IT- und Medienrecht

Unterlassung der Ehrverletzung des Gegners in einem Schreiben an das Gericht

Aktenzeichen  3 C 254/17

Datum:
20.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153255
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823, § 1004
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1
StGB § 187

 

Leitsatz

1. Die Behauptung in einem Schreiben an das Gericht in einer Landwirtschaftssache, „die Stäck haben schon 3 × mit Kfz nach meinem Leben getrachtet“ ist mit dem Vorwurf einer versuchten Tötung geeignet, das Ehrgefühl der gegenerischen Partei und damit das von § 823 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht zu verletzen. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Verfahrensprivileg bei Äußerungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gilt nicht, wenn eine Partei aufgrund Kenntnis aus vorausgegangenen Rechtsstreitigkeiten davon ausgehen muss, dass ihr Schriftsatz an den gegnerischen Prozessvertreter bzw. den Gegner weitergeleitet wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, die Behauptung zu unterlassen, der Kläger habe ihnen mit Kraftfahrzeugen nach ihrem Leben getrachtet.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 965,63 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten einschließlich der Kosten des Schlichtungsverfahrens zu zahlen.
3. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,- €.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004, 823 I, II BGB i.V.m. Artikel 2 I GG und § 187 StGB zu.
1. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Zwar wurde das streitgegenständliche Schreiben nicht an den Kläger persönlich gerichtet bzw. diesem Straftaten unterstellt, jedoch ist der Kläger als Familienangehöriger in den Sammelbegriff „die Stäck“ mit einbezogen.
2. Die Behauptung der Beklagten „die Stäck haben schon 3 × mit Kfz nach meinem Leben getrachtet“ ist zwischen den Parteien unstreitig.
Durch diese Äußerung mit dem Vorwurf einer versuchten Tötung wurde das Ehrgefühl des Klägers und damit das von § 823 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt.
Die erforderliche Widerrechtlichkeit der Verletzungshandlung sowie das Rechtsschutzinteresse des Klägers sind ebenfalls zu bejahen, da sich die Beklagten nicht auf das sogenannte Verfahrensprivileg bei Äußerungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens berufen können. Das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten wurde zwar nur an das Gericht (zur Akte) gerichtet, jedoch mussten die Beklagten aufgrund ihrer Kenntnisse aus diversen vorausgegangenen Rechtsstreitigkeiten davon ausgehen, dass der Schriftsatz an den Klägervertreter bzw. den Kläger weitergeleitet wird. Der Umstand, dass die Äußerung nicht in öffentlicher Sitzung gefallen ist, ist insoweit unbeachtlich.
Die streitgegenständliche Äußerung unterfällt zwar grundsätzlich dem Schutz der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 I GG, findet jedoch die Grenze an den allgemeinen Gesetzen, insbesondere im Bereich der §§ 823 I, 1004 I BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG sind bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer (ehrverletzenden) Äußerung grundsätzlich die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen und dabei alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen.
Die Beklagten haben in diesem Zusammenhang weder den erforderlichen sachlichen Bezug zum Gerichtsverfahren in einer Landwirtschaftssache dargelegt, noch zum konkreten Kontext sowie den Begleitumständen vorgetragen (BVerfG NJW 09, 3016 ff).
Aus dem Akteninhalt der beigezogenen Akte ergeben sich weder wechselseitige, gleichgelagerte Vorwürfe noch ein Sachzusammenhang zwischen dem Pachtzinsstreit und der streitgegenständlichen Behauptung zu Tötungsversuchen des Klägers.
Es kann somit nicht zugunsten der Beklagten festgestellt werden, dass die Äußerung für den Anlass angemessen und sachbezogen im Sinne einer subjektiv redlichen Aussage war.
Die beweisbelasteten Beklagten haben zudem den Wahrheitsgehalt der Äußerung nicht nachgewiesen.
Beklagtenseits wurden erstmals im Schriftsatz vom 29.06.17 entsprechende Beweisangebote unterbreitet, obwohl Termin zur mündlichen Verhandlung bereits am 08.06.17 stattgefunden hat. Der Sachvortrag samt Beweisangeboten war deshalb als verspätet gemäß §§ 296 II, 282 II ZPO zurückzuweisen, da deren Zulassung eine Beweisaufnahme erforderlich gemacht und damit den Rechtsstreit verzögert hätte. Die Verspätung wurde zudem nicht entschuldigt.
Die erforderliche Wiederholungsgefahr resultiert aus dem Umstand, dass die Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung von den Beklagten unstreitig verweigert wurde.
Der Klage war deshalb stattzugeben.
3. Die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sind gemäß §§ 280 II, 286, 288 BGB begründet.
II.
Kosten: § 91 I ZPO.
III.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.


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