Aktenzeichen 15 O 689/19
Leitsatz
Dem Käufer eines Gebrauchtwagens mit EA 189-Dieselmotor kann ein Anspruch aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB auf Ersatz des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zustehen. Der Anspruch ist jedoch insoweit zu kürzen, als dem Käufer Vorteile aus der Nutzung des Fahrzeugs entstanden sind. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges VW Golf Plus mit der Fahrgestellnummer … an den Kläger 10.610,66 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.05.2019 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 08.01.2019 mit der Rücknahme des in Klageantrag Ziffer 1 bezeichneten Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Rechtsanwaltes … in Höhe von 1.266,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.05.2019 freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 37 % und die Beklagte 63 % zu tragen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 17.340,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Regensburg gem. § 32 ZPO örtlich zuständig, da der behauptete Schaden bei der Klagepartei, die im Bezirk des Gerichts wohnt, eingetreten ist.
II.
Die Klage ist teilweise begründet. Der Klagepartei steht ein deliktsrechtlicher Anspruch auf Ersatz des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu. Der Anspruch ist jedoch insoweit zu kürzen, als der Klagepartei Vorteile aus der Nutzung des Fahrzeugs entstanden sind.
1. Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ergibt sich aus § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB.
a) Die Beklagte hat der Klagepartei einen Schaden zugefügt.
Die Handlung, durch die die Beklagte die Klagepartei geschädigt hat, war das Inverkehrbringen von Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs, deren Motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den Prüfstandsmodus versetzte, wobei der Einsatz der betreffenden Software den Käufern der Fahrzeuge verschwiegen wurde.
Durch die Handlung der Beklagten hat die Klagepartei einen Vermögensschaden erlitten. Dieser besteht dann, dass sie in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihr wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen hat.
Die streitgegenständliche Programmierung der Motorsteuerungssoftware ist gesetzeswidrig. In der Verwendung von Abschaltvorrichtungen, die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, liegt ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Bei verständiger Auslegung muss die von der Beklagten installierte Programmierung als Abschalteinrichtung angesehen werden. Denn sie setzt die zu einem geringeren Stickoxidausstoß führende, ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der Motorsteuerung im Modus für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der Straße höher ist als auf dem Prüfstand Umgekehrt wird die im normalen Fahrbetrieb wirksame Programmierung etwa für die Abgasrückführung auf dem Prüfstand außer Kraft gesetzt, indem die Motorsteuerung den Betriebszustand für den normalen Fahrbetrieb auf der Straße, zu Gunsten eines ausschließlich für den Prüfstandbetrieb bestimmten Modus abschaltet. Dies gilt unabhängig davon, ob tatsächlich eine Einwirkung auf das Emissionskontrollsystem vorhanden ist oder aber lediglich eine Einwirkung auf einen innermotorischen Vorgang erfolgt. Schon die Testzykluserkennung in Verbindung mit einer ausschließlich im Testzyklus erfolgenden Einwirkung auf die Abgasrückführung ist ein Verstoß gegen das Verbot von Abschalteinrichtungen Zudem liegt auf der Hand, dass auch eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand nur sinnvoll ist und einen Vergleich von Fahrzeugen verschiedener Hersteller ermöglicht, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der Straße gegeben ist. Eine ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung der Abgasbehandlung kann deshalb nur als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften angesehen werden.
In der Folge ergibt sich die wirtschaftliche Nachteiligkeit des von der Klagepartei abgeschlossenen Vertrags daraus, dass kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn er vor dem Kauf darüber informiert würde, dass die Software nicht gesetzeskonform sei und er deshalb im Falle der Entdeckung der Manipulation gegebenenfalls mit der Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs rechnen müsse. Die Klagepartei hat damit nicht das bekommen, was ihr aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug, das für den Betrieb auf öffentlichen Straßen zulassungsfähig ist.
b) Die schädigende Handlung ist der Beklagten zuzurechnen.
Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich von der Klagepartei vorzutragen und zu beweisen.
Vorliegend trifft allerdings die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast zu der Frage, welche Kenntnis ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter bzgl. der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatten und inwieweit sie das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren beeinflusst haben. Eine solche sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbe lasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der (primär) darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGHZ 140, 156, 158 f. – zit. nach juris). So liegt der Fall hier Die Klagepartei hat keinerlei Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Sie hat den ihr insoweit zuzumutenden Vortrag erbracht, indem sie konkret behauptet hat, die Robert Bosch GmbH sei bereits im Jahre 2004 vom damaligen Forschungs- und Entwicklungsleiter und Mitglied des Vorstandes Prof. Dr. W. beauftragt worden, das Motorsteuergerät EDC 17 zu entwickeln. Die Entwicklungsingenieure der Beklagten hätten in den Jahren 2005 und 2006 bei der Optimierung der Stickoxidwerte und den jeweiligen Abgasrückführungswerten festgestellt, dass die Erhöhung der Abgasrückführungswerte zu einem schnellen Zusetzen des Partikelfilters geführt habe. Das wiederholte Freibrennen und die Beschleunigung der Vorgänge im Partikelfilter haben dazu geführt, dass die Partikelfilter bereits um die 50.000 km Laufleistung ihren Dienst eingestellt hätten Mit diesen Testergebnissen im Rücken habe Prof. Dr. W. Ende des Jahres 2006 entschieden, dass es unmöglich sei, das Abgasrückführungssystem so zu optimieren, dass Langzeitschäden an Motor und Partikelfilter verhindert werden. Vor diesem Hintergrund haben sich die Entwicklungsingenieure in Kenntnis des Prof. Dr. W. entschieden, die Prüfstandsentdeckungssoftware einzusetzen, um ausschließlich für den Rollenprüfstand einen Testmodus zu besitzen, der für die Phase des Prüfbetriebes die erforderlichen Stickoxidwerte einhält. Die Beklagte hat vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgange und Entscheidungsprozesse darzulegen, um es so der Klagepartei zu ermöglichen, ihrerseits die ihr obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können. Zu einer substantiierten Darlegung hätte umso mehr Anlass bestanden, als es sich bei der Einführung einer manipulierten, auf Verzerrung der Prüfstandwerte ausgerichteten Motorsteuerungssoftware um eine wesentliche strategische Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Reichweite und – wie die wirtschaftlichen Folgen des sogenannten Abgasskandals zeigen – ebenso großen Risiken handelt, bei der kaum anzunehmen ist, dass sie von Mitarbeitern am unteren Ende der Betriebshierarchie in eigener Verantwortung getroffen worden ist. Deshalb muss in der hier zur Entscheidung stehenden prozessualen Lage mangels substantiierter gegenteiliger Darlegung durch die Beklagte davon ausgegangen werden, dass diese Entscheidung vom Gesamtvorstand angeordnet oder doch jedenfalls „abgesegnet“ worden ist.
c) Die Beklagte hat der Klegepartei den Schaden vorsätzlich zugefügt. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte muss davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten völlig klar war, dass die Beklagte Dieselmotoren in den Verkehr brachte, die hinsichtlich der Abgaswerte nicht den einschlägigen Vorschriften entsprachen, und dass somit die Kunden der Beklagten selbst und die ihrer Tochterunternehmen wirtschaftlich nachteilige Kaufverträge abschlossen. Die Beklagte wusste, dass die von ihr manipulierten Motoren in Kraftfahrzeugen eingebaut wurden, die für den Verkauf und in der Folge ggf. auch den Weiterverkauf an Abnehmer der Ersterwerber bestimmt waren.
d) Das Verhalten der Beklagten verstieß gegen die guten Sitten. Objektiv sittenwidrig ist eine Handlung, die nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggründen und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Abzustellen ist auf die in der Gemeinschaft oder in der beteiligten Gruppe anerkannten moralischen Anschauungen. Dabei ist ein durchschnittlicher Maßstab anzulegen (BGHZ 10, 232); besonders strenge Anschauungen sind ebenso wie besonders laxe Auffassungen unbeachtlich (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., Rn. 4 zu § 826 und Rn. 2 ff zu § 138). Hinzutreten muss zu der objektiven Sittenwidrigkeit eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann (Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 4 zu § 826). Der BGH (Urteil vom 3.12.2013 – XI ZR 295/12 -, NJW 2014, 1098, zitiert nach juris) hat hierzu ausgeführt: Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteile vom 20. November 2012 – VI ZR 268/11, WM 2012, 2377 Rn. 25 und vom 4. Juni 2013 – VI ZR 288/12, WM 2013, 1310 Rn. 14, jeweils m.w.N.). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (BGH, Urteile vom 20. November 2012 – VI ZR 268/11, a.a.O. und vom 4 Juni 2013 – VI ZR 288/12, a.a.O., jeweils m.w.N.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze muss auch das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig angesehen werden. Die Täuschung durch die Beklagte diente – andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit und lässt ihr Vorgehen weder als „Kavaliersdelikt“ noch als „lässliche Sünde“ erscheinen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Beklagte in Kauf nahm, dass die Kunden ein Fahrzeug mit einem Mangel erwerben, der sich dadurch qualifiziert, dass den Kunden die Untersagung der Betriebserlaubnis für das Fahrzeug droht, wenn sie nicht ihrerseits tätig werden und in dem Fahrzeug eine neue Software einbauen lassen. Ein solches, die Verbraucher täuschendes Verhalten ist auch bei Anwendung eines durchschnittlichen, nicht übermäßig strengen Maßstabs als sittenwidrig anzusehen und ebonso verwerflich wie in der Vergangenheit etwa die Beimischung von Glykol in Wein oder von Pferdefleisch in Lasagne. Das Verhalten der Beklagten wiegt umso schwerer, als es sich beim Kauf eines PKW für viele Verbraucher um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht mit oft deutlichen finanziellen Belastungen handelt, die durch das unredliche Verhalten der Beklagten nachteilig beeinflusst worden ist.
e) Eine Haftung der Beklagten aus § 826 BGB scheidet nicht deshalb aus, weil die oben genannte Verordnung nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen dient. Denn die Haftung aus § 826 BGB hängt nicht davon ab, auf welchem Weg und unter Verstoß gegen welche Normen der Schädiger gehandelt hat.
Unerheblich ist auch, dass die betroffenen Fahrzeugkäufer bei Nichtanwendung des § 826 BGB nicht rechtlos gestellt würden, weil sie in aller Regel über Rechtsschutzmöglichkeiten im Verhältnis zum Verkäufer verfügen würden. Denn das Bestehen von kaufrechtlichen Ansprüchen gegen den Verkäufer schließt deliktische Ansprüche gegen einen Dritten nicht aus.
f) Im übrigen widerspricht hier die Haftung der Beklagten aus Delikt auch nicht den grundsätzlichen Wertungen des Kaufrechts. Denn dass das Fahrzeug der Klagepartei in das der von der Beklagten manipulierte Motor eingebaut war, einen Mangel hat, weil ihm konkret, gerade weil es den manipulierten Motor hat, der Entzug der Zulassung drohte, steht außer Frage. Es genügt nicht, dass ein Fahrzeug nur fahrbereit und technisch sicher ist.
Dieser Mangel ist auch nicht unerheblich. Unterstellt man zu Gunsten der Beklagten, dass der Mangel mit einem geringen Kostenaufwand zu beseitigen sei, wäre der Mängelbeseitigungsaufwand in der Tat im Verhältnis zum Kaufpreis äußerst geringfügig. Damit läge nur eine unerhebliche Pflichtverletzung vor. Für die Beantwortung der Frage der Erheblichkeit ist jedoch nicht allein auf das Verhältnis des Mangelbeseitigungsaufwands zum Kaufpreis abzustellen, sondern es ist eine umfasste Interessenabwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles durchzuführen. Diese ergibt im konkreten Fall, dass der Mangel erheblich ist, weil die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs eine wichtige Eigenschaft des Fahrzeugs ist, die hier fehlte. Das Vorbringen der Beklagtenseite, das mit einem ganz geringfügigen Aufwand der Mangel behoben werden könnte, ist nicht nachvollziehbar, denn dann wäre zu fragen, warum rechtswidrige Software überhaupt eingesetzt worden ist. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags war vielmehr vollkommen offen, wie auf eine mögliche Aufdeckung der Software zu reagieren wäre, keinesfalls stand schon zu diesem Zeitpunkt fest, dass der Schaden mit nur geringem Aufwand zu beseitigen wäre.
2. Der Anspruch der Klagepartei ist nicht verjährt.
a) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
b) Es Kann dahin gestellt bleiben, ob vor dem Hintergrund der Medienberichterstattung über den Dieselskandal im Herbst 2015 Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klagepartei von den anspruchsbegründenen Umständen vorgelegen hat. Denn selbst wenn die Verjährungsfrist bereits mit Ende des Jahres 2015 zu laufen begonnen hätte, wäre die Verjährung jedenfalls durch den Ende des Jahres 2018 vollzogenen Anschluss der Klagepartei zur Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB gehemmt worden. Die Hemmung dauerte zum Zeitpunkt der Klageerhebung im hiesigen Verfahren noch an.
c) Der von der Beklagten erhobene Einwand des Rechtsmissbrauchs bzgl. der Berufung auf die Hemmungswirkung der Anmeldung zur Musterfeststellungsklage greift nicht durch. Soweit die Beklagte vorträgt, viele Klägerkanzleien seien Ende des Jahres 2018 durch die Vorbereitung und Einreichung zahlreicher Individualklagen ausgelastet gewesen und hätten ihre Mandanten lediglich zur Verjährungshemmung in der Musterfeststellungsklage „geparkt“, fehlt es dem Vortrag am Bezug zum hiesigen Fall, Bei diesem spricht jedoch der zeitliche Ablauf deutlich gegen eine Absicht der Klägerseite, mit der Anmeldung zur Musterfeststellungsklage zur Arbeitsentlastung einen kurzfristigen Aufschub erlangen zu wollen. Hätte eine solche Motivation vorgelegen, hätte es keines Zuwartens von fast fünf Monaten mit der Klageerhebung bedurft.
3. Die Beklagte hat als Rechtsfolge des Schadensersatzanspruches den Kaufpreis sowie den Wertersatz für des in Zahlung gegebene Fahrzeug Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu erstatten.
Nach § 249 BGB ist im Rahmen des Schadensersatzes der Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hätte die Beklagte den mit der manipulierten Software versehenen Motor nicht in den Verkehr gebracht, wäre er nicht in den streitgegenständlichen PKW eingebaut und der PKW so nicht verkauft worden. Dann hätte die Klagepartei den Kaufvertrag über dieses von ihm erworbene Fahrzeug nicht geschlossen. Also ist sie bei konsequenter Anwendung des Schadensersatzrechts so zustellen, wie sie ohne den Kaufvertrag stehen würde. Die Klagepartei ist nicht nur so zu stellen, wie wenn das Fahrzeug den Mangel nicht hätte, weil sie mit dieser Betrachtung gezwungen wäre, das Fahrzeug mit dem manipulierten Motor zu behalten.
Damit hat die Beklagte grundsätzlich der Klagepartei den gezahlten Kaufpreis zu erstatten, also 16.990,00 €. Zug um Zug ist die Klagepartei verpflichtet, das Fahrzeug herauszugeben.
4. Der Schaden ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Klagepartei das von der Beklagten entwickelte Software-Update aufspielen konnte, weil dadurch der Schaden nicht vollständig kompensiert wurde.
Zwar trägt die Beklagte vor, dass mit dem Update das Fahrzeug nunmehr nur noch in dem Modus betrieben werde, der vorher nur auf dem Prüfstand eingeschaltet war. Daher bestehe keine Gefahr mehr, dass die Zulassung entzogen werden könnte. Die Beklagte erklärt auch, dass das Update von den Behörden freigegeben worden sei. Es sei bescheinigt worden, dass es keine negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug habe.
Nachträgliche Entwicklungen sind grundsätzlich bei der Beurteilung des Schadens einzubeziehen. Der Schaden entfällt aber nur dann, wenn er durch eine nachträgliche Entwicklung vollständig kompensiert wird. Im vorliegenden Fall kann der nachträgliche Einbau des Updates den Schaden, der durch den nachteiligen Vertrag für die Klagepartei eingetreten ist, nicht vollständig kompensieren. Dies folgt schon aus den Unsicherheiten, die in der öffentlichen Diskussion über die Folgen des Updates entstanden sind. Das Update ist nicht unumstritten, auch wenn die Beklagte nachteilige Folgen bestreitet. Die Gefahr negativer zukünftiger Folgen verbunden mit dem sich fortsetzenden negativen Makel, ein Auto zu besitzen, das vom „Abgasskandal“ betroffen war, genügt, um keine vollständige Kompensation annehmen zu können.
5. Im Rahmen des Schadensersatzanspruches hat die Klagepartei sich die gezogenen Nutzungen anzurechnen lassen. Die Beklagte wird auch, wenn sich der Kläger Nutzungsvorteile anrechnen lassen muss, nicht unbillig entlastet, weil die Möglichkeit des Klägers das Fahrzeug zu nutzen durch den Mangel nicht wesentlich beeinträchtigt war.
Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde mit einer Laufleistung von 23.277 km erworben. Die Laufleistung von 117.146 km zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist unbestritten. Gem. § 287 ZPO legt das Gericht eine Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges von ca. 250.000 km zugrunde. Daraus errechnet sich ein Vorteilsausgleich in Höhe von 6.379,34 € wie folgt: Kaufpreis 16.990,00 € × Laufleistung der Klagepartei von 93.869 km : Gesamtlaufleistung 250.000 km = 6.379,34 €.
Damit hat die Beklagte der Klagepartei einen Betrag von 10.610,66 € zu erstatten. Hinsichtlich des überschießenden Betrages ist die Klage abzuweisen.
6. Die Pflicht zur Verzinsung dieses Betrages ab 22.05.2019 ergibt sich aus § 291 BGB Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Verzinsung nach § 849 BGB besteht dagegen nicht, weil der als Kaufpreis bezahlte Geldbetrag nicht ersatzlos weggegeben wurde, sondern die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs bestand.
7. Die Klagepartei hat einen Anspruch auf Feststellung, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet. Die Klagepartei hatte der Beklagten im Schreiben vom 18.12.2018 das Fahrzeug wirksam angeboten.
8. Dagegen steht dem Kläger ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten aus §§ 826 i.V.m. 249 BGB nur in Höhe von 1.266,16 € zu. Die Klage war im Übrigen insofern abzuweisen.
Ein Gebührensatz von 1,8 ist bei den standardisierten Schriftsätzen deutlich überhöht und es wäre ein Gebührensatz von 1,3 angemessen. Angesichts des den Anwälten zustehenden Ermessen (BGH NJW-RR 2012, 887) ist ein Gebührensatz von 1,5 aus dem zugesprochenen Betrag in Ansatz zu bringen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO und für die Streitwertfestsetzung war § 3 ZPO maßgeblich.