IT- und Medienrecht

Telematikinfrastruktur vs. Datenschutz

Aktenzeichen  S 38 KA 52/19 ER

Datum:
22.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2019, 6414
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 291, § 291a
SGG § 86b Abs. 2 S. 2
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei summarischer Prüfung sind die Regelungen (§§ 291, 291a SGB V, Finanzierungsvereinbarung als Anlage 32 zum BMV-Ä, Anlage 2 zur Anlage 32) über die Art und Höhe der Kostenerstattung rechtlich nicht zu beanstanden. (Rn. 22)
2. Pauschalen, die nach Maßgabe der §§ 291, 291a SGB V und der „Finanzierungsvereinbarung“ gewährt werden, müssen nicht kostendeckend im Sinne einer Vollkostenerstattung sein. Eine lediglich symbolische Kostenerstattung weit unterhalb des Aufwendungsbetrages genügt allerdings nicht den gesetzlichen Anforderungen. (Rn. 23)

Tenor

I. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Aussetzung des Zwangstermins (31.3.2019) für die Bestellung von Hardware zur Anbindung der Kassenärzte an die TI-Infrastruktur und Aussetzung der damit verbundenen Strafabzüge (rückwirkend ab dem 1.1.2019) bei Fristversäumnis) werden abgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Mit Schriftsatz vom 19.2.2019 beantragte der Antragsteller, der gemeinsam mit einem anderen Vertragsarzt als Augenarzt am Vertragsarztsitz B-Stadt zugelassen ist, den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Als Antragsgegner wurde die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundes-KV bzw. durch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns bezeichnet.
Der Antragsteller trug vor, er wende sich gegen die Anbindung der Kassenärzte an die Telematikinfrastruktur (TI) und die damit verbundenen Strafabzüge, rückwirkend ab dem 1.1.2019 bei Fristversäumnis. Zur Begründung führte er an, die gewährten Erstattungspauschalen für die notwendige Installation seien ungenügend. Die von ihm eingeholten Angebote seien nicht kostendeckend und enthielten versteckte Zusatzkosten für die Ärzte und/oder berechneten den Aufwandersatz für den Praxisausfall zu eigenen Gunsten ein. Damit werde gegen die Vorgaben des Gesetzgebers, der von einer Kostenneutralität für die Ärzte ausgehe, verstoßen. Zudem werde das Defektrisiko für die Geräte auf die Ärzte abgewälzt. So gebe es lediglich eine Sechsmonatsgarantie durch den Hersteller. Eine Erstattung im Defektfall sei aber frühestens nach fünf Jahren möglich. Außerdem gebe es keine klaren Angaben zur Speicherung von Patientendaten, so dass eine Einrichtung der TI als Verstoß gegen die Datenschutzpflicht anzusehen sei.
Nach längeren Recherchen (3,5 Monaten) habe er einen einzigen Anbieter gefunden, der knapp unterhalb der gewährten Erstattung liege. Dafür sei die damit verbundene Laufzeit des Vertrages erheblich länger. Ferner sei zu erwähnen, dass sich die Erstattung nur auf ein stationäres Terminal beziehe. Der Antragsteller habe aber zwei Terminals im Dauereinsatz und ein drittes, um Stoßzeiten abzufangen. Außerdem gebe es ein viertes und fünftes als Docking-/Ladestation für die beiden Mobilgeräte. Der Antragsteller wäre gezwungen, mindestens ein weiteres zusätzliches Terminal auf eigene Kosten anzuschaffen. Was die TI-Startpauschale betreffe, decke diese den wirklichen Aufwand nicht ab (wird noch weiter ausgeführt).
Zur Frage der Passivlegitimation (richtige Antragsgegnerin) betonte der Antragsteller, es sei für ihn nicht durchschaubar, gegen wen der Antrag formal zu richten sei. Nachfragen beim Bundesgesundheitsminister, bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (Bund und Bayern) am 13.11.2008 (muss wohl heißen: 13.11.2018) hätten zu keinem Ergebnis geführt. Von einer Eilbedürftigkeit sei auszugehen.
Zur Praxis des Antragstellers wurde ausgeführt, es handle sich um eine konservative augenärztliche Facharztpraxis (zwei Ärzte in Vollzeit) mit einer Fallzahl pro Quartal zwischen 2449 und 2724 (Zahlen des Jahres 2018). Das Patientenklientel setze sich zu 13% aus Privatpatienten und zu 97% aus GKV-Patienten zusammen. Bei einem Jahresgewinn von € 53.311,59 pro Arzt aus der GKV-Versorgung sei der Praxisbetrieb nur durch Querfinanzierung aus den privatärztlichen Leistungen noch aufrechtzuerhalten. Die Auffassung der Antragsgegnerin, die Einbuße von ein Prozent sei unerheblich, sei bei der Sachlage „bestenfalls als zynische Ohrfeige zu betrachten“.
Der Antragsteller beantragte, den Zwangstermin (31.3.2019) für die Bestellung von Hardware zur Anbindung der Kassenärzte an die die TI-Infrastruktur auszusetzen. Zugleich beantragte er die Aussetzung der damit verbundenen Strafabzüge (rückwirkend ab dem 1.1.2019) bei Fristversäumnis.
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag kostenpflichtig abzulehnen.
Die Antragsgegnerin (Kassenärztliche Vereinigung Bayerns) entgegnete, wesentliches Ziel des Gesetzgebers mit der Einführung der Telematikinfrastruktur sei, dass medizinische Informationen, die für die Behandlung der Patienten benötigt würden, schneller und einfacher verfügbar seien. Als Rechtsgrundlagen wurden §§ 291, 291a SGB V und die Anlage 32 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) angegeben. Niedergelassene Ärzte müssten die notwendigen Komponenten für den Anschluss an die TI bis spätestens 31. März 2019 verbindlich bestellen und dies gegenüber der jeweiligen kassenärztlichen Vereinigung nachweisen (§ 291 Abs. 2b S. 16 SGB V). Der Antragsteller wende sich somit gegen die in § 291 Abs. 2b S. 16 SGB V enthaltene Verpflichtung und gegen die rückwirkend zum 1.1.2019 drohende Kürzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen (§ 291 Abs. 2b S. 14 SGB V) in Höhe von einem Prozent.
Zur Rechtslage führte die Antragsgegnerin aus, es sei bereits zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin passivlegitimiert sei. Jedenfalls sei der Antrag als unbegründet anzusehen. Denn es fehle sowohl der Anordnungsanspruch, als auch der Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe den Anordnungsanspruch überhaupt nicht substantiiert dargelegt, warum die gesetzlichen Vorgaben zur Einführung der TI rechtswidrig sein sollten (§ 291 Abs. 2b S. 14 und 16 SGB V). Im Übrigen handle sich um eine bloße Behauptung des Antragstellers, es gebe keinen einzigen Anbieter, der die nötige Installation zu den Erstattungspauschalen vornehme. Zur Kostenerstattung gehörten auch Auffangpositionen, wie die TI-Startpauschale in Höhe von 900 €. Ebenfalls sei nicht erkennbar, warum ein Verstoß gegen die dem Vertragsarzt obliegenden datenschutzrechtlichen Verpflichtungen vorliegen sollte. Die Einhaltung des Datenschutzes sei auch dadurch sichergestellt, dass alle Beschlüsse der Gesellschaft für Telematik dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung vorgelegt werden müssten und auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz zu beteiligen sei (§ 291b Abs. 4 SGB V). Auch sei ein Anordnungsgrund nicht erkennbar. Denn die Kürzung des Honorars um ein Prozent bei Nichtdurchführung des VSDM´s bedeute für den Antragsteller keinen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil.
Im Übrigen sei die Antragsgegnerin hinsichtlich der Gewährung der Erstattungspauschalen an die Vorgaben der TI-Finanzierungsvereinbarung gebunden und besitze keine Verwerfungskompetenz. In Anwendung der TI-Finanzierungsvereinbarung (§§ 2, 3) auf die Praxis des Antragstellers ergäben sich nach den Berechnungen der Antragsgegnerin Erstausstattungspauschalen in Höhe von 2.882 € (Pauschale für einen Kollektor, Pauschale für ein stationäres Kartenterminal, TI-Startpauschale sowie Betriebskostenpauschalen in Höhe von 294,51 € pro Quartal (Betriebskosten: € 248.-, elektrischer Heilberufsausweis pro LANR: € 11,63 x 2, Praxisausweis für das stationäre KT: € 23,25 und je nach Anspruch SMC-B pro mobiles KT: € 23,25). Dem stünden die Kosten für die Erstausstattung in Höhe von 2.880,99 € brutto und Betriebskosten in Höhe von 246,33 € brutto pro Quartal (= 1,01 Euro weniger als Pauschale) zuzüglich der Kosten für den Praxisausweis über einen beliebigen Trust Service Provider in Höhe von 23,25 € pro Quartal gegenüber.
Zutreffend sei allerdings, dass bei der Praxisgröße (von bis zu vier Ärzten) nur Pauschalen für ein Terminal als erforderlich im Sinne des § 291a Abs. 7 SGB V vorgesehen seien.
Gegenstand des Verfahrens war die Antragsakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
Zunächst ist es notwendig, die Anträge des Antragstellers auszulegen. Diese sind gerichtet gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die KBV bzw. KVB. Hintergrund hierfür war offensichtlich, dass dem Antragsteller nicht klar war, wer richtiger Antragsgegner ist; dies, obwohl er sich nach seinem Vorbringen mehrfach bei verschiedenen Behörden erkundigt hat, von dort aber keinerlei erschöpfende Auskunft erhielt. Nach § 106 Abs. 1 SGG hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Antragsteller – wie hier – anwaltschaftlich nicht vertreten ist. Nachdem ein Hauptsacheverfahren gegen den Honorarbescheid und damit gegen die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns als Klagegegnerin zu richten wäre, bei dem wegen Nichteinhaltung der Frist nach § 291 Abs. 2b S. 14 SGB ein Abzug in Höhe von 1% rückwirkend zum 1.01.2019 von Gesetzes wegen vorgenommen wird, – die Rechtmäßigkeit der Regelungen wird dann incidenter überprüft – ist Antragsgegner im Antragsverfahren ebenfalls die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Insofern interpretiert das Gericht den Antrag dahingehend, dass sich dieser gegen die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns richten soll. Rechtliche Bedenken bzgl. einer Passivlegitimation bestehen nicht.
Der Antragsteller begehrt, den „Zwangstermin“ (31.3.2019) für die Bestellung von Hardware zur Anbindung der Kassenärzte an die die TI-Infrastruktur auszusetzen. Zugleich beantragte er die Aussetzung der damit verbundenen Strafabzüge (rückwirkend ab dem 1.1.2019) bei Fristversäumnis.
Bei den Anträgen, die in Zusammenhang stehen, handelt es sich jeweils um sog. Regelungsanordnungen nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Zuständig ist das Gericht der Hauptsache, in diesem Fall das Sozialgericht München. Dafür, dass der Antragsteller die Durchführung eines Normenkontrollverfahrens nach § 55a SGG zum Bayerischen Landessozialgericht begehrt, gibt es keine Anhaltspunkte.
Voraussetzung für die Begründetheit der Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist sowohl das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, als auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs. Beide, also der Anordnungsgrund unter Anordnungsanspruch stehen in einer Wechselwirkung zueinander, was bedeutet, dass die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sind, wenn die Klage als offensichtlich zulässig und begründet anzusehen ist. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der Regel stattzugeben. Gleichwohl ist aber zu prüfen, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Bei offenem Ausgang eines Hauptsacheverfahrens ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Ein Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung aller Interessen der Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komment. zum SGG, Rn 27 zu § 86b).
Dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch auf Aussetzung des „Zwangstermins“ und Aussetzung der damit verbundenen „Strafabzüge“ zu. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Verpflichtung des Antragstellers, die notwendigen Komponenten für den Anschluss an die TI bis spätestens 31. März 2019 verbindlich zu bestellen und dies gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung nachweisen und die Rechtsfolge der einprozentigen Kürzung des Honorars bei Nichteinhaltung des Termins, rückwirkend zum 01.01.2019 rechtswidrig wäre.
Nach dem Willen des Gesetzgebers wird eine elektronische Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis eingeführt (§ 291 Abs. 1 SGB V). Hierzu soll eine sogenannte „Telematikinfrastruktur“ (TI) geschaffen werden, mit der es möglich ist, alle Beteiligten im Gesundheitswesen, also Ärzte, Psychotherapeuten, Zahnärzte, Krankenhäuser, Apotheken und Krankenkassen besser miteinander zu vernetzen. Ziel ist es, mithilfe dieser Maßnahmen einen schnelleren, umfassenderen und effektiveren Zugriff auf medizinische Informationen als bisher zu erhalten, was letztendlich der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zu Gute kommt (vgl. Präambel der Anlage 32 zum BMV-Ä). Ermöglicht wird auch eine Versichertenstammdatenprüfung durch den Arzt, die einen wichtigen Beitrag leisten soll, Missbrauch der gesetzlichen Krankenversicherung besser als bisher erkennen und vermeiden zu können (§ 291 Abs. 2b S. 3 SGB V). Zu diesem Zweck müssen u.a. die Leistungserbringer, also Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Hierzu gehören strukturelle Maßnahmen in Form geeigneter Hardware und Software, damit der Vertragsarzt seiner Prüfungspflicht nachkommen kann, ob eine Leistungspflicht der Krankenkasse vorliegt (§ 291 Abs. 2b S. 3 SGB V). Kommt er dieser Prüfungspflicht nicht nach, wird die Vergütung ärztlicher Leistungen um ein Prozent gekürzt, es sei denn, der Vertragsarzt weist gegenüber der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung nach, dass er die für die Prüfung nach Satz drei erforderliche Ausstattung vor dem 1.4.2019 angeschafft hat (§ 291 Abs. 2b S. 16 SGB V).
Diesen Nachweis glaubt der Antragsteller nicht erbringen zu können und zu müssen, weil seinem Vorbringen nach keine Firma zu finden sei, die innerhalb der gewährten Pauschalen das erforderliche Equipment anbieten könne.
Die Finanzierung ist in einer Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKVSpitzenverband (Spitzenverband Bund und Krankenkassen) vom 14. Dezember 2017 in der Fassung vom 19. September 2018, in Kraft getreten am 15.10.2018 geregelt. Rechtsgrundlage dieser Vereinbarung (Vereinbarung zur Finanzierung und Erstattung der bei den Vertragsärzten entstehenden Kosten im Rahmen der Einführung und des Betriebes der Telematikinfrastruktur gemäß § 291a Abs. 7 S. 5 sowie zur Abbildung nutzungsbezogener Zuschläge gemäß § 291a Abs. 7b S. 3 SGB V = Finanzierungsvereinbarung) sind § 291a Abs. 7 S. 5 sowie § 291a Abs. 7b S. 3 SGB V.
Nach § 1 der Finanzierungsvereinbarung regelt diese die Erstattung der Kosten, die der Vertragsarztpraxis durch die Einführung und den Wirkbetrieb der Telematikinfrastruktur (Versichertenstammdatenmanagement, Basisdienst QES und sicherer Internetzugang sowie die Fachanwendungen Notfalldatenmanagement und elektronischer Medikationsplan) entstehen. § 2 der Finanzierungsvereinbarung regelt die erforderlichen Komponenten zur Herstellung der Funktionsfähigkeit. Die Erstattung der Kosten erfolgt entsprechend § 2 Abs. 4 Finanzierungsvereinbarung iVm Anlage 2 Absätze 1-3.
Bei summarischer Prüfung sind die Regelungen (SGB V, Finanzierungsvereinbarung als Anlage 32 zum BMV-Ä, Anlage 2 zur Anlage 32) über die Art und Höhe der Kostenerstattung rechtlich nicht zu beanstanden. Zum einen hat die Antragsgegnerin aufgezeigt, dass sowohl die Erstausstattung, als auch der Betrieb „kostendeckend“ sind. So liegt zumindest ein Anbieter unter den Pauschalen. Allerdings räumt die Antragsgegnerin ein, dass Aufwände nur für ein stationäres Kartenmaterial ersetzt würden. Dies bedeutet, möchte der Antragsteller weitere kompatible Terminals einsetzen, sind diese von der Pauschale nicht umfasst, sondern auf eigene Kosten an zu schaffen. Das Gericht sieht diese Einschränkung in Abhängigkeit von der Anzahl der Ärzte bei summarischer Prüfung als rechtlich unbedenklich an. Auch die Ausführungen des Antragstellers hierzu lassen keine absolute Notwendigkeit der Anschaffung und Finanzierung weiterer Kartenterminals erkennen, um den Praxisbetrieb ungehindert ausüben zu können. Sicherlich stellen mehrere Kartenterminals ein Mehr an Komfort dar. Hierfür besteht aber keine Pflicht, die Kosten zu übernehmen.
Unabhängig davon ist den gesamten Regelungen, allen voran den §§ 291, 291a SGB V nicht zu entnehmen, dass die Pauschalen kostendeckend im Sinne einer Vollkostenerstattung sein müssen. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung hierzu (vgl. Bt-DRS 15/4924). Es handelt sich vielmehr um eine Anschubfinanzierung in Form von Pauschalen, was nicht zuletzt aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zweckdienlich erscheint. Dabei kann die Pauschale, die einen Geldbetrag darstellt, durch den eine Leistung, die sich aus verschiedenen Positionen zusammensetzt, abgegolten wird, über den Ausgaben für das notwendige Equipment liegen, aber auch darunter. Unvereinbar mit der gesetzlichen Regelung des § 291a Abs. 7 S. 5 und § 291a Abs. 7b S. 3 SGB V und mit dem Willen des Gesetzgebers wäre lediglich, wenn die Finanzierungsvereinbarung nur eine symbolische Kostenerstattung in niedriger Höhe enthielte. Davon kann aber bei den in Anlage 2 zur Anlage 32 zum BMV-Ä aufgeführten Pauschalen nicht die Rede sein. In diesem Zusammenhang kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Krankenkassen für Projektinvestitionen bis zu 1 Milliarde € aus Versichertenbeiträgen aufbringen mussten (vgl. Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 10.2.2015 zum Referentenentwurf eines Gesetzes für eine digitale Kommunikation und Anwendung im Gesundheitswesen vom 19.1.2015). Vor dem Hintergrund erscheint auch eine finanzielle Beteiligung der Leistungserbringer bei der Einführung der Telematikstruktur für diese zumutbar. Soweit damit eine Einschränkung in die Berufsausübung nach Art. 12 Grundgesetz verbunden ist, ist diese verfassungsgemäß, da Beschränkungen im Interesse des Gemeinwohls „Steigerung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung der Versicherten“ zulässig sind.
Auch ein Verstoß gegen Datenschutzrecht ist nicht ersichtlich. Die Regelung der Ausgestaltung und Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte sind mit höherrangigem Recht, vor allem mit dem Grundrecht der Patienten auf informationelle Selbstbestimmung als eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) vereinbar (vgl. auch BSG, Urteil vom 18.11.2014, Az B 1 KR 35/13 R). Hinzu kommt, dass – wie die Antragsgegnerin ausführt – die Einhaltung des Datenschutzes auch dadurch sichergestellt ist, dass alle Beschlüsse der Gesellschaft für Telematik dem Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung vorgelegt werden müssen und auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz zu beteiligen ist (§ 291b Abs. 4 SGB V).
Zusammenfassend liegt daher kein offensichtlicher Anordnungsanspruch auf Aussetzung des „Zwangstermins (31.3.2019) für die Bestellung von Hardware zur Anbindung der Kassenärzte an die die TI-Infrastruktur und der damit verbundenen Strafabzüge (rückwirkend ab dem 1.1.2019) bei Fristversäumnis“ vor. Vielmehr muss bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden, dass kein Anordnungsanspruch besteht.
Vor diesem Hintergrund sind hohe Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen. Bei der Prüfung des Anordnungsgrundes sind die wechselseitigen Interessen gegenüberzustellen und abzuwägen. Das Gericht hält einen Anordnungsgrund für nicht gegeben. Dem öffentlichen Interesse an der zügigen Einführung der Telematikinfrastruktur steht das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers gegenüber. Nach gefestigter Rechtsprechung können zwar erhebliche wirtschaftliche Nachteile berücksichtigt werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komment zum SGG, Rn 29a zu § 86b). Davon wäre jedenfalls auszugehen bei einer existenzbedrohenden Situation. Wenn der Antragsteller über die notwendige Ausstattung bis zum 31.03.2019 bei einem Anbieter die notwendige Ausstattung bestellt und die Bestellung gegenüber der Antragsgegnerin nachweist, ist je nach Anbieter entweder mit einer völligen Kostendeckung durch die Pauschalen zu rechnen oder mit einer Kostenunterdeckung, die allerdings in jedem Fall nicht über € 1.000.-liegen dürfte. Werden vom Antragsteller die Fristen nicht eingehalten, sieht das Gesetz einen ein-prozentigen Abzug vom vertragsärztlichen Honorar vor. Eine erhebliche wirtschaftliche Einbuße, geschweige denn eine existenzbedrohende Situation ist nicht erkennbar. Selbst die vom Gesetz vorgesehene ein-prozentige Kürzung des vertragsärztlichen Honorars erscheint angesichts der Gesamtumstände der Praxis, insbesondere bei einer Fallzahl in den Quartalen des Jahres 2018 zwischen 2449 und 2724 nicht so erheblich, dass sich daraus ein Anordnungsgrund ergeben könnte, der dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei keinem offensichtlichen Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zum Erfolg verhelfen könnte.
Aus den genannten Gründen war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gänze abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVM§ 154 VwGO.


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