IT- und Medienrecht

Streit über Rückzahlungsansprüche im Rahmen eines Kreditkartenvertrags

Aktenzeichen  27 O 11716/17

Datum:
28.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 44119
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PatG § 139, § 140a, § 140b
GlüStV § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Leitsatz

1 Aufwendungen eines Kreditunternehmens im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvertrags sind nicht erforderlich, wenn es rechtsmissbräuchlin in Anspruch genommen wird. Das ist nur dann der Fall, wenn offensichtlich und liquide beweisbar ist, dass den Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Beklagten nicht zusteht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Kreditkartenvertrag kann nicht gegen § 4 Abs. 1 und 4 GlüStV verstoßen, weil es nicht Aufgabe des Kreditunternehmens ist, die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Einwendungen aus dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis zwischen Kartennutzer und dem Vertragsunternehmen kann der Kartennutzer einem Kreditkartenunternehmen im Rahmen des Zahlungsdienstvertrags grundsätzlich nicht entgegenhalten. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein Kreditkartenunternehmen ist nicht verpflichtet, von seinem Vertragspartner genutzte Glücksspielangebote mit der „WHITE-LIST“ der deutschen Bundesländer abzugleichen, um eine evtl. Illegalität zu erkennen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 4.755,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. November 2016 zu zahlen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
A
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht München I ist zuständig. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus § 1 ZPO i.V.m. §§ 71 I, 23 Nr. 1 GVG. Der Zuständigkeitswert der ursprünglichen Klage lag mit EUR 7.497,66 über dem Grenzwert für das Amtsgericht von EUR 5.000. Eine nachträgliche Verringerung des Streitwertes ist für die Zuständigkeit des Landgerichts unerheblich.Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 12, 13 ZPO und damit nach dem Wohnort des Beklagten. Der Beklagte wohnt in damit ist das Landgericht München I zuständiges Gericht.
B
Die Klage ist begründet.
I.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten aus §§ 675 c I, 670 BGB.
1. Zwischen den Parteien wurde ein Kreditkartenvertrag geschlossen.
Dieser ist als Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675 f I BGB zu qualifizieren (BGH IX ZR 290/13). Dadurch wird der Kreditunternehmer verpflichtet die Verbindlichkeiten des Karteninhabers bei Vertragsunternehmen zu tilgen. Kommt er dieser Verpflichtung nach, so steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Karteninhaber nach §§ 675 c I, 670 BGB zu (BGH IX ZR 420/01). Voraussetzung dafür ist die Zustimmung des Karteninhabers für den jeweiligen Zahlungsvorgang (Autorisierung), § 675 j I 1 BGB. Die Art und Weise der Autorisierung sind zwischen Karteninhaber und Zahlungsdienstleister zu vereinbaren, § 675 j I 3 BGB. Die Zustimmung wird im vorliegenden Fall dadurch erteilt, dass der Beklagte seine Kreditkartendaten gegenüber dem jeweiligen Vertragsunternehmen angibt (siehe Ziff.3 (1) der Kreditkartenbedingungen). Der Beklagte hat seine Kreditkarte bei den Vertragsunternehmen und^ …| genutzt und damit den Zahlungsauftrag autorisiert. Auch ein Widerruf dieser Autorisierung gemäß § 675 j II BGB erfolgte nicht.
2. Die Klägerin hat ferner Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB betrieben.
Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, also Kosten, die freiwillig auf dem Vertrauen auf den späteren Erhalt der Leistung erbracht werden. Die Klägerin hat die Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber seinen Vertragspartnern^ … und nämlich die Zahlung des oben genannten Betrags, erbracht, um ihre Vertragsleistung im Zuge des Zahlungsdiensterahmenvertrags zu erfüllen. Diese Aufwendungen durfte die Klägerin auch für erforderlich halten. Die Klägerin darf die Aufwendungen nur dann nicht für erforderlich halten, wenn die Vertragsunternehmen und … die Klägerin rechtsmissbräuchlich in Anspruch genommen hat. Eine solche rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme liegt nur dann vor, wenn offensichtlich und liquide beweisbar ist, dass den Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Beklagten nicht zusteht (BGH XI ZR 420/01). Ob eine Forderung der Glücksspielanbieter gegenüber dem Beklagten tatsächlich besteht, ist für die Klägerin indes nicht offenkundig erkennbar, zumal es legale Glücksspielanbieter auch in Deutschland gibt und Glückspiel außerhalb Deutschland oftmals legal möglich ist.
3. Der Kreditkartenvertrag ist auch nicht nach § 134 BGB nichtig.
Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ein solches Verbotsgesetz liegt nicht vor. Zwar ist gemäß § 4 I, IV GlüStV auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten. Die Klägerin hat diese Zahlungen auch getätigt. Es ist allerdings nicht Aufgabe des Kreditunternehmens die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen BGH XI ZR 96/11). Nach § 9 I 3 Nr. 4 GlüStV ist dies Aufgabe der Glückspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Die Glückspielaufsicht hat dem mitwirkenden Kreditunternehmen unerlaubte Glücksspielangebote bekannt zu geben. Erst dann dürfen seitens der Glücksspielaufsicht Maßnahmen gegenüber dem Kreditunternehmen getätigt werden und die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel untersagt werden. Eine derartige Bekanntgabe der Glücksspielaufsicht an die Klägerin konnte der Beklagte nicht darlegen. Da die Voraussetzungen der Mitwirkung an Zahlungen am unerlaubtem Glücksspiel nicht vorliegen, verstoßen die Zahlungsausführungen der Klägerin nicht gegen den Glücksspielstaatsvertrag und sind somit nicht nichtig nach § 134 BGB.
4. Auch die Autorisierungen sind nicht nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 I S. 2, IV GlüStV.
In § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV heißt es, dass auch die Mitwirkungen an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten ist. Durch die Regelung soll aber nicht in dem zwischen dem Spieler, hier dem Beklagten, und der Klägerin bestehenden Zahlungsverkehr eingegriffen werden. Nach dem Sinn und Zweck des GlüStV soll das Verbot sicherstellen, dass die zuständige Glücksspielaufsicht im Rahmen ihrer Befugnisse auch gegenüber Dritten vorgehen kann. Wie oben erwähnt, darf die Glücksspielaufsicht aber erst Maßnahmen gegenüber Kreditkartenunternehmen tätigen, wenn diesen die Mitwirkung im unerlaubten Glücksspiel untersagt wurde. Überdies ist der Schutzzweck gem. § 1 des GlüStV, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und sicher zu stellen, dass u.a. die mit Glücksspielen verbundene Folgeund Begleitkriminalität abgewehrt wird. Dieses Ziel werde geradezu torpediert, wenn davon auszugehen wäre, dass eine Nichtigkeit der Autorisierung von Zahlungsvorgängen vorläge. Dann würde das in der Regel gutgläubige Kreditinstitut auf den Aufwendungen sitzenbleiben und dem Spieler sozusagen einen Freibrief erteilt, weil der verspielte Einsatz sogleich von der Bank erstattet würde und der Spieler keine finanziellen Einbußen oder Risiken eingehen würde. Der Spieler könnte unter diesen Umständen Glücksspiel ohne jegliches finanzielle Risiko ausführen. Es könnte vielmehr ein bösgläubiger Teilnehmer am Glücksspiel, der sich letztendlich nach § 285 StGB strafbar macht, gutgläubige Zahlungsinstitute für rechtswidrige Aktivitäten einspannen.
Das Gericht geht somit davon aus, dass die Autorisierungen des Beklagten, welche streitgegenständliche Glücksspielumsätze betreffen, wirksam und nicht nichtig sind. Die Klägerin musste gem. §§ 675 f Abs. 2 S. 1, 675 o Abs. 2 BGB den Zahlungsvorgang entsprechend den Anweisungen des Beklagten ausführen. Die Klägerin konnte die Ausführungen der Zahlungen auch nicht gem. § 675 o Abs. 2 BGB verweigern. § 675 o Abs. 2 BGB gibt der Klägerin ein Recht, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen. Es resultiert daraus keine Pflicht, den Zahlungsauftrag abzulehnen, noch dazu, wenn wie hier, die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV nicht vorliegen, die Klägerin eben nicht von der Glücksspielbehörde in Kenntnis gesetzt wurde.
5. Ob zwischen dem Beklagten und den Glücksspielanbietern ein etwaiger Zahlungsanspruch bestand oder nicht, berührt das Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagten indes nicht.
Damit ist es ferner unerheblich ob es sich bei den Anbietern^ … und … um unerlaubtes Glücksspiel handelt. Dies hat für die Wirksamkeit des Kreditkartenvertrags und des damit einhergehenden Anspruchs der Klägerin keine Auswirkungen. Durch die Zustimmung zum Zahlungsvorgang erlangt das Vertragsunternehmen einen abstrakten Zahlungsanspruch aus § 780 BGB gegen das Kreditkartenunternehmen. Einwendungen aus dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis zwischen Kartennutzer und dem Vertragsunternehmen kann der Kartennutzer dem Kreditkartenunternehmen im Rahmen des Zahlungsdienstvertrags grundsätzlich nicht entgegenhalten (BGH, XI ZR 420/01). In Ziff. 14 der Kreditkartenbedingungen ist ausdrücklich vereinbart, dass Reklamationen und Beanstandungen aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Karteninhaber und dem Vertragsunternehmen unmittelbar zwischen diesen zu klären sind und sie die Zahlungsverpflichtungen des Karteninhabers gerade nicht berühren. Anderes würde nur gelten, wenn offensichtlich und beweisbar ist, dass den Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Kreditkarteninhaber nicht zustehen würde. Dagegen spricht schon, dass der Beklagte die Zahlungen selbst initiiert hat. Darüber hinaus war die Klägerin nicht dazu verpflichtet, den Zahlungsvorgang des Beklagten zu überprüfen oder zu überwachen. Irgendwie geartete Schutzpflichten gegenüber Kunden bestehen demnach erst dann, wenn die Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen Bearbeitung eines Zahlungsverkehrsvorgangs aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz Verdacht schöpfen muss (BGH, XI ZR 56/07).
Dies ist hier nach Ansicht des Gerichts nicht der Fall. Die Klägerin war nicht verpflichtet die genutzten Glücksspielangebote mit der „WHITE-LIST“ der deutschen Bundesländer abzugleichen, um eine evtl. Illegalität zu erkennen. Ein solcher Prüfaufwand geht über die normale Bearbeitung der Zahlungsvorgänge hinaus und oblag der Klägerin gerade nicht. Die Klägerin konnte von einem rechtstreuen Verhalten des Beklagten ausgehen und musste nicht mit einem evtl. Verstoß gegen § 285 StGB rechnen.
Überdies erscheint eine Überprüfung für die Klägerin auch kaum möglich, da zunächst nicht erkennbar ist, von wo aus der Beklagte die Glücksspielangebote angenommen hat und welche Spiele er tatsächlich gespielt hat. Im Ausland ist eine Vielzahl von Glücksspielangeboten legal. Ebenso wenig dürfte erkennbar sein, ob jedes einzelne vom Beklagten wahrgenommene Spiel tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellt.
Allein aus der Tatsache, dass das Preis- und Leistungsverzeichnis der Klägerin unterschiedliche Gebühren für Glückspielangebote ausweist, ergibt sich noch keine Unterscheidung, ob es zu einem Einsatz bei illegalen Angeboten gekommen ist.
II.
Die Klägerin hat einen Zinsanspruch aus Verzug.
Danach ist eine Geldschuld während des Verzuges zu verzinsen. Dem Beklagten ist ein Mahnschreiben vom 14. 11. 2016 mit Aufforderung zur Zahlung des geschuldeten Betrags bis zum 28. 11. 2016 zugegangen. Der Beklagte leistete nicht und ist damit seit dem 29. 11. 2016 im Verzug. Der Zinssatz richtet sich nach § 288 I 2 BGB.
Die Mahnkosten in Höhe von 5 € wurden nicht bestritten.
C
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 II Nr. 1, 269 III 3 ZPO. Danach hat kann das Gericht die gesamten Verfahrenskosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung, hier EUR 87, 36 der Klägerin, verhältnismäßig gering ist.
D
Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 2 ZPO, da es sich um eine Geldforderung handelt, die das Maß des § 708 Nr. 11 ZPO übersteigt.
Verkündet am 28.02.2018


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