IT- und Medienrecht

Verwaltungsgerichte, Säumniszuschlag, Beitragspflichtiger, Widerspruchsbescheid, Anfechtungsklage, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vollstreckungsankündigung, Kostenentscheidung, Rundfunkbeiträge, Rundfunkbeitragspflicht, Beitragsbescheid, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, Festsetzungsbescheid, Aufhebung, Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, Prozeßkostenhilfeverfahren, Rundfunkangebot, Besonderer Härtefall

Aktenzeichen  M 26b K 17.5311

Datum:
18.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6314
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RBStV
VwGO § 84

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.  
II.    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Auf ein Einverständnis der Beteiligten kommt es nicht an (Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 84 Rn. 10).
1. Soweit sich die Klage gegen die Festsetzungsbescheide vom 1. April 2017 und vom 2. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2017 richtet, ist sie als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet.
Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass Gegenstand der Klage die Aufhebung der Festsetzungsbescheide, nicht aber die Befreiung der Klägerin von der Beitragspflicht ist, da über den entsprechenden Befreiungsantrag der Klägerin vom … Dezember 2013, der auf gesundheitliche Gründe gestützt war, bereits rechtskräftig ablehnend entschieden wurde.
1.1. Formelle Mängel der streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids wurden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich.
1.2. Auch materiell-rechtlich ist die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen nicht zu beanstanden.
1.2.1. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – RBStV – (in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.6.2011 [GVBl S. 258] sowie § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags -RFinStVin der Fassung der Bekanntmachung vom 27.7.2001 [GVBl S. 566]. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist nach Zustimmung der Landesparlamente und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten (s. Art. 7 Abs. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags; s. BayVerfGH, E.v.14.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris Rn. 57). Mit dem Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags vom 17. Mai 2011 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011(GVBl S. 258) kommt ihm die Wirkung eines bayerischen Landesgesetzes zu.
Die Verpflichtung zur Leistung von Rundfunkbeiträgen beruht somit unmittelbar auf einer landesgesetzlichen Grundlage. Eines Vertragsschlusses zwischen dem Beitragspflichtigen und dem Beklagten bedarf es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Auch der Verweis der Klägerin auf das Verbot eines Vertrags zulasten Dritter geht daher fehl.
1.2.2. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Heranziehung zur Beitragspflicht gem. §§ 2 und 3 RBStV sind im Falle der Klägerin gegeben.
Gemäß § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (§ 2 Abs. 2 RBStV). Der Begriff der Wohnung ist in § 3 RBStV definiert.
Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaberin einer Wohnung im Sinne von § 3 Abs. 1 RBStV gewesen zu sein, und war demnach als Wohnungsinhaberin Beitragsschuldnerin und für den festgesetzten Zeitraum verpflichtet, einen monatlichen Rundfunkbeitrag zu zahlen.
Dieser betrug bis einschließlich März 2015 17,98 EUR pro Monat (s. § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags – RFinStV – in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 15.12.2010); seit 1. April 2015 beträgt er 17,50 EUR pro Monat (s. § 8 RFinStV in der Fassung des 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 9.7.2014).
1.2.3. Die Klägerin ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 oder 6 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht befreit. Die Befreiung von der Beitragspflicht setzt einen schriftlichen Antrag voraus. Einen solchen hat die Klägerin am … Dezember 2013 mit Verweis auf gesundheitliche Gründe unter Vorlage diverser ärztlicher Atteste gestellt. Der Antrag wurde rechts- und bestandskräftig abgelehnt. Soweit sich die Klägerin weiterhin darauf beruft, aus diesen Gründen an der Nutzung des Rundfunkangebots gehindert zu sein, steht dem die Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung über diesen Antrag entgegen.
1.2.4. Die Festsetzung durch Bescheid durfte erfolgen, weil die Rundfunkbeiträge trotz deren Fälligkeit nicht rechtzeitig und vollständig gezahlt wurden (§ 10 Abs. 5 Satz 1, § 7 Abs. 3 RBStV).
1.2.5. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen ihre Heranziehung zur Beitragspflicht haben keinen Erfolg.
Die Verfassungsmäßigkeit des seit 1. Januar 2013 geltenden Beitragsmodels ist höchstrichterlich durch Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris) des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris) sowie des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris) geklärt. Das Gericht sieht keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Demnach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Erhebung des Rundfunkbeitrages an die potentielle Möglichkeit zu knüpfen, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot zu nutzen. Der Beitrag dient dabei dem Ausgleich des Vorteils, der in der Möglichkeit der Nutzung des Rundfunkangebots besteht. Es ist zulässig, den Kreis der Vorteilsempfänger im privaten Bereich anhand der Inhaberschaft einer Wohnung zu bestimmen, wobei die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgerätes erfolgen darf, da nicht erforderlich ist, dass der beitragsrelevante Vorteil auch tatsächlich wahrgenommen wird. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht etwa dazu, eine Befreiungsmöglichkeit für Personen vorzusehen, die von der ihnen eröffneten Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen wollen. Eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag kommt allerdings gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV (Härtefall) auf Antrag dann in Betracht, wenn der Rundfunkempfang objektiv unmöglich ist. Das kann etwa in seltenen Fällen aus technischen Gründen der Fall sein (z.B. dauerhaftes „Funkloch“) oder aber aus Gründen, die in der Person des Beitragspflichtigen liegen. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn der Rundfunkempfang für die Person schon von vornherein von keinem denkbaren Nutzen ist (z.B. für taubblinde Menschen, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV). Darüber hinaus reduziert der Staatsvertrag die Beitragspflicht auf Antrag auf 1/3 für diejenigen, die das Angebot nur teilweise nutzen können, insbesondere für Taube oder blinde Menschen (§ 4 Abs. 2 RBStV) (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 85, 93, 102; BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris Rn. 34; BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – juris Rn. 130).
Dieses verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Beitragssystem zugrundegelegt, gilt für die Klägerin Folgendes: Als Inhaberin einer Wohnung ist sie zur Beitragsleistung verpflichtet, es sei denn, sie ist gem. § 4 Abs. 6 RBStV aus gesundheitlichen Gründen von der Beitragspflicht zu befreien. Über eine Befreiung aus gesundheitlichen Gründen wurde auf Antrag der Klägerin bereits rechtskräftig und damit abschließend entschieden. Insoweit hat das Gericht im Urteil vom 20. April 2016 (Az. M 26 K 15.985) zutreffend darauf hingewiesen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht zusteht, insbesondere ein besonderer Härtefall gemäß § 4 Abs. 6 RBStV nicht vorliegt, da es der Klägerin nicht gelungen ist, überzeugend darzulegen, dass ihr aus gesundheitlichen Gründen jede denkbare Nutzungsmöglichkeit versagt wäre, da ihr zumindest möglich ist, beispielsweise das Fernsehangebot mit Untertiteln oder das Onlineangebot ohne Komplikationen für ihr Gehör zu nutzen.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, seit frühester Jugend an einer Überempfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Strahlen zu leiden, wie sie als Trägerwellen bei der Rundfunkübertragung zum Einsatz kämen, handelt es sich um eine Ergänzung der bereits im Befreiungsverfahren geltend gemachten gesundheitlichen Gründe, so dass insoweit die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung über die Befreiung aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht. Weder hat sie einen neuen Antrag gestellt noch neue Atteste über ihren Gesundheitszustand vorgelegt.
Es bleibt daher bei dem Grundsatz, dass die Klägerin für die potentielle Möglichkeit, Rundfunkangebote zu nutzen – ggf. auch solche ohne Ton (Fernsehen mit Untertiteln oder Onlineangebote) – beitragspflichtig ist. Wer das Rundfunkangebot nicht nutzt, aber die Schwelle eines Befreiungstatbestands bzw. einer unzumutbaren Härte nicht erreicht, unterfällt der Beitragspflicht ebenso wie Personen, die aus sonstigen Gründen auf die Möglichkeit der Teilhabe am Rundfunkangebot verzichten. Dass auch solche Personen zur Beitragspflicht herangezogen werden, stellt keine gleichheitswidrige Benachteiligung dar (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris Rn. 34).
1.3. Auch die Festsetzung von Säumniszuschlägen ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Säumniszuschlags ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Rundfunkbeitragssatzung). Auch insoweit folgt die Zahlungspflicht unmittelbar aus der gesetzlichen Grundlage. Eines Vertragsabschlusses zwischen der Klägerin und dem Beklagten bedurfte es nicht.
2. Soweit die Klage unter Ziffer 1 des Klageantrags außerdem auf „Aufhebung der Bescheide vom 2. und 3. November 2017 (Mahnung und Vollstreckungsankündigung)“ gerichtet ist, ist die Klage unzulässig. Bei den genannten Schreiben des Beklagten handelt es sich mangels Regelungswirkung nicht um Verwaltungsakte (vgl. (BeckOK VwVfG/Deusch/Burr, 49. Ed. 1.10.2020, VwVG § 3 Rn. 12), so dass eine Anfechtungsklage nicht statthaft ist.
3. Soweit die Klägerin unter Ziffer 2 ihres Klageantrags einen Antrag auf Löschung ihrer Daten und Zurücknahme der vergebenen Teilnehmernummer gestellt hat, ist die Klage als Leistungsklage zulässig, jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Löschung ihrer Daten und die Streichung der Teilnehmernummer, da sie zu Recht zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen wurde.
4. Der Antrag, den Beklagten zu verurteilen, sämtliche Forderungen gegen die Klägerin fallen zu lassen ist bereits unzulässig, soweit er sich auf Forderungen bezieht, die nicht Gegenstand der von der vorliegenden Anfechtungsklage erfassten Beitragsbescheide sind. Da die zu zahlenden Beiträge vom Beklagten per Bescheid festgesetzt werden, ist die Klägerin darauf zu verweisen, gegen die jeweiligen Beitragsbescheide im Wege der Anfechtungsklage vorzugehen (§ 42 Abs. 1 VwGO). Soweit sich der Antrag auf die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Beiträge und Säumniszuschläge bezieht, hat er in der Sache keinen Erfolg, da sich die streitgegenständlichen Bescheide als rechtmäßig erwiesen haben.
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Für das Verfahren sind Gerichtskosten zu erheben. § 188 VwGO ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da Gegenstand des Verfahrens nicht die Befreiung von der Gebührenpflicht aus Gründen der Fürsorge ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. 4. 2011 − 6 C 10/10- juris; VGH München, Beschluss vom 16.9.2019 – 7 C 19.1603- juris).
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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