IT- und Medienrecht

Verwirkung der Verteidigung durch verspätete Benennung des Rechtsverletzers beim Filesharing

Aktenzeichen  132 C 14777/18

Datum:
5.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2018, 39467
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 1
UrhG § 97a Abs. 3 S. 2
RL 2004/48/EG Art. 3

 

Leitsatz

Erfolgt die Benennung des Rechtsverletzers durch den Anschlussinhaber im Falle von Filesharing erst im Prozess und ohne ausreichende Entschuldigung der verzögerten Benennung, ist diese Verteidigung wegen Verwirkung unbeachtlich.  (Rn. 47 – 51) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

18-3639853-0-0 2018-07-05 AGHAMBURGALTONA AG Hamburg-Altona

Tenor

1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts-Hamburg Altona vom 05. Juli 2018, Az. 18-3639853-0-0 wird aufrechterhalten, einschließlich der Kostenfolge. Der Beklagte hat daraus auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung dieses Urteils und die weitere Vollstreckung des Vollstreckungsbescheids seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Vollstreckungsbescheids und dieses Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
3. Der Streitwert wird auf 1.107,50 € festgesetzt.

Gründe

A.
Eine Sachentscheidung ist zulässig.
Die Klage ist am Wohnsitz der Beklagtenpartei erhoben, die Klageforderung hält sich im Rahmen der Zuständigkeit des Amtsgerichts. Die Klage ist nach der Verhandlung entscheidungsreif, da abschließend verhandelt wurde:
I.
Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung war nicht geboten. Der Umstand, dass in der Verhandlung vom 05. November 2018 kein Beweisantritt erfolgte, bietet hierfür keinen Anlass:
Beweis dafür, dass der Beklagte über längere Zeit schon vor der Downloadmöglichkeit am 16. Juni 2014 vereist war, hat die Beklagtenseite in der letzten mündlichen Verhandlung nicht angetreten. Mit der gerichtlichen Aufforderung, den Reisepass vorzulegen, war ersichtlich, dass die Behauptung der Beklagtenseite, der Beklagte sei längere Zeit nicht vor Ort gewesen, beweisbedürftig war und in der Verhandlung Beweis erhoben würde. Die für den Urkundenbeweis erforderliche Vorlage des Originals erfolgte aber nicht. Dabei hatte die Beklagtenseite genügend Beweisalternativen, um durch Vorlage der Originale der tatsächlichen Reiseunterlagen oder Vorlage der Originale der Kreditkartenrechnung -wie angekündigt – Beweis zu bieten, so dass der Umstand, dass der Reisepass des Beklagten mit diesem mitverreist gewesen sein soll, keine Beweisnot begründet hatte. Insofern war eine Vertagung auf einen anderen Termin nicht in Betracht zu ziehen. Weil die Beklagtenseite die Möglichkeit gehabt hätte, Beweis anzutreten, ist nicht veranlasst, erneut zu verhandeln, um die versäumte Möglichkeit wieder zu eröffnen.
II.
Die Sache war auch insoweit entscheidungsreif, als mit der Entscheidung europarechtliche Normen berührt sind. Eine Verpflichtung zu einer Vorlage zum EuGH folgt aus dieser Berührung nicht: Die getroffene Entscheidung zielt nicht auf eine Unbeachtlichkeit von europarechtlichen Vorschriften zielt und unterstellt diese auch nicht, im Gegenteil. Genauso wenig geht das Gericht von einem Konflikt zwischen europarechtlichen Vorschriften und deutschen Normen aus; bei europarechtskonformer Auslegung der zu stellenden Anforderungen, um prozessualen Sachvortrag beachtlich zu machen, besteht kein solcher Konflikt (s.u.).
Auch in Hinblick auf ein Vorlagerecht zum EuGH sieht das Gericht hierfür keine Veranlassung, weil die vor kurzem ergangene Entscheidung des EuGH ausreichend Hinweise enthält, um ohne Vorlage an den EuGH von auch europarechtlich zutreffender Rechtsauffassung des Gerichts auszugehen.
B.
In der Hauptsache ist die Klage dem Grunde nach begründet.
Die Klagepartei hat aus der Verletzung der ihr übertragenen Rechtewahrung durch das Eröffnen einer Downloadmöglichkeit des streitgegenständlichen Films für unbegrenzte und anonyme andere Tauschbörsennutzer Anspruch gegen den Beklagten auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB (Verletzung eines sonstigen, eigentumsähnlichen Rechts). Nach prozessualen Kategorien ist der Beklagte als Täter anzusehen, weil die Rechtsverletzung von seinem Anschluss aus erfolgt ist. Eine Berufung des Beklagten darauf, nicht er komme als Täter in Betracht, sondern ein anderer, ist ihm aus seinem vorgerichtlichen Verhalten heraus verwehrt:
I.
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite bestehen schon vor dem Gerichtsverfahren Obliegenheiten eines Anschlussinhabers, wenn er sich später inhaltlich gegen eine Schadensersatzforderung wegen illegalen File-Sharings wehren will, und hat der Beklagte diese Obliegenheiten verletzt.
1. Die Rechtslage insbesondere vor dem Hintergrund europäischen Rechts führt zu deutlicher Erschwerung der Verteidigung als nur mit der Behauptung im Prozess, dass jemand anderes als Rechteverletzer vom eigenen Internetanschluss aus in Betracht kommt. Dies wird auch durch eine vor Kurzem ergangene Entscheidung des EuGH (Urt. v. 18.10.2018 – C-149/17) verdeutlicht: Die Entscheidung des EuGH macht deutlich, dass nationales Recht es einem Rechteinhaber tatsächlich ermöglichen muss, die zur Begründung seiner Ansprüche erforderlichen Beweismittel zu erlangen, die sich in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befinden, sofern bei der Vorlage dieser Beweismittel der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet wird. Zu den Beweismitteln zählen dabei auch schlicht Informationen, wer den Anschluss im Zeitpunkt der Rechtsverletzung benutzt hat/haben kann und für die Rechtsverletzung verantwortlich zu machen ist.
Demgegenüber sieht das deutsche Recht zugunsten eines Rechteinhabers keinen gesonderten Auskunftsanspruch gegen nicht gewerblich handelnde Dritter vor, auch wenn diese über solche Beweismittel verfügen. Die Klägerin kann also nicht im Wege einer Stufenklage zunächst auf eine solche Auskunft klagen. Der einzige Weg ist das Vorgehen gegen den Anschlussinhaber auf Zahlung wegen Schadensersatzes, unter der tatsächlichen Annahme, dieser sei Verletzter gewesen, weil die Verletzung von seinem Anschluss aus erfolgt war.
Gleichzeitig begründet das europäische Recht die Verpflichtung, wirksame tatsächliche Auskunftsmöglichkeiten wegen Rechtsverletzungen vorzusehen. Wenn erst eine Schadensersatzklage zu den zu fordernden Auskünften führt, liegt aber auf der Hand, dass die damit verbundenen Kosten zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand für den Rechteinhaber führen würden.
In der Summe führt dies dazu, dass nur dann wirksamer Rechtsschutz gegeben ist, wenn jedenfalls solange, bis genügende Auskünfte erteilt worden sind, ein deswegen notwendig gewordener Prozess zu Lasten des Anschlussinhabers als verloren angesehen werden muss.
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – eine Beklagtenseite vom Rechteinhaber vor dem Prozess ausdrücklich aufgefordert worden war, Auskünfte zu erteilen. Regelmäßig beinhaltet dabei schon die Forderung des Rechteinhabers, eine Unterlassenserklärung abzugeben, implizit eine solche Aufforderung, sich zu bekennen oder den tatsächlichen Rechteverletzer zu benennen. Wenn dann „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ zukünftiges Unterlassen erklärt wird, ohne auch Nachforschungen und Ergebnis der Nachforschungen mitzuteilen, genügt dies -wie hier – nicht den Obliegenheiten zu Auskünften.
II.
In der Konsequenz kann sich der Beklagte nicht mehr beachtlich damit verteidigen, er käme nicht als Täter in Betracht, sondern ein anderer.
1. Selbst im für die Beklagtenseite günstigsten Fall sind Auskünfte darüber, wer Rechtsverletzer war, die erst im Prozess erteilt werden, erledigende Umstände, die eine zunächst als begründet anzusehende Klage unbegründet werden lassen, mit entsprechender nachteiliger Kostenfolge.
Dass im Prozess legitime Verteidigung vorstellbar ist mit der Behauptung, der Anschluss, von dem die Verletzung begangen worden war, sei nicht der Anschluss der Beklagtenseite gewesen, führt zu keinem anderen Ergebnis: Zum einen schließen sich solche Verteidigungen logisch aus. Wenn geltend gemacht wird, die Verletzung sei nicht von diesem Anschluss aus erfolgt, kann nicht gleichzeitig geltend gemacht werden, dass jemand anderes als die Beklagtenpartei von diesem Anschluss aus die Rechtsverletzung begangen habe und für dessen Bestimmung genügend Auskunft erteilt wurde. Zum anderen steht es der Beklagtenseite frei, statt einer gegen sie gerichteten Schadensersatzklage entgegenzusehen ihrerseits Auskünfte vom Rechteinhaber zu verlangen, wie man auf diesen Anschluss gekommen sei, um so das Obliegen von Auskünften an den Rechteinhaber zu prüfen. Dies nimmt der Beklagtenseite dann die Möglichkeit, Auskünfte erst im Prozess zu erteilen, sich dann aber für eine günstigere Kostenfolge gleichzeitig darauf zu stützen, die Verletzung sei ohnehin nicht von ihrem Anschluss aus erfolgt.
Dass im Prozess legitime Verteidigung vorstellbar ist mit der Behauptung, die Klägerseite sei nicht Rechteinhaber, führt dann ebenso im Fall einer beidseitigen Erledigung zu keinem anderen Ergebnis: Wenn beklagtenseits auf fehlender Rechtsinhaberschaft beharrt werden soll, steht ihr frei, sich einer Erledigung nicht anzuschließen.
2. a. Allerdings geht das Gericht davon aus, dass die erforderliche Sanktion im vorliegenden Fall weitergehend ist als nur, dass verspätete Auskünfte mit nachteiliger Kostenfolge zu einer Erledigung führen würden:
Nach den europarechtlichen Vorschriften dürfen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe zum Schutz geistigen Eigentums keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen, Art. 3 („Allgemeine Verpflichtung“) der Richtlinie 2004/48.
Insofern bräuchten bei europarechtskonformer Auslegung Verzögerungen, die die Beklagtenseite durch obliegende, aber fehlende Auskünfte herbeiführt, eine Rechtfertigung, um die verspäteten Auskünfte im Verfahren überhaupt noch beachtlich zu machen. Die Gründe hierfür müssten dargelegt und entsprechend substantiiert werden, insbesondere wenn wie hier die Mitteilung von Informationen über Jahre verzögert wird und dann erstmals im Gerichtsverfahren erfolgt. Nur, indem eine Verteidigung mit solchen Informationen bei fehlender Entschuldigung abgeschnitten ist, erreicht das deutsche Recht das vorgesehene europäische Schutzniveau zur Vermeidung unangemessener Frist oder ungerechtfertigter Verzögerungen. Die Beachtlichkeit der Verteidigung unterliegt dann – bei fehlender Darstellung ausreichender Entschuldigungsgründe – der Verwirkung:
Einem Anschlussinhaber muss mit Erhalt einer Abmahnung und Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassenserklärung klar sein, dass ihm persönlich Sanktionen drohen und er gehalten ist, sein Mögliches zu tun, um aufzuklären und dies dann auch vorgerichtlich gegenüber dem Rechteinhaber darzustellen. Ein Rechteinhaber darf demgegenüber darauf vertrauen, dass nur derjenige eine Unterlassenserklärung abgibt, dem der Rechteverstoß auch vorzuwerfen ist. Eine Unterlassenserklärung ohne Mitteilung der eigenen Nachforschungen und Erkenntnis, nur „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht“ genügt nicht, um dieses Vertrauen zu unterbinden: Grundlage dessen ist, dass der Aufforderung zur Abgabe der Unterlassenserklärung zumindest in den Filesharing-Fällen auch Sachaufklärungscharakter zukommt, gerade weil kein eigener Auskunftsanspruch gegen den Anspruchsinhaber besteht. Dies ist auch höchstgerichtlich entschieden: Teil der tragenden Gründe der Entscheidung des BGH, Urteil vom 22. März 2018 – I ZR 265/16 – „Riptide“ ist, dass eine Abmahnung ausdrücklich die Funktion als „Mittel zur Sachverhaltsaufklärung“ hat; ihr kommt die „Funktion eines nachdrücklichen Auskunftsverlangens“ zu, und dies bei für den Rechteinhaber notwendig eilbedürftiger Ermittlung der tatsächlichen Umstände, weil dieser nur bei zeitnaher Sachverhaltsaufklärung in der Lage ist, einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Rechteverletzer im Wege der einstweiligen Verfügung durchzusetzen.
Das Unterlassen solcher Auskünfte nach Abmahnung hat damit den prozessualen Aussagewert, dass man mit der Abmahnung und Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassenserklärung den „richtigen“ belangt hat. Da der Anschlussinhaber der einzige ist, der Aufklärung bieten kann, kann er sich auch nicht darauf zurückziehen, die Unterlassenerklärung sei „ohne Rechtspflicht“ erfolgt. Der Auskunftscharakter der Abmahnung ist nicht davon abhängig, ob der Belangte seine Obliegenheit einsieht und einräumt oder nicht. Jedenfalls längeres Ausbleiben obliegender Auskünfte trotz Abmahnung stellt dann auch ausreichendes Zeitmoment dar, um eine Verteidigung mit dann nach langer Zeit erstmaliger Auskunft zu verwehren.
2. b. Eine Rechtfertigung der jahrelangen Verzögerung solcher Mitteilung ist aber durch den Beklagten nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Der inhaltliche Vortrag reduziert sich darauf, dass der Beklagte damals nicht vor Ort gewesen sei, aber mit dem Zeugen vereinbart habe, dieser habe in dieser Zeit Zugang zur Wohnung, um sich um die Post zu kümmern. Worin dann Schwierigkeiten liegen sollten, den nach diesem Vortrag einzig in Betracht kommenden tatsächlichen Täter von Anfang an mitzuteilen, ist nicht zu ersehen.
Stattdessen macht das Schreiben des angeblichen Zeugen und angeblich tatsächlichen Rechteverletzers dann exemplarisch deutlich, worin die Risiken einer Verzögerung solcher Mitteilungen für einen Rechteinhaber liegen: Der (angebliche) Täter ist nicht mehr in Deutschland greifbar. Dessen (angebliche) Erklärung lässt maßgebliche Teile offen, weil schon nicht ersichtlich ist, eine Verletzung welchen Filmrechts und welche Verletzungshandlung überhaupt eingeräumt wird; streitgegenständlich ist nicht „irgendein Film“ und nicht dessen „Herunterladen“, sondern die Eröffnung einer Downloadmöglichkeit eines konkreten Filmwerks für die ganze Welt. Ohne zeitnahes Vorgehen gegen einen Rechteverletzer steigt auch das Risiko erheblich, dass dessen Unrechtsbewusstsein verblasst, und – wie hier – ersichtlich unsinnige Erklärungen erfolgen, um das eigene Fehlverhalten schön zu reden, um so einer Haftung zu entgehen. Von einer erst Jahre nach dem Fehlverhalten folgenden Sanktion geht dann auch – entgegen europarechtlicher Anforderung an nationales Recht – keine ausreichende Abschreckungswirkung mehr aus.
Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite ist die Verzögerung auch nicht der Klägerseite durch Zuwarten mit einer Klage anzulasten. Die Auskünfte obliegen dem Beklagten und er ist von Klägerseite auch zu solchen Auskünften aufgefordert worden. Bei Annahme eines Schuldverhältnisses wäre der Beklagte mit solchen Auskünften in Verzug. Dieselben Wertungen greifen dann hier: Die Klägerseite ist nicht gehalten, durch frühzeitige Klage zur Erfüllung der im Selbstschutzinteresse des Beklagten liegenden Obliegenheiten anzuhalten. Diese Obliegenheiten bestehen von Anfang an und die außergerichtliche Aufforderung durch Abmahnung, den Obliegenheiten zu entsprechen, genügt, um die anhaltende Ernsthaftigkeit des Rechtsverfolgungsinteresses darzustellen. Auch im Verzug wäre ein Gläubiger nicht wegen des Verzugs gehalten, frühzeitig zu klagen, um den Verzug zugunsten des Schuldners zu beenden.
3. Insofern kann auch dahinstehen, dass die Beklagtenseite trotz Ankündigung nie eine Adresse mitgeteilt hat, unter der der angebliche Zeuge zu erreichen wäre. Da die Beklagtenseite außer der Obliegenheit zur Förderung des Prozesses im eigenen Interesse keinem eigenständigen Auskunftsanspruch unterliegt, hätte die Klägerseite nichts in der Hand, um gegen den angeblichen Rechteverletzer vorzugehen. Sie könnte nicht einmal gegen den Beklagten zumindest auf Mitteilung der Adresse des angeblichen Rechteverletzers klagen. Auch nach der eigenen Logik muss der Beklagte dann schon wegen dieser Ungenügendheit seiner Auskünfte verlieren.
C.
In der Hauptsache ist die Klage der Höhe nach begründet.
Die geltend gemachten Schäden unterliegen gerichtlicher Schätzung, § 287 ZPO, und belaufen sich auf mindestens die geltend gemachte und mit dem Vollstreckungsbescheid zugesprochene Höhe:
I.
Danach ist der Schaden wegen der Rechteverletzung als solches ohne Weiteres mit 1.000,00 € anzusetzen. Dies gilt auch, wenn andere Rechteverletzer bereits Zahlungen auf die Verletzung der Verwertungsrechte am streitgegenständlichen Film geleistet hätten.
1. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei dem illegal zum Sharen angebotenen Film im Zeitpunkt der Verletzungshandlung um einen Blockbuster-Film nur einige Monate nach dessen Erscheinen gehandelt hatte. Insofern ist ohne Weiteres von schnellem Verbreitungspotential bei Eröffnen einer illegalen Downloadmöglichkeit auszugehen. Dazu kommt, dass die Verbreitung solcher Downloads dann einen Schneeball-Effekt aufweist, weil bei Filesharing-Programmen typisch diejenigen, die einen Film illegal downloaden, diesen auch zeitgleich an wieder eine Vielzahl nicht ohnehin schon beteiligter, sondern dann auch anderer, weiterer Nutzer hochladen. Insofern führt ein einziger Verstoß zu annähernd exponentiell ansteigenden Verstößen anderer Nutzer, bis das Interesse an dem Film durch Zeitablauf oder andere Vertriebsformen wie Verfügbarkeit im Fernsehen oder Erschöpfen der Gruppe Interessierter, die zu illegalem Download bereit sind, abflacht. Bei dem dargestellten Produktionsjahr 2015 (Anlage K1) liegt aber fern, dass das Interesse, den Film „umsonst“ herunterladen zu können, im Zeitpunkt der Verletzungshandlung im Juni 2016 bereits abgeflacht war, so dass nach wie eine Vervielfachung des Anwachsen von Folgedownloads aufgrund des Uploads vom Beklagtenanschluss aus anzunehmen ist. Aufgrund der Anonymität des Internets sind hierzu keine genauen Zahlen verfügbar.
Es handelt sich deswegen nur um Plausibilitäts- und Wertungsgesichtspunkte zur Schadensbewertung. Diese beruht dann als solches auf einer Lizenzanalogie, so dass eine Vervielfachung einer einfachen fiktiven Lizenz anzusetzen ist. Aufgrund des Eingriffscharakters ist dabei von einem zumindest doppelten Lizenzansatz auszugehen, mit mindestens 11,76 €, da es sich um einen aktuellen Film handelte. Da jeder weitere Filesharing-Nutzer ebenfalls eine solche doppelte Lizenz schulden würde, genügt dann eine Reichweite von direkt oder mittelbar weniger als 100 Nutzern, um den geforderten Schaden darzustellen. Nach den aufgestellten Plausibilitätsgesichtspunkten der Reichweite eines aktuellen Blockbusters geht das Gericht ohne Weiteres davon aus, dass eine solche Reichweite durch den streitgegenständlichen Upload erreicht wurde. Die verlangten 1.000,00 € stellen eine mäßige und damit jedenfalls angemessene Schadensersatzforderung dar.
2. Dabei ist der Schaden nicht deswegen geringer anzunehmen, weil die Klägerin vielleicht schon durch andere Rechteverletzer für die Verletzung der Rechte an diesem Film Schadensersatzzahlungen erlangt hat. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn die geltend gemachte Forderung außerhalb eines Bereichs läge, der einen vorweggenommenen Innenausgleich bereits beinhaltet. Das geltend gemachte Verletzungsverhalten läuft aber auf ein Schneeballsystem hinaus, bei dem allen Beteiligten von Tauschbörsen klar ist, dass die illegal angebotenen Filme von den anderen Abnehmern mit relevanter Wahrscheinlichkeit selbst weiter geteilt werden. Tatsächlich dürfte sich nach Einschätzung des Gerichts der Schaden, der durch die File-Sharer gemeinsam verursacht worden ist, auf ein Vielfaches des geforderten Betrags hinauslaufen und sieht das Gericht die geltend gemachte Forderung innerhalb dessen liegend, was bei Berücksichtigung all derer, die unbekannt bleiben und die so als „Dunkelziffer“ zählen, als Schaden jedenfalls den vereinzelten Tätern, die bekannt und zur Rechenschaft gezogen werden, zuzurechnen ist. Insofern sieht das Gericht auch keine weiteren Darlegungslasten auf Klägerseite. Es wäre einem Schädiger unbenommen und in dessen Verantwortung, selbst die „Dunkelziffer“ zu erhellen und so verlässlichere Schätzung zu erlauben. Auch wenn dies ersichtlich nicht möglich ist, ist dies als Verweis fair, weil der Schädiger ja derjenige ist, der durch sein Verhalten Mitschädiger generiert hat, auch wenn sie anonym und unbekannt bleiben. Die schlechte Schätzungsgrundlage ist Teil der Schadenszufügung.
II.
Auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch für die vorgerichtlichen Anwaltskosten ist angemessen. Auch insofern unterliegt die Höhe als Schadensschätzung der freien Würdigung des Gerichts, § 287 ZPO. Dabei können die Vermutungen der Beklagtenseite, die klägerische Kanzlei werde, weil es sich um Massengeschäfte handle, für Abmahnungen weit unter RVG-Gebühren bezahlt, unberücksichtigt bleiben. Das Gericht teilt diese Vermutung nicht: Selbst wenn massenhaft gleichgelagerte Verfahren für einen Mandaten erfolgen, legt dies nicht nahe, dass günstigere Honorarvereinbarungen geschlossen wurden. Hiergegen spricht schon, dass aufgrund gesetzlicher Bestimmungen die Streitwerte für Abmahnsachen deutlich reduziert wurden, und mit § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG über den dort festgesetzten Streitwert die gesetzlichen angemessene Bezahlung eines Anwalts definiert ist, auch wenn es sich um eine Massensache handelt. Da sich die klägerische Forderung auf Abrechnung nach diesen Vorschriften beschränkt, genügt der Bezug hierauf, um dem Gericht Schadensschätzung zu erlauben.
Nach gerichtlicher Schätzung ist dann sowohl der Streitwert zutreffend angenommen, als auch der Gebührensatz angemessen festgesetzt, und so die Forderung begründet. Den gesetzlichen Vorschriften entsprechend ist zumindest der Streitwert von 1.000,00 € für das Unterlassungsbegehren und von weiteren 700,00 € für den vorgerichtlich verlangten Schaden anzusetzen. Auch eine Geschäftsgebühr von 1,3 ist angemessen, auch wenn es sich mit dem Abmahn „Geschäft“ um ein massenhaft auftretendes Phänomen handelt, bei der die Klägerkanzlei ersichtlich umfangreich auf zahlreiche Textbausteine zurückgreift. Dies ändert nichts daran, dass die Details jedes einzelnen Falles auch im Einzelnen gerade in Filesharing-Streitsachen zu anderen Einschätzungen führen können, und die Beantwortung der sich stellenden materiellen Fragen ständige Beobachtung und Bewertung höchstrichterlicher Rechtsprechung bedingt, und dies dann schnell grundsätzliche Fragen der Handhabung „solcher“ Fälle auslöst. Die Schwierigkeit der Rechtsmaterie gleicht insofern die massenhafte Handhabung und deren Vorteile aus.
D.
In der Sache ist der Vollstreckungsbescheid auch in der ausgesprochenen Zinsverpflichtung seit dem 08.05.2018 begründet. Die Zinsfolge ergibt sich bei Verzug von Gesetzes wegen. Der Beklagte war vielfach gemahnt und zur Zahlung aufgefordert.
E.
Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Unterliegen der Beklagtenpartei, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
F.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich wegen der Höhe des in der Hauptsache zugesprochenen Betrags (nicht über 1.250,00 €) nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
G.
Der Wert des Streitgegenstands wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt (§ 3 ZPO). Maßgeblich ist hier das von der Klagepartei verfolgte wirtschaftliche Interesse und ergibt sich der Streitwert damit aus der Höhe der Hauptforderung bei Einleitung des Verfahrens.


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