IT- und Medienrecht

Sinn eines Tatbestandsberichtigungsantrags

Aktenzeichen  37 O 18505/17

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27999
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 137 Abs. 3, § 313 Abs. 2, § 314, § 320

 

Leitsatz

Die Bedeutung des § 320 ZPO ist im Wesentlichen, falsch wiedergegebenen Vortrag aus der mündlichen Verhandlung zu korrigieren, da das Urteil insoweit – jedenfalls wenn das Sitzungsprotokoll nichts Entgegenstehendes enthält – gemäß § 314 ZPO positive Beweiskraft entfalten würde. Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Berichtigungsantrag besteht daher nur im Umfang der Beweiskraft des Urteils (Rn. 6). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

37 O 18505/17 2019-06-28 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf den Antrag des Klägers vom 05.07.2019 wird das Endurteil des Landgerichts München I – 37. Zivilkammer – vom 28.06.2019 im Tatbestand wie folgt berichtigt:
Auf S. 4 des Urteils wird im ersten Absatz, zweiter Satz des Tatbestandes „199“ durch „155“ ersetzt.
2. Im Übrigen werden der Antrag des Klägers vom 05.07.2019 sowie der Antrag der Beklagten zu 1) und 2) vom 11.07.2019 auf Tatbestandsberichtigung zurückgewiesen.

Gründe

A. Der Antrag des Klägers ist teilweise begründet.
I. Die im Tatbestand, Seite 4, 1. Absatz, 2. Satz wiedergegebene Anzahl der „insbesondere“ 199 Erwerbsvorgänge“ ist nicht zutreffend. Ausweislich der Auflistung auf Bl. 547/551 d.A., auf die im Tatbestand Bezug genommen wird, sind dort – anders als es die vermeintlich fortlaufende Nummerierung nahelegt – „insbesondere“ 155 Erwerbsvorgänge aufgeführt.
II. Im Übrigen ist der Antrag des Klägers unbegründet.
1. Soweit sich der Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers auf den Satz „Die Mitgliedschaft der einzelnen Zedenten beim Kläger im Zeitpunkt der Abtretung wird bestritten“ bezieht, ist dieser nicht unrichtig. Der Tatbestand enthält insoweit auch keine Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche. Zum einen folgt aus der gewählten Formulierung bereits nicht, welche der Beklagten bestritten haben, sondern nur, dass diese Tatsache bestritten ist. Zum anderen haben – entgegen der Auffassung des Klägers – auch die Beklagten zu 1) und 2) sowie die Beklagte zu 6) die Mitgliedschaft der einzelnen Zedenten beim Kläger im Zeitpunkt der Abtretung bestritten (Beklagte zu 1) und 2): Schriftsatz vom 20.03.2019, Rn. 612-629 (Bl. 857/861 d.A.); Beklagte zu 6): Schriftsatz vom 19.03.2019, Rn. 11, Bl. 850 d.A.). Auch der Vortrag der Beklagten zu 4) im Schriftsatz vom 04.03.2019, S. 5 (Bl. 843 d.A.) ist als Bestreiten der Mitgliedschaft einzelner Zedenten beim Kläger zu verstehen.
2. Ohnehin verlangt § 313 Abs. 2 ZPO lediglich eine knappe Darstellung der erhobenen Ansprüche und der dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel. Im Übrigen soll auf die vorbereitend gewechselten Schriftsätze verwiesen werden, die nach § 137 Abs. 3 ZPO Gegenstand der mündlichen Verhandlung und damit Urteilsgrundlage werden.
Die Bedeutung des § 320 ZPO ist es damit im Wesentlichen, falsch wiedergegebenen Vortrag aus der mündlichen Verhandlung zu korrigieren, da das Urteil insoweit – jedenfalls wenn das Sitzungsprotokoll nichts Entgegenstehendes enthält – gemäß § 314 ZPO positive Beweiskraft entfalten würde (vgl. Feskom, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 320 Rn. 1, 2, § 314 Rn. 3 bis 5). Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Berichtigungsantrag besteht nur im Umfang der Beweiskraft des Urteils (Feskom, a.a.O., § 320 Rn. 12)
Einer allgemeinen Berichtigung unvollständig oder nicht ganz zutreffend wiedergegebenen Sachvortrags aus den vorbereitend gewechselten Schriftsätzen bedarf es dagegen nicht, da dieser Sachvortrag weiterhin in vollem Umfang Gegenstand der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung in der Berufungsinstanz ist. Diese ist an die erstinstanzliche Wertung der Kammer, welchen Vortrag sie als so wesentlich ansieht, dass sie ihn zum Gegenstand der knapp zu haltenden Darstellung gemäß § 313 Abs. 2 ZPO macht, nicht gebunden. Aufgrund der im Interesse der Parteien an einer raschen Fortführung des Gesamtverfahrens zu beachtenden Beschleunigungsmaxime ist es daher nicht gerechtfertigt, Verfahrensverzögerungen durch ein Zwischenverfahren gemäß § 320 ZPO hinzunehmen, wenn dessen Ziel lediglich eine Anpassung des erstinstanzlichen Urteils in einem Bereich ist, der ohnehin zur vollen Überprüfung durch das Berufungsurteil steht. Es ist den Parteien daher zuzumuten, diejenigen Änderungen des erstinstanzlichen Urteils, die ohnehin im Rahmen eines etwaigen Berufungsverfahrens erreicht werden können, dort zu erstreben.
3. Zumindest aus den unter A. II. 2. genannten Gründen ist auch der Antrag des Klägers unbegründet, den Tatbestand dahingehend zu ergänzen, dass der Kläger sich darauf berufen hat, dass die Feststellungsklage auch deshalb unzulässig sei, da wegen des kurzen Zeitraums zwischen Veröffentlichung der Kommissionsentscheidung und möglichem Verjährungseintritt die für die Leistungsklage erforderliche substantiierte Schadensquantifikation nicht möglich gewesen sei. Hinzukommt, dass die Kammer die klägerische Rechtsauffassung im Tatbestand auf S. 7 f. zusammengefasst und zugleich ausführlich dargelegt hat. Darin sind auch die vom Kläger im Tatbestandsberichtigungsantrag genannten Aspekte „drohende Verjährung“ und „fehlende Möglichkeit der Klagepartei, belastbare Ausführungen zur Schadensquantifizierung machen zu können“, angesprochen.
B. Der Antrag der Beklagten zu 1) und 2) vom 11.07.2019 auf Tatbestandsberichtigung ist unbegründet.
Der Tatbestand enthält auch insoweit keine Unrichtigkeiten, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche. Der Satz auf Seite 4 3. Absatz des Urteils „In dieser Entscheidung hat die Europäische Kommission für den Zeitraum vom 17. Januar 1997 bis 18. Januar 2011 eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV betreffend mittelschwere und schwere Lastkraftwagen festgestellt“, enthält keine – in vorliegendem Zusammenhang nach Auffassung der Kammer ohnehin nicht entscheidungserhebliche – Aussage zu der von der Kommission festgestellten unterschiedlichen zeitlichen Beteiligung der einzelnen Beklagten an der Zuwiderhandlung. Im Übrigen gelten auch hier die unter A. II.2. ausgeführten Erwägungen.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben