IT- und Medienrecht

Unzulässiger Eilrechtsschutz, der auf die Verhüllung einer sich auf der KZ-Gedenkstätte, Fl. befindlichen Gedenktafel für D., B. gerichtet ist., Geltendmachung des postmortalen Persönlichkeitsrechts nur durch nahe Angehörige des Verstorbenen.

Aktenzeichen  RO 5 E 21.1726

Datum:
18.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31617
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BGB analog (öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch) § 1004, § 862, § 12

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der er die Verhüllung einer Gedenktafel für D. B. erreichen möchte, die in der KZ-Gedenkstätte Fl. angebracht ist.
Im Rahmen des 74. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Fl. wurde am 14.4.2019 im sogenannten „Tal des Todes“ an der „Amerikanischen Mauer“ eine Gedenktafel durch den damaligen amerikanischen Botschafter R. G. enthüllt (vgl. nachfolgende Abbildung).
Der Text in englischer Sprache kann wie folgt übersetzt werden:
Gewidmet zum Gedenken an D. B. 14. April 2019 Abbildung von D. B. 1906 – 1945
Die United States Commission for the Preservation of America’s Heritage Abroad [Behörde der Vereinigten Staaten von Amerika zum Erhalt des amerikanischen Kulturguts im Ausland] erkennt die Gedenkstätte Fl. als historisch bedeutsam für das Kulturerbe der Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika an. Die Kommission ehrt das Andenken an die mehr als 30.000 Menschen, die hier wegen ihrer religiösen, politischen und persönlichen Ansichten umkamen. Die Kommission würdigt insbesondere die Beiträge des deutschen Theologen und Dissidenten D. B. zur amerikanischen Kultur, der hier am 9. April 1945 ermordet wurde.
Mit besonderem Dank an die U.S. Commission for the Preservation of America’s Heritage Abroad, die Konzentrationslager-Gedenkstätte Fl., die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Berlin, dem Generalkonsulat der Vereinigten Staaten von Amerika in München, der Regierung von Bayern und Privatpersonen.
President D. J. T. Vice President M. P. U. S. A. R. G. Ch. U. P. P.
In den Ecken der Gedenktafel sind die Hoheitszeichen/Siegel (von links oben nach rechts unten) des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vize-Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, des State Departments der vereinigten Staaten von Amerika und der United State Commission for the Preservation of America’s Heritage Abroad angebracht.
Mit Schreiben an die KZ-Gedenkstätte Fl. vom 6.10.2019 bat der Antragsteller darum, die Gedenktafel zu entfernen. Durch sie werde das Andenken D. B. in den Schmutz gezogen. B. sei kein Nationalist gewesen. Er habe für Toleranz gestanden, während die Gedenktafel für die Doktrin „America first“ von D. T. stehe. B. würde sich im Grabe umdrehen, wenn er sehen würde, wofür sein Name „missbraucht“ werde.
Mit Schreiben vom 15.10.2019 teilte der Leiter der Gedenkstätte dem Antragsteller mit, er könne das Unbehagen hinsichtlich der Person und der Positionen des gegenwärtigen amerikanischen Präsidenten vollauf nachvollziehen. Dessen politischer Standpunkt habe bei der Entscheidung, die Tafel an der konkreten Stelle anzubringen, jedoch keine Rolle gespielt. Der Impuls, eine Gedenktafel anzubringen, die auf die besondere Bedeutung des Konzentrationslagers Fl. für die amerikanische Geschichtskultur abziele, sei über die USamerikanische Botschaft an die Gedenkstätte herangetragen worden. Dieser Wunsch sei vom Sprecher der Überlebenden des Konzentrationslagers Fl. von Anfang an vorbehaltlos und massiv unterstützt worden. Wie bei solchen Ansinnen üblich, sei der Wunsch der Stiftungsdirektion und den Stiftungsgremien der Antragsgegnerin dem wissenschaftlichen Beirat der KZ-Gedenkstätte Fl. und zudem der evangelischen Landeskirche in Bayern vorgelegt worden. In all den geführten Diskussionen sei die kritische Bewertung der Person des amerikanischen Präsidenten Thema gewesen. Dabei sei jedoch ebenso klar gewesen, dass dies bei der Bewertung des Ansinnens keinerlei Rolle spielen dürfe.
Auf dem Text der Tafel werde die besondere Bedeutung des ehemaligen Konzentrationslagers Fl. für die amerikanische Geschichtskultur in drei Punkten ausgeführt, und zwar
1. als Todesort D. B., der in den USA und weltweit von sehr unterschiedlichen theologischen und politischen Richtungen und Persönlichkeiten verehrt werde, nämlich von Lutheranern, von Evangelikalen, von Pietisten, von Pazifisten, von Katholiken und von Atheisten,
2. als Konzentrationslager, das von amerikanischen Einheiten befreit worden sei und
3. als Land, das nach 1945 zur Heimstatt vieler überlebender KZ-Häftlinge geworden sei.
Die Leitung der KZ-Gedenkstätte Fl. verwalte und gestalte den Ort treuhänderisch für die Vereine, die für diesen Ort weltweit von Bedeutung seien. Dies sei nicht immer einfach und es gelte oft Kompromisse unter der Einbeziehung möglichst vieler Perspektiven und Positionen zu finden. Die Erinnerungstafel sei das dritte Erinnerungszeichen in der Gedenkstätte, das auf die Person D. B.s Bezug nehme. All die vorhandenen Erinnerungszeichen seien nicht widerspruchsfrei und hätten bereits in der Vergangenheit lebhafte und kontroverse Diskussionen ausgelöst. Es sei jedoch zu fragen, ob nicht gerade in diesen Diskussionsprozessen der besondere diskursive und politische Wert demokratischer Erinnerungsarbeit liege.
Mit Schreiben vom 3.5.2020 forderte der Antragsteller die Leitung der Gedenkstätte erneut auf, die Gedenktafel zu beseitigen.
Am 31.8.2021 erhob der Antragsteller Klage mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Beseitigung der Gedenktafel. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen RO 5 K 21.1727 geführt. Zugleich stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Gedenktafel diene nicht dazu, D. B. zu ehren. Sie sei vielmehr gegen B. und sein Lebenswerk sowie gegen fundamentale christliche Werte gerichtet. Sie richte sich gegen Christinnen und Christen – wozu sich auch der Antragsteller zähle -, gegen die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), gegen KZ-Opfer und deren Hinterbliebene und alle im demokratischen Rechtsstaat lebenden Bürgerinnen und Bürger. Verdienste B.s für die amerikanische Kultur seien nicht ersichtlich. Es sei nicht in Ordnung, wenn jemand wie D. T., der nicht nur von manchen seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Rassist bezeichnet werde, eine Ehrung für B. in einer KZ-Grab- und Gedenkstätte vornehme. B. selbst wäre mit einer Ehrung durch Trump niemals einverstanden gewesen. Die Gedenktafel diene der Verbreitung der „America first“-Doktrin. So habe US-Vizepräsident Mike Pence den damaligen US-Botschafter Richard Grenell dafür gelobt, dass er diese Doktrin in Deutschland verbreite. B. sei nur Mittel zum Zweck und werde dazu benutzt, um Trumps Doktrin zu verbreiten. Zweck der Gedenktafel sei es von Anfang an nicht gewesen, B. zu ehren. Es handele sich einzig und allein um politische Agitation. Auf einer KZ-Gedenkstätte dürfe dies nicht möglich sein. B. werde hier als Nationalist dargestellt, der er niemals gewesen sei. Die Gedenktafel propagiere Nationalismus, was auf einer KZ-Gedenkstätte nicht akzeptiert werden könne. Sie ehre B. und andere KZ-Opfer nicht, sondern verhöhne sie. Deshalb sei die Tafel immer wieder aufs Neue „Stein des Anstoßes“ für viele Besucherinnen und Besucher der Gedenkstätte Fl.. Sie sei rechtsstaats- und verfassungswidrig und müsse daher entfernt werden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Gedenktafel für D. B. im Tal des Todes der KZ-Gedenkstätte Fl. bis zur Entscheidung über die Hauptsacheklage zu verhüllen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Impuls, eine Gedenktafel anzubringen, die auf die besondere Bedeutung des Konzentrationslagers Fl. für die amerikanische Geschichtskultur abziele, sei über die USamerikanische Botschaft an die Gedenkstätte herangetragen worden. Alle von der Gedenkstätte mit der Anbringung der Tafel befassten Gremien hätten der Anbringung am jetzigen Ort zugestimmt. Überlebende des KZ Fl. hätten sich mit allen Gremien sehr dezidiert und überzeugend für die Anbringung der Tafel ausgesprochen.
Der gestellte Antrag sei unzulässig. Es würden weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vorliegen. Der Antragsteller habe nicht vorgetragen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Er trage weder vor, ein Nachkomme oder Erbe D. B.s oder ein Nachkomme eines Opfers des Konzentrationslagers zu sein. Er wolle lediglich als historisch interessierter Bürger und Christ die Entfernung oder Verhüllung der Gedenktafel erreichen, weil er an deren Inhalt Anstoß nehme. Ein derartiges Jedermannsrecht bestehe nicht. Selbst wenn man daher den vorgetragenen Wertungen des Textes der Gedenktafel durch den Antragsteller folgen wolle, so ergebe sich hieraus für den Antragsteller keine Rechtsverletzung. Zur Wahrnehmung eines postmortalen Persönlichkeitsrechts eines Verstorbenen seien allenfalls dessen Nachkommen, Erben oder von dem Verstorbenen bestimmte Personen befugt.
Die Gedenktafel verletze auch das postmortale Persönlichkeitsrecht von D. B. nicht. Eine Verhöhnung oder Beschmutzung des Andenkens D. B.s sei weder erfolgt, noch sei sie beabsichtigt gewesen. Dies lasse sich aus dem Text, der keine Propaganda für eine bestimmte politische Anschauung oder Nationalismus erkennen lasse, ohne Weiteres ersehen.
Die Nennung der Namen der USamerikanischen Offiziellen auf der Gedenktafel, inklusive des damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, D. T., sei nur in deren Funktion als Würdenträger eines ausländischen Staates erfolgt und bedeute keine Ehrung der Personen oder ihrer politischen Ansichten.
Auch ein Anordnungsgrund sei nicht ersichtlich, da eine Eilbedürftigkeit nicht erkennbar sei. Das Abwarten der Hauptsacheentscheidung sei für den Antragsteller ohne wesentliche Nachteile möglich. Die Anbringung der Gedenktafel sei bereits im April 2019 erfolgt, während der Antrag erst mit der Klage- und Antragsschrift vom 29.8.2021 gestellt worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Hauptsachesowie im Eilrechtschutzverfahren und auf die Akten des Antragsgegners, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
Gemäß § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Die Anbringung der Gedenktafel als Realakt erfolgte mit Wissen und Wollen und auf Veranlassung der Antragsgegnerin – der Stiftung Bayerische Gedenkstätten -, einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 1 des Gedenkstättenstiftungsgesetzes – GedStG). Zweck der Stiftung ist es, die Gedenkstätten (KZ-Gedenkstätten D. und Fl., vgl. Art. 1 Abs. 2 GedStG) als Zeugen für die Verbrechen des Nationalsozialismus, als Orte der Erinnerung an die Leiden der Opfer und als Lernorte für künftige Generationen zu erhalten und zu gestalten, die darauf bezogene geschichtliche Forschung zu unterstützen und dazu beizutragen, dass das Wissen über das historische Geschehen im Bewusstsein der Menschen wachgehalten und weitergetragen wird (Art. 2 Abs. 1 GedStG). Das dem Antragsgegner zuzurechnende Anbringen der streitgegenständlichen Gedenktafel erfolgte in Erfüllung des Stiftungszwecks; denn im Wesentlichen dient die Gedenktafel der Verfolgung der genannten Ziele. Die Antragsgegnerin hat diesbezüglich auch dargelegt, dass der Impuls, eine Gedenktafel anzubringen, die auf die besondere Bedeutung des Konzentrationslagers Fl. für die amerikanische Geschichtskultur abzielt, über die USamerikanische Botschaft an die Gedenkstätte herangetragen wurde. Der Wunsch wurde vom Sprecher der Überlebenden des Konzentrationslagers Fl. unterstützt. Der Wunsch wurde darüber hinaus der Stiftungsdirektion und den Stiftungsgremien der Antragsgegnerin, dem wissenschaftlichen Beirat der KZ-Gedenkstätte Fl. und der evangelischen Landeskirche in Bayern vorgelegt. Damit sollte ersichtlich sichergestellt werden, dass das Anbringen der Tafel dem Stiftungszweck nicht zuwiderläuft.
Der Realakt des Anbringens der Gedenktafel war im Ergebnis somit ein Akt zur Erfüllung primärer Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb der Gedenkstätte Fl., weshalb das Anbringen öffentlich-rechtlich zu qualifizieren und hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit zu beurteilen ist. Entscheidend für die Zurechnung des Realakts zum öffentlichen Recht ist nämlich der innere und äußere Zusammenhang des Vorgangs mit der Wahrnehmung eines dem öffentlichen Recht zuzurechnenden Aufgabenkreises der Stiftung (vgl. Schoch/Schneider/Ehlers/Schneider, 40. EL Februar 2021, VwGO § 40 Rn. 424 ff.; vgl. auch BVerwG, U.v. 2.11.1973 – IV C 36.72 – juris). Dementsprechend ist auch das vom Antragsteller im Hauptsacheverfahren begehrte Entfernen der Gedenktafel als „actus contrarius“ zum Anbringen dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Gleiches gilt für das im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes verfolgte Begehren der Verhüllung der Tafel bis zur Entscheidung über die Hauptsache.
2. Der Antragsteller hat aber einen Anordnungsanspruch nicht geltend gemacht.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Zulässig ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur, wenn sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund geltend gemacht sind. Diese Voraussetzung entspricht der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO im Hauptsacheverfahren. Ein Antragsteller muss somit schlüssig und plausibel darlegen, dass ihm der geltend gemachte Anordnungsanspruch zustehen kann. Zudem muss nach dem Vortrag des jeweiligen Antragstellers ein Anordnungsgrund möglich sein (vgl. Schoch/Schneider/Schoch, 40. EL Februar 2021, VwGO § 123, Rn. 107).
Unabhängig von der Frage, ob im vorliegenden Fall ein Anordnungsgrund überhaupt geltend gemacht ist – Zweifel an der besonderen Eilbedürftigkeit einer Entscheidung bestehen schon deshalb, weil die Gedenktafel bereits vor etwa zweieinhalb Jahren angebracht worden ist -, so ist jedenfalls ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller macht im Ergebnis einen Beseitigungsanspruch geltend, der als Folgenbeseitigungsanspruch seine Rechtsgrundlage im öffentlichen Recht hat. Der Antragsteller trägt vor, durch die Gedenktafel werde dem Andenken D. B.s massiv geschadet, weil ihm Nationalismus unterstellt werde und er für die Politik D. T.s instrumentalisiert werde. Im Ergebnis macht der Antragsteller daher eine Verletzung der Ehre eines Verstorbenen geltend.
Dieser Beseitigungsanspruch findet als Folgenbeseitigungsanspruch seine Rechtsgrundlage im öffentlichen Recht, wobei die Kammer offenlassen kann, ob dieser Anspruch seinen Rechtsgrund unmittelbar in der subjektiven Rechtsnatur der Freiheitsgrundrechte, dem Rechtsstaatsprinzip oder der analogen Anwendung der §§ 1004, 862, 12 BGB hat (vgl. zur dogmatischen Herleitung: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020; § 113, Rn. 81), denn er ist jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannt und damit unzweifelhaft Bestandteil der geltenden Rechtsordnung (BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – juris, Rn. 23). Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung ist nach insoweit unumstrittenem Stand der Rechtsprechung unter folgenden Voraussetzungen grundsätzlich gegeben: Es muss ein hoheitlicher Eingriff vorliegen, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der andauert. Ferner muss die Beseitigung tatsächlich und rechtlich möglich und der Behörde zumutbar sein. Diese – hier nur verkürzt dargestellten Voraussetzungen – sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wiederholt herausgearbeitet und behandelt worden (vgl. BVerwG, U.v. 19.7.1984 – 3 C 81.82- juris = BVerwGE 69, 366; U.v. 21.9.1984 – 4 C 51.80 – juris; U.v. 14.4.1989 – 4 C 34.88 – juris; U.v. 23.05.1989 – 7 C 2.87 – juris; B.v. 8.2.1987 – 2 B 12.87 – juris; vgl. dazu auch VG Sigmaringen, U.v. 19.7.2000 – 1 K 2315/98 – juris, Rn. 20).
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass der Antragsteller die subjektive Verletzung der Ehre eines Verstorbenen geltend macht, sodass es im Ergebnis um die Geltendmachung eines postmortalen Persönlichkeitsrechts geht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist diesbezüglich geklärt, dass die mit Art. 1 Abs. 1 GG der staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, alle Menschen gegen Angriffe auf die Menschenwürde wie Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und dergleichen zu schützen sowie davor zu bewahren, dass sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise ausgegrenzt, verächtlich gemacht, verspottet oder sonst wie herabgewürdigt werden, nicht mit dem Tod (endet). Demgegenüber besteht kein Schutz des Verstorbenen durch das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Dementsprechend ist der aus Art. 1 Abs. 1 GG resultierende Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts nicht identisch mit den Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Schutz genießt aber auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. Steht fest, dass eine Maßnahme in den Schutzbereich des postmortalen Persönlichkeitsrechts eingreift, ist zugleich ihre Rechtswidrigkeit geklärt (BVerfG 1. Senat 1. Kammer, B.v. 5.4.2001 – 1 BvR 932/94 – juris; m.w.N.; B.v. 19.10.2006 – 1 BvR 402/06 und B.v. 19.12.2007 – 1 BvR 1533/07 – juris; vgl auch VG München, U.v. 11.11.2008 – M 2 K 08.1074 – juris).
Nach dem soeben Gesagten wird deutlich, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht allein das Andenken des Toten und somit dessen über das Leben hinauswirkende Menschenwürde schützt. Träger des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist somit der Verstorbene. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Antragsteller eine (vermeintliche) Rechtsbeeinträchtigung des verstorbenen D. B. geltend macht, was ihm jedoch nur dann möglich ist, wenn er zum Kreis der sog. Wahrnehmungsberechtigten gehört, was jedoch nicht der Fall ist.
Zur Wahrnehmungsberechtigung in Bezug auf das postmortale Persönlichkeitsrecht führt das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz sinngemäß Folgendes aus (U.v. 11.1.2000 – 7 A 11784/99 – juris, Rn. 28):
Die Befugnis des Wahrnehmungsberechtigten das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen geltend zu machen, könne sich aus einem eigenen „rechtlichen Interesse“ ergeben, das ihm als Totenfürsorgeberechtigtem zukomme. Dabei handele es sich um ein Recht, das entweder als fortdauerndes Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen, das von den nächsten Angehörigen wahrgenommen werde, oder als familienrechtsähnliches Recht der nächsten Angehörigen selbst zu verstehen sei und das unabhängig vom Erbrecht bestehe. Das Gericht führt sodann in der genannten Entscheidung Folgendes aus:
„Die Frage, wem dieses Totensorgerecht zusteht, hat die Rechtsprechung seit jeher anhand von Herkommen und bestehender Sitte und auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 des Reichsgesetzes über die Feuerbestattung vom 18. Mai 1934 dahin entschieden, dass grundsätzlich die Nähe der familienrechtlichen Beziehungen maßgeblich ist (vgl. RGZ 154, 269, 271 f.; BGH NVwZ-RR 1992, 834; BayVGH, BayVBl. 1976, 310). Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten den zur Totenfürsorge Berufenen anderweitig bestimmt hat (vgl. RGZ, 154, 269, 272). […] Im Hinblick auf die gleichsam letzten Angelegenheiten nimmt der Totenfürsorgeberechtigte die Belange des Verstorbenen wahr, insbesondere soweit diese Rechte mit staatlichen Wahrnehmungsbefugnissen kollidieren können. So wie der Verstorbene zu seinen Lebzeiten noch einen Anspruch auf ein Recht an seinen persönlichen Daten hatte (vgl. zum Datenschutz BVerfGE 65, 1, wonach das Grundrecht gewährleistet, dass der Einzelne die Befugnisse hat, grundsätzlich selbst über Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu befinden), so kann die Rechtswahrung insoweit nicht mit dem Tode enden, weil sonst der Staat jeglicher Bindungen und Kontrolle enthoben wäre. Es kommt deshalb nur in Betracht, dass die Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen durch das Wächteramt der Totenfürsorgeberechtigten wahrgenommen wird.“
Wer zum Kreis der abstrakt zur Wahrnehmung des postmortalen Persönlichkeitsrechts befugten Angehörigen gehört, ist nicht abschließend geklärt (vgl. dazu: VG Karlsruhe, U.v. 9.11.2017 – 2 K 7229/16 – juris, Rn. 34). Eine diesbezügliche Klärung ist im vorliegenden Verfahren auch nicht erforderlich; denn der Antragsteller hat nicht vorgetragen, ein naher Angehöriger von D. B. zu sein, in einer irgendwie gearteten familienrechtlichen Beziehung zu diesem zu stehen oder gar von ihm zu Lebzeiten mit der Wahrnehmung postmortaler Rechte beauftragt worden zu sein. Er fühlt sich vielmehr ausschließlich als Christ und als eine nicht in einem Angehörigenverhältnis zu B. stehende Person dazu berufen, das Andenken des Verstorbenen zu schützen sowie eine vom Antragsteller so bezeichnete „Schändung der KZ-Grab- und Gedenkstätte Fl.“ zu unterbinden. Er tritt somit als Popularkläger auf, was in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht vorgesehen ist. Diese macht sowohl ein Klage- als auch ein Antragsrecht stets davon abhängig, dass ein Kläger bzw. Antragsteller eine Verletzung eigener Rechte geltend machen kann bzw. die Durchsetzung eines eigenen, ihm zustehenden Anspruchs verfolgt.
Nach alledem ist ein Anordnungsanspruch seitens des Antragstellers nicht geltend gemacht und der Antrag ist unzulässig.
Deshalb kann es auch dahinstehen, ob durch die fragliche Gedenktafel tatsächlich das postmortale Persönlichkeitsrecht D. B.s beeinträchtigt wird. Aufgrund der seitens der Antragsgegnerin vorgetragenen Argumente erscheint jedoch auch dies zweifelhaft. Darüber hinaus braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob ggf. bestehende zeitliche Grenzen für die Geltendmachung des postmortalen Persönlichkeitsrechts eingehalten sind.
Der Antrag war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt auf der Homepage des BVerwG).


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