IT- und Medienrecht

Unzulässige Werbung für ein Medizinprodukt ohne hinreichenden Nachweis der Wirksamkeit

Aktenzeichen  1 HK O 459/18

Datum:
21.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MD – 2021, 86
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 3a
HWG § 1 Abs. 1 Nr. 1a, § 3 Nr. 1
MPG § 3

 

Leitsatz

1. Die CE-Zertifizierung eines Produktes, das zur Schmerztherapie eingesetzt wird, enthebt den Anspruchsgegner nicht der Notwendigkeit, den Nachweis der Richtigkeit seiner Werbeaussagen für eine Schmerztherapie zu führen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beweislast für die Richtigkeit der Aussagen im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung liegt beim Werbenden. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die wissenschaftliche Absicherung eines Wirkungsversprechens muss bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens im gerichtlichen Verfahren zum Beweis der behaupteten Wirkung nicht in Betracht kommt. (Rn. 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine „Nanophotonen LED-Lichttherapie“ mit dem Gerätesystem „…“ zu werben:
„Schmerztherapie“,
„Der ……aktiviert den Stoffwechsel bei schmerzhaftem Gewebe“,
„Durch das intelligente Therapieverfahren werden metabolische Potenziale‘ erzeugt, welche die Enzyme bei Schmerzzuständen beeinflussen und die Entzündungen verringern können“,
„Der ….. wird sowohl bei der Therapie von akuten als auch von chronischen Schmerzen eingesetzt“,
„Bei chronischen Schmerzzuständen wie zum Beispiel Arthrose, Arthritis oder Rückenschmerzen wird über Klebeelektroden und einer LED-Lichttherapie Ihr schmerzhafter Bereich behandelt“,
„Einsatzgebiete Schmerztherapie
– Gelenk-Wirbelsäulentherapie
– Arthrose, Arthritis
– Rheuma 
– Gicht
– Sehnen- und Bandverletzungen
– Fibromyalgie
– Tennis-Ellenbogen
– Fersensporn
– Muskelschmerzen“
und/oder für eines, mehrere oder alle der vorstehend genannten Anwendungsgebiete,
„Sporttherapie Neurologische Schmerzen“,
„Verkürzt die Heilungsphase um mehr als 50%“,
„Wirksam ohne Medikamente“,
jeweils sofern dies geschieht, wie der diesem Urteil begeigefügten in Anlage K 1 wiedergegeben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 178,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.04.2018 zu zahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Nummer 1 des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Gegenseite im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Streitwert wird auf 22.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist sowohl zulässig als auch vollumfänglich begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
I.
Das Landgericht Würzburg ist örtlich sowie sachlich das zuständige Gericht. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich ausschließlich aus § 14 Abs. 1 UWG. Vorliegend geht es um eine Klage auf Grund des UWG und der Beklagte hat seine selbstständige berufliche Niederlassung in Gemünden. Gemünden liegt im Landgerichtsbezirk Würzburg. Aufgrund des festgesetzten Streitwerts in Höhe von EUR 22.500,00 ergibt sich die sachliche Zuständigkeit aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 S. 1 GVG i.V.m. § 1 ZPO.
II.
Des Weiteren besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Im Regelfall indiziert die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr (ständige Rechtsprechung BGH GRUR 1997, 379, 380 BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Köhler/Bornkamm, 34. Aufl., § 8 UWG, Rn. 1.33).
1. Im Allgemeinen gelingt eine Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die jedoch beklagtenseits verweigert wurde. Damit zeigt der Beklagte, dass nach wie vor Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BGH GRUR 1998, 1045, 1046 BGH 19.03.1998 – I ZR 264/95 – Brennwertkessel).
Der Klageantrag hat die konkrete Verletzungsform durch den Konditionalsatz („sofern dies geschieht, wie allein auf die konkrete Werbeanzeige bezogen (BGH, GRUR 2006, 164 Rdnr. 14 = NJW-RR 2006, 257 = WRP 2006, 84 – Aktivierungskosten II; GRUR 2007, 981 Rdnr. 18 = NJW 2008, 231 = WRP 2007, 1337 – 150% Zinsbonus; GRUR 2010, 749 Rdnr. 36 = WRP 2010, 1030 – Erinnerungswerbung im Internet; GRUR 2011, 82 Rdnr. 34 = WRP 2011, 5 – Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; GRUR 2011, 340 Rdnr. 21 = NJW-RR 2011, 398 = WRP 2011, 459 – Irische Butter).
2. Dies führt aber entgegen der Ansicht des Beklagten nicht dazu, dass ein Löschen des Inhalts dieser konkreten Werbeaussage im Internet zu einer Erledigung des Rechtsstreits bzw. zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für eine solche Klage führt. Materiellrechtliche Voraussetzung jedes wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs ist die Wiederholungsgefahr oder die Befürchtung, dass eine unzulässige Wettbewerbshandlung unmittelbar bevorsteht (Erstgefahr). Ist ein Wettbewerbsverstoß begangen, so besteht eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, an deren Beseitigung sehr strenge Anforderungen zu stellen sind. Nach den in der Rechtsprechung und Lehre entwickelten und anerkannten Grundsätzen entfällt das Rechtsschutzinteresse des Unterlassungsgläubigers, wenn er die ihm von dem Verletzer angebotene strafbewehrte Unterlassungserklärung ohne stichhaltigen Grund ablehnt. Das Rechtsschutzbedürfnis kann zum Beispiel auch dann entfallen, wenn sich der Verletzer einem im Verfahren der einstweiligen Verfügung ergangenen Titel endgültig gebeugt hat. Der Wegfall des Rechtsschutzinteresses bedeutet eine Erledigung der Hauptsache. Dasselbe gilt, wenn die Wiederholungsgefahr oder die Erstbegehungsgefahr entfällt. Ein solcher Tatbestand ist insbesondere gegeben, wenn der Verletzte die ihm angebotene strafbewehrte Unterlassungserklärung annimmt, bei einer völligen Geschäftsaufgabe oder Geschäftsveräußerung des Verletzers, seinem offenkundig gewordenen Gesinnungswandels oder dadurch, dass der Verletzer bereits vor Klageerhebung alles getan hat, um neue Verstöße zu verhindern. Anhaltspunkte für die Annahme derartiger Umstände sind nicht ersichtlich.
Daher ist die Klage zulässig.
1. Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
I.
Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG.
1. Für die Bewerbung von Medizinprodukten sind die Vorgaben des HWG sowie die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des UWG maßgeblich. Beide Gesetze finden nebeneinander Anwendung (§ 17 HWG).
2. Der Kläger ist als eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Verfolgung des Unterlassungsanspruchs berechtigt.
3. Unzweifelhaft handelt es sich bei den angegriffenen Werbeaussagen um geschäftliche Handlungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
4. Die streitgegenständlichen Werbeaussagen sind als irreführende Werbung unlauter nach §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG.
a) § 3 HWG ist Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG.
b) Die CE-Zertifizierung enthebt den Beklagten nicht der Notwendigkeit, den Nachweis der Richtigkeit seiner Werbeaussagen zu führen. Der Beklagte ist seiner Darlegungs- und Beweislast nicht bereits durch den Vortrag, dass die Produkte eine CE-Zertifizierung haben, nachgekommen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 24.4.2002 – 5 U 3/03; OLG München, PharmR 2001, 332). Einer solchen Bindungs- bzw. Feststellungswirkung eines positiven Konformitätsbewertungsverfahrens steht bereits § 6 IV MPG entgegen, wonach die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Herstellers und damit auch etwaige Ansprüche nach dem UWG unberührt lässt (vgl. OLG Stuggart GRUR-RR 2017, 448, OLG München, PharmR 2001, 332; Braun, MPR 2014, 193 [196]).
c) Nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG liegt eine Irreführung dann vor, wenn Medizinprodukten eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben.
aa) Unstreitig handelt es sich bei „…“ um ein Medizinprodukt i.S.d. § 3 MPG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 a, 3 S. 2 Nr. 1 HWG.
bb) Der Anwendungsbereich des § 3 S. 2 Nr. 1 HWG ist eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 a HWG sind Medizinprodukte vom sachlichen Anwendungsbereich des HWG erfasst, unabhängig von der Art der getroffenen Werbeaussage (Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl. 2016, § 1 Rn. 33).
cc) Die angegriffene Werbung legt dem Medizinprodukt therapeutische Wirksamkeit bzw. Wirkungen bei, ohne dass der Beklagte diese belegt hätte.
Ob und inwieweit eine Werbung mit Leistungs- bzw. Wirksamkeitsaussagen irreführend ist, bemisst sich nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Werbeadressaten, der der Werbung eine der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Dabei sind an die Wahrheit und Eindeutigkeit von Werbeaussagen im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung nach dem so genannten „Strengeprinzip“ strenge Anforderungen anzulegen (Spickhoff/Fritzsche, MedizinR, 2. Aufl. 2014, § 3 HWG Rn. 3; MAH MedR/Pannenbecker, 2. Aufl. 2013, § 14 Rn. 306).
dd) Der Beklagte hat die in seiner Werbung enthaltenen Wirkbehauptungen nicht bewiesen.
aaa) Die Beweislast für die Richtigkeit der aufgestellten Behauptungen liegt beim Beklagten.
Auch bei gesundheitsbezogenen Werbeangaben gilt zwar im Ausgangspunkt der allgemeine Grundsatz, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit der von ihm angegriffenen Werbebehauptung trifft. Der Werbende, der eine fachlich umstrittene Frage in die Werbung übernimmt, übernimmt aber dadurch, dass er sich für eine bestimmte Auffassung entscheidet, die Verantwortung für die Richtigkeit (BGH, GRUR 1958, 485 – Odol; BGH, GRUR 1991, 848 – Rheumalind II; Gröning in Gröning/Mand/Reinhardt, HWG, Jan. 2015, § 3 Rn. 17). Wird mit einer fachlich umstrittenen Wirksamkeitsangabe geworben, muss der Werbende klarstellen, dass seine Überzeugung von der Wirksamkeit seines Produkts nicht unumstritten ist. Tut er dies nicht und erweckt er durch die Werbung bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck der wissenschaftlichen Unangefochtenheit seiner Werbeaussagen, beschränkt sich der Streitgegenstand auf diese vorgetäuschte Unbestrittenheit. Der Kläger braucht in solchen Fällen zwangsläufig nur die fachliche Umstrittenheit der Wirksamkeitsbehauptung darzulegen und zu beweisen (Gröning in Gröning/Mand/Reinhardt, HWG, Jan. 2015, § 3 Rn. 17). Die Darlegung dieser fachlichen Umstrittenheit ist dem Kläger zur vollen Überzeugung des Gerichts gelungen. Er hat durch die in seinen Schriftsätzen angeführten Artikel und fachlichen Aufsätze darüber hinaus bewiesen, dass die beworbene Wirkweise der streitgegenständlichen Behandlungsmethode nicht nur umstritten ist, sondern in der Schulmedizin überhaupt nicht anerkannt ist.
bbb) Die Aussagen zur Wirkungsweise in der streitgegenständlichen Werbung erwecken den Eindruck, sie seien wissenschaftlich unangefochten. An keiner Stelle in der Werbung wird darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeitsangaben fachlich zweifelhaft sein könnten. Der Beklagte ist seiner bereits oben erläuterten Darlegungs- und Beweislast aufgrund der gesundheitsbezogenen Werbeangaben nicht nachgekommen. Zwar hat er zum Beweis seiner Angaben einen Aufsatz des Geräteherstellers zur Wirkungsweise des „…“ vorgelegt. Dieser Aufsatz kommt den strengen Anforderungen zum Beweis der Wahrheit von gesundheitsbezogener Werbung jedoch nicht nach. Vielmehr ergibt sich aus dieser Ausarbeitung gerade die fehlende wissenschaftliche Absicherung der Wirkungsweise der Methode. Denn die Datenerhebung hat in dieser Literaturauswertung nicht nach wissenschaftlichen Regeln stattgefunden. Zudem erscheint es wenig überzeugend, wenn lediglich der Hersteller des Geräts von der Unumstrittenheit der Wirkweise der Therapie ausgeht.
d) Der Kläger hat die fachliche Umstrittenheit mit den von ihm vorgelegten Unterlagen substantiiert dargelegt. Schon der Vortrag des Beklagten selbst zeigt, dass die Werbeaussagen wissenschaftlich nicht unangefochten sind. Er konnte durch keinen seiner vorgelegten Beweise darlegen und beweisen, dass die betreffenden Werbeaussagen richtig sind.
e) Eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens war insoweit nicht durchzuführen. Die wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsversprechens muss bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein. Nicht ausreichend ist es, wenn der in Anspruch genommene Werbende sich erst im Prozess auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens für den Nachweis der behaupteten Wirkungsweise beruft (OLG Frankfurt, Urteil vom 21.6.2018 – 6 U 74/17, bei Juris Rn. 70; OLG Hamm, Urteil vom 20.5.2014 – 4 U 57/13, bei Juris Rn. 78; OLG Hamburg, Beschluss vom 5.11.2012 – 3 W 18/12, bei Juris Rn. 21 und Urteil vom 18.9.2003 – 3 U 70/02, bei Juris Rn. 38; OLG München, Urteil vom 14.5.2009 – 6 U 2187/06, bei Juris Rn. 94; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.11.2007 – 20 U 172/06, bei Juris Rn. 21; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 88, 89).
Zum einen könnte ein solches Gutachten den Vorwurf nicht entkräften, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (OLG Hamm, Urteil vom 20.5.2014 – 4 U 57/13, bei Juris Rn. 78; OLG München, Urteil vom 14.5.2009 – 6 U 2187/06, bei Juris Rn. 94). Zum anderen liefe die Zulassung einer Führung des Beweises durch erst zu gewinnende wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hinaus, dem Werbenden zu ermöglichen, eine medizinische Wirksamkeit erst einmal auf „gut Glück“ zu behaupten. Hierdurch würde einerseits der klagende Mitbewerber mit einem erheblichen Kostenrisiko belastet, da er im Extremfall mit den Kosten einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung belastet würde, wenn sich die Behauptung des Werbenden nachträglich durch ein solches Sachverständigengutachten als richtig herausstellen sollte: ein Risiko, das viele Mitbewerber von einem Vorgehen ganz abhalten würde. Andererseits würde dem Werbenden gestattet, auf Kosten der Gesundheit potentieller Patienten quasi „Roulette zu spielen“. Letzteres ist entscheidend (OLG Saarbrücken Urt. v. 19.12.2018 – 1 U 41/18, BeckRS 2018, 36619). Nur bei einer Beschränkung auf im Zeitpunkt der Werbung bereits vorliegende und bekannte Erkenntnisse kann der Grundsatz, auf dem Gebiet des Gesundheitswesens nur solche Werbeangaben zuzulassen, die gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH, GRUR 1971, 153, 155 – Tampax), umfassend verwirklicht werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.11.2007 – 20 U 172/06, bei Juris Rn. 21; in diesem Sinne auch: OLG Hamburg, Urteil vom 18.9.2003 – 3 U 70/02, bei Juris Rn. 38).
II.
Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers in Höhe von EUR 178,50 ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
1. Der Kläger hat den Beklagten inhaltlich korrekt abgemahnt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm UWG § 12 Rn. 1.12-1.25).
a) Der Kläger war zur Abmahnung aktivlegitimiert und der Beklagte richtiger Passivlegitimierter. Der Kläger ist aktivlegitimiert (s.o.). Diese Sachbefugnis hat er dem Beklagten gegenüber in der Abmahnung auch dargetan. Der Beklagte hat einen Wettbewerbsverstoß begangen (s.o.) und war daher abzumahnen.
b) In der Abmahnung hat der Kläger das konkrete wettbewerbswidrige Verhalten und den Anlass der Beanstandung in aller Deutlichkeit bezeichnet. Auch in rechtlicher Hinsicht hat der Kläger den Verstoß in ausreichender Weise beurteilt.
c) Der Kläger hat dem Beklagten in der Abmahnung ausreichend Zeit zur Unterzeichnung der strafbewehrten Unterlassungserklärung eingeräumt und ihn auf das weitere gerichtliche Vorgehen hingewiesen, sollte die Unterzeichnung der Unterlassungserklärung durch den Beklagten unterbleiben.
2. Die Abmahnung ist dem Beklagten auch zugegangen. Bei der Abmahnung handelt es sich um eine geschäftsähnliche Handlung, für die dieselben Regeln wie für empfangsbedürftige Willenserklärungen gelten (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm UWG § 12 Rn. 1.36-1.39). Daraus folgt, dass der Kläger dafür darlegungs- und beweisbelastet ist, dass dem Beklagten die Abmahnung zugegangen ist. Zugang in diesem Sinne bedeutet, dass die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter normalen Umständen mit deren Kenntnisnahme zu rechnen ist. Der Beklagte trägt vor, dass ihm die Angelegenheit erst mit der Klageschrift bekannt wurde. Jedoch trägt er nicht vor, dass die Abmahnung nicht zugegangen sei. Vielmehr hat ihn das Schreiben nicht persönlich erreicht, weil die zuständige Mitarbeiterin dieses übersehen hat. Demnach ist die Abmahnung aber in den Machtbereich des Empfängers, also des Beklagten, gelangt, mithin zugegangen.
3. Weil der Beklagte die Unterlassungserklärung bis zum Fristablauf nicht unterzeichnete war eine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.
4. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch zu (s.o.). Eine Abmahnung war auch erforderlich, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH GRUR 2010, 354 Rn. 8). Somit war die Abmahnung berechtigt.
5. Demnach ist dem Kläger die geltend gemachte Abmahnkostenpauschale in Höhe von EUR 178,50 zu ersetzen. Der Kläger als Fachverband i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG muss in der Lage sein, durchschnittlich schwierige Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe bearbeiten zu können (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm UWG § 12 Rn. 1.124). Vorliegend hat der Kläger die Abmahnung ohne anwaltliche Hilfe bearbeitet. Damit hat er aber einen Anspruch auf anteiligen Ersatz der entstandenen Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale. Der Kläger hat die Parameter, die der Pauschalisierung zugrunde liegen, in der Klageschrift offengelegt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm UWG § 12 Rn. 1.132).
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 ZPO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO. Hängt – wie hier – die Befugnis des Gläubigers zur vorläufigen Vollstreckung nach § 709 S. 1 ZPO von der vorherigen Erbringung einer Sicherheitsleistung ab, so dient diese Sicherheitsleistung dem Interesse des Schuldners und soll ihm einen Ersatz für diejenigen Nachteile gewähren, die er bei einer etwaigen Zwangsvollstreckung erleidet; er soll davor geschützt werden, dass er zwar die Zwangsvollstreckung dulden muss, aber bei einem objektiv unrechtmäßigen Vollstreckungszugriff eventuelle Ersatzansprüche gegen den vollstreckenden Gläubiger nicht realisieren kann, wozu vor allem ein etwaiger Ersatzanspruch des Vollstreckungsschuldners nach § 717 II ZPO gehört. (OLG Düsseldorf NJOZ 2007, 451). Diesen Betrag hat das Gericht mit 5.000 € angesetzt. Im Übrigen beruht die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
IV. Gemäß § 51 Abs. 2 GKG ist in Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Im Hinblick auf den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ist das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers für die Bemessung des Streitwerts maßgeblich (BGH GRUR 1990, 1052, 1053 – Streitwertbemessung). Der Umfang dieses Interesses hängt insbesondere von der Gefährlichkeit der zu verbietenden Handlung („Angriffsfaktor“) ab, welche anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen ist und von den weiteren Umständen abhängt. Vorliegend sind im Hinblick auf das Vorliegen der neun angegriffenen Werbeaussagen 22.500 € angemessen.


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