IT- und Medienrecht

Urheberrechtsverletzung durch Filesharing bei ungesichertem Internetanschluss

Aktenzeichen  7 O 14719/12

Datum:
20.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2017, 116901
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 670, § 678, § 683
UrhG § 97a Abs. 4
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2, § 286
ECRL Art. 12 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

Der Betreiber eines WLAN ist als Störer anzusehen, wenn er seinen WLAN-Anschluss unzureichend sichert und dadurch einem außenstehenden Dritten ermöglicht das Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht zu verletzen. (red. LS Shanti Viktoria Sadacharam)

Verfahrensgang

C-484/14 2016-09-15 Urt EUGH EuGH Luxemburg

Tenor

I. Das Versäumnisurteil vom 16.01.2014 wird aufrechterhalten, soweit der Kläger damit verurteilt wurde, an die Beklagte EUR 506,- zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz hieraus seit dem 12.01.2011. zu zahlen. Weiter wird es aufrechterhalten, soweit damit die Klage abgewiesen wurde. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 16.012014 aufgehoben.
II. Der Kläger wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,-, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, es Dritte zu ermöglichen, über den Internetanschluss der Klägers das Musikalbum der Künstlergruppe oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen.
III. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
IV. Die durch die Säumnis des Klägers bedingten Kosten trägt der Kläger ebenso wie die Kosten des Rechtsstreits im Übrigen.
V. Das Urteil ist für die Beklagte in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,- vorläufig vollstreckbar. Im Übrigen ist es gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 16.01.2014 darf nur fortgesetzt werden, wenn die Sicherheit gemäß S. 2 geleistet ist.
sowie folgenden
Beschluss
Der Streitwert der Klage wird bis 27.03.2014 auf EUR 11.001,80, für die Zeit danach auf EUR 10.501,80 festgesetzt. Der Streitwert der Widerklage wird auf EUR 10.600,-festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klage ist teilweise unzulässig und teilweise unbegründet. Das klageabweisende Versäumnisurteil vom 16.01.2014 war daher aufrechtzuerhalten.
I. Mit seinem zuletzt gestellten Sachantrag Ziffer 2 begehrt der Kläger festzustellen, dass der Beklagten gegen den Kläger weder Unterlassungsansprüche noch Schadensersatz-, noch Aufwendungsersatzansprüche noch sonstige urheberrechtliche Ansprüche aus der angeblichen Urheberrechtsverletzung am 4.9.2010 betreffend das streitgegenständliche Werk zustehen, die mit der Abmahnung vom 29.10.2010 geltend gemacht wurden.
Jedenfalls mit Erhebung der Widerklage ist das Feststellungsinteresse für diesen Antrag entfallen, soweit er Unterlassungs-, Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche betrifft. Denn die Widerklage ist darauf gerichtet, den Kläger zu Unterlassung sowie zur Zahlung von Schadens- und Aufwendungsersatz zu verurteilen. Es handelt sich also um die zum negativen Feststelfungsantrag spiegelbildliche Leistungsklage.
Soweit der Kläger zudem begehrt, festzustellen, dass der Beklagten auch keine sonstigen urheberrechtlichen Ansprüche zustehen, ist der Antrag unbestimmt und daher unzulässig. Weder aus dem Klageantrag noch aus dem diesbezüglichen Vortrag geht hervor, welche urheberrechtlichen Ansprüche damit gemeint sind.
II. Auch in Bezug auf Sachantrag Ziffer 3 war das klageabweisende Versäumnisurteil vom 16.01.2014 aufrechtzuerhalten. Mit diesem Antrag verlangt der Kläger Zahlung von Gegenabmahnkosten in Höhe von 651,80 €. Dieser Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Er folgt weder aus § 97a Abs. 4 UrhG noch aus §§ 683, 670 BGB oder aus § 678 BGB. Denn jedenfalls war die Abmahnung der Beklagten nicht unberechtigt, schließlich steht der Beklagten gegen den Kläger ein Unterlassungsanspruch zu (s.u.).
B. Die zulässige Widerklage ist nur teilweise begründet, das Versäumnisurteil vom 16.01.2014 war daher teilweise aufzuheben und teilweise aufrechtzuerhalten.
I. Die Beklagte begehrt hauptsächlich, den Kläger zu verurteilen, es zu unterlassen, das Musikalbum … der Künstlergruppe … oder Teile daraus über Internet-Tauschbörsen zum elektronischen Abruf bereitzustellen. Dieser auf eine Haftung des Klägers als Täter abzielende Anspruch steht der Beklagten jedoch nicht zu. Insoweit war das diesen Anspruch zusprechende Versäumnisurteil vom 16.01.2014 daher aufzuheben und die Widerklage abzuweisen.
Davon, dass der Kläger nicht Täter der streitgegenständlichen Urhebertechtsverletzung ist, ist die Kammer gemäß § 286 ZPO nach ihrer individuellen Einschätzung überzeugt (Greger in: Zöller, ZPO, 30. Auflage, Rz. 13 zu § 286) im Sinne einer persönlichen Gewissheit, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Greger in: Zöller, ZPO, 30. Auflage, Rz. 19 zu § 286).
Der Kläger hat sowohl schriftsätzlich als auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung stets erklärt, die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung nicht selbst begangen zu haben. Dabei gab er im Rahmen der zweiten Anhörung am 16.03,2017 an, er selbst habe das streitgegenständliche Lied nicht im Internet angeboten. Die Datei des Liedes sei auf keinem seiner Rechner gespeichert. Dort befinde sich auch keine Filesharing Software. Schon bei seiner ersten Anhörung erklärte er, er selbst habe das streitgegenständliche Werk zur Tatzeit nicht filegeshared.
Dabei hat die Kammer vor allem der persönliche Eindruck des Klägers bei der zweiten Anhörung überzeugt. Auch der Umstand, dass sich der Kläger in Anbetracht des zeitlichen Abstands zwischen der ersten Anhörung im Juli 2014 und März 2017 bei seiner zweiten Anhörung nicht mehr an alle Details erinnern konnte trug zur Überzeugung der Kammer bei.
II. Der Beklagten steht als Inhaberin des Tonträgerherstellerrechts aber der hilfsweise auf Störerhaftung gestützte Unterlassungsanspruch zu. Zudem kann die Beklagte Zahlung von EUR 606,- zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 12.01.2011 verlangen. Das Versäumnisurteil war daher in diesem Punkt aufrechtzuerhalten.
Die Entscheidung Sommer unseres Lebens des Bundesgerichtshofs ist nicht nur auf Privatpersonen sondern erst recht auf Gewerbetreibende anzuwenden. Der Betreiber eines WLAN ist als Störer anzusehen, wenn er seinen WLAN-Anschluss unzureichend sichert und dadurch einem außenstehenden Dritten ermöglicht das Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht zu verletzen.
Davon, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt einen WLAN-Anschluss betrieben hat und dass er diesen nicht durch Passwort gesichert hat, ist die Kammer überzeugt. Der Kläger hat sowohl in den vorbereitenden Schriftsätzen als auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörungen erklärt, seinen WLAN-Anschluss offen betrieben zu haben. So erklärte er bei der ersten Anhörung, er habe das Bedürfnis gehabt, unter seinem auf Grund Eheschließung neuen Namen bekannt zu werden. In diesem Zusammenhang habe er die Idee gehabt, sein bisher verschlüsselt betriebenes WLAN bewusst für eigene Besucher aber auch Dritte zu öffnen, verbunden mit einer bewusst gewählten Bezeichnung des WLAN. Er sei davon überzeugt, dass der Zugang zum Internet frei sein solle.
In seiner zweiten Anhörung gab der Kläger an, die Vergabe eines Passworts hätte seiner Intention widersprochen, sein WLAN seinen Besuchern und umliegenden Nachbarn und deren Besuchern als Service anzubieten.
Auch diesbezüglich hat die Kammer vor allem der persönliche Eindruck des Klägers bei der zweiten Anhörung davon überzeugt, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt einen WLAN-Anschluss betrieben hat und dass er diesen nicht durch Passwort gesichert hat.
Zur Passwortsicherung seines Anschlusses war der Kläger jedoch verpflichtet. Denn die Auffassung, dass ein Anbieter seinen Intemetanschluss nicht sichern muss, liefe darauf hinaus, dem Grundrecht auf geistiges Eigentum jeden Schutz zu entziehen (EuGH Rz. 98). Daher haftet der Kläger schon jetzt auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten sofern sie der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs und nicht der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs dienen. Die geltend gemachten Abmahnkosten wurden allein aus dem Unterlassungsstreitwert errechnet.
Hieran ändert auch das Telemediengesetz bzw. die ECRL nichts. Denn zwar greift die ECRL. Dies ist schon dann der Fall, wenn die Leistung des WLAN-Angebots vom Anbieter zumindest zu Werbezwecken für von ihm verkaufte Güter oder angebotene Dienstleistungen erbracht wird (EuGH Rz. 34, 43). Das WLAN des Klägers diente in diesem Sinn zumindest auch Werbezwecken. Zwar lautete die SID des Routers zum Tatzeitpunkt aller Wahrscheinlichkeit nach … . Jedoch kam dem Angebot des WLANS noch eine gewisse Werbewirkung für das Geschäft des Klägers zu. Denn der Kläger gab bei seiner ersten Anhörung an, die SID seines WLAN benutzt zu haben, um seinen nach Heirat neuen Namen im Geschäftsleben bekannt zu machen. Weiter erklärte er, die Benennung des WLAN-Anschlusses habe der Werbung gedient. Dies hat die Kammer überzeugt.
Der Umstand, dass der WLAN-Anschluss des Klägers in den Schutzbereich des ECRL fällt, schließt jedoch eine Haftung des Klägers auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten nicht aus, soweit sie sich auf den Unterlassungsanspruch beziehen (EuGH Rz. 76-78). Denn Art. 12 Abs. 3 ECRL stellt klar, dass die Privilegierung nach Art. 12 Abs. 1 ECRL die Möglichkeit unberührt lässt, vom Diensteanbieter zu verlangen, die Urleberrechtsverletzung abzustellen und diese zu verhindern.
Dabei hat der EuGH festgestellt, dass die Verpflichtung zur Passwortsicherung hinreichend wirksam ist, wenn die Nutzer des WLAN-Anschlusses gleichzeitig ihre Identität offenbaren müssen, wenn sie das Passwort zu erhalten wollen (EuGH Rz. 96). Denn es reicht aus, dass die getroffenen Maßnahmen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände zumindest erschwert werden (EuGH Rz. 95). Passwortsicherung mit Identitätsfeststellung ist auch verhältnismäßig (EuGH Rz. 91).
III. Weiter wurde der Kläger mit dem Versäumnisurteil verurteilt, an die Beklagte EUR 600,- zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz hieraus seit dem 12.1.2011 zu zahlen. Der Antrag zielt auf die Zahlung von Schadensersatz ab. Ein Schadensersatzanspruch steht der Beklagten gegen den Kläger aber nicht zu. Denn Artikel 12 ECRL schließt Ansprüche auf Schadensersatz aus (EuGH .Rz. 74 f.). Insoweit war das diesen Anspruch zusprechende Versäumnisurteil vom 16.01.2014 aufzuheben und die Widerklage abzuweisen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr.; 1, 269 Abs. 3 S, 2 ZPO. Der Kläger obsiegt in Bezug auf den Schadenersatzanspruch der Beklagten i.H.v. EUR 600,-. Die Beklagte obsiegt hinsichtlich der Klage voll bzw. hat der Kläger die Kosten nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zu tragen (EUR 11.001,80). Zudem gewinnt die Beklagte im Unterlassungsantrag (EUR 10.000) sowie in Bezug auf die geltend gemachten Abmahnkosten über EUR 506,-. .
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO. Die Höhe der Sicherheit hinsichtlich des Unterlassens war so zu bemessen, dass der Schuldner aus ungerechtfertigter Vollstreckung geschützt wird (Herget in: Zöller, ZPO, 30, Auflage, Rz. 3 zu § 709)
D. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 3, 39 Abs. 1, 45 Abs, 1 S. 1, 45 Abs. 1 S. 2, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 2, 3 ZPO. Es wird auf die Begründung zur vorläufigen Streitwertfestsetzung mit Beschluss vom 05.12.2013 (Bl. 87/88 d.A.) verwiesen. Hinsichtlich der Klage war der Streitwert zu staffeln, weil der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag Ziffer 2 mit Schriftsatz vom 26.03.2014, bei Gericht eingegangen am 28.03.2014 zurückgenommen hat. Haupt- und Hilfsantrag der Widerklage waren nicht zu addieren, weil sie denselben Gegenstand betreffen. Klage und Widerklage sind hinsichtlich eines Betrags von 10.350,- EUR nämlich.


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