IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich

Aktenzeichen  B 3 K 15.828

Datum:
28.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV RBStV § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1
AEUV AEUV Art. 57
GG GG Art. 2, Art. 3, Art. 4, Art. 5, Art. 18, Art. 19
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 2, Art. 37, Art. 44

 

Leitsatz

1 Bei den Beitragsbescheiden des Bayerischen Rundfunks als Anstalt des öffentlichen Rechts handelt es sich um Verwaltungsakte, die im öffentlich-rechtlichen Bereich und damit in hoheitlicher Tätigkeit erlassen werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch wenn gemäß Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG für die Tätigkeit des Bayerischen Rundfunks als Anstalt des öffentlichen Rechts das Verwaltungsverfahrensgesetz nicht gilt, richten sich die Anforderungen an den Inhalt eines Beitragsbescheids gemäß den in Bund und Ländern übereinstimmenden Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts nach Art. 37 BayVwVfG. (redaktioneller Leitsatz)
3 Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG tritt nicht ein, wenn der Betroffene dem Bescheid insgesamt entnehmen kann, welche Behörde gehandelt hat. Hierfür ist die Nennung der Behörde im Briefkopf nicht zwingend erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn sie im Bescheid überhaupt genannt wird. (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Abdruck der Rechtsmittelbelehrung auf der Rückseite der Bescheide nach dem Hinweis auf die maschinelle Unterschrift auf der Vorderseite ist jedenfalls dann unschädlich, wenn noch vor dem Hinweis bezüglich der maschinellen Unterschrift auf die rückseitige Rechtsmittelbelehrung hingewiesen wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Gegenstand der Klage ist – nach sachgerechter Auslegung gemäß § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – die Aufhebung der Festsetzungsbescheide vom 01.11.2014, 01.12.2014, 02.07.2015 und 01.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2015. Die im Schreiben des Klägers vom 27.06.2016 bezeichnete „Klageerweiterung“ ist in den Punkten 1 – 6 zu Gunsten des Klägers lediglich als weiterer Sachvortrag im Hinblick auf die ursprünglichen Klageanträge auszulegen, so dass insoweit keine Klageerweiterung im Rechtssinne vorliegt. Die Ausführungen sind vielmehr nur als Ergänzung der anhängigen Klage anzusehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 91, Rz. 2 und 4). Die Schadensersatzforderung in Punkt 7 der Klageerweiterung (Blatt 89 der Gerichtsakte) stellt hingegen eine Erweiterung der Klage um einen neuen Streitgegenstand dar. Dieser wurde abgetrennt und an das Amtsgericht München verwiesen, sodass die Schadensersatzansprüche kein Teil dieser Klage (mehr) sind.
2. Über die so auszulegende Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gem. § 84 Abs. 1 S. 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
3. Die zulässige Klage ist unbegründet.
a) Die Bescheide des Beklagten vom 01.11.2014, 01.12.2014, 02.07.2015 und 01.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Das Gericht verweist dabei zunächst auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 02.10.2015 und macht sich dessen Gründe zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Insbesondere kann das Gericht keine Verfassungs- (dazu aa) und Europarechtswidrigkeit (dazu bb) sowie Sittenwidrigkeit (dazu cc) des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages erkennen, so dass dieser rechtmäßige Vorgaben für die Beitragserhebung durch den Beklagten beinhaltet. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten sind auch im Übrigen formell und materiell rechtmäßig (dazu dd).
aa) Eine Verfassungswidrigkeit der Beitragspflicht aufgrund des RBStV vermag das Gericht nicht zu erkennen. Vielmehr ist bereits höchstrichterlich die Verfassungsmäßigkeit im privaten (BVerwG, U. v. 18.03.2016, Az. 6 C 6.15, juris; BVerwG, U. v. 15.06.2016, 6 C 37.15, juris; BayVerfGH, E. v. 15.05.2014, Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12, juris; VGH RP, U. v. 13.05.2014, Az. VGH B 35/12, juris; VGH BW, U. v. 03.03.2016, Az. 2 S 986/15, juris; BayVGH, U. v. 19.06.2015, Az. 7 BV 14.1707, juris; BayVGH, U. v. 21.07.2015, Az. 7 BV 14.1772, juris; BayVGH, U. v. 29.07.2015, Az. 7 B 15.379, juris; BayVGH, U. v. 08.04.2016, Az. 7 BV 15.1779, juris) und im nicht privaten Bereich (BayVerfGH, E. v. 15.05.2014, Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12, juris; VGH RP, U. v. 13.05.2014, Az. VGH B 35/12, juris; VGH BW, U. v. 03.03.2016, Az. 2 S 639/15, juris; BayVGH, U. v. 30.10.2015, Az. 7 BV 15.344, juris; BayVGH, U. v. 21.03.2016, Az. 7 B 15.1483, juris; BayVGH, U. v. 14.04.2016, Az. 7 BV 15.1188, juris; BayVGH, U. v. 18.04.2016, Az. 7 BV 15.960, juris) festgestellt worden.
Diesen Entscheidungen, die sich auch mit den Argumenten des Klägers zur Verfassungswidrigkeit auseinandersetzen, schließt sich das Gericht vollumfänglich an. Daher ist auch eine weitere Ruhendstellung des Verfahrens nicht angezeigt.
bb) Auch eine Europarechtswidrigkeit des Rundfunkbeitrags ist für das Gericht nicht ersichtlich.
Keiner näheren Ausführungen Bedarf es dahingehend, dass Unionsrecht in Deutschland anwendbar ist und dieses auch einen sogenannten „Anwendungsvorrang“ vor nationalem Recht genießt. Es ist bereits wiederholt gerichtlich entschieden, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag mit all seinen Regelungsteilen mit höherrangigem Recht in Einklang steht und damit auch nicht gegen unionsrechtliche Vorgaben oder Vorgaben der EMRK verstößt (vgl. VGH BW, U. v. 03.03.2016, Az. 2 S. 639.15, juris; OVG NRW, U. v. 27.08.2015, Az. 2 A 324.15, juris; OVG NRW, U. v. 22.10.2015, Az. 2 A 2583.14, juris; BayVerfGH, E. 15.05.2014, Az. Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12, juris; VG Freiburg, U. v. 24.06.2015, Az. 2 K 288.14, juris).
Es kann dahingestellt bleiben, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk – wie der Kläger meint – nach der Art. 6 der Richtlinie 2007/65/EG (Fernsehrichtlinie) den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts unterliegt. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, ist nicht ersichtlich, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gegen die Fernsehrichtlinie verstoßen würde. Im Übrigen besteht zwischen dem Wettbewerbsrecht und der vom Kläger aufgestellten Behauptung, dass er nicht verpflichtet sei, eine von ihm nicht gewünschte Dienstleistung zu bezahlen, keinerlei Sachzusammenhang. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass die Fernsehtätigkeit eine Dienstleistung i. S. d. Art. 57 AEUV sei, so wird nicht klar, welche Rechtsfolgen er aus dieser Feststellung ableiten will. Abgesehen davon setzt die Anwendbarkeit des Art. 57 AEUV einen sogenannten „grenzüberschreitenden Sachverhalt“ voraus. Dieser liegt offensichtlich nicht vor, sodass Art. 57 AEUV schon gar keine Anwendung findet. Auch der Verweis des Klägers, dass nach der EU-Richtlinie 97/7/EG niemand gezwungen werden dürfe, unbestellte Leistungen zu bezahlen, ist unbehelflich. Denn ein EU-Bürger kann sich nur dann unmittelbar auf eine Richtlinie berufen, wenn der Mitgliedstaat diese nicht innerhalb der jeweiligen Frist ins nationale Recht umgesetzt hat. Dies ist vorliegend jedoch geschehen. Der deutsche Gesetzgeber hat den Inhalt dieser Richtlinie durch § 241a BGB ins nationale Recht übertragen. Insoweit kann sich der Antragsteller schon gar nicht unmittelbar auf die Richtlinie 97/7/EG berufen. Im Übrigen betrifft die Problematik der unbestellten Leistungen das Zivilrecht. Das öffentlich-rechtliche Rundfunkbeitragsrecht wird hierdurch nicht tangiert (VG Bayreuth, B. v. 28.09.2015, Az. 3 E 15.605, juris).
cc) Eine behauptete Sittenwidrigkeit des – verfassungsgemäßen – RBStV vermag das Gericht ebenfalls nicht zu erkennen.
Sittenwidrigkeit wird im Allgemeinen angenommen, wenn eine Regelung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Abzustellen ist dabei auf die in der Gemeinschaft anerkannten moralischen Anschauungen. Maßgeblich sind insbesondere die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien sowie das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem. Nachdem bereits höchstrichterlich geklärt ist, dass der RBStV mit dem Grundgesetz vereinbar ist, scheidet die Annahme der Sittenwidrigkeit aus.
dd) Die angefochten Bescheide sind auch im Übrigen rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
aaa) Die Einwände des Klägers gegen die streitgegenständlichen Bescheide in formeller Hinsicht sind unbegründet.
Der Beklagte ist als Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Bayerischen Rundfunkgesetzes (BayRG) gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV berechtigt, die rückständigen Rundfunkbeiträge durch Bescheid festzusetzen. Bei den streitgegenständlichen Beitragsbescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte, die vom Beklagten im öffentlich-rechtlichen Bereich und damit in hoheitlicher Tätigkeit erlassen wurden (vgl. Tucholke, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 10 RBStV Rn. 32 m. w. N.). Auch wenn gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) für die Tätigkeit des Beklagten das Verwaltungsverfahrensgesetz nicht gilt, richten sich die Anforderungen an den Inhalt eines Beitragsbescheids gemäß den in Bund und Ländern übereinstimmenden Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts nach Art. 37 BayVwVfG (Tucholke a.a.O. Rn. 35, 37 m.w.N.; vgl. auch SächsOVG, B. v. 16.7. 2012, Az. 3 A 663/10, juris und VG Augsburg, U. v. 03.05.2016, Az. Au 7 K 16.130, juris). Art. 37 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG sieht vor, dass bei schriftlichen Verwaltungsakten, die – wie hier – mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen werden, abweichend von seinem Abs. 3, Unterschrift und Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten fehlen dürfen (VG Augsburg a.a.O.).
Der Beitragsservice als Nachfolger der GEZ hat die streitgegenständlichen Beitragsbescheide im Namen und im Auftrag des Beklagten erlassen. Gemäß § 2 der Rundfunkbeitragssatzung nimmt die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten die der Rundfunkanstalt zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV ganz oder teilweise für diese wahr. Jede Landesrundfunkanstalt nimmt durch den Beitragsservice die ihr im Rahmen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten selbst wahr. Der Beitragsservice ist demzufolge keine juristische Person. Er ist keine Behörde im materiellen Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze. Demgemäß handelt es sich bei dem Beitragsservice um einen Teil der Rundfunkanstalt, der lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen aus dem normalen Betrieb am Sitz der jeweiligen Anstalt örtlich ausgelagert wurde. Daher werden Erklärungen des Beitragsservice nur im Namen und im Auftrag der jeweils zuständigen Rundfunkanstalt abgegeben. Die Erstellung der Bescheide durch den Beitragsservice ändert nichts daran, dass die Bescheide dem Beklagten zuzurechnen sind (vgl. VG Augsburg a.a.O.).
Aus den Bescheiden ergibt sich auch der Beklagte als erlassende Behörde. Aufgrund der vorliegenden Umstände konnte für den Kläger kein Zweifel darüber bestehen, dass der Beklagte den angefochtenen Beitragsbescheid erlassen hat. Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG tritt nicht ein, wenn der Betroffene dem Bescheid insgesamt entnehmen kann, welche Behörde gehandelt hat. Hierfür ist die Nennung der Behörde im Briefkopf nicht zwingend erforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn sie im Bescheid überhaupt genannt wird (Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 16. Auflage 2015, Rn. 32 f. zu § 44 m.w.N.). In den vorliegenden Beitragsbescheiden wird der Beklagte sowohl im Briefkopf („Bayerischer Rundfunk“…) als auch am Ende der ersten Seite („Mit freundlichen Grüßen Ihr Bayerischer Rundfunk“) und in der Rechtsbehelfsbelehrung:ausdrücklich (auch unter Angabe der Adresse) genannt. Dies ist zweifellos ausreichend (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2010, Az. 7 ZB 08.2577, juris).
Schließlich ist der Einwand, die Rechtsbehelfsbelehrung:sowie der Zusatz „Dieser Bescheid wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig“ seinen in hellgrau und damit fast nicht lesbar gedruckt, nicht nachvollziehbar. Die Entwürfe der Bescheide, die dem Gericht vorliegen, sind insoweit problemlos lesbar. Selbst bei Kopien der Bescheide und bei per Telefax übermittelten Bescheiden des Beklagten hat das Gericht keine Probleme mit der Leserlichkeit dieser Passagen, obwohl die Qualität der Vervielfältigung naturgemäß schlechter ausfällt. Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass der Abdruck der Rechtsmittelbelehrungauf der Rückseite der Bescheide nach dem Hinweis auf die maschinelle Unterschrift auf der Vorderseite unschädlich ist, zumal noch vor dem Hinweis bezüglich der maschinellen Unterschrift auf die rückseitige Rechtsmittelbelehrunghingewiesen wird (BVerwG, B. v. 11.02.1998, Az. 7 B 30.98, juris).
bbb) Materielle Rechtswidrigkeitsgründe liegen ebenfalls nicht vor.
(1) Der Kläger bewohnt insbesondere eine Wohnung i.S.d. § 3 Abs. 1 RBStV, die nach § 2 Abs. 1 RBStV beitragspflichtig ist. § 3 Abs. 1 RBStV definiert mit dem Begriff der Wohnung den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht im privaten Bereich. Wohnung ist danach, unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume, jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die 1. zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und 2. durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann. § 3 Abs. 2 RBStV nimmt bestimmte Raumeinheiten in Betriebsstätten aus dem Begriff der Wohnung aus. Als Ausnahme vom Grundtatbestand des § 3 Abs. 1 RBStV ist die Aufzählung des § 3 Abs. 2 RBStV abschließend (vgl. VG Sigmaringen, B. v. 17.06.2016, Az. 5 K 837/16, juris). Gemäß der normgeberischen Fiktion in § 3 Abs. 2 RBStV gelten nicht als Wohnung Raumeinheiten in Betriebsstätten, wobei von Nr. 1 dieser Vorschrift Raumeinheiten in Gemeinschaftsunterkünften erfasst werden, insbesondere in Kasernen, Unterkünften für Asylbewerber und Internaten. Demnach setzt eine Gemeinschaftsunterkunft eine Raumeinheit „in einer Betriebsstätte“ bzw. das Vorliegen (auch) einer Betriebsstätte voraus. Nach der Legaldefinition in § 6 Abs. 1 RBStV ist Betriebsstätte jede zu einem eigenständigen, nicht ausschließlich privaten Zweck bestimmte oder genutzte ortsfeste Raumeinheit oder Fläche innerhalb einer Raumeinheit. § 6 Abs. 1 Satz 3 RBStV stellt klar, dass es auf den Umfang der Nutzung zu den jeweiligen nicht privaten Zwecken sowie auf eine Gewinnerzielungsabsicht oder eine steuerliche Veranlagung des Beitragsschuldners nicht ankommt. Ferner ergibt sich aus der die Beitragserhebung im nicht privaten Bereich regelnden Vorschrift des § 5 Abs. 3 RBStV, dass es sich bei den vom Normgeber als Betriebsstätten angesehenen Einrichtungen um gemeinnützige (§ 5 Abs. 3 Nrn. 1 bis 4 RBStV) oder sonstigen öffentlichen Zwecken dienenden Einrichtungen handeln kann (§ 5 Abs. 3 Nrn. 5 und 6 RBStV). Die Betriebsstätte wird damit finalitätsbezogen durch einen nicht privaten Zweck umschrieben, der ein gewerblicher, sozialer oder auch ein öffentlich-rechtlicher Zweck sein kann. Demgegenüber stellt die in § 2 RBStV geregelte Beitragserhebung für den privaten Bereich auf das Innehaben einer in § 3 Abs. 1 RBStV legaldefinierten Wohnung, mithin auf einen (zumindest auch, vgl. § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV) privaten Zweck ab. Die Vorschriften in § 3 Abs. 2 RBStV und § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV dienen daher systematisch mit unterschiedlicher Akzentuierung der Abgrenzung von Wohnung und Betriebsstätte bzw. der Beitragspflicht im privaten und nicht privaten Bereich (VGH BW, B. v. 11.05.2016, Az. 2 S 1621/15, juris; VG Hamburg, U. v. 12.11.2014, Az. 3 K 159/14, juris). § 3 Abs. 2 RBStV ist seinen Voraussetzungen nach durch eine Überlagerung von bestimmten Aufenthalts- und Wohnformen „in“ bzw. mit einer Betriebsstätte gekennzeichnet, bei denen ein funktionaler Bezug zwischen einer grundsätzlich zum Wohnen im Sinne von § 3 Abs. 1 RBStV geeigneten oder genutzten Raumeinheit mit einer zu nicht privaten Zwecken dienenden Betriebsstätte vorliegt. Die Sach- und Interessenlage der räumlich manifestierten Verschränkung von privaten und nicht privaten Zwecken wird in § 3 Abs. 2 RBStV nach der Wertungsentscheidung des Normgebers einer Beitragserhebung nach § 5 RBStV zugeordnet und hierbei die begrifflich als Wohnung fassbaren Raumeinheiten in einer Betriebsstätte als (untergeordneter) Teil der Betriebsstätte behandelt. Hierbei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Unterbringung der Erfüllung und Gewährleistung des im Vordergrund stehenden nicht privaten Zwecks der Betriebsstätte dient. Darüber hinaus wird eine Beitragspflicht nach dem Regelungsregime des § 5 RBStV erreicht und so gewährleistet, dass die dort vorgenommene differenzierte Ausgestaltung einer Beitragspflicht von Betriebsstätten mit der Staffelung in § 5 Abs. 1 RBStV sowie insbesondere die Privilegierung gemeinnützigen Zwecken dienender Betriebsstätten (§ 5 Abs. 3 RBStV), nicht durch eine zusätzliche Beitragspflicht im privaten Bereich verwässert und – wie z.B. mit Blick auf die in § 5 Abs. 3 RBStV enthaltenen Privilegierungstatbestände – in Frage gestellt wird. Zusammenfassend liegt in den Fällen des § 3 Abs. 2 RBStV ein Aufenthalt bzw. Wohnen in einer als Betriebsstätte beitragspflichtigen Raumeinheit vor (Wohnen in nach § 5 RBStV zu verbeitragender Betriebsstätte), während in § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV eine Betriebsstätte in einer als Wohnung beitragspflichtigen Raumeinheit vorliegt (Betriebsstätte in nach § 2 RBStV beitragspflichtiger Wohnung). Diese anhand wertender Kriterien vorgenommene Abgrenzung von privater und nicht privater Beitragspflicht hat in § 3 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 RBStV eine differenzierte Ausgestaltung erfahren. Hierbei hat der Normgeber als einen der (grundsätzlich eng auszulegenden) Ausnahmetatbestände in § 3 Abs. 2 Nr. 1 RBStV Raumeinheiten in Gemeinschaftsunterkünften als besonders qualifizierte Teilmenge von Raumeinheiten in Betriebsstätten angesehen und diese Teilmenge durch die mittels des Wortes „insbesondere“ eingeleitete nicht abschließende beispielhafte Aufzählung (Kaserne, Unterkünfte für Asylbewerber, Internate) charakterisiert (VGH BW, B. v. 11.05.2016, Az. 2 S 1621/15, juris).
Beim Anwesen … in … ergeben sich für das Gericht keinerlei Anhaltspunkte für das „Wohnen in einer als Betriebsstätte“ (in Form einer Gemeinschaftsunterkunft) beitragspflichtigen Raumeinheit. Vielmehr bewohnt der Kläger lediglich eine von mehreren abgeschlossen Wohnungen oberhalb des Verkaufsraumes der „Tankstelle am Berg“ bzw. des Büro-, Ausstellungs- und Verkaufsraumes des dortigen „Car-n-Bike Service“, ohne dass ein Bezug zu den darunterliegenden Gewerbeeinheiten besteht.
Der von Kläger erfolgten Auslegung des § 3 Abs. 1 RBStV folgt die Kammer ebenfalls nicht. Soweit der Kläger behauptet, ein Treppenhaus wäre zum Schlafen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 RBStV geeignet und erfülle damit den Wohnungsbegriff mit der Folge, dass seine Wohnung nur über eine andere Wohnung (=Treppenhaus) nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 RBStV betreten werden könne, ist dies für das Gericht nicht nachvollziehbar. Zum einen ergibt sich bei sachgerechter Lesart des § 3 Abs. 1 RBStV, dass Treppenhäuser gerade keine (beitragspflichtigen) Wohnungen sind. Andererseits würde die vom Kläger vorgenommene Auslegung die Beitragspflicht ad absurdum führen, da nahezu alle Wohnungen über ein Treppenhaus betreten werden müssen und damit beitragsfrei wären.
(2) Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Säumniszuschläge in Höhe von je 8,00 EUR ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von 1% der rückständigen Beitragsschuld mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV ist der Rundfunkbeitrag in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten. Die Fälligkeit des Beitrags ist somit im Gesetz festgelegt, die Beiträge werden nicht erst dann fällig wenn eine Rechnung oder gar ein Bescheid ergeht (vgl. VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 10.12.2015, Az. B 3 K 15.520, juris). Die Säumnisfolgen nach § 11 Abs. 1 der Rundfunkbeitragssatzung bauen somit in nicht zu beanstandeter Weise auf dieser Systematik auf. Der Säumniszuschlag ist auch dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden, da der Kläger die Beiträge nach der gesetzlich eingetretenen Fälligkeit nicht bezahlt hat. Es war jeweils der Mindestbetrag von 8,00 EUR anzusetzen, da 1% der festgesetzten Rundfunkeiträge in allen Bescheiden jeweils zu einem geringeren Betrag als 8,00 EUR führen würde.
(2) Da weitere Aspekte zur Rechtswidrigkeit der Bescheide nicht vorgetragen wurden und sich solche dem Gericht auch nicht aufdrängen, ist die Klage abzuweisen.
4. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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