IT- und Medienrecht

Presserechtlicher Auskunftsanspruch gegen einen Bürgermeister

Aktenzeichen  AN 14 E 20.00435

Datum:
2.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 11995
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPrG Art. 4 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 123

 

Leitsatz

1. Der Auskunftsanspruch nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 BayPrG erstreckt sich auch auf Gemeinden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. So ein presserechtliches Auskunftsverweigerungsrecht darauf gestützt werden, dass die Beantwortung einer Anfrage im Einzelfall Grundrechte Dritter wie z.B. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt, sind widerstreitende und grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehende verfassungsrechtlich geschützte Interessen, in einer die Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Weise auszugleichen. Im gerichtlichen Verfahren ist deshalb abzuwägen, ob dem verfassungsrechtlich aufgrund der Pressefreiheit gewährleisteten Informationsinteresse oder dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Interesse eines Dritten der Vorzug zu geben ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn Verträgen eine Verschwiegenheitspflicht i.S.v. Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayPrG zu entnehmen sein sollte, erfasst diese nicht automatisch das gesamte Vertragsverhältnis. Vielmehr ist bezüglich jeder Vertragsklausel, deren Mitteilung verweigert werden soll, zu begründen, weshalb hier eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Die Auslegung gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten wird daneben in der Regel ergeben, dass eine Auskunftserteilung gegenüber der Presse nicht generell ausgeschlossen werden soll. Vielmehr ist eine Abwägung des öffentlichen Informationsinteresses mit dem durch die Informationsweitergabe beeinträchtigten privaten Interesse vorzunehmen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin gemäß Art. 4 des Bayerischen Pressegesetzes Auskunft darüber zu erteilen,
1. ob es einen Beschluss des Gemeinderates gibt, die Herausgeberschaft für das
„… Gemeindeblatt“ auf die „… Werbeagentur“ zu übertragen;
2. ob es einen Vertrag gibt, der die „Herausgeberschaft“ für das „… Gemeindeblatt“ durch die „… Werbeagentur“ regelt; wenn ja, welchen Inhalt dieser Vertrag hat oder – soweit die Auskunft verweigert wird – der Antragstellerin mitzuteilen, welche Gründe einer Auskunftserteilung entgegenstehen;
3. ob die Gemeinde … der „… Werbeagentur“ finanzielle Zusagen bezüglich der Übernahme der Herausgeberschaft gemacht hat und wenn ja, aufgrund welcher gesetzlicher Legitimation dies erfolgt ist;
4. ob es einen Beschluss des Gemeinderates gibt, das Anzeigengeschäft für das
„… Gemeindeblatt“ auf die „… … GmbH & Co. KG“ zu übertragen;
5. ob es einen Vertrag gibt, der die Übernahme verlegerischer Aktivitäten für das
„… Gemeindeblatt“ durch die „… … GmbH & Co. KG“ regelt;
wenn ja, welchen Inhalt der Vertrag hat oder – soweit die Auskunft verweigert wird – der Antragstellerin mitzuteilen, welche Gründe einer Auskunftserteilung entgegenstehen;
6. ob die Gemeinde … der „… … GmbH & Co. KG“ finanzielle Zusagen bezüglich der Übernahme von verlegerischen Aktivitäten gemacht hat und wenn ja, aufgrund welcher gesetzlicher Legitimation;
7. ob es vor der Übertragung der Herausgeberschaft und/oder des Anzeigengeschäfts entsprechende Ausschreibungen gegeben hat, die Bewerbungen interessierter Unternehmen ermöglicht hätten;
8. wem die Anzeigenerlöse für Inserate/Beilagen im „… Gemeindeblatt“
zustehen;
9. wer die Satz- und Druckkosten für das … Gemeindeblatt trägt;
10. wer nach der Übertragung der Herausgeberschaft das „… Gemeindeblatt“
zustellt und wer die Zustellkosten trägt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Antragsgegnerin, der Antragstellerin nach presserechtlichen Vorschriften bestimmte Fragen zu beantworten.
Die Antragstellerin ist eine Verlagsgesellschaft, bei der unter anderem die Tageszeitung … Nachrichten erscheint, deren Verbreitungsgebiet auch das Gebiet der Antragsgegnerin umfasst.
Mit E-Mail des Leiters der Redaktion der … Nachrichten vom 5. Februar 2020 an den ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin bat die Redaktion der … Nachrichten zeitnah um die Beantwortung mehrerer, im Einzelnen aufgeführter Fragen.
Die Antragsgegnerin hat auf dieses Schreiben nicht geantwortet.
Mit Schriftsatz vom 9. März 2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach am gleichen Tag eingegangen, beantragte die Antragstellerin, der Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, schriftlich die bereits in der E-Mail vom 5. Februar 2020 gestellten Fragen zu beantworten. Hintergrund des Auskunftsbegehrens sei, dass das Oberlandesgericht … der Verwaltungsgemeinschaft … mit Urteil vom 25. Juni 2019 die Herausgabe des „… Gemeindeblatts“ (Ausgabe vom 1.4.2017) untersagt habe, weil es gegen das Gebot der Staatsfreiheit der Presse verstoße. Anschließend habe die Antragsgegnerin versucht, das Verbotsurteil zu unterlaufen, indem die Herausgeberschaft von der Verwaltungsgemeinschaft … auf die Gemeinde … übertragen worden sei. Das Landgericht … habe der Antragsgegnerin mit Urteil vom 27. Februar 2020 den Vertrieb der kerngleich rechtswidrigen Ausgabe des Gemeindeblatts vom 1. Dezember 2019 untersagt. In der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren habe der erste Bürgermeister der Antragsgegnerin erklärt, die Gemeinde habe mit dem „… Gemeindeblatt“ nichts mehr zu tun. Die Herausgeberschaft liege bei der „… Werbeagentur“, die verlagswirtschaftlichen Geschäfte würden von der „… … GmbH & Co. KG“ wahrgenommen. Die Redaktion der … Nachrichten beabsichtige, über die Umstände zu berichten, die die Antragsgegnerin nach ihrer eigenen Aussage veranlasst hätten, die Herausgeberschaft des Gemeindeblatts und die verlagswirtschaftlichen Geschäfte auf private Unternehmen zu übertragen. Ein entsprechendes öffentliches Interesse ergebe sich schon daraus, dass die Bürger von … weiterhin ein Gemeindeblatt erhielten, das sich von den früheren, von der Gemeinde verantworteten Gemeindeblättern nicht wesentlich unterscheide, aber aus Sicht der Antragsgegnerin nicht mehr das kommunale Gemeindeblatt darstellen solle. Hierüber werde auf der kommunalen Onlineplattform der VG … nicht informiert. Die Anfrage der … Nachrichten sei nicht beantwortet worden. Mit Blick auf die Aktualität der Vorgänge sei ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar.
Die Antragstellerin beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, schriftlich folgende Fragen zu beantworten:
1. Gibt es einen Beschluss des Gemeinderates, die Herausgeberschaft für das „… Gemeindeblatt“ auf die „… Werbeagentur“ zu übertragen?
2. Gibt es einen Vertrag, der die „Herausgeberschaft“ für das „… Gemeindeblatt“ durch die „… Werbeagentur“ regelt? Wenn ja, welchen Inhalt hat der Vertrag?
3. Hat die Gemeinde … der „… Werbeagentur“ finanzielle Zusagen bezüglich der Übernahme der Herausgeberschaft gemacht? Wenn ja, aufgrund welcher gesetzlicher Legitimation?
4. Gibt es einen Beschluss des Gemeinderates, das Anzeigengeschäft für das „… Gemeindeblatt“ auf die „… … GmbH & Co. KG“ zu übertragen?
5. Gibt es einen Vertrag, der die Übernahme verlegerischer Aktivitäten für das „… Gemeindeblatt“ durch die „… … GmbH & Co. KG“ regelt? Wenn ja, welchen Inhalt hat der Vertrag?
6. Hat die Gemeinde … der „… … GmbH & Co. KG“ finanzielle Zusagen bezüglich der Übernahme von verlegerischen Aktivitäten gemacht? Wenn ja, aufgrund welcher gesetzlichen Legitimation?
7. Hat es vor der Übertragung der Herausgeberschaft und/oder des Anzeigengeschäfts entsprechende Ausschreibungen gegeben, die Bewerbungen interessierter Unternehmen ermöglicht hat?
8. Wem stehen die Anzeigenerlöse für Inserate/Beilagen im „… Gemeindeblatt“ zu?
9. Wer trägt die Satz- und Druckkosten für das „… Gemeindeblatt“?
10. Wer stellt nach der Übertragung der Herausgeberschaft das „… Gemeindeblatt“ zu? Wer trägt die Zustellkosten?
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung führt sie aus, dass die Antragstellerin auf der Grundlage des Presserechts Auskunft über verschiedene, im Zusammenhang mit einem wettbewerbsrechtlichen Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten geführten Verfahren relevante Informationen begehre. Der Kern dieser Frage sei bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht … thematisiert worden. Nach Erlass der einstweiligen Verfügung verfolge sie diese Fragen nun als scheinbares presserechtliches Auskunftsbegehren weiter. Dies sei rechtsmissbräuchlich, da es erkennbar nicht presserechtlichen Zwecken diene bzw. nicht für Zwecke, für die nach Sinn und Zweck der presserechtliche Auskunftsanspruch bestehe, eingesetzt werde, sondern zu wettbewerbsrechtlichen Zwecken. Die Antragstellerin gehe wie andere Unternehmen aus dem Pressebereich derzeit gegen verschiedene Publikationen von Städten und Gemeinden vor. Diese Streitigkeiten seien inzwischen bis zum Bundesgerichtshof gelangt. Die dort beklagte Stadt … habe gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben, die dort anhängig sei. Die Antragsgegnerin habe infolge des Rechtsstreits zunächst selbst die Herausgeberschaft des … Gemeindeblattes übernommen, was von der Antragstellerin wiederum im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angegriffen worden sei. In der Folge sei die Antragstellerin auch gegen die Ausgabe des Gemeindeblattes vom 1. Dezember 2019 vorgegangen, das von einem privaten Verlag bzw. einer Werbeagentur herausgegeben worden sei. Auch insoweit sei die beantragte einstweilige Verfügung vom Landgericht … erlassen worden. Im Rahmen dieses Verfahrens habe die Antragstellerin die hier inmitten stehenden Fragestellungen thematisiert, wie sich aus den beigefügten Schreibgen der Antragstellerin vom 6. Februar 2020 im Verfahren vor dem Landgericht … (Az.: …) ergebe. Der presserechtliche Auskunftsanspruch werde rechtsmissbräuchlich zu Wettbewerbszwecken geltend gemacht. Tatsächlich nehme die Antragstellerin die Antragsgegnerin auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts bezüglich der Herausgabe des Gemeindeblatts … in Anspruch. Es sei nicht Sinn und Zweck des presserechtlichen Auskunftsanspruchs, der Vorbereitung, Begründung und der besseren Durchsetzbarkeit wettbewerbsrechtlicher Ansprüche der Antragstellerin zu dienen. Insbesondere sei es nicht Sinn und Zweck des presserechtlichen Auskunftsanspruchs, wettbewerbsrechtliche Verfahren vorzubereiten, zu begründen bzw. zu fördern.
Die Antragstellerin nahm hierzu mit Schriftsatz vom 9. April 2020 dahingehend Stellung, dass der beigefügte Artikel aus den … Nachrichten vom 21. März 2020 anschaulich belege, dass die Medien der Antragstellerin ihre Leser selbstverständlich auch über die Auseinandersetzungen um das … Gemeindeblatt informierten. Für die vorgelegte Veröffentlichung wäre es von besonderem Gewicht gewesen, wenn der Redaktion bereits die Antworten der Antragsgegnerin auf die gestellten Fragen vorgelegen hätten. Es stehe außer Frage, dass die Antragstellerin mit ihrem Auskunftsbegehren publizistische Ziele verfolge. Der Vorhalt eines missbräuchlichen Auskunftsverlangens erweise sich als unbegründet. Andere Gründe, die der Beantwortung der gestellten Fragen entgegenstehen könnten, seien von der Antragsgegnerin nicht thematisiert worden.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist zulässig, insbesondere fehlt ihm entgegen der Argumentation der Antragsgegnerin nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (hierzu 1.). Daneben ist er im tenorierten Umfang auch begründet (hierzu 2.).
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft, da in der Hauptsache für die Erteilung der begehrten Auskünfte eine allgemeine Leistungsklage statthaft wäre (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Entgegen der Argumentation der Antragsgegnerin fehlt dem Antrag auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
Mit dem Begriff des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses wird in der Rechtsprechung und verwaltungsprozessrechtlichen Literatur zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlich nur derjenige, der ein schutzwürdiges Interesse mit seiner Klage bzw. seinem einstweiligen Rechtsschutzantrag verfolgt einen Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung hat. Dieses schutzwürdige Interesse wird grundsätzlich bejaht, nur in Ausnahmefällen liegt es nicht vor. Hintergrund des in Einzelfällen fehlenden allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ist das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte, das seine Wurzel letztlich im Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hat (Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 42 Rn. 335 m.w.N.; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, vor § 40 Rn. 11). Anders als die Klagebefugnis schützt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis nicht den Gegner, sondern das Gericht. Anerkannt ist, dass das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis insbesondere dann nicht vorliegt, wenn das mit der Klage bzw. dem Antrag verfolgte Ziel auf einem anderen Weg schneller erreichbar ist, wenn ein Erfolg im Klage- bzw. Antragsverfahren die Rechtsstellung des Klägers/Antragstellers nicht verbessern würde oder wenn es auf den Klageerfolg für den Kläger/Antragsteller gar nicht ankommt (Rennert in Eyermann, VwGO, vor § 40 Rn. 11). Das Gericht darf Rechtsschutz unter dem Gesichtspunkt des fehlenden allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses jedoch nur verweigern, wenn ein anerkennenswertes Interesse an der gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt (Rennert a.a.O. unter Verweis auf BVerwG, U. v. 29.4.2004 – 3 C 25/03 – BVerwGE 121, 1,3). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch auch, wenn es dem Kläger/Antragsteller nicht auf den Klageerfolg bzw. den Erfolg im Antragsverfahren, sondern auf die Durchsetzung anderer, dahinterliegender rechtsschutzfremder Ziele ankommt. Bei dieser Fallgruppe ist jedoch besondere Zurückhaltung geboten (Rennert a.a.O., vor § 40 Rn. 21). Die Absicht der Schädigung des Gegners oder der Schikane des Gerichts muss eindeutig erkennbar sein (Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 42 Rn. 360). Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, wenn das verfolgte Rechtsschutzziel nicht im Einklang mit der Rechtsordnung steht, weil der Kläger/Antragsteller objektiv erkennbar missbilligenswerte Ziele verfolgt. Hieran sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 37. Ergänzungslieferung Juli 2019, vor § 40, Rn. 98).
Im vorliegenden Fall ist ein anderer Weg, auf dem die begehrten Informationen schneller zu erlangen wären, angesichts der Weigerung der Antragsgegnerin, auf das Auskunftsersuchen überhaupt zu reagieren, nicht vorhanden. Daneben würde die Rechtsstellung der Antragstellerin mit dem Erhalt der Informationen auch zweifellos verbessert.
Die Fragen, die mit dem presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend gemacht werden, wurden so bereits im wettbewerbsrechtlichen Verfahren vor dem Oberlandesgericht … formuliert. Sie wurden dort aber in dem Zusammenhang gestellt, ob die Antragsgegnerin ausreichend dargelegt hätte, nicht mehr Herausgeberin des „… Gemeindeblattes“ zu sein. Die Antragstellerin führte dort also allein aus, was ihrer Auffassung nach die Antragsgegnerin zur Erfüllung ihrer Darlegungslast im einstweiligen Verfügungsverfahren vorzutragen hätte. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich zweifellos bei den hier in Rede stehenden Fragen um solche handelt, die für die aktuelle Berichterstattung im Verbreitungsgebiet der „… Nachrichten“ von Interesse sind. Auch wenn die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen möglicherweise im wettbewerbsrechtlichen Hauptsacheverfahren negative Auswirkungen für die Klägerin haben könnte, kann von einem Missbrauch prozessualer Rechte, konkret des Rechts, den presserechtlichen Auskunftsanspruch im Wege einer einstweiligen Anordnung durchzusetzen, nicht die Rede sein. Dass über diese Thematik in der örtlichen Presse berichtet wird, hat die Antragstellerin durch die Vorlage des Berichts aus den … Nachrichten vom 21. März 2020 belegt, im Übrigen liegt das aber auch auf der Hand. Angesichts der grundrechtlich (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) geschützten Freiheit der Presse steht es dem Gericht auch nicht zu, die von der Antragstellerin geltend gemachte Absicht einer weiteren Berichterstattung über die Vorgänge um das … Gemeindeblatt als vorgeschoben und damit nicht schutzwürdig zu beurteilen. Dafür besteht schon aus dem Grunde kein Raum, als wie oben dargestellt mit einer Verneinung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses wegen einer missbräuchlichen Absicht äußerste Zurückhaltung geboten ist. Umso weniger kann dies der Fall sein, wenn grundrechtlich geschützte Garantien auf der Seite des Rechtsschutzsuchenden streiten.
Nur der Vollständigkeit halber sei festgestellt, dass auch keine Rede davon sein kann, dass die Antragstellerin mit dem Antrag objektiv missbilligenswerte Ziele verfolgt.
2. Der Antrag ist in dem im Tenor dargestellten Umfang auch begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Begehrt der Antragsteller wie hier keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren, sind nach ständiger Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an die Darlegung sowohl des geltend gemachten Anordnungsgrundes als auch des Anordnungsanspruchs zu stellen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.1.2017 – 7 CE 16.2056 – juris; B.v. 17.2.2014 – 7 CE 13.2514 – juris). Der Erfolg der Hauptsache muss überwiegend wahrscheinlich sein und das Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung müsste für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge haben.
Die Antragstellerin hat nach diesen Maßstäben sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
a) Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus Art. 4 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG). Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Dieses Recht kann sie nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben. Es kann nur gegenüber dem Behördenleiter und den von ihm Beauftragten geltend gemacht werden (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayPrG). Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG darf die Auskunft nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.
Der Auskunftsanspruch nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG erstreckt sich auch auf Gemeinden wie die Antragsgegnerin (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2004 – 7 CE 04.1601 – juris Rn. 15). Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Behördenbegriff des Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG.
Die Antragstellerin hat diesen Anspruch vorliegend auch ordnungsgemäß geltend gemacht. Die Email vom 5. Februar 2020, mit der sie erstmals mit der Bitte um Auskunftserteilung an die Antragsgegnerin herangetreten ist, folgte durch die Redaktionsleitung der … Nachrichten und damit durch einen Redakteur i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG. Daneben erfolgte sie gegenüber dem ersten Bürgermeister der Antragsgegnerin und damit gegenüber dem richtigen Adressaten nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayPrG.
Auf Verschwiegenheitspflichten i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG kann sich die Antragsgegnerin, die sich weder direkt gegenüber der Antragstellerin noch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegenüber dem Verwaltungsgericht diesbezüglich eingelassen hat, soweit derzeit ersichltich nicht berufen.
Art. 4 Abs. 2 S. 2 BayPrG beschränkt das Auskunftsverweigerungsrecht der Behörden auf das Bestehen von gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten (Söder in BeckOK InfoMedienRecht, 27. Edition, Stand 1.2.2020, Art. 4 BayPrG, Rn. 16). Derartige Verschwiegenheitspflichten können sich daraus ergeben, dass die Beantwortung einer Anfrage im Einzelfall Grundrechte Dritter wie z.B. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt (BayVGH, U. v. 24.11.2016 – 7 B 16.454 – BeckRS 2016, 55344, Rn. 17; Söder a.a.O. Rn. 17). In einem solchen Fall sind widerstreitende und grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehende verfassungsrechtlich geschützte Interessen, in einer die Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Weise auszugleichen. Im gerichtlichen Verfahren ist deshalb abzuwägen, ob dem verfassungsrechtlich aufgrund der Pressefreiheit gewährleisteten Informationsinteresse oder dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Interesse eines Dritten der Vorzug zu geben ist (BayVGH a.a.O. Rn.17; Söder a.a.O. Rn. 16).
Hinsichtlich nahezu aller von der Antragstellerin formulierten Fragen ist weder von Seiten der Antragsgegnerin eine ihrer Beantwortung entgegenstehende Verschwiegenheitsverpflichtung geltend gemacht worden noch ist eine solche erkennbar. Eine Ausnahme hiervon gilt allein für die Fragen 2 und 5, soweit damit auch die Offenlegung des Vertragsinhalts begehrt wird. Denn insoweit ist es grundsätzlich denkbar, dass diese Offenlegung bezüglich einzelner Inhalte der jeweiligen Verträge in Rechte dieser Vertragspartner eingreifen würde, da sie möglicherweise zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen (zum Begriff des Geschäftsgeheimnisses vgl. BVerwG, B.v. 27.4.2016 – 20 F 13/15 – juris Rn. 20) führen würde. Ohne Kenntnis vom Inhalt dieser Verträge kann das Gericht nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilen, ob der Antragstellerin auch insoweit ein Auskunftsanspruch nach Art. 4 BayPrG zusteht. Da die Antragsgegnerin über den Antrag der Antragstellerin auf Auskunftserteilung aber nicht entschieden hat und auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hierzu nichts vorgebracht hat, kann dies bzgl. einzelner Informationen in den genannten Verträgen vom Gericht nicht ausgeschlossen werden.
Der Anordnungsanspruch der Antragstellerin ist daher vorliegend nur vorbehaltlich etwaiger im Einzelfall bestehender Verschwiegenheitspflichten glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Um der Antragstellerin angemessenen Rechtsschutz zu gewähren, ist die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin bei einer Verweigerung der Auskunft über den Inhalt der in den Fragen 2 und 5 genannten Verträge die Gründe mitzuteilen, die einer Auskunftserteilung entgegenstehen. Dadurch wird der Antragstellerin ermöglicht, in einem zweiten gerichtlichen Verfahren die Tragfähigkeit dieser Gründe prüfen zu lassen (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BayVGH, B.v. 13.8.2004 – 7 CE 04.1601 – juris Rn. 24 und 25).
Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsschutzverfahrens weist die Kammer aber bereits jetzt auf folgende Aspekte hin: Auch wenn den Verträgen eine Verschwiegenheitspflicht i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG zu entnehmen sein sollte, erfasst diese nicht automatisch das gesamte Vertragsverhältnis. Vielmehr ist bezüglich jeder Vertragsklausel, deren Mitteilung verweigert werden soll, zu begründen, weshalb hier eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Die Auslegung gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten wird daneben in der Regel ergeben, dass eine Auskunftserteilung gegenüber der Presse nicht generell ausgeschlossen werden soll (Söder in BeckOK InfoMedienR, 27. Edition Stand 1.2.2020, Art. 4 BayPrG, Rn. 16 m.w.N.). Vielmehr ist eine Abwägung des öffentlichen Informationsinteresses mit dem durch die Informationsweitergabe beeinträchtigten privaten Interesse vorzunehmen (Söder a.a.O. Rn. 17; BayVGH, B.v. 14.5.2012 – 7 CE 12.370 – juris Rn. 13; B.v. 13.8.2004 – 7 CE 04.1601 – juris Rn. 17)
b) Die Antragstellerin hat auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes mit der für die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund liegt in der Regel dann vor, wenn dem Antragsteller ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstünden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten. Im vorliegenden Fall begehrt die Antragstellerin mit der beantragten einstweiligen Anordnung keine vorläufige Entscheidung, sondern die endgültige Vorwegnahme einer in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung. In einem solchen Fall sind erhöhte Anforderungen an die Darlegung des Anordnungsgrundes zu stellen (s.o.).
Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Presse grundsätzlich in den Grenzen des Rechts selbst entscheidet, ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffung grundrechtlich schützt. Unter das Selbstbestimmungsrecht der Presse fällt auch die Freiheit der Presse, zu entscheiden, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Allerdings genügt es in diesem Zusammenhang, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt wird, wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen (so BVerfG, B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 – Rn. 29, 30 unter Berufung auf die Rechtsprechung des BayVGH, B.v. 13.8.2014 – 7 CE 04.1601 – jeweils juris), der Erlass einer einstweiligen Anordnung mithin notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Damit die Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion wahrnehmen kann, dürfen mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mit umfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse insbesondere auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung aber keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, B.v. 8.9.2014 a.a.O. Rn. 30). Daher können grundsätzlich ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte wie die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Entscheidungen zielt und sie im Übrigen auch später möglich bleibt (BayVGH, B.v. 5.8.2019 – 7 CE 19.1119 – juris Rn. 17).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Antragstellerin. Sie hat nachvollziehbar vorgetragen, dass der Streit um die Herausgeberschaft des Gemeindeblattes … Gegenstand der aktuellen Berichterstattung in ihren Zeitungen ist. Dementsprechend dienen auch die streitgegenständlichen Informationen der aktuellen Berichterstattung der Zeitungen der Antragstellerin, insbesondere auch der … Nachrichten. Diese Aktualität würde zunichtegemacht, wenn die Antragstellerin auf das Ergebnis eines Klageverfahrens verwiesen würde. Damit ist ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kosten waren der Antragsgegnerin in vollem Umfang aufzuerlegen, da die Antragstellerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
Der Streitwert war in Höhe des Auffangstreitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen. Angesichts der Tatsache, dass es vorliegend um eine Vorwegnahme der Hauptsache ging, war obwohl die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren getroffen wurde, eine Reduzierung entsprechend Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht vorzunehmen.


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