IT- und Medienrecht

Vorauszahlung auf den Herstellungsbeitrag, nochmalige Neuherstellung, Billigkeitsregelung für Altanschließer

Aktenzeichen  B 4 K 20.112

Datum:
26.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46088
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 5
Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG i.V.m. § 163 AO

 

Leitsatz

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Vorausleistungsbescheid der Beklagten vom 08.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Bayreuth vom 24.07.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.1 Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Hierzu zählen auch öffentlich betriebene Entwässerungsanlagen.
Das Recht, Vorauszahlungen auf den künftigen Beitrag zu fordern, ergibt sich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG. Danach können für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht nicht oder noch nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden, wenn mit der Herstellung der Einrichtung begonnen worden ist.
Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung der Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe verlangt ihre Festsetzung jedoch das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabensatzung nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG, weil nur so die rechtliche Voraussetzung für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen wird (vgl. BayVGH, B. v. 11.05.2005 Az. 23 ZB 04.3348 – Juris).
Die Beklagte verfügt mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 21.07.2014 (BGS-EWS 2014) über eine wirksame Abgabensatzung. Gründe, die gegen die Wirksamkeit der Satzung sprechen, wurden nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich.
Mit den Baumaßnahmen für die Erneuerung der Entwässerungseinrichtung wurde bereits in den Jahren 1987 bis 1992 begonnen. Insbesondere wurden im Ortsteil L … die Ortskanäle hergestellt, die der neuen Einrichtung zuzuordnen sind. Die Grundvoraussetzungen für die Erhebung von Vorauszahlungen lagen damit bei Erlass des Vorauszahlungsbescheids vom 08.09.2017 vor, ohne dass es darauf ankam, dass noch planerische Entscheidungen über die Abwasserbehandlung ausstanden, insbesondere die Frage, ob in L … eine neue Kläranlage gebaut werden oder ein Anschluss an eine auswärtige Kläranlage erfolgen soll. Inzwischen sind auch die für den Abschluss der Maßnahme erforderlichen Entscheidungen getroffen und die Bauarbeiten weit fortgeschritten. Auf die Darstellung im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 24.08.2020 wird verwiesen.
Nach ständiger Rechtsprechung darf sich die Vorauszahlung auf die volle Höhe der voraussichtlichen Beitragsforderung erstrecken, d. h. bis zur vollen Deckung des beitragsfähigen Investitionsaufwandes (vgl. BayVGH, U. v. 27.11.2003 – 23 B 03.1250 – BeckRS 2003, 31487, beck-online; Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungs- und Unternehmensrecht, Teil III, Frage 11, Nr. 3). Es ist somit nicht zu beanstanden, dass der Stadtrat mit Beschluss vom 17.07.2017 die Erhebung der Vorauszahlung in Höhe von 100% des voraussichtlichen Beitrags beschlossen hat.
Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf die Regelung des Art. 5 Abs. 5 Satz 3 KAG berufen. Danach kann die Vorauszahlung zurückverlangt werden, wenn die Beitragspflicht sechs Jahre nach Erlass des Vorauszahlungsbescheids noch nicht entstanden und bis zu diesem Zeitpunkt die Einrichtung noch nicht benutzbar ist. Zum einen ist die Sechs-Jahres-Frist seit Erlass des Vorauszahlungsbescheids vom 08.08.2017 noch nicht verstrichen, zum anderen ist die Entwässerungseinrichtung für die Ableitung der Abwässer vom Grundstück der Kläger benutzbar, auch wenn einzelne Baumaßnahmen noch nicht abgeschlossen sind. Das Entstehen der endgültigen Beitragspflicht ist bis 2023 zu erwarten.
1.2 Die auf dem Stadtratsbeschluss vom 24.10.1994 beruhende Härtefallregelung, die eine (teilweise) Anrechnung von Beiträgen vorsieht, „welche längstens 10 Jahre, gerechnet vom Entstehen der neuen, endgültigen Beitragsschuld bezahlt wurden“, ist für die Kläger nicht einschlägig.
Die Härtefallregelung soll Billigkeitsgesichtspunkten i. S. d. Art. 13 Abs. 1 Nr.4 b) KAG i.V. m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO Rechnung tragen und dem Schutz derjenigen dienen, die zeitnah vor dem Entstehen der Beitragspflicht für die neue Anlage noch zur alten Anlage Herstellungsbeiträge entrichtet haben. Die Entscheidung, eine Anrechnung nur über einen Zehn-Jahres-Zeitraum „gerechnet vom Entstehen der neuen, endgültigen Beitragspflicht“ zu gewähren, beruht nicht auf sachfremden, ermessensfehlerhaften Erwägungen. Die Regelung ist zum Vorteilsausgleich tauglich und nicht zu beanstanden.
Der Tatbestand der Billigkeitsregelung ist im Fall der Kläger ersichtlich nicht anwendbar. Die „neue endgültige Beitragspflicht“ ist bis heute nicht entstanden. Die erste Beitragserhebung für das Grundstück der Kläger im Jahr 1994 für die „alte“ Einrichtung liegt bereits mehr als 25 Jahre zurück, so dass eine Unbilligkeit wegen zeitnaher Erhebung eines nochmaligen Beitrags nicht vorliegt.
Soweit die Kläger eine Ungleichbehandlung gegenüber Beitragsschuldnern rügen, denen ein früherer Beitrag angerechnet wurde, haben sie Vergleichsfälle nicht konkret dargelegt. Ebenso wenig wurde konkretisiert, inwieweit eine Ungleichbehandlung vorliegt, weil Vorauszahlungen nicht von allen Beitragsschuldnern erhoben wurden. Von Beitragspflichtigen, die die Herstellungsbeitragsbescheide vom 27.10.2014 akzeptiert und nicht angefochten haben, brauchten jedenfalls keine Vorauszahlungen mehr verlangt werden.
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO, wonach die Kläger als Unterliegende die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner tragen, abzuweisen. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.


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