IT- und Medienrecht

Unzulässiger Ausforschungsbeweis im “Dieselskandal”

Aktenzeichen  62 O 1305/18

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 26420
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 403

 

Leitsatz

Behauptungen, die ohne greifbare Anhaltspunkte für einen entsprechend gelagerten Sachverhalt und damit willkürlich „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden, sind keine geeignete Grundlage für die Erholung eines Sachverständigengutachtens, da dies im Ergebnis einem unzulässigen Ausforschungsbeweis gleichkommen würde (hier: angebliche “Schummelsoftware” in einem Mercedes GLK 350 CDI). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 17250,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Dem Kläger stehen keine vertraglichen Ansprüche zu:
Vertragliche Ansprüche des Klägers scheitern bereits an der fehlenden Vertragsbeziehung zur Beklagten. Ausweislich der Anlage K1 wurde der streitgegenständliche, gebrauchte Pkw des Klägers mit Erstzulassung vom 28.09.2009 am 09.10.2017 mit einem Kilometerstand von 103.000 km zum Kaufpreis von 17.250 Euro bei dem Autohaus R. W. GmbH, einem BMW-Vertragshändler (!) erworben.
2. Auch deliktische Ansprüche stehen dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu:
Soweit sich der Kläger auf deliktische Ansprüche gegen die Beklagte als Hersteller des streitgegenständlichen Pkws beruft, ist bereits der Sachvortrag zu einer deliktischen Handlung der Beklagten weder ausreichend substantiiert noch schlüssig dargelegt, so dass die Klage nicht aufzuzeigen vermag, dass die Beklagte überhaupt am klägerischen Fahrzeuge eine entscheidungserhebliche Manipulation vorgenommen hat. Hierfür wäre der Kläger aber darlegungs- und beweisbelastet:
Der Kläger behauptet zwar, die Beklagte habe eine spezielle Software in seinem Fahrzeug verbaut, welche die Abgasrückführung in den Betriebsmodus 0 für den normalen Straßenverkehr mit höheren Stickoxidemissionen und den Betriebsmodus 1 auf dem Prüfstand mit dann geringerer Leistung und damit geringeren Emissionen steuert. Ebenso behauptet der Kläger eine illegale Verwendung eines „Thermofensters“ in seinem Fahrzeug. Hinsichtlich beider Behauptungen beruft sich der Kläger auf eine Rückrufaktion des KBA und bietet ergänzend die Erholung eines Sachverständigengutachten zum Beweis der behaupteten Tatsachen an.
Zwar wäre eine einschlägige Rückrufaktion des KBA aufgrund illegaler Abschaltvorrichtungen durchaus geeignet, als Anknüpfungstatsache für den Einbau solcher Abschalteinrichtung zu sprechen. Allerdings ist das Fahrzeug des Klägers von den vorgetragenen Rückrufaktionen des KBA überhaupt nicht betroffen. Auch aus der vom Kläger vorgelegten Tabelle der vom Rückruf des KBA betroffenen Motorentypen (Bl. 47 der Akte) ergibt sich gerade nicht, dass der streitgegenständliche Pkw des Klägers von einer Rückrufaktion betroffen ist.
Ein Rückruf des KBA bezieht sich stets nur auf einen bestimmten Motortyp im Zusammenhang mit dem jeweils benannten Produktionszeitraum und einem bestimmten Fahrzeugtyp. Soweit die vorgelegte Tabelle zwar Motoren des Typs OM 642 enthält, werden lediglich die Fahrzeugtypen G 350d, eventuell auch G 350 BlueTEC sowie die Modelle E 350 BlueTEC und E 350d (nur Coupé) erfasst, nicht aber der Fahrzeugtyp GLK 350 CDI des Klägers.
Vor allem aber betreffen die vorgelegten Rückrufe des KBA ausschließlich Motoren ab dem Produktionszeitraum 02/2013, wohingegen das Fahrzeug des Klägers ausweislich der Anlage K1 bereits am 28.08.2009 (!) erstmalig zugelassen worden war.
Soweit der Kläger pauschal behauptet, dass auch Motoren des Typs OM 642 eines früheren Produktionszeitraumes und zudem auch des Fahrzeugmodells GLK 350 CDI, und damit höchst wahrscheinlich auch das Fahrzeug des Klägers mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet sei, was schon allgemein die Vielzahl der betroffenen Fahrzeuge zeige, vermag dies einem substantiierten und in sich schlüssigen Sachvortrag zu einer deliktischen Handlung der Beklagten im konkreten Einzelfall nicht genügen.
Derartige Behauptungen, die ohne greifbare Anhaltspunkte für einen entsprechend gelagerten Sachverhalt und damit willkürlich „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden, sind keine geeignete Grundlage für die Erholung des beantragten Sachverständigengutachtens, da dies im Ergebnis einem unzulässigen Ausforschungsbeweis gleichkommen würde.
Soweit der Kläger im Übrigen behauptet, der Kraftstoffverbrauch und die Abgaswerte des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeuges lägen über den Prospektangaben, legt er auch insoweit nicht dar, auf welche konkreten Werte und insbesondere welche Prospektangaben sich seine Behauptung bezieht. Auch hier kann die ohne nähere Anhaltspunkte aufgestellte Behauptung des Klägers keine Grundlage für eine gerichtliche Beweisaufnahme sein.
Da im Ergebnis damit der Kläger eine deliktische Handlung der Beklagten schon nicht ausreichend substantiiert und schlüssig dargelegt hat, war auch das angebotene Sachverständigengutachten aus den genannten Gründen nicht zu erholen, so dass dem Kläger schon der Nachweis einer entscheidungserheblichen deliktischen Handlung an seinem Fahrzeug nicht gelingt.
II.
Aus diesem Grund bleibt auch für die im Klageantrag Ziffer 2 begehrte Feststellung einer Haftung der Beklagten für etwaige „Schäden, die aus der Manipulation der Beklagten“ resultieren, kein Raum.
III.
Mangels Anspruch in der Hauptsache besteht auch keine Erstattungspflicht der Beklagte bezüglich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren des Klägers.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
V.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben