IT- und Medienrecht

Vollziehung einer einstweiligen Verfügung durch Zustellung

Aktenzeichen  6 U 1864/17

Datum:
14.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
WRP – 2017, 1538
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 4 Nr. 4, § 5, § 8 Abs. 2
ZPO § 172, § 173, § 189, § 927
BGB § 242

 

Leitsatz

1 Dem Antrag auf Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 ZPO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, solange die Einwände im Rahmen eines laufenden Widerspruchsverfahrens geprüft werden können. (Rn. 29) (red. LS Dirk Büch)
2 Die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO wird durch die Zustellung an die Partei selbst nicht geheilt, wenn sich ein Prozessbevollmächtigter für die Partei bestellt hat (§ 172 Abs. 1 ZPO).  (Rn. 32) (red. LS Dirk Büch)
3 Die Heilung einer unwirksamen Zustellung gemäß § 189 ZPO setzt voraus, dass nicht lediglich der Zugang eines inhaltsgleichen Dokuments (beispielsweise als Fotokopie) erfolgt ist, sondern gerade das zugestellte Dokument selbst „in die Hände“ des Adressaten gelangt. (Rn. 34) (red. LS Dirk Büch)
4 Durch die Übergabe einer Ausfertigung einer im Beschlussweg erlassenen einstweiligen Verfügung an einen Kurierdienst erfolgt die Zustellung an den Antragsteller an Amtsstelle (§ 173 ZPO) nicht.  (Rn. 45) (red. LS Dirk Büch)

Verfahrensgang

4 HK O 4011/17 2017-04-24 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

II.
Die nach § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die landgerichtliche Beschiussverfügung vom 17.03.2017 war auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin nicht gem. §§ 924, 925 Abs. 2 ZPO aufzuheben, so dass das Landgericht diese im angegriffenen Urteil zu Recht bestätigt hat.
Der zulässige Widerspruch der Antragsgegnerin ist unbegründet. Die Rechtmäßigkeit des Erlasses der einstweiligen Verfügung wird seitens der Antragsgegnerin im Berufungsverfahren nicht angegriffen. Die Beschlussverfügung ist der Antragsgegnerin gemäß §§ 922 Abs. 2, 936 ZPO binnen der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO zugestellt worden, so dass deren Vollziehung nicht unstatthaft war.
Im Einzelnen:
A. Der mit Schriftsatz vom 29.03.2017 (Blatt 16/21 d. A.) eingelegte Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die Beschiussverfügung ist gem. §§ 924, 936 ZPO statthaft und zulässig. Soweit die Antragsgegnerin mit weiterem Schriftsatz vom 24.04.2017 (Bl. 37/39 d. A.) gem. § 927 ZPO die Aufhebung der Beschlussverfügung wegen veränderter Umstände beantragt hat, ist dieses Begehren dahingehend auszulegen, dass die dort geltend gemachten Vollziehungsmängel im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zu prüfen sind, da für eine Aufhebungskiage im laufenden Widerspruchsverfahren – das eine umfassende Prüfungsmöglichkeit eröffnet – das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017; MüKoZPO/Drescher ZPO, 5. Aufl. 2016, § 927 Rn. 2; LG Lüneburg MDR 2008, 528; OLG Koblenz GRUR 1989, 373).
B. Das Landgericht hat das Vorliegen von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund bejaht. Dies wird seitens der Antragsgegnerin mit der Berufung nicht in Frage gestellt.
C. Die am 17.03.2017 erlassene Beschlussverfügung wurde der Antragsgegnerin durch die Antragstelierin rechtzeitig binnen der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO zugestellt. Eine wirksame Zustellung erfolgte zwar weder am 22.03.2017 an die Antragsgegnerin selbst, noch durch die Übermittlung an den Antragsgegnervertreter per Fax (vgl. Empfangsbekenntnis vom 27.03.2017). Mit Zustellung an den Prozessbevolimächtigten der Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24.04.2017 wurde die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO jedoch gewahrt.
1. Die Zustellung mittels Gerichtsvollzieher an die Antragsgegnerin direkt am 22.03.2017 ist – unabhängig von etwaigen Formmängel der Urkunde – nach §§ 172 Abs. 1 Satz 1, 191 ZPO unwirksam, da nicht die Antragsgegnerin, sondern ihr Prozessbevollmächtigter richtiger Zustellungsadressat gewesen wäre.
a) Ausweislich des von der Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokuments, das mit der Anlage AG 7 übereinstimmt, ist ihr am 22.03.2017 mittels Gerichtsvollzieher eine Abschrift und nicht eine Ausfertigung bzw. beglaubigte Kopie einer Ausfertigung der Beschlussverfügung vom 17.03.2017 zugestellt worden (vgl. auch eidesstattliche Versicherungen, Anlagen AG 11, AG 12). Nach der gesetzlichen Änderung des § 317 Abs. 1 ZPO zum 01,07.2014, wonach Urteile nur noch in Abschrift an die Parteien zugestellt werden und Ausfertigungen (§ 317 Abs. 4 Alt. 1 ZPO) nur noch auf Antrag erteilt werden (§ 317 Abs. 2 ZPO), geht der Senat davon aus, dass auch bei Beschlussverfügungen die Zustellung einer beglaubigten Abschrift an den Antragsteller (§§ 936, 929 Abs. 2, 329 Abs. 2 Satz 3 ZPO), wie auch an den Antragsgegner zur Wahrung der Vollziehungsfrist ausreichend ist, nachdem das Gesetz keine andere Regelung enthält (Retzer in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl. 2016, § 12 Rn. 532, 532 amit Verweis auf BGH, Urt. v. 22.12.2015 – VI ZR 79/15, DGVZ 2016, 128). Diese Frage kann vorliegend aber ietztendlich dahingestellt bleiben, da – wie nachfolgend ausgeführt – die Zustellung jedenfalls an den unrichtigen Adressaten erfolgt ist.
b) Die Zustellung an die Antragsgegnerin war unwirksam, da gemäß §§ 172 Abs. 1 Satz 1, 191 ZPO die einstweilige Verfügung zur Wahrung der Vollziehungsfrist an deren Prozessbevollmächtigten im Parteibetrieb hätte zugestellt werden müssen. Gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der über § 191 ZPO auch auf Zustellungen im Parteibetrieb Anwen dung findet, hat die Zustellung in einem anhängigen Verfahren an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. „Bestellt“ im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Prozessbevollmächtigte, wenn die vertretene Partei oder der Prozessbevollmächtigte dem Gericht oder dem Gegner, etwa durch eine entsprechend deutliche Erklärung im vorprozessualen Schriftwechsel, mitteilt, für ein Verfügungsverfahren (zusteilungs-)bevollmächtigt zu sein (Retzer in Harte/Henning, UWG, 4, Aufl. 2016, § 12 Rn. 529). Vorliegend hatte der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin in seinem vorgerichtlichen Antwortschreiben auf die Abmahnung vom 13.03.2017 (Anlage AG 1) auf Seite 3 am Ende darauf hingewiesen, dass die anwaltlichen Vertreter der Antragsgegnerin, für den Fall, dass die Antragstellerin gerichtliche Schritte einleiten sollte, zustellungs- und prozessführungsbevollmächtigt seien. Demnach hatte die Zustellung vorliegend an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu erfolgen. Das in § 171 Satz 2 ZPO normierte und von der Antragstellerin ins Feld geführte Vollmachtsvorlageerfordernis bezieht sich demgegenüber nur auf die Zustellung an einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter.
c) Die fehlerhafte Zustellung an den unrichtigen Adressaten ist auch nicht gemäß § 189 ZPO geheilt worden.
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es gemäß § 189 ZPO in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Wenn also eine Partei, der entgegen §§ 172, 191 ZPO direkt zugestellt wurde, das Dokument an ihren Prozessbevollmächtigten weiterleitet, kommt danach eine Heilung in Betracht. Vorliegend hat der Zeuge … dem Antragsgegnervertreter am 22.03.2017 per E-Mai eine Kopie der an die Antragsgegnerin zugestellten Beschlussverfügung weitergeleitet (vgl. Anlage AG 8). Grundsätzlich kommt eine Heilung nach § 189 ZPO auch in Bezug auf die Wirksamkeitszustellung bei Beschlussverfügungen nach §§ 922 Abs. 2, 936 ZPO in Betracht (Retzer in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl. 2016, § 12 Rn. 537; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 929 Rn. 14). Dabei setzt eine Heilung durch den tatsächlichen Zugang im Sinne von § 189 ZPO voraus, dass das zuzustellende Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass er es behalten kann und Gelegenheit zur Kenntnisnahme hat (BGH NJW 2001, 1946, 1947). Teilweise wird dies auch für die Weiterleitung einer Fotokopie des Schriftstücks bejaht und der Zugang beispielsweise eines Telefaxes oder die Übermittlung des Dokuments per E-Mail für ausreichend erachtet (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 07.09.1995 – 2 U 42/95, WRP 1995, 952; KG Beschluss vom 31.01.2011 – 5 W 274/10, WRP 2011, 612, BeckRS 2011, 05647; KG Beschluss vom 12.09.2005- 12 U 95/05, Juris, Rn. 10 ff.; KG Beschluss vom 21.12.2004 – 5 U 160/04, Juris Rn. 9; zustimmend MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 189 Rn. 9; Bernecke/Schüttpeiz, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 3. Aufl. 2015, Rn. 599; Cepl/Voß/Matthes, Prozesskommentar zum gewerblichen Rechtsschutz, § 189 Rn. 8; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Kap. G Rn. 179; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl., § 189 Rn. 9, Stichwort „Prozessbevollmächtigter“ betreffend die Übermittlung einer Kopie, a.A. Rn. 6, Stichwort „Fax“ betreffend die Übermittlung per Telefax). Demgegenüber hält der Senat an seiner bereits mit Urteil vom 19.01.2017 (Az.: 6 U 3038/16) vertretenen Ansicht fest, wonach der Zugang eines inhaltsgleichen Dokuments (als Fotokopie per Telefax oder per E-Mail) nicht ausreichend ist, sondern gerade das zugestellte Dokument selbst „in die Hände“ des Adressaten gelangen muss (ebenso OLG Jena MD 2011, 755; OLG Hamburg Magazindienst 2007, 370; OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 128; OLG Hamburg, Urteil vom 30.06.2006 – 3 U 221/04, BeckRS 2006, 06553; OLG Karlsruhe RPfleger 2004, 641, 642; BayObLGZ 1995, 61, 72 und OLG Hamm MDR 1992, 78 – jeweils zu § 187 ZPO a.F.; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 189 Rn. 4; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 189 Rn. 7; MüKo UWG/Schlingloff, 2. Aufl., § 12 Rn. 514). Dass der Prozessbevollmächtigte als Zustellungsadressat irgendeine Verkörperung des zuzustellenden Dokuments übermittelt erhält, reicht für eine Heilung nicht aus, da hierdurch die Authentizität des zuzustellenden Schriftstückes nicht gewahrt wird. Die gegenteilige Auffassung findet in Wortlaut und Gesetzesbegründung zu § 189 ZPO keine Stütze (vgl. bereits Senat vom 19.01.2017, 6 U 3038/16). Soweit die gegenteilige Ansicht auf die in § 174 Abs. 2 ZPO (Zustellung durch Telekopie) und § 174 Abs. 3 Satz 1 ZPO (Zustellung als elektronisches Dokument) für die Amtszusteilung vorgesehenen Zusteflungsmögiichkeiten Be zug nimmt (vgl. MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 189 Rn. 9), ist dem für die hier in Rede stehende Parteizustellung keine Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, welche eine Ausdehnung der Heilungsmöglichkeiten über den Wortlaut des § 189 ZPO hinaus rechtfertigen könnte (vgl. Senat, a.a.O.). § 174 ZPO ist über § 191 ZPO auf die Parteizusteilung nicht entsprechend anwendbar (Zöller/Stöber, a.a.O., § 191 Rn. 3; Häub-iein a.a.O., § 191 Rn. 2). Eine Parteizustellung an einen Anwalt kann gemäß § 192 ZPO im Wege der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher oder gemäß § 195 ZPO von Anwalt zu Anwalt erfolgen, Soweit § 195 Abs. 1 Satz 5 ZPO die entsprechende Anwendung von § 174 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 und 3 ZPO vorsieht, erfordert diese Zustellung von Anwalt zu Anwalt per Telefax oder als elektronisches Dokument – unabhängig von der dabei einzuhaltenden Form – die Mitwirkung des Anwalts {§ 195 Abs. 2 ZPO), an den zugestellt wird. Wenn danach für eine bestimmte Zustellung für bestimmte Absender (Anwalt) an bestimmte Empfänger (Anwalt) vom Gesetz eine an die Einhaltung von bestimmten Vorgaben sowie an die Mitwirkung des Empfängers vorgesehene Zustelfmöglichkeit zur Verfügung gestellt wird, kann daraus nicht gefolgert werden, dass jedwede Übermittlung eines inhaltsgleichen Dokuments als Telefax oder als E-Mail für eine Heilung gemäß § 189 ZPO als ausreichend anzusehen ist, auch wenn die für die Wirksamkeit dieser Zustellarien erforderlichen weiteren Voraussetzungen ersichtlich nicht gegeben sind (vgl. bereits Senat, Urteil vom 19.01.2017, Az. 6 U 3038/16).
Soweit sich die Antragstelierin darauf beruft, eine Heilung gemäß § 189 ZPO sei durch die Übermittlung einer Ausfertigung per Telefax von Seiten des Antragstellervertreters an den Antragsgegnervertreter erfolgt, gilt insoweit gleichfalls, dass der Zugang eines anderen inhaitsgleichen Schriftstücks für eine Heilung nach § 189 ZPO nicht ausreicht.
2. Die Übermittlung einer Ausfertigung der einstweiligen Verfügung einschließlich Antragsschrift und Anlagen per Telefax an den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (vgl. Anlage AG 4 und Empfangsbekenntnis vom 27.03.2017, Anlage zu Bl. 12/13 d. A.) stellt ebenfalls keine wirksame Zustellung dar.
a) Grundsätzlich ist gemäß § 195 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 174 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Rahmen der Parteizustellung von Anwalt zu Anwalt eine Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks per Telekopie zulässig.
b) Nachdem sich die Gründe der zuzustellenden Beschlussverfügung auch auf die Antragsschrift einschließlich Anlagen bezogen haben und diese so zum Bestandteil des Beschlusses gemacht wurden, waren auch diese mit der Beschlussverfügung zuzustellen (OLG München, NJW-RR 2003, 1722; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 929 Rn. 13).
c) Die zuzustellenden Dokumente ermangeln vorliegend einer hinreichenden Beglaubigung. Für die Beglaubigung ist keine besondere Form vorgeschrieben. Erforderlich ist jedoch, dass sich der Beglaubigungsvermerk unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstreckt (BGH NJW 2004, 506, 507, 508 – Euro-Einführungsrabatt). Dem genügten die vorliegend per Fax übermittelten Dokumente (Anlage AG 4) nicht. Ein Beglaubigungsvermerk fand sich dort lediglich auf Seite 1 der Beschlussverfügung sowie auf der ersten und letzten Seite der mit übermittelten Antragsschrift; Seite 2 der Beschlussverfügung wie auch die Anlagen AS 1 bis AS 9 trugen keinen Begiaubigungsvermerk. Nachdem bei einer Übermittlung per Telefax eine körperliche Verbindung des Dokuments (vgl. dazu BGH NJW 2004, 506, 507, 508 – Euro-Einführungsrabatt) naturgemäß nicht in Betracht kommt, kann diese nur teilweise erfolgte Beglaubigung nicht auf das gesamte Schriftstück bezogen werden, so dass an der Authentizität des zuzustellenden Schriftstücks aus Sicht des Empfängers Zweifel bestehen können und keine wirksame Beglaubigung vorliegt (ebenso für Telefaxsendung: OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2010, 400, 401 – versteckter Beglaubigungsvermerk).
d) Auch eine Heilung gemäß § 189 ZPO kommt nicht in Betracht. Ein Mangel des bei der Zustellung übergebenen Schriftstücks kann nicht durch § 189 ZPO geheilt werden (Retzer in Harte/Henning, 4. Aufl. 2016, § 12 Rn. 539; Zöller/Stöber, 31. Aufl. 2016, § 189 Rn. 8; MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 189 Rn. 7; a.A. Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 189 Rn. 2). Soweit der Bundesgerichtshof für die Zustellung der Klageschrift eine Heiiung im Falle der Zustellung einer einfachen statt einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift gemäß § 189 ZPO bejaht hat (vgl. Urteil vom 22.12.2015 ~ VI ZR 79/15 Rn. 20 ff., NJW 2016, 1517), hat er gleichzeitig angemerkt, dass dies anders sei in Fällen, „in denen beispielsweise durch die Zustellung einer Ausfertigung von vornherein jegliche Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit des zugestellten Schriftstücks ausgeschlossen sein sollen (vgl. BGHZ 100, 234 [237, 241] – NJW 1987, 2868, zu einer Unterlassungsverfügung des BKartA; BGHZ 186, 22 = NJW 2010, 2519 Rn. 7 ff.)” – BGH a.a.O. Rn. 22. So liegt der Fall aber im Rahmen der hier gegenständlichen Wirksamkeitszustellung einer Beschlussverfügung nach §§ 922 Abs. 2, 929 Abs. 2, 936 ZPO. Aus Sicht des Antragsgegnervertreters war die Authentizität der von Antragstellerseite im Parteibetrieb zugestellten Beschlussverfügung mangeis hinreichenden Beglaubtgungsvermerks nicht überprüfbar. Vor diesem Hintergrund ist auch die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des OLG Brandenburg vom 06.11.2007 (Az.: 6 U 43/07, BeckRS 2008, 08676) vorliegend nicht übertragbar, denn in dem dort zugrunde liegenden Fall war bereits eine Urteilszustellung an den richtigen Adressaten vorausgegangen, so dass dieser bei Zugang des Telefaxes feststellen konnte, ob das übermittelte Schriftstück dem Original entsprach.
e) Dass der Antragsgegnervertreter mit Empfangsbekenntnis vom 27.03.2017 (Anlage AS 16) den Empfang einer vollständigen Ausfertigung der einstweiligen Verfügung in beglaubigter Kopie einschließlich Antragsschrift und Anlagen bestätigt hat, steht der Feststellung, dass die Zustellung mangels hinreichenden Beglaubigungsvermerks unwirksam ist, nicht entgegen. Das Empfangsbekenntnis erbringt Beweis für die Entgegennahme des Schriftstücks und deren Zeitpunkt (MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 174 Rn. 13). Selbst wenn man eine Beweiswirkung aber auch auf den Umstand der Beglaubigung erstrecken wollte, wäre vorliegend insoweit der Gegenbeweis geführt, da das zuzustellenden Schriftstück unstreitig keinen ausreichenden Beglaubigungsvermerk getragen hat, wie aus Anlage AG 4 auch ersichtlich.
Eine wirksame Zustellung ist aber – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat – im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.04.2017 erfolgt.
a) Die Vollziehungsfrist beträgt gem. § 929 Abs. 2 ZPO einen Monat seit dem Tag, an dem die Beschlussverfügung der Antragstellerseite zugestellt worden. Der Tag des Fristablaufs ist anhand der §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, Abs. 3 BGB zu berechnen (MüKo/Drescher, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 929 Rn. 8; Zöller/Vollkommer, 31. Aufl. 2016, § 929 Rn. 8). Diese Frist war am Tag der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung am 24.04.2017 noch gewahrt.
(1) Eine Zustellung ist nicht bereits am 20.03.2017 gemäß § 173 ZPO durch Aushändigung an der Amtsstelle erfolgt. Zwar lässt sich den Gerichtsakten entnehmen (vgl, Erledigungsvermerk des Urkundsbeamten, Anlage zu Bl. 8/10 d. A). dass am 20.03.2017 eine Abschrift sowie zwei Ausfertigungen der Beschlussverfügung abgeholt wurden. Nachdem diese Abholung aber unstreitig nicht durch den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin selbst erfolgt ist und der von diesem beauftragte Kurierdienst nicht als dessen rechtsgeschäftlich gestellter Vertreter angesehen werden kann bzw. ein entsprechender Vermerk im Sinne von § 173 Satz 2 ZPO nicht in den Akten befindlich ist, scheidet eine Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle vorliegend aus.
(2.) Ausweislich des Empfangsbekenntnisses wurde dem Prozessbevolimächtigten der Antragstelierin die Beschlussverfügung am 24.03.2017 zugestellt (§ 174 ZPO). Ein derartiges Empfangsbekenntnis erbringt als Privaturkunde im Sinne von § 416 ZPO (BGH NJW 1990, 2125) grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung (BGH NJW 2006, 1206 Rn. 8). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist zwar zulässig. Er setzt aber voraus, dass die Beweiswirkung des § 174 ZPO vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben des Empfangsbekenntnisses richtig sein können; wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist, ist der Gegenbeweis noch nicht geführt (BGH NJW 2012, 2117 Rn. 6; BVerfG NJW 2001, 1563, 1564; BGH NJW 1996, 2514, 2515; BGH NJW 2006, 1206 Rn. 9; Zöiler/Stöber, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 174 Rn. 20). Selbst im Falle einer erheblichen zeitlichen Diskrepanz zwischen dem vermeintlichen Zeitpunkt der Übersendung eines Schriftstücks und dem in dem Empfangsbekenntnis enthaltenen Datum ist nicht schon wegen einer möglichen Missbrauchsgefahr der Gegenbeweis der Unrichtigkeit geführt (BGH NJW 2012, 2117 Rn. 8). Die Zustellung ist zwar nicht erst mit Ausstellen des Empfangsbekenntnisses bewirkt, sondern schon in dem Zeitpunkt, in dem der Adressat persönlich das Schriftstück erkennbar mit dem Willen in Gewahrsam genommen hat, es zu behalten (MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufi. 2016, § 174 Rn. 14). Erforderlich ist aber die mit dem Gewahrsam verbundene Möglichkeit zur inhaltlichen Prüfung (MüKoZPO/Häublein ZPO § 174 Rn. 14). Deshalb ist eine Zustellung gem. § 174 ZPO nicht bereits dann bewirkt, wenn beispielsweise ein Kanzleibote oder auch der Sozius des Prozessbevollmächtigten das Schriftstück aus einem Gerichtsfach nimmt und in die Kanzlei bringt, ohne sich mit dessen Inhalt zu befassen; der Zustellungsempfänger muss vielmehr persönlich Kenntnis (bzw. Kenntnisnahmernöglichkeit) von dem zuzustellenden Schriftstück erlangen und den Willen äußern, es als zugestellt anzunehmen (BGH NJW 1979, 2566; MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 174 Rn. 14). Vor diesem Hintergrund führt der Umstand, dass bereits am 20.03.2017 ein von Antragstellerseite beauftragter Kurierdienst das zuzustellende Schriftstück übernommen hatte, nicht zu einer Vorverlagerung des Zustellungszeitpunkts auf den 20.03.2017, da der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerseite hierdurch noch keine Möglichkeit erhalten hat, von dem Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks persönlich Kenntnis zu erlangen und diesen zu prüfen.
Dadurch dass die Antragstellerseite bereits am 20.03.2017 einen Zustellungsauftrag an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle des Amtsgerichts München übersandt und die Zustellung an die Antragsgegnerin veranlasst hat, hat sie sich den Inhalt der Beschiussverfügung auch nicht derart zu eigen gemacht, dass sie sich eine Zustellung bereits am 20.03.2017 zurechnen lassen muss. Vielmehr kommt es nach den vorzitierten GrundSätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Zustellungszeitpunkt auf die Erlangung des Gewahrsams des Schriftstücks verbunden mit der Möglichkeit einer inhaltlichen Prüfung an. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.01.2015 – Az. VIII ZB 55/14 (NJW-RR 2015, 953) ist vorliegend nicht übertragbar, denn dort ging es um die Feststellung der Empfangsbereitschaft bei tatsächlich erfolgtem Zugang – als Voraussetzung für eine Heilung nach § 189 ZPO – des Schriftstücks beim Prozessbevollmächtigten. Vorliegend war das zuzustellende Schriftstück am 20.03.2017 aber dem Antragstellervertreter noch nicht zugegangen, da es nicht derart in dessen Machtbereich gelangt ist, dass dieser von dessen Inhalt Kenntnis nehmen konnte.
Damit ist maßgeblicher Tag für den Fristbeginn nach § 929 Abs. 2 ZPO der in dem Empfangsbekenntnis bekundete 24.03.2017.
b) Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.04.2017 ist dem Antragsgegnervertreter von dem Antragstellervertreter eine Ausfertigung der Beschlussverfügung nebst Antragsschrift und Anlagen gemäß § 195 ZPO übermittelt worden.
Eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt gemäß § 195 ZPO setzt eine Übermittlung des Dokuments mit Zustellungswille sowie die Entgegennahme durch den empfangenden Anwalt mit Empfangsbereitschaft voraus (MüKo/Häublein, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 195 Rn. 6). Im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 24.04.2017 (Bl 40/42 d. A.) ist hierzu auf Seite 2 (Bl. 41 d. A.) Folgendes festgehalten: Antragstellervertreter übergibt Antragsgegnervertreter eine gebundene Ausfertigung der einstweiligen Verfügung zum Zwecke der erneuten Zustellung. Die Zustellung wird auf dem Schriftstück vom Antragsgegnervertreter bestätigt und sodann als Anlage zum Protokoll genommen“. Damit hat der Antragstellervertreter die Ausfertigung der Beschlussverfügung samt Antragsschrift und Anlagen mit nach außen erkennbarer Zustellungsabsicht an den Antragsgegnervertreter übergeben, der den Erhalt und die Kenntnisnahme auf dem Schriftstück bestätigt und damit seine Empfangsbereitschaft dokumentiert hat. Der Umstand, dass die Ausfertigung anschließend zu den Gerichtsakten genommen wurde, ändert im vorliegenden Fall nichts daran, dass eine Zustellung gemäß § 195 ZPO bewirkt worden ist. Gemäß§ 166 Abs. 1 ZPO bedeutet Zustellung die Bekanntgabe eines Dokuments an die adressierte Person. Der Antragsgegnervertreter hatte vorliegend infolge der Übergabe des Schriftstücks an ihn Gelegenheit, hiervon Kenntnis zu nehmen. Nachdem ihm der Inhalt der Beschlussverfügung einschließlich der Antragsschrift samt Anlagen aus den bereits zuvor mehrfach an ihn übermittelten, wenngleich nicht wirksam zugestellten Dokumenten bereits bekannt war, und er sich damit auch inhaltlich im Rahmen seiner Widerspruchsbegründung ausführlich auseinandergesetzt hatte, lief die Kenntnisnahme im vorliegenden Fall lediglich noch auf eine Authentizitätsprüfung hinaus. Dass dem Antragsgegnervertreter diese nicht infolge der Aushändigung an ihn nicht möglich gewesen sei, ist nicht schlüssig vorgetragen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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