IT- und Medienrecht

Schadensersatz, Fahrzeug, Annahmeverzug, Berichterstattung, Anspruch, Software, Fahrzeughalter, Kenntnis, Internet, Vertragsschluss, Kaufpreis, Feststellungsklage, Klage, Darlegung, Zug um Zug, Treu und Glauben, positive Kenntnis

Aktenzeichen  5 U 387/20

Datum:
26.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 55655
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

43 O 179/20 2020-09-28 Urt LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 28.09.2020, Az. 43 O 179/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Bamberg sind vorläufig
vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

A.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Kaufs eines Fahrzeugs, in dem ein von der Beklagten entwickelter und gebauter Dieselmotor des Typs EA 189 eingebaut ist.
Die Klägerin erwarb am 12.03.2015 das Fahrzeug … von der Fa. A. als Gebrauchtfahrzeug mit einem Kilometerstand von 56.433 km zu einem Preis von 14.790,00 €.
Das Fahrzeug und dessen Motor wurden von der Beklagten entwickelt und gebaut. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Der Motor verfügte über eine Software, die eine Veränderung der ausgestoßenen Stickoxid-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren auf dem Prüfstand herbeiführte und so bewirkte, dass bei der Messung auf dem Prüfstand geringere Abgaswerte, als sie im Normalbetrieb ausgestoßen werden, erzeugt und gemessen wurden. Die Software erkannte, wenn sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befand und der Prüfung des neuen europäischen Fahrzyklus unterzogen wurde. In diesem Fall schaltete die Software die Motorsteuerung in den Abgasrückführungsmodus 1, bei dem ein stickoxidoptimierter Ausstoß bewirkt wurde, weil mehr produziertes Abgas über die Abgasrückführung in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeführt wurde. Dieser Betriebsmodus 1 wurde nur aktiviert, wenn sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befunden hat. Der Betriebsmodus 0, der im normalen Straßenbetrieb die Motorsteuerung regelt, wurde dabei nicht in Betrieb gesetzt. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5 – Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Am 22.09.2015 gab die Beklagte eine Adhoc-Mitteilung sowie eine gleichlautende Presseerklärung heraus, in denen der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde, dass in Konzernfahrzeugen der Beklagten mit einem Dieselmotor EA 189 eine Software eingebaut ist, die zu auffälligen Abweichungen der Abgaswerte zwischen Prüfstandbetrieb und realem Fahrbetrieb führte. Sowohl in den regionalen und überregionalen Printmedien als auch im Fernsehen und im Rundfunk sowie im Internet wurde darüber überregional und ausführlich berichtet. Im Jahr 2015 richtete die Beklagte eine Internetplattform ein, auf der die Fahrzeughalter die Betroffenheit ihres konkreten Fahrzeugs ermitteln konnten.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Zulassung des Motors zum Betrieb im öffentlichen Verkehr und die Typengenehmigung des Fahrzeugs durch den Einsatz der o.g. Software im Wege der Täuschung von der Beklagten erschlichen worden seien. Ohne die Täuschung hätte der Motor keine Zulassung erhalten, da er die gesetzlich vorgeschriebenen Werte nicht habe einhalten können. Es habe daher die Stilllegung des Fahrzeugs durch die Behörden gedroht. Dies sei im Zeitpunkt der Produktion und Inverkehrgabe des Fahrzeugs bzw. des Motors der Beklagten, insbesondere deren Vorständen bekannt gewesen. Hierdurch sei dem Kläger ein Schaden entstanden, der im Abschluss des Kaufvertrags und den hierauf aufgewendeten Zahlungen liege. Der Anspruch sei nicht verjährt. Sie habe das Schreiben der Beklagten, in welchem ihr mitgeteilt worden sei, dass ihr Fahrzeug ein Softwareupdate benötige, erst im Jahr 2017, ca. 4 Wochen vor dem Aufspielen des Softwareupdates in der Werkstatt am 11.04.2017, erhalten. Der Klägerin sei es aufgrund der unklaren Sach- und Rechtslage frühestens nach der Entscheidung des BGH vom 25.05.2020 zumutbar gewesen, Klage zu erheben. Sie ist der Ansicht, dass die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2020 zu laufen begonnen habe. Zudem sei die Erhebung der Einrede der Verjährung rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte die geschädigten Kunden über Jahre hingehalten und bestritten habe, dass ihr Vorstand überhaupt Kenntnis von dem Betrug gehabt habe. Durch das Aufspielen des Updates, das auf einen verpflichtenden Rückruf des KBA hin erfolgt sei, sei ein neues, einen weiteren Schaden verursachendes Ereignis gesetzt worden, da erneut unzulässige Abschalteinrichtungen in Form eines Thermofensters, einer Aufwärmfunktion sowie einer Manipulation des On-Board-Diagnosesystems (OBD) aufgespielt worden seien. Hierdurch habe der Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 212 Abs. 1 BGB neu zu laufen begonnen. Weiter habe die Beklagte mehrfach in den Jahren 2015, 2016 und 2017 erklärt, dass sie bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichte. Dies habe zur Folge, dass der Lauf der Verjährung frühestens am 01.12.2018 begonnen habe.
Die Klägerin hat in der ersten Instanz die im Ersturteil enthaltenen Anträge gestellt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte hat u. a. die Einrede der Verjährung erhoben. Bereits im Jahre 2015, spätestens jedoch mit Erhalt des Schreibens, das bereits 2016 bei der Klägerin eingegangen sei, habe die Klägerin positive Kenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs gehabt, so dass die im Jahre 2020 eingereichte Klage nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben worden sei. Zudem läge ein verwerfliches Handeln auf Seiten der Beklagten nicht vor.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 28.09.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Anspruch verjährt und die Beklagte deshalb berechtigt sei, die Leistung zu verweigern. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag aus dem Verfahren erster Instanz und vertritt die Rechtsansicht, dass ihr Anspruch nicht verjährt sei. Das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, dass die Klägerin spätestens Ende des Jahres 2016 alle relevanten Umstände gekannt habe bzw. hätte kennen müssen, um Klage zu erheben. Das Vorliegen der dazu erforderlichen Voraussetzungen habe die Beklagte nicht bewiesen. Die Klägerin habe erst im Jahr 2017 Kenntnis davon erlangt, dass ihr Fahrzeug von der Rückrufaktion betroffen sei. Die Beklagte habe nachhaltig versucht, ihr Vorgehen zu beschwichtigen und zu bagatellisieren. Die Klägerin habe auf diese Erklärungen der Beklagten zunächst vertrauen dürfen, da zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt und voraussehbar gewesen sei, dass das Softwareupdate der Beklagten völlig untauglich sei und in vielen Fällen zu massiven Folgeschäden an dem Motor des Fahrzeugs führe. Erstmals im Jahr 2017 seien Urteile gegen die Beklagte ergangen. Durch diese sei erst eine Aufklärung des Sachverhalts erfolgt. Der Klägerin sei erst im Jahr 2017 zumutbar gewesen, eine Klage gegen die Beklagte zu erheben. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei rechtsmissbräuchlich. Im vorliegenden Fall greife auch die Frist des § 852 BGB, die 10 Jahre betrage. Eine Verjährung sei daher nicht eingetreten. Selbst wenn der Eintritt der Verjährung anzunehmen wäre, stehe der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung aus § 852 BGB zu. Dies gelte auch dann, wenn, wie hier, ein Gebrauchtfahrzeug gekauft worden sei, da der Zufluss in das Vermögen der Schädigerin aufgrund der deliktischen Handlung auch dann herauszugeben sei, wenn dies nicht direkt durch den Kauf der Klägerin herbeigeführt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
1.Die Beklagte wird unter Abänderung des am 30.09.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Bamberg, Az.: 43 O 179/20 verurteilt, an die Klägerin 10.912,76 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs …, FIN: …;
2.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs …, FIN: … im Annahmeverzug befindet
3.Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin und Berufungsklägerin von den vorgerichtlichen Gebühren ihrer Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte A., in Höhe von 958,19 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Ersturteil. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 24.02.2021 (Bl. 285 ff. d. A.) Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
I.
Zwar ist ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 826, § 31 BGB entstanden, weil die Beklagte der Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt hat. Hinsichtlich der rechtlichen Begründung schließt sich der Senat den Rechtsausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 25.05.2020, Aktenzeichen VI ZR 252/19 (veröffentlicht u. a. in NJW 2020, 1062) in vollem Umfang an und macht sich diese zu eigen. Der Klägerin ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten insbesondere ein Schaden entstanden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags liegt (BGH a.a.O., Rn. 44). Die Kausalität ist zu bejahen, weil davon auszugehen ist, dass die Klägerin das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn sie gewusst hätte, dass diesem eine Betriebsbeschränkung oder – untersagung droht (BGH a.a.O., Rn. 49). Die Klägerin hat auch hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands der Beklagten von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung dargelegt, so dass die Beklagte im Hinblick auf § 31 BGB eine sekundäre Darlegungslast trifft, der sie nicht nachgekommen ist.
Der Klägerin ist durch den Abschluss des Kaufvertrags über das Fahrzeug ein Schaden in Höhe des Kaufpreises abzüglich der vom Kläger gezogenen Nutzungen entstanden. Die konkrete Höhe bedarf vorliegend keiner Darlegung, da dieser Anspruch verjährt ist.
II.
Der Anspruch der Klägerin ist wegen der eingetretenen Verjährung aber gemäß § 214 BGB nicht durchsetzbar.
Die Verjährungsfrist hat im vorliegenden Fall spätestens mit Ablauf des Jahres 2016 zu laufen begonnen und endete am 31.12.2019. Die am 15.06.2020 erhobene und der Beklagten am 02.07.2020 zugestellte Klage konnte sie daher nicht mehr hemmen.
1. Die Verjährungsfrist für den Anspruch aus § 826 BGB beträgt gemäß § 195 BGB 3 Jahre. Die in § 852 Satz 2 BGB geregelte Verjährungsfrist von 10 Jahren betrifft nur den Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB. Sie gilt nicht für die Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB.
2. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorhanden, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt nur auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände ab, mithin des Lebenssachverhalts, der die Grundlage des Anspruchs bildet. Dabei ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Die erforderliche Kenntnis ist vielmehr bereits vorhanden, wenn die dem Geschädigten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen. Die dreijährige Verjährungsfrist gibt dem Geschädigten dann noch hinreichende Möglichkeiten, sich für das weitere Vorgehen noch sicherere Grundlagen, insbesondere zur Beweisbarkeit seines Vorbringens, zu verschaffen (BGH, Urt. v. 17.12.2020 – VI ZR 739/20, juris Rn. 8 m. w. N.).
Grob fahrlässig handelt der Gläubiger, wenn seine Unkenntnis darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 23.09.2008 – XI ZR 395/07, juris Rn. 14). Es muss ihm persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in eigenen Angelegenheiten bei der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (BGH, Urt. v. 10.11.2009 – VI ZR 247/08, juris Rn. 13). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Geschädigte, der sich die Kenntnisse in zumutbarer Weise, ohne nennenswerte Mühe beschaffen könnte, die auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnutzt. Dabei besteht jedoch für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiativen zur Klärung von Schadenshergang und Person des Schädigers zu entfalten. Das Unterlassen einer Nachfrage ist nur dann grob fahrlässig, wenn weitere Umstände (Aufdrängen einer Schädigung aufgrund konkreter Anhaltspunkte) hinzutreten, die das Unterlassen schlicht als unverständlich erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 08.07.2010 – III ZR 249/09, juris Rn. 28).
b) Im vorliegenden Fall ist bereits nach den eigenen Angaben der Klägerin (vgl. Protokoll vom 26.10.2021, Seite 2) festzustellen, dass diese bereits im Jahr 2016 von dem sogenannten Dieselskandal im Allgemeinen Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH, Urt. v. 29.07.2021 – VI ZR 1118/20, Rn. 18). Die Klägerin hat erklärt, dass sie aus der Zeitung und im Fernsehen mitbekommen habe, dass es bei der Beklagten diesen Skandal gegeben habe.
Dass sie im Jahr 2016 ein Schreiben der Beklagten erhalten hat, in dem ihr mitgeteilt wurde, dass ihr Fahrzeug von dem Abgasskandal betroffen ist und sie deshalb positive Kenntnis von den einen Anspruch begründenden Tatsachen hatte, steht nicht fest. Das Fahrzeug selbst erhielt, wie sich aus der in Kopie vorgelegten Bescheinigung der Beklagten ergibt, am 11.04.2017 das Softwareupdate aufgespielt. Die Klägerin hat in ihrer Anhörung durch den Senat erklärt, dass sie ein Schreiben, das im Zusammenhang mit dem aufgespielten Softwareupdate steht, ca. vier Wochen vor dem Termin zum Aufspielen des Softwareupdates erhalten habe. Dieser Zeitpunkt liegt damit im Jahr 2017. Dass die Klägerin entgegen ihrer Angabe und nach dem Vortrag der Beklagten das Schreiben im Jahr 2016 erhalten und damit positive Kenntnis von den einen Anspruch begründenden Tatsachen hatte, hat die Beklagte nicht bewiesen. Für Tatsachen, auf die sie ihre Einrede der Verjährung stützt, trägt jedoch die Beklagte die Beweislast.
Die Klägerin befand sich jedoch aufgrund grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis der den anspruchsbegründenden Umstände und der Person des Schuldners im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB . Hinsichtlich der konkreten Betroffenheit des von ihr erworbenen streitgegenständlichen Fahrzeugs musste es sich der Klägerin spätestens bis Ende 2016 aufgrund der von der Beklagten ab September 2015 verbreiteten Informationen und der nachfolgenden, der Klägerin bekannten Berichterstattung in den Medien aufdrängen, dass ihr Fahrzeug ebenfalls betroffen sein konnte. Die Tatsache, dass sie trotzdem nicht bis spätestens Ende 2016, also mehr als 1 1/4 Jahre nach dem ersten Bekanntwerden des Skandals, weitere Nachforschungen angestellt hat, ist unter den dargelegten Umständen schlechterdings nicht nachvollziehbar und daher jedenfalls als grob fahrlässig zu bewerten. Jeder Halter bzw. Eigentümer eines potentiell betroffenen Fahrzeugs hätte sich bereits aus Gründen des Eigeninteresses spätestens im Jahr 2016 aufgrund der fortwährenden Berichterstattung und öffentlicher Diskussionen auch über die möglichen Konsequenzen für die Fahrzeughalter – wie bspw. eine drohende Stilllegung, die Notwendigkeit eines Updates u.Ä. – dazu veranlasst sehen müssen, solche Nachforschungen anzustellen. Dies gilt auch, soweit die Beklagte anfänglich mitteilte, auf die betroffenen Fahrzeugeigentümer zugehen zu wollen. Diese Mitteilung kann es allenfalls für das Jahr 2015 begründen, eine grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Spätestens im Jahr 2016 war jeder Fahrzeughalter, der über die eigene Betroffenheit noch nicht informiert war, aus o.g. Gründen gehalten, sich diese Informationen zu verschaffen. Ein längeres Zuwarten erscheint insbesondere unter Berücksichtigung der fortdauernden Berichterstattungen und den möglichen persönlichen Konsequenzen schlechterdings unverständlich. Die gebotenen Nachforschungen, die die Klägerin beispielsweise durch eine FIN-Abfrage bereits im Jahr 2015, eine Anfrage beim xx-Kundenservice oder eine Anfrage bei einem xx-Händler hätte vornehmen können, hätten dazu geführt, dass er die konkrete Betroffenheit des von ihm erworbenen Fahrzeugs festgestellt hätte.
Damit wusste die Klägerin um die den Schadensersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände infolge grober Fahrlässigkeit nicht, dass ihr Fahrzeug mit der vom Kraftfahrtbundesamt beanstandeten Software ausgestattet war, die im Rahmen der medialen Aufbereitung des sogenannten Dieselskandals als „Schummelsoftware“ in sämtlichen Medien über Monate hinweg Thema war. Die der Klägerin infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gebliebenen Umstände hatten ausgereicht, um zumutbar eine Klage gegen die Beklagte spätestens bis Ende 2016 erheben zu können (vgl. dazu im Einzelnen: BGH, Urt. v. 17.12.2020 a.a.O., Rn. 18 ff.). Hierfür ist es insbesondere nicht erforderlich, dass die Klägerin bereits 2016 aus den ihm bekannten bzw. grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zog, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB herleitete. Der eng begrenzte Ausnahmefall, dass die Erhebung einer (Feststellungs-)Klage wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage unzumutbar war und der Verjährungsbeginn daher hinausgeschoben wurde, liegt hier nicht vor. Der Durchsetzung des Anspruchs aus § 826 BGB stand eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht entgegen. Es war im Gegenteil ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 826 BGB (insbesondere Sittenwidrigkeit und Schaden) sowie zur sekundären Darlegungslast erkennbar, dass sich diese Rechtsprechung auf die hier vorliegende Fallkonstellation übertragen lassen würde, so dass die Rechtsverfolgung schon 2016 hinreichende Aussicht auf Erfolg versprach und zumutbar war (vgl. im Einzelnen: BGH, Urt. v. 17.12.2020 a.a.O., Rn. 26 ff.). Die Kenntnis von der abstrakten Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung, die aufgrund der der Klägerin generell aufgrund der Medienberichterstattung bekannten Funktionsweise der Software bestand, war nicht erforderlich, weil es sich insoweit nicht um einen tatsächlichen Umstand im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sondern um eine rechtliche Schlussfolgerung handelt (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2020, a.a.O., Rn. 21). Dass es im Zusammenhang mit Klagen, die im Hinblick auf den „xx-Abgasskandal“ erhoben wurden, unterschiedliche Rechtsauffassungen von Landgerichten und Oberlandesgerichten gab, führt nicht dazu, dass die Rechtslage unsicher oder zweifelhaft war. Dass Gerichte einen Sachverhalt bei Anwendung gesicherter und geklärter Rechtsgrundsätze unterschiedlich bewerten, führt nicht dazu, dass die Rechtslage unsicher oder zweifelhaft und eine Klageerhebung nicht zumutbar ist.
Die mit Ablauf des 31.12.2016 begonnene Verjährungsfrist ist am 31.12.2019 geendet. Die am 15.06.2020 erhobene, der Beklagten am 02.07.2020 zugestellte Klage konnte sie nicht mehr hemmen.
3. Die Verjährung hat nicht gemäß § 212 Abs. 1 BGB infolge des Aufspielens des Softwareupdates durch die Beklagte neu zu laufen begonnen.
§ 212 Abs. 1 BGB fordert, dass der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Ein Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift ist das rein tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber den Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt. Aus diesem Verhalten muss sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs – wenigstens dem Grunde nach – unzweideutig ergeben (vgl. BGH NJW 19, 1219 m.w.N.).
Ein solches Anerkenntnis der Beklagten liegt weder in der erfolgten Ankündigung der Entwicklung des Softwareupdates noch in dessen Aufspielen durch die Beklagte. Die Klägerin trägt selbst vor (vgl. Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 01.03.2021 Seite 23), dass die Beklagte diesbezüglich auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) handelte. Die Ankündigung der Entwicklung und das Aufspielen des Softwareupdates erfolgte daher nicht in dem geäußerten Bewusstsein der Beklagten für das Bestehen eines Anspruchs der Käufer von Fahrzeugen, hier der Klägerin, gegenüber der Beklagten, sondern alleine aufgrund der für die Beklagte zwingenden Anordnung des KBA.
4. Durch die Erklärung der Beklagten in den Jahren 2015, 2016 und 2017, dass sie bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichten werde, ist die Beklagte nicht gehindert, diese Einrede im Jahre 2020 zu erheben. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) liegt diesbezüglich nicht vor.
Die Klägerin trägt hierzu im Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 31.08.2020, dort Seite 4, den Wortlaut einer Presseerklärung der Beklagten vom 16.12.2015 vor. Diese Erklärung betraf auch zu diesem Zeitpunkt schon verjährte Ansprüche. Weiter wird von der Beklagten erklärt, dass durch bloßes Zuwarten xx – Kunden keine Nachteile entstehen sollen. Die Erklärung bedeutet nur, dass die Beklagte diese Einrede bis zu dem erklärten Zeitpunkt nicht erheben wird. Aus dieser Erklärung lässt sich jedoch für Kunden der Beklagten nicht entnehmen, dass die Beklagte damit erklärt, dass sie auf die Erhebung der Einrede der Verjährung nach diesem Zeitpunkt verzichtet. Dies folgt aus den weiteren Sätzen der Erklärung, die lauten: „Dies bedeutet, dass alle betroffenen Kunden die Durchführung der diesbezüglich erforderlichen technischen Maßnahme an ihrem Fahrzeug bis zum oben genannten Zeitpunkt abwarten können. Fest steht: die Fahrzeuge sind weiterhin technisch sicher und fahrbereit und können deshalb uneingeschränkt im Straßenverkehr genutzt werden“. Der Zweck und der Inhalt dieser Erklärung ergibt sich aus diesen erkennbaren Motiven der Beklagten. Diese wollte damit etwaigen Anspruchsinhabern Zeit geben, bis Ende des Jahres 2017 mit der Erhebung einer Klage oder der Geltendmachung von Ansprüchen ihr gegenüber zuwarten zu können, um zunächst selbst prüfen zu können, ob sie mit den durchgeführten Maßnahmen zur Beseitigung der Software und der anschließenden Nutzung und Nutzbarkeit ihres Fahrzeuges zufrieden sind oder nicht. Erst dann, wenn sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, sollten sie gezwungen sein, gegenüber der Beklagten selbst Ansprüche zu erheben oder verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Auf den Lauf der Verjährungsfrist hat diese Erklärung keine Auswirkung. Die Klägerin hatte daher zum einen auch während der Zeit bis 31.12.2017 Gelegenheit, ihre Ansprüche geltend zu machen und gegebenenfalls den Lauf der Verjährungsfrist zu hemmen. Zum anderen konnte sie auch nach dem 31.12.2017 die noch laufende Verjährungsfrist hemmen, da ihre Ansprüche erst mit Ablauf des 31.12.2019 verjährt sind. Die Klägerin wurde durch die Erklärung nicht davon abgehalten, dass sie noch vor Eintreten der Verjährung, Maßnahmen zur Durchsetzung ihres Anspruchs, die zu einer Hemmung des Laufes der Verjährung geführt hätten, ergreift. Der Lauf der Verjährungsfrist hat daher nicht erst mit Ablauf des 31.12.2017 begonnen. Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist auch kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
5. Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist nicht infolge von Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) unbeachtlich.
Die Verjährungseinrede ist nur dann unbeachtlich, wenn sie gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung § 242 BGB verstößt. Hierbei ist, insbesondere im Verjährungsrecht, ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 31. März 2021 – 13 U 693/20, juris Rn. 31 m.w.N.).
Vorliegend handelte die Beklagte durch die Erhebung der Einrede der Verjährung nicht rechtsmissbräuchlich. Auch Ansprüche aus Delikt (§ 823, § 826 BGB) unterliegen – wie alle schuldrechtlichen Ansprüche – kraft Gesetzes der Verjährung. Die Existenz der Regelung des § 852 BGB bestätigt dies. Gegenüber einem Anspruch aus §§ 823 ff BGB kann daher der Schädiger grundsätzlich die Einrede der Verjährung erheben. Die Beklagte hat auch sonst nicht in unredlicher Weise die Vornahme von die Verjährung hemmenden Maßnahmen der Klägerseite verhindert. Wie vorstehend ausgeführt, konnten betroffene Fahrzeughalter – so auch die Klägerin – auf Grundlage der öffentlichen Berichte der Beklagten und des erhaltenen Schreibens der Beklagten vom Februar 2016 erkennen, dass eine Klage gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz hinreichend Aussicht auf Erfolg hat. Vor diesem Hintergrund sind die von der Klägerin gerügten beschönigenden Formulierungen und Beschwichtigungen der Beklagten i.R. ihrer Veröffentlichungen nicht dazu geeignet, einen Autokäufer in unredlicher Art und Weise davon abzuhalten, verjährungshemmende Maßnahmen rechtzeitig zu ergreifen. Die Klägerin konnte jederzeit Maßnahmen ergreifen, um eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen. So konnte sie auch von der Beklagten fordern, dass sie gegebenenfalls ihr gegenüber sich verpflichtet, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben. Wenn die Beklagte dem bis 31.12.2019 nicht nachgekommen wäre, hätte der Kläger dann noch rechtzeitig die Verjährung durch Vornahme entsprechender, den Lauf der Verjährungsfrist hemmender Maßnahmen hemmen können. Wenn sie dies nicht macht, kann dies nicht der Beklagten dadurch zur Last gelegt werden, dass ihr die Erhebung der Einrede der Verjährung nach § 242 BGB verwehrt wird.
6. Eine anderweitige Hemmung der Verjährungsfrist ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hat sich unstreitig nicht an der Musterfeststellungsklage beteiligt.
III.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass das auf ihr Fahrzeug aufgespielte Softwareupdate unzulässige Abschalteinrichtungen in Form eines sog. „Thermofensters“, einer Aufwärmfunktion und einer Manipulation des On-Board-Systems (OBD) enthalte und hierdurch ein eigener, nicht verjährter, Anspruch aus § 826, § 31 BGB entstanden sei, trifft dies nicht zu.
Die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten setzt sich nicht deshalb in lediglich veränderter Form fort, weil die Beklagte mit einem Software-Update eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) implementiert hat. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Der darin liegende – unterstellte – Gesetzesverstoß reicht aber nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Denn nach dem Vortrag der Klägerin unterscheidet die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte temperaturbeeinflußte Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Es bedarf daher der Darlegung weiterer Umstände im Zusammenhang mit der Entwicklung und Genehmigung des Software-Updates (vgl. BGH, Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20, Tz. 25 – 30; BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20 Tz 16-20.). Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen die Klägerin als Anspruchstellerin (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Tz. 19). Diese Grundsätze gelten auch für die weiteren von der Klägerin behaupteten Abschalteinrichtungen (Aufwärmfunktion, OBD-System), weil auch diese nach dem Sachvortrag der Klägerin im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeiten wie im normalen Fahrbetrieb.
Derartige weitere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Die Klägerin trägt hierzu lediglich vor, dass durch das Softwareupdate die Nutzer der Fahrzeuge darüber getäuscht würden, dass nunmehr die gesetzlich festgelegten Emissionswerte eingehalten würden, was jedoch aufgrund durchgeführter Messungen tatsächlich, nicht der Fall sei. Dass die bei der Beklagten im Sinne des § 31 BGB verantwortlichen Personen bei der Entwicklung und beim Aufspielen des Softwareupdates vorsätzlich gegen gesetzliche Vorschriften, insbesondere der VO(EG) Nr. 715/2007 erneut verstoßen haben, trägt die Klägerin nicht vor. Bei Abschalteinrichtungen, die – wie hier – im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeiten wie im realen Fahrbetrieb und bei denen die Frage der rechtlichen Zulässigkeit nicht eindeutig unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, sodass es insoweit an einer objektiven Sittenwidrigkeit fehlt. Aus der Entscheidung des EuGH in Bezug auf die Unzulässigkeit eines Thermofensters lässt sich bereits entnehmen, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters geführt wurde. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt jedoch nicht, um eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Mitarbeiter der Beklagten erkennen zu können. Allein aus der hier zu unterstellenden objektiven Unzulässigkeit der vorgetragenen Abfalleinrichtungen folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021, VII ZR 190/20). Auch aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters und der anderen behaupteten Abschalteinrichtungen gegenüber dem KBA ergibt sich nicht, dass für die Beklagte tätige Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (BGH, a. a. O., Rn. 26).
Hinsichtlich des OBD-Systems kommt noch hinzu, dass es sich dabei nicht um eine Abschalteinrichtung im Abgasreinigungssystem handelt, sondern um ein System, das u.a. Fehler in der Funktionsfähigkeit des Abgasreinigungssystems aufzeichnet, so dass diese bei Inspektionen erkannt werden können. Der Vortrag der Klägerin, dass dieses System gezielt falsche Meldungen über die ordnungsgemäßen Werte des Abgassystems erzeugt, kann nach Ansicht des Senats allenfalls als „Verschleierungshandlung“ aufgefasst werden, durch welche die Entdeckung der eigentlichen unzulässigen Abschalteinrichtung, „unterstützt“ und kein eigenständiges weitergehendes Ziel verfolgt wird, welches die Handlung für sich genommen als sittenwidrig qualifizieren könnte.
IV.
Der Klägerin steht kein Restschadensersatzanspruch nach §§ 826, 31, § 852 Satz 1 BGB zu, da die Beklagte im Rahmen des vorliegenden Erwerbs eines Gebrauchtfahrzeugs von einem Vertragshändler nichts erlangt hat.
1. Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs gem. § 852 Satz 1 BGB auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Die Vorschrift hat den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung. Der verjährte Anspruch bleibt als solcher bestehen. Er wird nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nur in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt. Da es sich bei dem Anspruch aus § 852 BGB um eine Fortsetzung des Schadensersatzanspruchs in anderem rechtlichen Kleid handelt, ist für die Vermögensverschiebung eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend. Wenn der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge hat, so ist er gem. § 852 BGB auch dann herauszugeben, wenn diese Vermögensverschiebung dem Schädiger durch seine Vertragspartner vermittelt wurde. Es genügt, wenn es auf die Weise zu einer Vermögensverschiebung zwischen dem Schädiger und dem Verletzten gekommen ist, dass der infolge der unerlaubten Handlung beim Geschädigten eingetretene Vermögensverlust mit einem entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger korrespondiert (OLG Karlsruhe a.a.O, Rn. 35f).
2. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat die Beklagte durch den Verkauf des Fahrzeugs durch das Autohaus an die Klagepartei nichts erlangt. Es ermangelt eines jeden unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen dem Vertragsschluss des Klägers und einer Bereicherung der Beklagten als Herstellerin durch die Vereinnahmung des Kaufpreises. Dem Vermögenszuwachs bei der Beklagten steht beim Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein entsprechender Vermögensnachteil der Klagepartei als Erwerberin eines gebrauchten Fahrzeugs gegenüber. Der Vermögenszuwachs ist bei der Beklagten als Herstellerin bereits durch den Neuwagenverkauf eingetreten. Durch den späteren Gebrauchtwagenverkauf mag zwar dem Zweit- und weiteren Käufern ein Schaden i.S.d. § 826 BGB entstehen, indes fließt der Beklagten nichts mehr zu. Die Beklagte hat aus dem hier im Streit stehenden Verkauf des Gebrauchtwagens weder einen unmittelbaren noch einen mittelbaren Vermögensvorteil erzielt. Sie hat durch den Vermögensschaden der Klagepartei, der im Abschluss des ungewollten Kaufvertrags zu sehen ist, durch ihre unerlaubte Handlung nichts erlangt, da sie ihren Gewinn bereits realisiert hatte, als sie das hier betroffene Fahrzeug als Neuwagen verkauft hatte. Soweit die Gebrauchtwagenverkäuferin durch den Verkauf an die Klagepartei einen den tatsächlichen Wert übersteigenden Kaufpreis realisiert haben sollte, fließt dieser Mehrwert allein der Gebrauchtwagenverkäuferin zu, ohne dass die Beklagte hieran partizipiert. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte möglicherweise wegen eines funktionierenden Gebrauchtwagenhandels einen höheren Erlös für den Verkauf des hier betroffenen Fahrzeugs erzielt hat. Denn dieser Vermögensvorteil ist nicht greifbar und korrespondiert auch nicht mit einem Verlust bei der Klagepartei, sondern nur beim Erstkäufer, der dann einen erhöhten Verkaufspreis gezahlt hätte. Dass dieser diesen dann auch an die Klagepartei weitergegeben hat, ist nicht ersichtlich und wäre auch lebensfremd (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O, Rn. 35f.; OLG Koblenz, Urt. v. 15.06.2021 – 3 U 183/21, Rn. 41 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 02.02.2021 – 10 U 229/20, Rn. 48 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021 – 22 U 248/20, Rn. 5 ff.; Riehm, NJW 2021, 1625 Rn. 29 f.; jew. m.w.N.).
Zudem würde die Zuerkennung eines Anspruchs nach § 852 S. 1 BGB für den Zweit- oder späteren Käufer bewirken, dass der Hersteller den einmal erlangten Gewinn mehrfach herausgeben müsste. Dieses Ergebnis entspricht nicht der durch die Vorschrift des § 852 BGB bezweckten Abschöpfungsfunktion, weshalb die Vorschrift in der Konstellation des Gebrauchtwagenkaufs keine Anwendung finden kann (vgl. Riehm, a.a.O, Rn. 29).
Die Klägerin kann von der Beklagten keine Zahlung verlangen. Dementsprechend steht ja auch kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten zu.
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet und zurückzuweisen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 Satz 2, § 711 ZPO.
Die Revision ist wegen Grundsatzbedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Frage der Anwendung des § 852 BGB in der Fallgestaltung des Gebrauchtwagenkaufs stellt sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle und ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hierzu steht aus.


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