IT- und Medienrecht

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Einleitung eines berufsständischen Verfahrens gegen eine Psychotherapeutin

Aktenzeichen  2 O 3/18

Datum:
25.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39801
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91, § 709
BGB § 823 Abs. 1, Abs. 2
StGB § 186

 

Leitsatz

Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Im Einzelfall sind hierbei  insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu betrachten. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen. Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsverletzung findet ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat keinen Schmerzensgeldanspruch und keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte.
1. Es besteht kein Schmerzensgeldanspruch (§§ 823 I, 253 II, BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG).
a. Nach dem Klagevortrag bleibt unklar, welche Behauptungen des Beklagten nun unwahr sein sollen. Die Klägerin führt lediglich aus, dass teilweise die besagten Anrufe überhaupt nicht erfolgt seien, jedenfalls aber nicht durch die Klägerin. Teilweise enthielten sie lediglich berechtigte Kritik, die von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen seien. Welche Anrufe nun von der Klägerin nicht getätigt worden sein sollen, erläutert die Klägerin nicht. In der mündlichen Verhandlung gab der Klägervertreter an, dass drei Anrufe tatsächlich von der Klägerin bei der Beklagten erfolgten. Wann diese jeweils erfolgt seien, könne er nicht sagen. Die zugestandenen Anrufe mögen auch kritisch gewesen sein. Nach Ansicht der Klägerin soll sich nun das Gericht heraussuchen, welche Anrufe von ihr erfolgt sind und welche nicht. Aufgrund der nachfolgenden Ausführungen kann jedoch dahinstehen, welche Anrufe mit welchem Inhalt von der Klägerin beim Beklagten erfolgt sind und welche Anrufe nicht erfolgt sind.
b. Unabhängig von der Frage, ob die Einleitung eines standesrechtlichen Verfahrens eine Persönlichkeitsrechtsverletzung begründen kann, begründet das Verhalten des Beklagten jedenfalls keinen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Schmerzensgeld. Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (BGH NJW-RR 2016, 1136 Tz. 9). Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der besagten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen. Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsverletzung findet ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde.
c. Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung einer Geldentschädigung nicht erforderlich. Unstreitig hat die Klägerin beim Beklagten dreimal angerufen und Kritik geäußert. Diese Äußerungen waren für den Beklagten der Anlass, sich an die PTK mit einer Problemanzeige hinsichtlich der Klägerin zu wenden. Bei den von der Klägerin beanstandeten Äußerungen und Behauptungen des Beklagten gegenüber der PTK handelt es sich um keine groben Beleidigungen im persönlichen Umfeld. Der Beklagte hat der PTK ein Verhalten der Klägerin mitgeteilt, das aus seiner Sicht Zweifel an der Eignung der Klägerin als Psychotherapeutin habe aufkommen lassen. Er behauptete in seiner Problemanzeige an die PTK, die Klägerin habe in einer Vielzahl von Anrufen in seiner Einrichtung und auch bei Dritten ihren Unmut über die vorgeblichen Unzulänglichkeiten in seiner Einrichtung und der hier stattfindenden Maßnahme in herabwürdigender, ehrverletzender und keineswegs standesgemäßer Art und Weise vorgebracht. Die Äußerungen und Behauptungen des Beklagten erfolgten also nicht in der Öffentlichkeit. Der Beklagte wandte sich vielmehr an die PTK als berufsaufsichtliche Einrichtung gegenüber der Klägerin. Die Öffentlichkeit hat von der Problemanzeige des Beklagten keine Kenntnis erlangt. Die PTK hat die Problemanzeige des Beklagten neutral untersucht und die Sache nach Anhörung der Klägerin „eingestellt“. Die mit den persönlichen Vorwürfen etwa verbundenen Beeinträchtigungen der Klägerin könnten befriedigend durch einen Unterlassungstitel aufgefangen werden. Die Klägerin kann auch wegen etwaiger Beleidigungen den Privatklageweg beschreiten und sich auch dadurch Genugtuung verschaffen. Für die Zahlung einer Geldentschädigung ist aufgrund der Umstände des Streitfalls daneben kein Raum.
2. Es besteht auch kein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten, die der Klägerin im Zusammenhang mit dem berufsaufsichtlichen Verfahren entstanden sind (§ 823 I BGB, Art. 2 I GG).
a. Der Beklagte handelte unabhängig von der Frage, ob eine Persönlichkeitsrechtsverletzung bei der Klägerin eingetreten ist, nicht rechtswidrig.
b. Das Betreiben eines gesetzlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege oder Verwaltung stellt, soweit ein subjektiv redliches Verhalten vorliegt, im Grundsatz gegenüber dem anderen Verfahrensbeteiligten kein rechtswidriges Handeln dar, selbst wenn sich das Begehren als ungerechtfertigt erweist und der andere Beteiligte über das Verfahren hinaus Nachteile hat (Palandt/Sprau, BGB, 77. A., § 823 Rz. 37). Deshalb darf im Grundsatz auch jeder (angebliche) Missstände gegenüber dem Betroffenen erwähnen und den Stellen anzeigen, die zu deren Beseitigung berufen sind (Palandt/Sprau, a.a.O.). Sein Verhalten ist, auch wenn es Schaden verursacht, wegen seiner verfahrensrechtlichen Legalität rechtmäßig (Palandt/Sprau, a.a.O.). Denn der Antragsteller ist mangels Selbsthilferechts auf die gesetzlichen Verfahren angewiesen. Der Betroffene kann sich in dem Verfahren selbst gegen einen rechtswidrigen Eingriff wehren (Palandt/Sprau, a.a.O.). Eine andere Beurteilung würde die Rechtspflege und Verwaltung lahmlegen und damit einem rechtsstaatlichen Gebot zuwiderlaufen (Palandt/Sprau, a.a.O.). Etwas anderes gilt bei unredlichem Verhalten, also bei bewusst oder leichtfertig unwahren Behauptungen bzw. Schmähkritik oder wenn das Verfahren den Schutz des Verfahrensgegners nicht hinreichend gewährleisten kann.
c. Eine Schmähkritik des Beklagten hinsichtlich der Klägerin liegt hier nicht vor. Die Problemanzeige des Beklagten befasst sich sachlich mit dem Verhalten der Klägerin. Der Beklagte beurteilt dabei das Verhalten der Klägerin als herabwürdigend, ehrverletzend und keineswegs standesgemäß. Eine Schmähung liegt nicht bereits wegen der herabsetzenden Wirkung einer Äußerung für Dritte vor, selbst wenn es sich um eine überzogene oder ausfällige Kritik handelt (vgl. BVerfGE 82, 272 [284] = NJW 1991, 95). Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (NJW-RR 2000, 1712). Dies ist hier offensichtlich nicht gegeben und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Dem Beklagten ging es mit seiner Problemanzeige darum, sich gegen die unstreitig erfolgten kritisierenden Anrufe der Klägerin zu wehren.
d. Es liegt auch kein unredliches Verhalten des Beklagten vor. Nach eigenem Vorbringen der Klägerin hat sie zumindest dreimal beim Beklagten angerufen und Kritik geäußert. In welcher Art und Weise, wie oft und wem gegenüber die Klägerin die Kritik geäußert hat oder wie der Beklagte diese verstanden hat, ist streitig, kann aber dahin stehen. Jedenfalls hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten Kritik geäußert. Die Telefonanrufe, die die Klägerin auch zum Teil einräumt, haben den Beklagten veranlasst, sich bei der PTK über die Klägerin zu beschweren. Das Einschalten der PTK war durchaus angezeigt, da die PTK auch die Wahrung des Ansehens des Berufsstandes und die Geeignetheit zur Berufsausübung in gesundheitlicher Hinsicht zu prüfen hat. Nach § 30 II der Berufsordnung der PTK kann ein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten einer Psychotherapeutin dann eine berufsrechtlich zu ahndende Pflichtverletzung sein, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für die Ausübung oder das Ansehen dieses Berufes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Nach § 17 II der Berufsordnung können sich Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in kollegialer Weise auf Vorschriften der Berufsordnung aufmerksam machen. Sie verletzen ihre Pflicht zur Kollegialität auch dann nicht, wenn sie bei Vorliegen eines begründeten Verdachts die Kammer auf einen möglichen Verstoß einer Kollegin oder eines Kollegen gegen die Berufsordnung hinweisen. Nach § 3 I der Berufsordnung sind Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit ihrem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Sie haben nach § 3 VIII der Berufsordnung bei ihrem öffentlichen Auftreten alles zu unterlassen, was dem Ansehen des Berufsstandes schadet. Der Beklagte hat in seiner Problemanzeige an die PTK das Auftreten der Klägerin gerügt und dieses als herabwürdigend, ehrverletzend und keineswegs standesgemäß bewertet. Die Klägerin hat sich zu den Vorwürfen des Beklagten teilweise eingelassen und kritisierende Äußerungen dem Grunde nach eingeräumt, dabei aber die Ansicht vertreten, diese seien von ihrer Meinungsfreiheit gedeckt gewesen.
Aufgrund der vorliegenden Umstände liegt kein unredliches Verhalten des Beklagten vor.
3. Die Klägerin hat daher auch keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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