IT- und Medienrecht

Vertragsstrafe und sekundäre Darlegungslast des Halters beim vertragswidrigen Parken auf bewirtschafteten Privatparkplätzen

Aktenzeichen  1 C 296/17

Datum:
1.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142460
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Schweinfurt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 138 Abs. 3
BGB § 305 Abs. 2, § 305c, § 307 Abs. 1 S. 1, § 309 Nr. 5, Nr. 6

 

Leitsatz

1 Steht an der Einfahrt eines Supermarktparkplatzes ein Schild, wonach das Parken außerhalb der Geschäftszeiten nur mit Parkschein zulässig und bei Fahrzeugen, die außerhalb der Geschäftszeiten ohne Parkticket geparkt werden, eine Vertragsstrafe von 22 € verwirkt ist, so kommt mit dem Abstellen des Fahrzeugs auf dem Parkplatz ein entsprechender Vertrag zustande.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Vereinbarung der Vertragsstrafe ist wirksam; es handelt sich insbesondere weder um eine überraschende Klausel iSv § 305c BGB, noch ist die Klausel nach § 309 Nr. 5 BGB, § 309 Nr. 6 BGB oder § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. (Rn. 17 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bestreitet der Halter eines Fahrzeugs, das außerhalb der Geschäftszeiten auf dem Parkplatz geparkt war, das Fahrzeug selbst dort abgestellt zu haben, so greift der Beweis des ersten Anscheins, wenn das Fahrzeug grundsätzlich nur von ihm genutzt wird (entgegen LG Kaiserslautern BeckRS 2015, 20571). Der Anscheinsbeweis ist erschüttert, wenn das Auto auch von dritten Personen genutzt wird. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4 Den Halter des Fahrzeugs trifft gegebenenfalls eine sekundäre Darlegungslast dahingehend, dass er mitteilen muss, welche Kenntnisse er über die Nutzung seines Pkws zum fraglichen Zeitpunkt hatte (vgl. BGH BeckRS 2017, 126760). (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. ~
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 48,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die negative Feststellungsklage, ist unbegründet, da seitens der Beklagten tatsächlich ein Anspruch über die geltend gemachten Kosten und Vertragsstrafen besteht.
Die Beklagte ist berechtigt, den Parkplatz im streitgegenständlichen Zeitraum zu bewirtschaften. Unstrittig gehört der Parkplatz der Firma N. Dass mit dieser eine Vereinbarung über die Bewirtschaftung besteht, ist durch den vorgelegten Vertrag zwischen der Beklagten und der Firma N. nachgewiesen.
Auch ist hier von einem konkludent geschlossenen Vertrag auszugehen. Das Fahrzeug des Beklagten wurde unstreitig auf dem Parkplatzgelände zum streitgegenständlichen Zeitpunkt geparkt. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger selbst das Fahrzeug dort abgestellt hat (vgl. hierzu dem Ergebnis entsprechend Amtsgericht Würzburg, Endurteil vom 13.09.2012, Az.: 15 C 1155/12, Beck Rs 2016 Nr. 17746). Grundsätzlich hätte die Beklagte nachzuweisen, dass der Kläger das Fahrzeug dort abgestellt hat. Jedoch käme ein Anscheinsbeweis zugunsten der Beklagten zum Tragen, sofern das Fahrzeug nur vom Kläger genutzt würde. Dann wäre nämlich anzunehmen, dass er dieses Fahrzeug auch am streitgegenständlichen Tag genutzt hätte. Ein derartiger Anscheinsbeweis wäre jedoch erschüttert, sofern das Auto auch von dritten Personen genutzt würde. Wer das Auto jedoch tatsächlich nutzt, entzieht sich der Kenntnis der Beklagten, da diese am streitgegenständlichen Parkplatz nicht dauerhaft zugegen ist. Insofern trifft den Kläger eine entsprechende Darlegungslast, sodass er mitteilen muss, welche Kenntnisse er über die Nutzung seines Pkws zum fraglichen Zeitpunkt hatte (Vgl. hierzu BGH Urteil vom 06.10.2016, Az. 1 ZR 154/15, Grur 2017, Seite 386 ff. zur sekundären Darlegungslast eines Internetanschlussinhabers). Insofern erscheint die Rechtsprechung des BGH zur sekundären Darlegungslast eines Internetanschlussinhabers bei dessen Nutzung durch Dritte auf den vorliegenden Fall übertragbar zu sein. In beiden Fällen ist es dem jeweils Geschädigten nicht möglich, den tatsächlichen Nutzer zu kennen. Die einzige Person, dem dies zumindest theoretisch möglich wäre, ist der Anschlussinhaber, bzw. hier der Halter des Fahrzeugs. Dieser Darlegungslast ist der Kläger trotz des ausdrücklichen Hinweises der Beklagten nicht nachgekommen. Insofern gilt die Behauptung der Klagepartei als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO. Die vom Kläger angeführte Rechtssprechung des Landgerichts Kaiserslautern, (Urteil vom 27.10.2015, Az. 1 S 53/15, zitiert aus NZV 2016, Seite 483 ff.) übersieht den Aspekt der sekundären Darlegungslast. Insofern überzeugt das Urteil insbesondere im Hinblick auf die vergleichbare Rechtsprechung des BGH nicht. Der Rechtsprechung des Landgerichts Kaiserlautern ist auch nicht alleine deswegen der Vorzug zu geben, weil es sich um relativ junge Rechtsprechung handelt.
Auch greift das vom Kläger genannte Argument, dass durch eine derartige Darlegungslast sein Zeugnisverweigerungsrecht ausgehölt würde, nicht. Zwar ist es zutreffend, dass dem Kläger in einem Verfahren gegen einen Familienangehörigen ein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde. Sofern dieser Verwandte jedoch tatsächlich das Fahrzeug zum streitgegenständlichen Zeitpunkt genutzt hätte, dürfte er aufgrund der prozessualen Wahrheitspflicht in dem anderen Verfahren dies auch nicht bestreiten. Insofern wäre über diese Frage schon nicht Beweis zu erheben, sodass das Zeugnisverweigerungsrecht nicht ausgehölt würde.
Hier liegt auch eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung vor. Die AGB der Beklagen sind wirksam nach § 305 Abs. 2 BGB, durch die Ausstellung am Parkscheinautomaten und den Hinweis auf den Schildern, einbezogen. Der Nachweis, dass die Schilder auf dem Parkplatz angebracht sind, ergibt sich aufgrund der vorgelegten Lichtbilder.
Die Klausel zur Vertragsstrafe ist auch wirksam.
Es handelt sich um keine überraschende Klausel nach § 305c BGB. Es liegt für jeden vernünftigen Betrachter auf der Hand, dass ein Supermarkt, der einen Parkplatz vorhält, nur seinen eigenen Kunden ein kostenloses Parken ermöglichen möchte, sodass zumindest.außerhalb seiner Geschäftszeiten es nicht überraschend ist, wenn Entgelte erhoben werden, (vgl. hierzu auch Landgericht Kaiserslautern, a. a. 0.).
1 Des Weiteren ist § 309 Nr. 6 nicht einschlägig.
Die Einstellungsbedingungen verstoßen auch nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung liegt nicht vor, da die Vertragsstrafe im Bezug auf die berechtigten Interessen der Beklagten an der wirtschaftlichen Nutzung des Parkplatzes, der damit verbundenen Überwachung und den hieraus resultierenden Kosten, nicht außer Verhältnis steht. Nur mit Hilfe einer entsprechend deutlich über den Stundensätzen liegenden Vertragsstrafe kann der unberechtigten Nutzung sinnvoll vorgebeugt werden.
Des Weiteren ist auch § 309 Nr. 5 BGB nicht einschlägig, da es sich bei der Vertragsstrafe nicht um eine Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen handelt. Zwar könnten die weiteren Regelungen bzgl. der Halterermittlungskosten und Schreibkosten hiergegen verstoßen. Jedoch ergibt sich einer derartiger Anspruch auf Erstattung dieser Kosten auch ohne diese Regelung daraus, dass der Kläger mit dem unberechtigten Parken gegen seine Vertragspflichten aus dem konkludent geschlossenen Vertrag verstoßen hat, sodass er für den hieraus entstehenden Schaden, also die Halterermittlungskosten und die weiteren Schreibkosten, einzustehen hätte.
Die von der Beklagten mit Schreiben vom 04.07.2016 geltend gemachten Ansprüche sind somit rechtmäßig. Des Weiteren sind auch die Ansprüche des Schreibens vom 26.02.2017 berechtigt. Die Beauftragung der Inkassofirma wird durch den vorgelegten Auftrag nachgewiesen. Spätestens nach der Zahlungserinnerung bestand auch Verzug, sodass die Inkassokosten als Verzugskosten zu erstatten sind. ?
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO. Die Berufung gegen das Urteil wird nach §§ 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Soweit ersichtlich, besteht zu dieser Frage keine einheitliche Rechtsprechung.


Ähnliche Artikel

Unerwünschte Werbung: Rechte und Schutz

Ganz gleich, ob ein Telefonanbieter Ihnen ein Produkt am Telefon aufschwatzen möchte oder eine Krankenkasse Sie abwerben möchte – nervig können unerwünschte Werbeanrufe, -emails oder -schreiben schnell werden. Was erlaubt ist und wie Sie dagegen vorgehen können, erfahren Sie hier.
Mehr lesen

Was tun bei einer negativen Bewertung im Internet?

Kundenbewertungen bei Google sind wichtig für Unternehmen, da sich potenzielle Neukunden oft daran orientieren. Doch was, wenn man negative Bewertungen bekommt oder im schlimmsten Fall sogar falsche? Das kann schädlich für das Geschäft sein. Wir erklären Ihnen, was Sie zu dem Thema wissen sollten.
Mehr lesen

Der Influencer Vertrag

In den letzten Jahren hat sich Influencer Marketing einen starken Namen in der Werbebranche gemacht. Viele Unternehmen setzen auf platzierte Werbeanzeigen durch Influencer. Was jedoch zwischen Unternehmer und Influencer vertraglich im Vorfeld zu beachten ist, werden wir Ihnen im Folgenden erläutern.
Mehr lesen


Nach oben