IT- und Medienrecht

Rechtswidrigkeit der Erhebung einer Sondernutzungsgebühr bei fehlender Zurechenbarkeit einer Werbemaßnahme auf öffentlichem Grund

Aktenzeichen  M 10 K 16.5954

Datum:
12.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143293
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Satzung über die Gebühren für Sondernutzungen auf öffentlichen Straßen in der … vom 25. Juni 2014, zuletzt geändert am 13. Juli 2015 (SoNuGebS)

 

Leitsatz

1 Bei der Erhebung von Sondernutzungsgebühren reicht es für die Zurechenbarkeit der Sondernutzung nicht aus, dass eine Sondernutzung stattfindet und diese für den potentiellen Gebührenschuldner wirtschaftlich vorteilhaft ist. (Rn. 17 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es spricht grundsätzlich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Werbemaßnahmen auf öffentlichem Grund von demjenigen veranlasst wurden, dessen Unternehmen beworben wird; im vorliegenden Fall fehlt es aufgrund der konkreten Umstände jedoch an einer Zurechenbarkeit. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Bescheide vom 14. November 2016, vom 6. Dezember 2016, vom 13. Dezember 2016 sowie vom 7. Februar 2017 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Ermächtigungsgrundlage sind die §§ 2 und 4 der Satzung über die Gebühren für Sondernutzungen auf öffentlichen Straßen in der … vom 25. Juni 2014, zuletzt geändert am 13. Juli 2015 (SoNuGebS). An der Wirksamkeit der Sondernutzungsgebührensatzung bestehen keine Bedenken; die Klägerin hat auch keine Unwirksamkeitsgründe vorgetragen. Das Gericht hat die Satzung auch in anderen Verfahren als rechtmäßig und damit rechtswirksam zu Grunde gelegt (vgl. U.v. 15.12.2016 – M 10 K 16.2532 – juris).
2. Die Beklagte hat die Satzung jedoch nicht rechtmäßig angewendet.
Unabhängig von der Frage, ob dem Tatbestand der Sondernutzung unterfallen kann, wenn Werbeschilder auf die geschehene Weise an Fahrrädern aufgehängt sind, ist das Aufhängen der Werbeschilder der Klägerin nicht zurechenbar.
Denn die Sondernutzungsgebührensatzung verlangt für das Eingreifen des Tatbestandes eine Zurechenbarkeit der Sondernutzung. Allein dass eine Sondernutzung stattfindet und für die Klägerin wirtschaftlich vorteilhaft ist, kann nicht ausreichen.
Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung kennzeichnet die Gebühr als eine öffentliche Abgabe, welche eine Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme oder Leistung der Verwaltung darstellt (BVerfG, U. v. 15. 12. 1972, NJW 1973, 725, 726 m.w.N.). Diese Umschreibung ist jedoch, insbesondere was das Begriffsmerkmal der „besonderen Inanspruchnahme” angeht, derart weit gefasst, dass sie einer konkreten Ausgestaltung bedarf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Charakter der Gebühr als einer Vorzugslast auch gewahrt sein, wenn derjenige zur Zahlung der Gebühr verpflichtet ist, zu dessen Gunsten die Amtshandlung vorgenommen wird oder die Inanspruchnahme erfolgt (BVerfG, U.v. 15.12.1972, a.a.O.). Diese Anknüpfungspunkte werden als Ausprägung eines Zurechenbarkeitserfordernisses gewertet (vgl. Schönenbroicher, in Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht 2016, D. Gebühren Rn. 631 ff.).
Auch einfachrechtlich stellt das Kommunalabgabengesetz auf eine Veranlassung, jedenfalls aber eine Handlung des Gebührenpflichtigen ab. So definiert Art. 18 Abs. 1 BayStrWG als Sondernutzung, für welche nach Art. 18 Abs. 2a Satz 1 BayStrWG Sondernutzungsgebühren erhoben werden dürfen, als Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung). Der Wortlaut fordert mit der „Benutzung“ ebenso eine gewisse Zurechenbarkeit wie § 3 SoNuGebS, wonach die Gebühren für die „Inanspruchnahme“ des Straßenraumes erhoben werden. Allein ein zufälliger Vorteil, der zu Lasten des Verkehrsraums entsteht, kann diesem Wortlaut nicht genügen. § 7 Abs. 1 Nr. 4 SoNuGebS ist insofern nicht so zu verstehen, dass jeder, der von einer Sondernutzung profitiert, zu Sondernutzungsgebühren herangezogen werden kann.
Insbesondere nach dem Gebührentatbestand Nr. 44.1 der Sondernutzungsgebührensatzung, den die Beklagte herangezogen hat, ist die Zurechenbarkeit eine Voraussetzung der Gebührenerhebung, denn der Tatbestand, auf den die Beklagte sich stützt, setzt das „Parken von […] Fahrrädern“ und damit eine zurechenbare Handlung des Gebührenpflichtigen voraus.
Es ist im vorliegenden Fall nicht nachweisbar, dass die Klägerin die Schilder selbst an den Fahrrädern montiert hat oder andere hierzu veranlasst hat. (Auch) vor dem Hintergrund der Missbrauchsgefahr spricht grundsätzlich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Werbemaßnahmen auf öffentlichem Grund von demjenigen veranlasst wurden, dessen Unternehmen beworben wird. Im konkreten Fall konnte der Geschäftsführer der Klägerin jedoch glaubhaft angeben, die Klägerin habe die Schilder nur als „Giveaway“ auf einer Veranstaltung verteilt. Insbesondere seien keine Löcher in den Schildern gewesen, so dass sie zu einer solchen Werbenutzung nicht gedacht gewesen seien. Diese Aussagen sind nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Danach hat die Klägerin die Schilder zwar (einmalig) in Auftrag und an Dritte abgegeben, allerdings keinerlei Einfluss darauf genommen, dass sie als Werbeträger an Fahrrädern oder sonst in der Öffentlichkeit genutzt werden. Das Gericht sieht weder Anlass noch Möglichkeit, den Sachverhalt diesbezüglich weiter aufzuklären. Unstreitig hat die Klägerin zudem die Fahrräder nicht geparkt.
Die Gebührenbescheide waren somit aufzuheben und der Klage stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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