IT- und Medienrecht

Private Krankenversicherung: Anspruch auf Bescheinigungen über die steuerlich berücksichtigungsfähigen Beitragsanteile

Aktenzeichen  8 U 1096/20

Datum:
29.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37534
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242
EStG § 10 Abs. 11 Nr. 3 lit. a, Abs. 2b S. 1

 

Leitsatz

Eine gesetzlich krankenversicherte Person, die bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen eine Zusatzversicherung zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie eine Krankentagegeldversicherung unterhält, hat gegen den Zusatzversicherer keinen Anspruch auf Erstellung und Vorlage von Bescheinigungen über steuerlich berücksichtigungsfähige Beitragsanteile. (Rn. 11 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 O 9519/15 2020-03-05 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.03.2020, Az. 2 O 9519/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Erstellung einer Bescheinigung über steuerlich berücksichtigungsfähige Beitragsanteile im Rahmen einer privaten Krankenversicherung.
Der gesetzlich krankenversicherte Kläger unterhält für sich und seine ebenfalls gesetzlich krankenversicherte Ehefrau bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung (Tarif TNA 91) sowie – als Zusatzversicherung zur gesetzlichen Krankenversicherung – eine Krankheitskostenversicherung (Tarife AZ sowie SG 1 und SG 2; Anlagen K 11 und K 17).
Das Landgericht hat die auf Erstellung und Vorlage von Bescheinigungen über die steuerlich berücksichtigungsfähigen Beitragsanteile der vorgenannten privaten Krankenversicherung seit dem Jahre 2010 sowie hilfsweise auf Erstattung entgangener Steuervorteile in Höhe von 8.661,88 € gerichtete Klage vollständig abgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass es sich bei den Prämien für die Tarife, deren Bescheinigung der Kläger verlangt, nicht um steuerlich abzugsfähige Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) EStG handele. Diese Frage sei inzwischen in der Finanzgerichtsbarkeit letztinstanzlich geklärt und der dortigen Argumentation sei zu folgen. Eine irgendwie geartete Ausweisung von Beitragsanteilen sei weder gesetzlich vorgesehen noch werde eine solche vom Kläger benötigt. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 242 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Klageanträge weiterverfolgt.
II.
Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die in erster Instanz festgestellten Tatsachen gebunden. Durchgreifende und entscheidungserhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ergeben sich nicht. Die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen keine von der des Landgerichts abweichende Entscheidung und dessen Entscheidung beruht auch nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht sowohl einen Anspruch des Klägers auf Vorlage der verlangten Bescheinigungen als auch – im Hilfsantrag – auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB verneint. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung nicht durchdringen.
1. Der begehrten Vorlage von Bescheinigungen über bestimmte Beitragsanteile fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
a) § 10 Abs. 2a Satz 4 Nr. 2 EStG (in der vom 01.01.2015 bis 31.12.2015 geltenden Fassung) bzw. § 10 Abs. 2b Satz 1 EStG (in der derzeit geltenden Fassung) scheiden von vornherein als Anspruchsgrundlage im Verhältnis der Parteien aus. Diese Vorschriften begründen ausschließlich eine öffentlich-rechtliche Pflicht der Beklagten zur Datenübermittlung an die zentrale Stelle, deren qualifiziert schuldhafte Verletzung eine Haftung gegenüber dem Fiskus zu begründen vermag (§ 10 Abs. 2b Satz 5 EStG, § 72a Abs. 4 AO).
b) Ein vertraglicher Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus § 242 BGB, der mangels spezieller Regelung die einzig denkbare Grundlage darstellt.
aa) Das im Rahmen einer Sonderbeziehung bestehende allgemeine Gebot zur Rücksichtnahme auf das Vermögen des Vertragspartners kann sich im Einzelfall zu der Pflicht verdichten, Informationen und Auskünfte zu gewähren, die der andere Teil zur Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen benötigt. Es genügt jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen (vgl. BeckOGK/Kähler, BGB, § 242 Rn. 624 m.w.N. [Stand: 15.07.2020]). Voraussetzung ist vielmehr, dass der Anspruchsteller über den Inhalt der geforderten Information in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 08.02.2018 – III ZR 65/17, NJW 2018, 2629 Rn. 23 m.w.N.) und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein bestimmter durchsetzbarer Anspruch existiert (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2011 – VIII ZR 106/11, NJW 2012, 303 Rn. 11). Ein solcher durchsetzbarer Anspruch wird sich in der Regel gegen den Vertragspartner richten (vgl. aus dem Versicherungsrecht bspw. BGH, Urteil vom 02.12.2015 – IV ZR 28/15, NJW 2016, 708); es kommt jedoch auch die Geltendmachung von Rechten gegenüber Dritten in Betracht, beispielsweise gegenüber der Steuerverwaltung in Gestalt einkunftsmindernder Sonderausgaben.
bb) Gemessen hieran hat das Landgericht den streitgegenständlichen Primäranspruch des Klägers mit zutreffender Begründung verneint. Denn gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) Satz 1 EStG können nur solche Beiträge zur Krankenversicherung unbeschränkt als Sonderausgaben geltend gemacht werden, die zur Erlangung eines durch §§ 47 bis 52 SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind. Für Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind dies die nach §§ 241 ff. SGB V festgesetzten Beträge. Für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung sind dies die Beitragsanteile, die auf Vertragsleistungen entfallen, die, mit Ausnahme der auf das Krankengeld entfallenden Beitragsanteile, in Art, Umfang und Höhe den Grundleistungen nach §§ 11 bis 68 SGB V vergleichbar sind und die durch den Verband der privaten Krankenversicherungen unter der Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen festgelegt werden (§ 146 VAG). Sind in dem letztgenannten Fall die Kosten für den sog. Basistarif nicht gesondert ausgewiesen, so kann der nicht berücksichtigungsfähige Beitragsanteil für steuerliche Zwecke durch prozentuale Prämienabschläge ermittelt werden (§ 10 Abs. 5 EStG sowie die auf seiner Grundlage erlassene Krankenversicherungsbeitragsanteil-Ermittlungsverordnung – KVBEVO; vgl. hierzu näher BFH, DStR 2018, 457).
Personen, die – wie der Kläger – gesetzlich krankenversichert sind, auf diese Weise als Pflichtversicherte das durch §§ 47 bis 52 SGB XII bestimmte sozialhilfegleiche Versorgungsniveau erlangen und darüber hinaus zur Abdeckung bestimmter Zusatzleistungen eine private Krankenversicherung abgeschlossen haben, können die auf eine solche private Zusatzversicherung geleisteten Beiträge nicht unbeschränkt als Sonderausgaben geltend machen, auch nicht die für eine weitere Basisabsicherung entrichteten Beiträge. Abzugsfähig nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) Satz 1 EStG sind in einer solchen Konstellation nur die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Nur diese erfüllen das maßgebliche Kriterium der „Erforderlichkeit“ und beruhen auf einer gesetzlichen Verpflichtung, der sich der Steuerpflichtige nicht entziehen kann.
Die vom Kläger an die Beklagte entrichteten Prämien können somit ausschließlich nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a HS 1 EStG steuerlich berücksichtigt werden, wobei sie jedoch den Höchstbetragsgrenzen nach § 10 Abs. 4 Satz 1 bis 3 EStG unterliegen (vgl. Blümich/Hutter, EStG, § 10 Rn. 260 ff. [Stand: Mai 2020]). Bestimmte Beitragsanteile müssen hierbei weder ausgewiesen noch ermittelt werden.
cc) Diese steuerrechtliche Vorfrage hat der Tatrichter im Zivilprozess aus eigener Fachkompetenz zu beantworten und die hierbei gültigen Maßstäbe vom Amts wegen zu ermitteln („iura novit curia“). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 293 ZPO kommt nicht in Betracht (vgl. Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, 2. Aufl., Rn. 179). Das Landgericht hat die zuvor genannten steuerrechtlichen Fragen in Übereinstimmung mit der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BFH, DStR 2018, 454 Rn. 15 ff.; BFH, BeckRS 2019, 28445 Rn. 14; FG Köln, BeckRS 2017, 123437) und der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 10.08.2013, BStBl. I, S. 1087 Rn. 69 und vom 24.05.2017, BStBl. I, S. 820 Rn. 83) entschieden und es konnte sich dabei auf die Systematik, die Entstehungsgeschichte und den Zweck des § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) EStG stützen.
Hieraus zu Tage tretende Rechtsfehler zeigt die Berufung nicht auf und solche sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Die Berufungsbegründung erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens, der das Landgericht aus den zuvor genannten Gründen jedoch zu Recht nicht gefolgt ist. Es liegt insbesondere kein „Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip“ vor, wie ihn der Kläger geltend macht. Der Gesetzgeber hat mit § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) EStG dem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung getragen, wonach Aufwendungen, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten, steuerlich in voller Höhe zu begünstigen sind (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1868; FG München, Urteil vom 16.12.2015 – 1 K 1812/14, juris Rn. 16 ff.). Hingegen war der Gesetzgeber nicht gehalten, einem Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung, der seinen Versicherungsschutz durch Zusatztarife freiwillig optimiert, in steuerlicher Hinsicht ein Wahlrecht oder eine zusätzliche unbeschränkte Abzugsmöglichkeit einzuräumen. Dass die hier gegenständlichen Versicherungsbeiträge als sonstige Vorsorgeaufwendungen lediglich einer nach § 10 Abs. 4 EStG beschränkten Abzugsfähigkeit unterliegen, ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, DStR 2015, 2706; Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen durch Beschluss des BVerfG vom 21.09.2017 – 2 BvR 2445/15). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen, die der Kläger auf den Seiten 4 und 5 seiner Berufungsbegründung durch seine Prozessbevollmächtigte hat vortragen lassen.
dd) Da nach alledem die an die Beklagte entrichteten Versicherungsbeiträge nicht mit einem bestimmten Anteil steuerlich berücksichtigungsfähig sind, bedarf der Kläger keiner entsprechenden Bescheinigung. Es stellt im Übrigen auch kein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal dar, dass der Kläger diesbezüglich nach eigenem Vortrag „Rückendeckung durch das für ihn zuständige Finanzamt“ erhalten hat.
2. Aus den vom Landgericht zutreffend ausgeführten Gründen besteht schließlich auch keine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger. Dies greift die Berufung nicht an. Folglich erweist sich auch der Hilfsantrag als unbegründet.
III.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Senat, die Berufung zurückzunehmen. Hierdurch würden sich die Gerichtskosten von 4,0 auf 2,0 Gebühren reduzieren (Nr. 1222 KV GKG).


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