese Erklärung in mehrfacher Hinsicht aber entscheidend ein. Aus Ziff. 1.3 der AGB folgt erstens bei genauer Betrachtung, dass die Beklagte gerade nicht verschuldensunabhängig für die Folgen mangelnder Rechtzeitigkeit und Gültigkeit einstehen will. Sie beschränkt ihre Einstandspflicht auf die Lieferung gleich bepreister Ersatztickets, die sie erwerben und dem Käufer liefern werde. Für die Auswahl der Ersatztickets behält sie sich zweitens ein uneingeschränktes Ermessen vor. Falls vergleichbar bepreiste Ersatztickets nicht zu erlangen sind, will die Beklagte dem Käufer lediglich den gezahlten Kaufpreis zurückerstatten. Durch eben diese Einschränkungen weicht sie in erheblicher Weise von der im Rahmen des Bestellvorganges vorgehaltenen Erklärung ab.
Die Irreführung ergibt sich zudem daraus, dass die Beklagte die Gültigkeit vor dem Hintergrund der Weiterverkaufsbedingungen der Veranstalter regelmäßig schon nicht garantieren kann. Wie sich aus den vom Kläger vorgelegten Ticketbedingungen der TSV 1860 München GmbH & Co. KGaA ergibt, knüpfen Veranstalter teilweise den Weiterverkauf an spezielle Bedingungen, bei deren Nichteinhaltung die Tickets ihre Gültigkeit verlieren.
c. Die Klage ist wegen Nichtvorhaltens einer E-Mail-Adresse im Impressum der Webseite der Beklagten begründet. Die fehlende Nennung einer Adresse für die elektronische Post verstößt gegen § 5 a Abs. 2 und 4 UWG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG.
aa. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG haben Diensteanbieter für geschäftsmäßige Telemedien Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten. Diesen Anforderungen genügt das Bereithalten eines elektronischen Formulars zur Kontaktaufnahme aus mehreren Gründen nicht:
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG, wortgleich mit Art. 5 Abs. 1 lit. c RL 2000/31/EG, verlangt ausdrücklich das Verfügbarhalten einer Adresse der elektronischen Post. Adresse für elektronische Post meint die E-Mail-Adresse (vgl. auch KG MMR 2013, 591, 592). Das Vorhalten eines elektronischen Kontaktformulars ist hierfür nicht ausreichend. Zweck der Vorschrift ist die Gewährleistung einer einfachen und unkomplizierten Kontaktaufnahmemöglichkeit durch den Verbraucher mit dem Diensteanbieter. Die Kontaktaufnahme per E-Mail eröffnet dem Benutzer des Telemediendienstes die Möglichkeit, sein Anliegen umfassend, ohne Zeichenbeschränkung und mitunter unter Mitsendung von Anlagen vorzubringen (vgl. KG MMR 2013, 591, 593). Ein elektronisches Kontaktformular, das – wie vorliegend – zunächst eine Registrierung des Nutzers erfordert, stellt vor dem Hintergrund des Normzwecks keinen gleichwertigen Ersatz dar.
bb. Die Pflichtangaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG stellen wesentliche Informationen i.S.d. § 5 a Abs. 4 UWG dar (h.M., vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 37. Aufl. 2019, UWG § 5 a Rn. 5.26).
cc. Dem Vorenthalten der Adresse der elektronischen Post kommt im konkreten Fall auch eine geschäftliche Relevanz zu. Eine solche ist immer dann gegeben, wenn im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände der betreffenden geschäftlichen Handlung das Vorenthalten der in Rede stehenden Information geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (EuGH WRP 2017, 31 Rn. 58 – Canal Digital Danmark; BGH WRP 2016, 1221 Rn. 55 – LGA tested; BGH WRP 2017, 1081 Rn. 31 – Komplettküchen). Dies ist hier der Fall, zumal die Information über die Kontaktaufnahme via elektronischer Post vor dem Hintergrund möglicher vertraglicher Ansprüche gegen die Beklagte gem. deren AGB aufgrund Leistungsstörungen des Ticketkaufvertrags für die Durchschnittsverbraucher nicht völlig belanglos ist.
d. Kein Lauterkeitsverstoß liegt darin, dass die Beklagte keine Informationen über ihre vertretungsberechtigten Personen vorhält. Die Klage ist insoweit als unbegründet abzuweisen.
aa. Es liegt zwar grundsätzlich ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG vor. Die Vorschrift statuiert eine Pflicht des Diensteanbieters, so es sich bei diesem um eine juristische Person handelt, Informationen über den Vertretungsberechtigten verfügbar zu halten. Diese Pflicht findet aber keine Grundlage in der unionsrechtlichen Richtlinie 29/2005/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie), die in ihrem Anwendungsbereich eine Vollharmonisierung bewirkt mit der Folge, dass nach nationalem Recht kein höheres Schutzniveau gelten darf (vgl. EuGH GRUR 2010, 244, Rn. 41 – Zentrale/Plus Warenhandelsgesellschaft; BGH GRUR 2008, 807, Tz. 17 – Millionen-Chance). § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG ist daher richtlinienkonform einzuschränken, so dass das Fehlen von Angaben zu den Vertretungsberechtigten einer juristischen Person im Impressum des Diensteanbieters keinen Lauterkeitsverstoß darstellt oder jedenfalls keine lauterkeitsrechtlichen Ansprüche auslöst (vgl. KG MMR 2016, 601 f.).
cc. Die Annahme eines Verstoßes gegen § 2 UKlaG scheidet aus den genannten Erwägungen – fehlende unionsrechtliche Grundlage – ebenfalls aus. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG kann in Bezug auf die Angabe der vertretungsberechtigten Personen in richtlinienkonformer Auslegung nicht als Verbraucherschutzgesetz i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 UKlaG angesehen werden. Das Unterlassungsbegehren des Klägers kann sich somit auch auf diese Vorschrift nicht mit Erfolg stützen (KG MMR 2016, 601, 602).
e. Der Kläger hat seinen ursprünglich mit der Klage vom 02.05.2017 angekündigten Zahlungsantrag mangels Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten und damit nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Die Kammer war deshalb gehindert, über diesen Antrag zu entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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