IT- und Medienrecht

Polizeirecht, Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuordnung zur sog. „Reichsbürgerbewegung“, Feststellungsinteresse

Aktenzeichen  M 23 K 19.911

Datum:
14.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 11716
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 1
VwGO analog § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
Zu entscheiden war über den Klageantrag bezogen auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einstufung der Klägerin als Zugehörige zur sog. „Reichsbürgerszene“. Der Übergang von der zunächst mit Schriftsatz vom 27. Februar 2019 erhobenen Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zur nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage stellt keine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO, sondern eine Veränderung des Streitgegenstandes, hier nach § 173 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 3 ZPO dar (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO,15. Auflage 2019, § 91 Rn. 11, 18). Die Umstellung des Klagebegehrens war auch erforderlich, da sich die belastende Maßnahme, nämlich die polizeilich erfolgte Einstufung als Zugehörige zur Reichsbürgerszene, durch die Ausstufung am 10. April 2019 im Sinne des Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG „auf andere Weise“ erledigt hatte und daher für eine Verpflichtung des Beklagten zur Verbescheidung bzw. Entscheidung über die Ausstufung mangels Rechtsschutzbedürfnisses kein Raum mehr bestand.
Allerdings ist die Klage in ihrem zuletzt aufrechterhaltenen Klageantrag unzulässig, da der Klägerin im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das erforderliche Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehlt.
Erforderlich ist hierfür ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung und nicht nur ein abstrakter Klärungsbedarf. Der Begriff des berechtigten Interesses einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO umfasst mindestens die anerkannten Fallgruppen des für eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (hier in entsprechender Anwendung) erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresses und ist zumindest insoweit gleich auszulegen (VG München, U.v. 17.3.2021 – M 23 K 18.2191 – juris Rn. 16). Damit ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob gegenüber der Klägerin – was vorliegend streitig ist – eine polizeiliche Maßnahme in Form eines Verwaltungsaktes oder schlicht tatsächlichem hoheitlichen Handeln ergangen war (vgl. auch BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 7). Hingegen scheitert der gestellte Klageantrag nicht – wie der Beklagte meint – an § 44a Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können. Denn selbst wenn es sich vorliegend nur um eine solche rein behördeninterne Verfahrenshandlung handeln würde – woran erhebliche Zweifel bestehen -, gäbe es neben der Einstufung der Klägerin als Zugehörige zur Reichsbürgerbewegung keine weitergehende Sachentscheidung, gegen die sie einen Rechtsbehelf richten könnte (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 44a Rn. 6), weswegen sich aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) eine teleologische Reduktion geradezu aufdrängen würde. Im Übrigen ist ohne weiteres davon auszugehen, dass es sich bei der Einstufung der Klägerin als Zugehörige zur Reichsbürgerbewegung gerade um die ein Verfahren abschließende Sachentscheidung handelt, auch wenn dies von dem Beklagten nicht förmlich bekanntgegeben wird.
Für ein berechtigtes Interesse im Sinn eines Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist grundsätzlich jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.1989 – 1 C 40.88 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 11.11.2009 – 6 B 22.09 – juris Rn. 4). Nach gängiger Rechtsprechung kann sich ein solches Interesse insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 27.15 – juris Rn. 3; U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 7.3.2018 – 3 BV 16.2040 – juris Rn. 28). Dabei obliegt es dem jeweiligen Kläger, die Umstände darzulegen, aus denen sich sein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse ergibt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 110).
Dies zugrunde legend folgt zunächst kein schützenswertes (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse der Klägerin aus der Fallgruppe der Wiederholungsgefahr. Erforderlich wäre eine hinreichend bestimmte Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 8 m.w.N.). Eine solch hinreichend bestimmte Gefahr ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Dies folgt schon daraus, dass sich die Klägerin, wie auch der Beklagte durch die erfolgte Ausstufung der Klägerin als Zugehörige zur Reichsbürgerszene am 10. April 2019 eingestand, durch ihr weiteres Verhalten nach erfolgter damaliger Einstufung bzw. unmittelbar nach ersten ihr bekannt gewordenen Reaktionen der Behörden auf ihr Schreiben an das Polizeiverwaltungsamt vom 4. Dezember 2016 (insb. Einleitung des waffenrechtlichen Widerrufsverfahrens) ausdrücklich von der unterstellten Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung distanziert hatte, insbesondere durch das Schreiben an das Kreisverwaltungsreferat M. vom 3. Januar 2017. Auch das Gericht geht, insbesondere unter Würdigung der von der Klägerin unter …, zuletzt aufgerufen am 5. Mai 2021, geschilderten Beweggründe und den Konsequenzen, die sie im Rahmen dieses Verfahrens hinnehmen musste, davon aus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts keine Reichsbürgerin ist. Auch und gerade unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Einstufung der Klägerin (lediglich) aufgrund eines einzigen Vorfalls – mithin des besagten Schreibens an das Polizeiverwaltungsamt vom 4. Dezember 2016 – vorgenommen wurde, ist keine konkrete Wiederholungsgefahr ersichtlich.
Weiter kann sich die Klägerin aber auch nicht auf die Fallgruppe eines Rehabilitierungsinteresses berufen. Danach besteht ein berechtigtes Interesse, wenn ein Rehabilitierungsinteresse bei vernünftiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls als schutzwürdig zu erachten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 113 Rn. 142). Dies ist der Fall, wenn die begehrte Feststellung, dass die angegriffene Maßnahme rechtswidrig war, als „Genugtuung“ und/oder zur Rehabilitierung erforderlich ist, weil sie diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergeben hat (vgl. BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 6 B 64.06 – juris Rn. 10). Die objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss dabei geeignet sein, das Ansehen eines Klägers in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen und in der Gegenwart noch fortbestehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 13 m.w.N.). Ein bloß ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit eines erledigten Verwaltungshandelns ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen dieses Handelns fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Sachentscheidung wirksam begegnet werden könnte, reicht demgegenüber für die Annahme eines schutzwürdigen Rehabilitierungsinteresses nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 5 C 44/87 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 10.10.2012 – 10 ZB 12.1445 – juris Rn. 6). Vielmehr muss ein berechtigtes Schutzbedürfnis gegenüber nachteiligen Nachwirkungen bestehen. Dieses wäre z.B. zu bejahen, wenn es um die Beseitigung der Beeinträchtigung des beruflichen Ansehens des Betroffenen geht, wobei aufgrund der Rufschädigung eingetretene konkrete Auswirkungen auf die Berufstätigkeit des Betroffenen vorausgesetzt werden (vgl. VG München, U.v. 22.10.2003 – M 22 K 02.1700 – juris Rn. 29).
Gemessen hieran vermag das Gericht kein Rehabilitierungsinteresse der Klägerin zu erkennen. Bei der angegriffenen Maßnahme, deren Rechtswidrigkeitsfeststellung begehrt wird, handelt es sich – im Kern – um eine behördeninterne Maßnahme, nämlich die Bewertung und erfolgte Einstufung zur Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung. Hierauf chronologisch folgende Verfahrensabläufe oder -schritte, wie die Information anderer Behörden, beispielsweise – wie hier – die Information der Personalverwaltung der …, die Beteiligung am waffenrechtlichen Widerruf in Form der Stellungnahme gegenüber dem Kreisverwaltungsreferat oder die Speicherung der Daten in der polizeilichen Vorgangsverwaltung sind jeweils hiervon abzugrenzende eigenständige Maßnahmen, die von der anwaltlich vertretenen Klägerin nicht konkret angegriffen wurden und auch sonst nicht vom Streitgegenstand umfasst sind. Diese sämtlich mittelbar aus der Einstufung folgenden weiteren (und unstreitig nach außen wirkenden) Maßnahmen müssen auch deswegen unberücksichtigt bleiben, da die verschiedenen Fallgruppen eines anzuerkennenden (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses bei Erledigung einer behördlichen Maßnahme jeweils eng auszulegen sind (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 108 m.w.N.). Die streitgegenständliche Einstufung der Klägerin als Zugehörige zur Reichsbürgerbewegung wurde durch die am 10. April 2019 verfügte Ausstufung derselbigen an gleicher Stelle bzw. auf gleiche Art und Weise dahingehend erledigt, sie ist der Klägerin auch bekannt bzw. hat sie diese mittlerweile schriftlich erhalten, was im vorliegenden Fall ihrer Rehabilitation genügt. Im Übrigen dürfte ihr hinsichtlich der gewünschten Rehabilitation dahingehend Genugtuung widerfahren sein, als dass sie die erfolgte Ausstufung auch auf ihrer öffentlichen Homepage bekannt geben konnte und dies auch tat (., letzter Absatz, zuletzt aufgerufen am 5. Mai 2021). Eine weitergehende Stigmatisierung der Klägerin, die geeignet ist, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen oder sie gar zu diskriminieren, vermag die Kammer nach der erfolgten Ausstufung und deren Bekanntmachung nicht mehr erkennen; was die damalige Bewertung und Einstufung selbst betraf, hatte die Klägerin durch ihre – wenngleich möglicherweise irrtümliche – damalige Erklärung die Ursache selbst geschaffen.
Weiter folgt auch kein berechtigtes Interesse aus der Fallgruppe eines besonders schweren Grundrechtseingriffes. Ein solcher ist schon deswegen zu verneinen, da ein objektives Rechtsklärungsinteresse innerhalb dieser Fallgruppe grundsätzlich nur bei typischerweise kurzfristiger Erledigung der Maßnahme besteht und daher keiner gerichtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnte (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – juris Rn. 31 m.w.N.). Gerade dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Klägerin war ihre erfolgte (oder unmittelbar bevorstehende) Einstufung zur Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene spätestens ab der erfolgten Anhörung in den Betriebsräumen ihres Arbeitgebers am 21. Dezember 2016 bekannt. Bis zur am 10. April 2019 erfolgten Ausstufung ließ sie unter Berücksichtigung der Klageerhebung am 27. Februar 2019 über zwei Jahre verstreichen, ohne gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Obgleich sie auch schon in den damaligen Verfahren hinsichtlich des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis anwaltlich vertreten war, unterblieb die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes hinsichtlich der nunmehr im Nachhinein beanstandeten polizeilichen Maßnahme über genannten erheblichen Zeitraum vollständig. Der Klägerin hätte in diesem Zeitraum, bzw. bereits unmittelbar nach erfolgter Einstufung, effektiver Rechtsschutz, ggf. unter Zuhilfenahme von Anträgen im einstweiligen Rechtsschutz, zur Verfügung gestanden, die aber ungenutzt blieben. Aber auch unabhängig hiervon ist durch der erfolgten und mittlerweile beendeten Einstufung kein besonders schwerer Grundrechtseingriff zu entnehmen. Der Bevollmächtigte der Klägerin nimmt insoweit auf Art. 1 GG und Art. 100 BV Bezug (womit wohl ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gemeint sein dürfte) und rügt im Übrigen einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin (Art. 12 GG). Zumindest ein Eingriff in die Berufsfreiheit kommt vorliegend offensichtlich nicht in Betracht, da durch die Einstufung der Klägerin nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar in besagtes Grundrecht eingegriffen worden wäre. Für letztere Fallgruppe bedarf es allerdings nach Rechtsprechung und Kommentarliteratur einer sog. berufsregelnden Tendenz der Maßnahme (Kämmerer in von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 21 ff.). Eine solche berufsregelnde Tendenz liegt allerdings in der vorgenommenen Einstufung nicht vor, da diese weder Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändert, noch infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs steht (vgl. BVerfG, B.v. 31.8.2009 – 1 BvR 3275/07 – juris Rn. 10). Sowohl die Freistellung von ihrem Anstellungsverhältnis bei der … … …, als auch die nicht erfolgte Wiedereinstellung bei der … sowie der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis waren allenfalls mittelbare Folgen der Einstufung als Reichsbürgerin. Auch soweit der Bevollmächtigte der Klägerin (sinngemäß) einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG anführt, dringt er damit nicht durch. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört (u.a.) grundsätzlich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als auch die persönliche Ehre (vgl. BVerfG, B.v. 3.6.1980 – 1 BvR 185/77 – juris Rn. 14) und damit der Schutz vor Rufschädigungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken. Soweit sinngemäß ein Eingriff in das Recht der informationellen Selbstbestimmung der Klägerin gerügt wird, handelt es sich hierbei nicht um einen (besonders) schweren Grundrechtseingriff. Denn die – mittlerweile überwiegend gelöschten – Datensätze über die Klägerin beim Beklagten (mithin existiert nach Ausführungen der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung am 14. April 2021 lediglich ein Datensatz in der polizeiinternen Vorgangsverwaltung – IGVP-) mit Verweis auf die erfolgte Ausstufung, waren und sind nicht öffentlich zugänglich und werden voraussichtlich mit Ablauf des Jahres … gelöscht werden. Auch eine weitergehende Ehrverletzung oder Rufschädigung der Klägerin durch die Einstufung, die sie in besonders schwerer Art und Weise beeinträchtigt, ist durch die Einstufung als Reichsbürgerin an sich innerhalb der dem Beklagten untergeordneten Behörden nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgetragen. Nach eigener Angabe der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sieht sie sich nach wie vor im Wesentlichen dadurch beeinträchtigt, dass ihr finanzielle Einbußen entstanden seien sowie dass ihre polizeiliche Einstufung bekannt geworden wäre, wobei letzteres bereits im Rahmen des Rehabilitationsinteresses zu würdigen war.
Schließlich folgt ein Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch nicht aus der Fallgruppe der Präjudizialität. Denn nach dieser Fallgruppe besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist und ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.8.1987 – 4 C 31/86 – juris Rn. 13). Im Zusammenhang mit der von der Klägerin angeführten finanziellen Benachteiligung kommt aus diesen Fallgruppen allein jene der beabsichtigten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Amtshaftung in Betracht. Nur in diesem Zusammenhang könnte die Klägerin mit dem erstrebten Feststellungsurteil in bestimmter Weise „etwas anfangen“ (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 90), indem eine etwaige Pflichtverletzung des Beklagten gerichtlich festgestellt werden würde, wobei auch insoweit der Schaden nicht unmittelbar aus der behördeninternen Einstufung folgen dürfte, sondern allenfalls aus den gesonderten – hier nicht streitgegenständlichen – Mitteilungen an Dritte.
An der aufgezeigten Voraussetzung, dass ein solcher Prozess mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und nicht offensichtlich erfolglos wäre, fehlt es vorliegend jedoch ersichtlich. Zunächst ist noch keine Klage der Klägerin auf Schadenersatz oder Entschädigung bei den ordentlichen Gerichten anhängig. Auch gegenüber dem Beklagten wurde ein Schadensersatzanspruch (noch) nicht geltend gemacht. Überdies fehlt es auch an jeglichen Angaben über den Schaden, der der Klägerin entstanden sein soll. Die Behauptung eines eingetretenen Schadens setzt auch in einer Konstellation wie der vorliegenden zwingend eine Gegenüberstellung der Einkommensverhältnisse bzw. des verbleibenden Gewinns, die bei Fortsetzung des Angestelltenverhältnisses erzielt worden wären und der finanziellen Verhältnisse, die sich aufgrund einer etwaigen anderweitigen beruflichen Tätigkeit ergeben haben, sowie eine jedenfalls annähernde und in irgendeine Art und Weise substantiierte Angabe der Schadenshöhe voraus, soweit sich die Klägerin – wie behauptet – über einen längeren Zeitraum auf Arbeitssuche befunden hatte (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2017 – 6 ZB 17.587 – juris Rn. 9 ff.). Die in der mündlichen Verhandlung am 14. April 2021 vorgetragene Schadenshöhe in Höhe von geschätzten 10.000 Euro blieb trotz der bereits seit dem 27. Februar 2019 rechtshängigen Klage ohne Beleg oder nachvollziehbarer Darstellung des Rechenansatzes, ebenso fehlen Ausführungen zur haftungsbegründenden oder haftungsausfüllenden Kausalität der polizeilichen Einstufung im Zusammenhang mit der letztendlich erfolgten Freistellung aus dem Angestelltenverhältnis oder der der Klägerin verwehrten Wiedereinstellung bei der …
Selbst wenn man die Möglichkeit eines (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses wegen Vorbereitung eines Amtshaftungsanspruches im konkreten Einzelfall bejahen würde, erscheint das Bestehen desselbigen wegen der Regelung des § 839 Abs. 3 BGB zweifelhaft. Hiernach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Folglich stehen der Klägerin die geltend gemachten Schadensersatzansprüche voraussichtlich selbst dann nicht zu, wenn sie dem Beklagten einen schuldhaft rechtswidrig begangenen Pflichtenverstoß vorwerfen könnte, weil nach dem sog. Vorrang des Primärrechtsschutzes eine Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln nicht eintritt, wenn der Verletzte mögliche, ihm zumutbare Rechtsbehelfe unmittelbar gegen die beanstandete Entscheidung, hier insbesondere frühzeitigen gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Einstufung als Reichsbürgerin, ohne hinreichenden Grund nicht in Anspruch genommen hat. Mithin dürfte ein etwaiges Feststellungsinteresse aufgrund Präjudizialität auch an der diesbezüglichen und wahrscheinlichen Aussichtslosigkeit des beabsichtigten Amtshaftungsprozesses wegen der Ausschlussregelung des § 839 Abs. 3 BGB scheitern (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 26.4.1968 – 6 C 24.67 – BVerwGE 29, 309; B.v. 23.9.1980 – 2 B 52.80 – juris; U.v. 17.10.1985 – 2 C 12.82 – juris; U.v. 28.5.1998 – 2 C 29.97 – BVerwGE 107, 29; U.v. 9.12.1999 – 2 C 38.98 – ZBR 2000, 208; BGH, U.v. 16.1.1986 – 3 ZR 77/84 – NJW 1986, 1924).
Trotz Unzulässigkeit der Klage sieht sich die Kammer – ohne dass es demzufolge hierauf streitentscheidend ankäme – dazu veranlasst darauf hinzuweisen, dass die polizeiliche Bewertung und Einstufung der Klägerin als Zugehörige zur sogenannten Reichsbürgerszene inhaltlich ein absoluter Grenzfall gewesen sein dürfte. Die damalige Zuordnung erfolgte einzig und allein aufgrund des Schreibens der Klägerin an das Polizeiverwaltungsamt S. vom 4. Dezember 2016. Weitergehende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin der benannten Szene zuzuordnen wäre, gab es nicht. Im Gegenteil distanzierte sie sich bereits mit Schreiben vom … … 2017 und somit kurz nach dem Vorfall und dem Gespräch mit ihr gegenüber dem Kreisverwaltungsreferat M. ausdrücklich und glaubhaft hiervon und bekräftigte ihre Anerkennung der Bundesrepublik Deutschland. Weitere Anhaltspunkte zu Lasten der Klägerin gab es nicht. Auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2021 von der Klägerin gewinnen konnte, ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene besteht oder bestanden hatte, so dass der Beklagte nach Kenntniserlangung über das von ihr versandte Schreiben an das Polizeiverwaltungsamt – zumindest zunächst – allenfalls von einer diesbezüglichen Anscheinsgefahr hatte ausgehen dürfen, zumal zum Zeitpunkt der erfolgten Einstufung die Verhaltensweisen der Reichsbürgerszene noch nicht ansatzweise abschließend geklärt gewesen sein dürften.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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