IT- und Medienrecht

Urheberrecht: Angemessene Vergütung für den Übersetzer eines belletristischen Werks

Aktenzeichen  I ZR 78/08

Datum:
20.1.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 32 Abs 1 S 3 UrhG
§ 32 Abs 2 S 2 UrhG
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend OLG München, 24. April 2008, Az: 6 U 1552/07, Urteilvorgehend LG München I, 27. September 2006, Az: 21 O 25003/05, Urteil

Tenor

Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. April 2008 unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Beklagte auf den Hilfsantrag zu I zur Einwilligung in die vom Berufungsgericht formulierte Änderung des Übersetzungsvertrages verurteilt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Landgerichts München I vom 27. September 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.
Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, über das Werk mit dem Originaltitel “Shopaholic ties the Knot” von Sophie Kinsella vom 8. Dezember 2002 dahingehend einzuwilligen, dass § 6 folgende Fassung erhält:
6.1 (bleibt unverändert)
6.2 Absatzvergütung
6.2.1 Übersteigt die Anzahl der verkauften, bezahlten und nicht remittierten Exemplare im Hardcover/Trade Paperback 5.000 Exemplare, erhält die Übersetzerin ein zusätzliches Honorar in Höhe von 0,8% des Nettoladenverkaufspreises (des um die darin enthaltene Mehrwertsteuer verminderten Ladenverkaufspreises). Elektronische Ausgaben werden in die Berechnung der Anzahl der verkauften und bezahlten Exemplare einbezogen.
6.2.2 Übersteigt die Anzahl der verkauften, bezahlten und nicht remittierten Exemplare im Taschenbuch 5.000 Exemplare, erhält die Übersetzerin ein zusätzliches Honorar in Höhe von 0,4% des Nettoladenverkaufspreises (des um die darin enthaltene Mehrwertsteuer verminderten Ladenverkaufspreises). Elektronische Ausgaben werden in die Berechnung der Anzahl der verkauften und bezahlten Exemplare einbezogen.
6.3. Erlösbeteiligung
6.3.1 Die Übersetzerin erhält des Weiteren eine Beteiligung in Höhe von einem Fünftel des Autorenanteils an den Erlösen, die der Verlag durch die eigene Verwertung des übersetzten Werkes in Form von nicht der Buchpreisbindung unterliegenden Produkten erzielt; der Erlösanteil, den der Übersetzer erhält, darf nicht höher sein, als der Erlösanteil, der dem Verlag verbleibt; soweit bei der Nutzung des übersetzten Werkes von der Übersetzung in geringerem Umfang als vom Originalwerk Gebrauch gemacht wird, ist die Beteiligung des Übersetzers entsprechend geringer;
6.3.2 Die Übersetzerin erhält des Weiteren eine Beteiligung in Höhe von einem Fünftel des Autorenanteils an den Erlösen, die der Verlag dadurch erzielt, dass er Dritten das Recht zur Nutzung des übersetzten Werkes einräumt oder überträgt; der Erlösanteil, den der Übersetzer erhält, darf nicht höher sein, als der Erlösanteil, der dem Verlag verbleibt; soweit bei der Nutzung des übersetzten Werkes von der Übersetzung in geringerem Umfang als vom Originalwerk Gebrauch gemacht wird, ist die Beteiligung des Übersetzers entsprechend geringer.
Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Kosten der Rechtsmittel werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Übersetzerin; die Beklagte ist eine Verlagsgruppe. Die Parteien schlossen am 26. Juni/8. Dezember 2002 einen Vertrag, mit dem sich die Klägerin zur Übersetzung des Romans “Shopaholic ties the Knot” von Sophie Kinsella verpflichtete. In dem Vertrag ist unter anderem bestimmt:
§ 4 Rechteeinräumung
Die Übersetzung wird zu dem Zweck erstellt, den Verlag zu ihrer umfassenden und ausschließlichen Nutzung in allen sich bietenden Verwertungsarten in Stand zu setzen. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass diesem Zweck einer umfassenden und koordinierten Verwertung des Werks nur durch eine umfassende Einräumung der Nutzungsrechte für alle bekannten Nutzungsarten und Verwendungsformen gedient werden kann. Alle diese Nutzungsrechte sowie alle sonstigen aus dem Urheberrecht an dem Werk und seinen Bearbeitungen fließenden Rechte und Ansprüche werden dem Verlag deshalb räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkt zur gewerbsmäßigen Auswertung und treuhänderischen Verwaltung und Wahrnehmung eingeräumt.
Der Verlag ist zur Auswertung der nachfolgend genannten Nutzungsrechte und zur Wahrnehmung der hierfür im Gesetz festgelegten Vergütungsansprüche im eigenen Verlag oder durch Übertragung ausschließlicher oder einfacher Nutzungsrechte an fremde Unternehmen, auch durch Beauftragung von Verwertungsgesellschaften und Agenturen, berechtigt aber nicht verpflichtet. […]
Zu den dem Verlag eingeräumten Nutzungsrechten rechnen insbesondere die folgenden Rechte […]
§ 6 Honorar
6.1  Die Übersetzerin erhält für ihre Tätigkeit und für die Übertragung sämtlicher Rechte gemäß § 4 als Gegenleistung ein Honorar von 18 Euro pro Normseite (30 Zeilen à 60 Anschläge) des übersetzten Textes, zahlbar bei Manuskriptabnahme durch den Verlag, vorbehaltlich der Rechte aus § 9.1.
6.2 Erfolgsbeteiligung
6.2.1 Ersterscheinen als HC oder Trade Paperback-Ausgabe mit anschließendem TB bei der [Beklagten]
Übersteigt die Anzahl der verkauften und bezahlten Exemplare im Hardcover/Trade Paperback 30.000 Exemplare, erhält die Übersetzerin ein zusätzliches Honorar in Höhe von 0,5% des Nettoladenpreises. Übersteigt die Anzahl der verkauften und bezahlten Exemplare im Taschenbuch 150.000 Exemplare, erhält die Übersetzerin ein zusätzliches Pauschalhonorar in Höhe von 50% des Normseitenhonorars. Das Gleiche gilt fortlaufend in Schritten von jeweils weiteren 150.000 verkauften und bezahlten Exemplaren. […] Elektronische Ausgaben werden in die Berechnung der Anzahl der verkauften und bezahlten Exemplare derjenigen Buchausgabe einbezogen, die zuletzt vor Erscheinen der elektronischen Ausgabe veröffentlicht wurde.
6.2.2 Ersterscheinen als Taschenbuch
Übersteigt die Anzahl der verkauften und bezahlten Exemplare im ersterscheinenden Taschenbuch 100.000 Exemplare, erhält die Übersetzerin ein zusätzliches Pauschalhonorar in Höhe von 50% des Normseitenhonorars. Das Gleiche gilt fortlaufend in Schritten von jeweils weiteren 100.000 verkauften und bezahlten Exemplaren. […] Elektronische Ausgaben werden in die Berechnung der Anzahl der verkauften und bezahlten Exemplare einbezogen.
§ 7 Abrechnung
[…]
7.2 Der Verlag rechnet in jedem Jahr zum 30. Juni und zum 31. Dezember ab. Abrechnung und Zahlung erfolgen innerhalb von zwei Monaten nach diesen Terminen. […]
7.3  Der Verlag ist verpflichtet zur Überprüfung der Honorarabrechnungen, einen von der Übersetzerin beauftragten Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder vereidigten Buchsachverständigen, Einsicht in die für die Honorarabrechnung relevanten Bücher und Unterlagen zu gewähren. Die hierdurch anfallenden Kosten trägt der Verlag, wenn sich die Abrechnungen als fehlerhaft erweisen und die Differenz zu Lasten der Übersetzerin größer ist als 5% des Abrechnungsvolumens des letzten geprüften Abrechnungszeitraums.
2
Die Klägerin ist der Ansicht, die vereinbarte Vergütung sei nicht angemessen. Sie verlangt von der Beklagten die Einwilligung in die Änderung des Vertrages, durch die ihr die angemessene Vergütung gewährt wird.
3
Die Klägerin hat im Wege der Stufenklage beantragt, die Beklagte zu verurteilen
I. in die Abänderung des mit ihr bestehenden Übersetzungsvertrages vom 28. Dezember 2002 über das Werk mit dem Originaltitel “Shopaholic ties the Knot” von Sophie Kinsella mit folgender Fassung des § 6 einzuwilligen:
6.2. Die Übersetzerin erhält für ihre Tätigkeit und für die Übertragung sämtlicher Rechte als Gegenleistung zusätzlich zu dem Normseitenhonorar in Ziffer 6.1 eine Absatzvergütung in Höhe von 1% des Nettoladenverkaufspreises (des um die darin enthaltene Mehrwertsteuer verminderten Ladenverkaufspreises) für jedes verkaufte und bezahlte Exemplar in einer Hardcoverausgabe bis 20.000 Exemplare und 2% ab dem 20.001. Exemplar, sowie 0,5% des Nettoladenverkaufspreises für jedes verkaufte und bezahlte Exemplar in der Taschenbuchausgabe bis 20.000 Exemplare, 1% ab dem 20.001. Exemplar, 1,5% ab dem 40.000. Exemplar und 2% ab dem 100.000. Exemplar. Erscheint das Werk zunächst oder nur in einer Taschenbuchausgabe, so erhöhen sich die Prozentsätze für alle Exemplare, die vor dem etwaigen späteren Erscheinen einer Hardcover-Ausgabe verkauft werden, um jeweils 0,25%.
6.3. Von jeder weiteren Nutzung der Übersetzung (§ 4.1 bis 4.10) in zur [Beklagten] gehörenden Unternehmen erhält die Übersetzerin 2% vom Endabgabepreis.
6.4. Von sämtlichen Nettoerlösen, die beim Verlag insgesamt durch Einräumung von Lizenzen in Ausübung der in § 4.1 bis 4.10 eingeräumten Rechte eingehen, erhält die Übersetzerin 25%.
In § 7.3 Satz 2 wird nach dem Passus “wenn sich die Abrechnungen als fehlerhaft erweisen” ein Punkt eingefügt und der anschließende Passus “und die Differenz” bis “Abrechnungszeitraum” ersatzlos gestrichen.
Hilfsweise:
in die Abänderung des § 6 des Übersetzervertrages vom 26. Juni/8. Dezember 2002 zur Anpassung dahingehend einzuwilligen, dass ihr eine vom Gericht im Wege der freien Schätzung festzusetzende, angemessene Vergütung für die Übertragung der Urhebernutzungsrechte an ihrer Übersetzung des Werkes “Shopaholic ties the Knot” von Sophie Kinsella gewährt wird, die über das Honorar in § 6 des Übersetzervertrages vom 26. Juni/8. Dezember 2002 hinausgeht, wobei das Gericht gebeten wird, die Änderung entsprechend zu formulieren.
II. die aus der Abänderung und nach Auskunfts- und Rechnungslegung gemäß § 7.2 des Übersetzervertrages einschließlich der Abrechnung der Nettoerlöse gemäß Klageantrag I 6.3. und 6.4. in den Zeiträumen des § 7.2 sich ergebenden Beträge nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung an sie zu bezahlen (2. Stufe der Stufenklage).
4
Das Landgericht hat dem Hauptantrag durch Teilurteil stattgegeben.
5
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Teilurteil des Landgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt,
in eine Abänderung des zwischen den Parteien geschlossenen Übersetzervertrages über das Werk mit dem Originaltitel “Shopaholic ties the Knot” von Sophie Kinsella vom 8. Dezember 2002 dahingehend einzuwilligen, dass § 6 folgende Fassung erhält:
6.1 (bleibt unverändert)
6.2.1 Die Übersetzerin erhält zum Normseitenhonorar gemäß Ziffer 6.1 eine Absatzvergütung in Höhe von 1,5% des jeweiligen Nettoladenverkaufspreises (des um die darin enthaltene Mehrwertsteuer verminderten Ladenverkaufspreises) für jedes verkaufte, bezahlte und nicht remittierte Exemplar. Elektronische Ausgaben werden in die Verrechnung der Anzahl der verkauften, bezahlten und nicht remittierten Exemplare einbezogen. Dies gilt auch für Print- und elektronische Ausgaben von zur [Beklagten] gehörenden Unternehmen.
6.2.2 Die Übersetzerin erhält des Weiteren eine Absatzvergütung in Höhe von 1,5% des jeweiligen Händlerabgabepreises für die Verwertung von Nebenrechten (§ 4) in Form von nicht der Buchpreisbindung unterliegenden Produkten, sofern die Verwertung durch den Verlag selbst oder durch zur [Beklagten] gehörende Unternehmen erfolgt, wenn und soweit damit die von ihr gefertigte Übersetzung benutzt wird.
6.2.3 Die Übersetzerin erhält des Weiteren eine Beteiligung von 10% an den Nettoerlösen, die beim Verlag für die Einräumung von Nebenrechten (§ 4) eingehen, wenn und soweit die vergebenen Nebenrechte die Benutzung der von ihr gefertigten Übersetzung mit umfassen.
6.2.4 Das Normseitenhonorar nach Ziffer 6.1 ist auf die Absatzvergütung sowie gegebenenfalls noch auf die Beteiligung an den Nettoerlösen aus der Vergabe von Nebenrechten anzurechnen.
6
Dagegen haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte verfolgt ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.


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