IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag – Heranziehung eines Mitbewohners als Gesamtschuldner

Aktenzeichen  Au 7 K 16.813

Datum:
31.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 84
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 3
AO AO § 44 Abs. 1 S. 2
BGB BGB § 421

 

Leitsatz

Als Inhaber einer Wohnung und damit Schuldner des Rundfunkbeitrages wird vermutet, wer dort gemeldet ist (§ 2 Abs. 2 RBStV), auch wenn er nach seinem Vortrag nur als “Gast” bei seinem Bruder wohnt. (redaktioneller Leitsatz)
Mehrere Beitragsschuldner haften als Gesamtschuldner, so dass jeder den gesamten Rundfunkbeitrag schuldet (§ 2 Abs. 3 RBStV iVm § 44 Abs. 1 AO). Allerdings kann die Rundfunkanstalt bzw. der Beitragsservice die Leistung nicht nach Belieben (§ 421 BGB) von jedem Beitragsschuldner fordern, sondern nach pflichtgemäßem Ermessen, das sich an der durch den Gleichheitssatz vorgegebenen wirksamen Durchsetzung der Rundfunkbeitragspflicht zu orientieren hat.    (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung konnte im vorliegenden Fall durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Parteien wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu dieser Form der Entscheidung angehört. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Das Klagebegehren war dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass der Kläger die Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 2. Mai 2016 begehrt. Über einen weiteren Zeitraum erfolgte noch keine Festsetzung der Rundfunkbeiträge durch Bescheid, den der Kläger jedoch abwarten kann.
Die in vorgenanntem Sinn ausgelegte Klage ist zulässig, kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.
1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. Über den vom Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 2016 eingelegten Widerspruch wurde nicht innerhalb der grundsätzlich geltenden Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO, d. h. von 3 Monaten entschieden, so dass die Klage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zulässig geworden ist.
2. Jedoch ist die Klage unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 2. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist seit dem 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – (in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011, GVBl S. 258), der durch Zustimmungsbeschluss des Landtags vom 17. Mai 2011 in Bayerisches Landesrecht umgesetzt wurde.
Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.
Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Nach diesen Maßstäben ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Der Kläger kann nicht in Abrede stellen, im streitgegenständlichen Zeitraum nicht Inhaber einer Wohnung gewesen zu sein.
Wie sich aus der Meldeauskunft der Stadt … vom 3. August 2016 ersehen lässt, ist der Kläger seit seinem Einzug am 15. März 2012 in der … in … mit einer einzigen Wohnung angemeldet. Diese Anmeldung bestand bis zu der Ummeldung des Klägers in die … in … ab März 2016. In diesem Zusammenhang führt der Kläger in seinen Schreiben vom 8. Februar 2016 und 7. März 2016 selbst aus, dass er zwar nicht in der Wohnung … wohne, jedoch die Anmeldung wegen den Postsendungen erfolgt sei.
Selbst die Richtigkeit des klägerischen Vortrags unterstellt, dass in der o.g. Wohnung (auch) sein Bruder gewohnt hat, was sich auch über eine Abfrage bei der Meldebehörde (Schreiben vom 30.8.2016) bestätigte, ändert nichts daran, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zu Recht den Rundfunkbeiträgen herangezogen wurde. Denn gemäß § 2 Abs. 3 RBStV haften mehrere Beitragsschuldner als Gesamtschuldner entsprechend § 44 der Abgabenordnung (AO); soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO). Gemäß § 44 Abs. 2 AO wirkt die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner, das Gleiche gilt für die Aufrechnung und eine geleistete Sicherheit; andere Tatsachen wirken nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten.
Dies bedeutet hier, dass der Kläger und sein Bruder jeweils gemäß § 2 Abs. 1 und 2 RBStV als Wohnungsinhaber und Beitragsschuldner zur Leistung des Rundfunkbeitrags für die genannte Wohnung herangezogen werden können, so lange nicht einer die Beitragsschuld bezüglich der Wohnung beglichen hat. Erst ab eingetretener Erfüllung ist dem Beitragsgläubiger (dem beklagten Bayerischen Rundfunk) der Zugriff auf den anderen Beitragsgesamtschuldner verwehrt. Das Wesen der Gesamtschuld besteht gemäß § 421 BGB darin, dass der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern kann und dass bis zur Bewirkung der ganzen Leistung sämtliche Schuldner verpflichtet bleiben; im öffentlich-rechtlichen Bereich tritt allenfalls an die Stelle des freien Beliebens die pflichtgemäße Ermessensausübung.
Dementsprechend ist das Vorgehen des Beklagten hier nicht zu beanstanden. Dazu, dass der Bruder des Klägers zu diesem Zeitpunkt bereits etwas auf die Beitragsschuld bezüglich der o. g. Wohnung geleistet hätte, hat der Kläger trotz Aufforderung nichts vorgelegt; auch aus den Akten des Beklagten und aus einer nochmaligen telefonischen Nachfrage beim Beklagten am 30. August 2015 ergeben sich für eine Leistung von Rundfunkbeiträgen für den streitgegenständlichen Zeitraum z. B. durch den Bruder des Klägers für die vorgenannte Wohnung keinerlei Anhaltspunkte.
Der Beklagte war daher rechtlich nicht gehindert, den streitgegenständlichen Festsetzungsbescheid vom 2. Mai 2016 zu erlassen. Der Beklagte hat die Grenzen pflichtgemäßer Ermessensausübung, die im vorliegenden Bereich wesentlich geprägt ist durch die vom Gleichbehandlungsgrundsatz vorgegebene wirksame Durchsetzung der wohnungsbezogenen Rundfunkbeitragspflicht, durch die bloße Festsetzung der rückständigen Beiträge (auch) dem Kläger gegenüber nicht überschritten, zumal beim Beklagten eine Leistung von Rundfunkbeiträgen im streitgegenständlichen Zeitraum auf die o. g. Wohnung z. B. durch den Bruder des Klägers nicht feststellbar ist.
Die Regelung des Rundfunkbeitrags durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist nicht verfassungswidrig. Nachdem bisher mehrere obergerichtliche Entscheidungen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags bestätigt haben (statt vieler s. z. B. BayVerfGH, E. v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris; VerfGH RhPf, U. v. 13.5.2014 – VGH B 35/12 – juris; BayVGH, U. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707; U. v. 24.6.2015 – 7 B 15.252; U. v. 7.7.2015 – 7 B 15.846; U. v. 30.7.2015 – 7 B 15.614; U. v. 18.4.2016 – 7 BV 15.960; alle juris; VGH BW, U. v. 3.3.2016 – 2 S 896/15; OVG NRW, U. v. 22.10.2015 – 2 A 2583/14; alle juris), hat nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht mit mehreren Entscheidungen vom 18. März 2016 (abrufbar unter http://www.b…de/…/…/…php), denen sich die Kammer anschließt, die Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich bestätigt.
Die Höhe des Rundfunkbeitrags im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Januar 2013 bis 31. Juli 2015) ergibt sich aus § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juli 2001 (GVBl S. 566), geändert durch Art. 6 Nr. 8 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 7. Juni 2011 und Art. 1 des 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 16. März 2015 (GVBl S. 26). Er betrug bis März 2015 17,98 Euro pro Monat und seit April 2015 17,50 Euro pro Monat.
Die Rundfunkbeiträge für den streitgegenständlichen Zeitraum sind gemäß § 7 Abs. 3 RBStV kraft Gesetzes fällig geworden.
Der Beklagte war daher auch gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i. V. m. § 11 Abs. 1 der Rundfunkbeitragssatzung berechtigt, einen Säumniszuschlag in Höhe von 8,00 Euro festzusetzen, da der Kläger den geschuldeten Beitrag nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit (§ 7 Abs. 3 RBStV) entrichtet hat.
Daher war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Der Gerichtsbescheid hat die Wirkung eines Urteils (§ 84 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 563,46 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben