IT- und Medienrecht

Verwaltungsakt, Bescheid, Festsetzungsbescheid, Zwangsvollstreckung, Vollziehung, Hinterlegung, Gerichtsvollzieher, Vollstreckung, Erpressung, Kostenentscheidung, Wohnung, Zustellung, Aufhebung, Sozialleistungen, Kosten des Verfahrens, aufschiebende Wirkung, Aufgabe zur Post

Aktenzeichen  B 3 K 20.283

Datum:
14.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44322
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis vom 03.01.2020. Nachdem er keinen konkreten Antrag gestellt hat, ist sein Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass der Beklagte verpflichtet werden soll, die Zwangsvollstreckung aus diesem Ausstandsverzeichnis für unzulässig zu erklären und einzustellen (§ 88 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären und einzustellen.
Nach Art. 7 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung rundfunkrechtlicher Staatsverträge – Ausführungsgesetz Rundfunk – AGRf – werden rückständige Rundfunkbeiträge nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – sowie Zinsen, Kosten und Säumniszuschläge, die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i.V. m. den entsprechenden Satzungsregelungen zu entrichten sind, im Vollstreckungsverfahren nach den Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes beigetrieben. Hiernach können Verwaltungsakte, die auf die Leistung einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung gerichtet sind, vollstreckt werden, wenn der Verwaltungsakt entweder unanfechtbar ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG) oder ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung entfaltet (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG) bzw. die sofortige Vollziehung angeordnet ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG), die Verpflichtung zur Zahlung noch nicht erfüllt ist (Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG), der zu vollstreckende Verwaltungsakt dem Leistungspflichtigen zugestellt worden ist (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG), die Forderung fällig ist (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG) und der Leistungspflichtige gemahnt wurde (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG). Außerdem muss eine Vollstreckungsanordnung vorliegen, die den Anforderungen des Art. 24 BayVwZVG genügen muss.
Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes wird im Vollstreckungsverfahren jedoch grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nur nach Maßgabe des Art. 21 BayVwZVG hat der Schuldner im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit, materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch geltend zu machen. Gemäß Art. 21 Satz 2 VwZVG sind derartige Einwendungen jedoch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind (z.B. Erfüllung, Verzicht bzw. Erlass oder Stundung der Forderung) und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können.
Im vorliegenden Fall sind alle Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt.
a. Dem Kläger sind insbesondere die der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen vom 03.01.2020 zugrundeliegenden Bescheides des Beklagten vom 02.11.2017, 01.12.2017, 02.02.2018, 04.05.2018 und 02.09.2019 ordnungsgemäß zugestellt worden. (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG).
Die Zustellung des der Zwangsvollstreckung zu Grunde liegenden Leistungsbescheides richtet sich nach Art. 1 bis 17 BayVwZVG. Es ist mithin die Zusendung von schriftlichen Bescheiden durch einfachen verschlossenen Brief gemäß Art. 17 Abs. 1 BayVwZVG möglich. Gemäß Art. 17 Abs. 2 BayVwZVG gilt bei der Zusendung durch einfachen Brief die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt. Auf der bei den Akten verbleibenden Urschrift ist der Tag der Aufgabe zur Post zu vermerken. Nach Art. 17 Abs. 4 Satz 2 BayVwZVG können bei der Zustellung maschinell erstellter Bescheide – wie vorliegend der Fall – an Stelle des Vermerks die Bescheide nummeriert und die Absendung in einer Sammelliste eingetragen werden. Der Beklagte hat vorliegend die Voraussetzungen der gesetzlichen Zugangsvermutung des Art. 17 Abs. 2 VwZVG nachgewiesen. Er hat insbesondere durch die Vorlage der sogenannten Postauslieferungsvermerke aus der History-Aufstellung des Rundfunkbeitragskontos des Klägers und durch Vorlage der entsprechenden Bescheidsabdrucke (enthalten in der vorgelegten Verwaltungsakte) nachgewiesen, dass er den Festsetzungsbescheid vom 02.11.2017 am 10.11.2017, den Festsetzungsbescheid vom 01.12.2017 am 07.12.2017, den Festsetzungsbescheid vom 02.02.2018 am 13.02.2018, des Festsetzungsbescheid vom 04.05.2018 am 14.05.2018 und den Festsetzungsbescheid vom 02.09.2019 am 04.09.2019, jeweils versehen mit der korrekten Anschrift des Klägers, der Post als einfachen Brief zur Beförderung übergeben hat und dass keiner dieser Beitragsbescheide als unzustellbar zurückgekommen ist. Unter diesen Umständen kann von einer wirksamen Bekanntgabe der Bescheide ausgegangen werden. Irgendwelche konkreten, schlüssig dargelegten oder glaubhaft gemachten Umstände, die diesen Beweis des ersten Anscheins hätten erschüttern können und die es zumindest als naheliegend erscheinen ließen, dass es eben doch nicht zu dem Zugang der Bescheide gekommen ist, hat der Kläger nicht einmal im Ansatz vorgetragen. Angesichts des Umstandes, dass dem Kläger die Schreiben des Gerichtsvollziehers sowohl unter seiner damaligen Anschrift in … und nunmehr unter seiner aktuellen Adresse zugegangen sind, erscheint es in hohem Maße unwahrscheinlich, dass alle fünf Bescheide im Postbetrieb verloren gegangen sein könnten. Der Kläger hat vorliegend lediglich pauschal und substanzlos bestritten, die fünf Festsetzungsbescheide nicht erhalten zu haben.
b. Gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG sind die Festsetzungsbescheide auch bestandskräftig geworden.
Nach Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Damit gilt der Bescheid vom 02.11.2017 (zur Post gegeben am 10.11.2017) als am 13.11.2017, der Bescheid vom 01.12.2017 (zur Post gegeben am 07.12.2017) als am 10.12.2017, der Bescheid vom 02.02.2018 (zur Post gegeben am 13.02.2018) als am 16. 02.2018, der Bescheid vom 04.05.2018 (zur Post gegeben am 14.05.2018) als am 17.05.2018 und der Bescheid vom 02.09.2019 (zur Post gegeben am 04.09.2019) als am 07.09.2019 bekannt gegeben. Da der Kläger gegen diese Bescheide innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe weder fristgemäß Widerspruch eingelegt, noch Klage erhoben hat, sind die o.g. Bescheide im Zeitpunkt des Vollstreckungsersuchens allesamt bestandskräftig gewesen.
Im Übrigen hätten Rechtsbehelfe gegen diese Beitragsbescheide, da sie gemäß § 80 Abs. 2 Nr.1 VwGO sofort vollziehbar sind, auch keine aufschiebende Wirkung gehabt (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG).
c. Nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG waren die mit diesen Bescheiden festgesetzten Rundfunkbeiträge auch fällig, weil der Rundfunkbeitrag gemäß § 7 Abs. 3 RBStV kraft Gesetzes monatlich geschuldet und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten ist. Der Kläger ist zudem mit Schreiben vom 19.03.2018 und 17.10.2019 gemäß Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG ergebnislos gemahnt worden.
d. Der Kläger hat seine Verpflichtung zur Zahlung der in diesen Bescheiden geltend gemachten Rundfunkbeiträge nicht erfüllt (Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG).
e. Schließlich genügt das Vollstreckungsersuchen des Beklagten vom 03.01.2020 auch den formellen Anforderungen des Art. 24 BayVwZVG.
Die Vollstreckungsvoraussetzungen lagen damit alle vor.
Soweit der Kläger sich allgemein gegen die Erhebung des Rundfunkbeitrags wendet und meint, er hätte für die maßgeblichen Zeiträume befreit werden müssen, ist auszuführen, dass diese Einwendungen gegen die zugrundeliegenden Bescheide im Vollstreckungsverfahren nicht mehr geprüft werden.
Lediglich ergänzend führt das Gericht hierzu aus, dass Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrages der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV ist. Dieser ist, in Ansehung der Rechtsprechung des EuGH mit Urteil vom 13.12.2018, Az. C-492/17, europarechtskonform. Auch an dessen Verfassungsmäßigkeit hat das Gericht nach seiner ständigen Rechtsprechung in Bezug auf Erstwohnsitze keinen Zweifel. Diesbezüglich wird auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18.07.2018, Az. 1 BvR 1675/16, und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 18.03.2016, Az. 6 C 6.15, die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH) vom 15.05.2014, Az. Vf 8-VII-12, Vf. 24-VII-12, und die Urteile des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 13.05.2014, Az. VGH B 35/12, des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 03.03.2016, Az. 2 S 986/15, sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) vom 19.06.2015, Az. 7 BV 14.1707, vom 21.07.2015, Az. 7 BV 14.1772, vom 30.10.2015, Az. 7 BV 15.344, und vom 08.04.2016, Az. 7 BV 15.1779, verwiesen. Die Einzelrichterin schließt sich diesen Entscheidungen, die sich auch ausführlich mit den damit verbundenen Rechtsfragen auseinandergesetzt haben, an.
Deshalb stellen die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags eine taugliche, verfassungs- und europarechtskonforme Grundlage zur Erhebung des Rundfunkbeitrags dar.
Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist im Übrigen nicht zu prüfen und zu entscheiden, ob etwaige Programmkritik bzw. etwaige Vorwürfe hinsichtlich der Ausgewogenheit des Programminhaltes zutreffen. Solches lässt die Rundfunkbeitragspflicht selbst unberührt. Es ist Aufgabe der hierzu berufenen Gremien, insbesondere der Programmkommission und der Rundfunkräte, über die ordnungsgemäße Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu wachen und erforderlichenfalls entsprechend Einfluss, etwa auf die Programmgestaltung zu nehmen (vgl. VG Schleswig, U.v. 18.12.2017 – 4 A 207/16 – BeckRS 2017, 139412, beck-online; VG München, U. v. 3.8.2016 – M 26 K 16.60 -, juris, Rn. 38 m. w. N.). Sollten die hierzu berufenen Gremien ihren Kontrollpflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen, stehen entsprechende rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung (s. etwa Beschwerde nach Art. 19 Bayerisches Rundfunkgesetz – BayRG). Es gibt kein subjektiv-öffentliches, einklagbares Recht auf eine bestimmte Berichterstattung in Presse, Rundfunk oder Fernsehen. Unter sehr engen Voraussetzungen mag es möglich sein, eine Berichterstattung zu unterbinden, etwa, wenn sie zu irreparablen Verletzungen der Persönlichkeitsrechte führen würde. Umgekehrt besteht aber kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Berichterstattung.
Soweit der Kläger meint, er hätte für den streitigen Zeitraum befreit werden müssen, kann er hiermit nunmehr ebenfalls nicht durchdringen. Ausweislich des Akteninhalts ist dem Kläger in dem streitbefangenen Zeitraum keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gewährt worden. Die im Rahmen des Klageverfahrens mit Schreiben vom 23.07.2020 vorgelegten Bescheinigungen des Jobcenters … Stadt betreffen erst den Zeitraum ab 01.01.2020.
Der Beklagte hatte in diesem Verfahrensstadium auch nicht mehr zu prüfen gehabt, ob sich die der Frau … mit Bescheid vom 28.07.2017 gewährte Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 RBStV auf den Kläger erstreckt (§ 4 Abs. 3 RBStV). Denn wie bereits oben ausgeführt, sind die Festsetzungsbescheide bestandskräftig geworden. Zwar war der Beklagte kulanzweise bereit, eine entsprechende Prüfung vorzunehmen. Die Angaben des Klägers konnten jedoch offenbar nicht zu einer Erledigung des Rechtsstreits führen.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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