IT- und Medienrecht

Wasserzähler mit abgelaufener Eichfrist, Keine Befundprüfung, Keine Richtigkeitsvermutung der Messergebnisse nach Ablauf der Eichfrist

Aktenzeichen  W 2 K 20.1962

Datum:
30.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22080
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
MessEG § 37ff.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Änderungsbescheid der Beklagten vom 25. September 2018 zum Gebührenbescheid vom 19. April 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 2. November 2020 werden aufgehoben, soweit sie sich auf die Festsetzung von Wassergebühren für den Abrechnungszeitraum 1. Januar 2018 bis 20. Februar 2018 beziehen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Änderungsbescheid vom 25. September 2018 zum Gebührenbescheid vom 19. April 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 2. November 2020 sind im verfahrensgegenständlichen Umfang rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Voraussetzung für eine Nacherhebung von Wassergebühren liegen nicht vor. Die Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung der Gemeinde Schwanfeld (BGS/WAS) vom 27. Juli 2016, aktuell i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 1. Januar 2020, für deren Nichtigkeit weder Anhaltspunkte vorgetragen noch ersichtlich sind, bietet dafür keine Rechtgrundlage.
Gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 BGS/WAS vom 27. Juli 2016 wird der Wasserverbrauch grundsätzlich jährlich abgerechnet. Einem Wechsel des Gebührenschuldners durch Änderung der Eigentumsverhältnisse ist jedoch durch eine gesonderte, jeweils stichtagsgenaue Gebührenerhebung Rechnung zur tragen, wie dies für den verfahrensrelevanten Abrechnungszeitraum 1. Januar 2018 bis 20. Februar 2018 mit dem bestandskräftigen Gebührenbescheid vom 19. April 2018 geschehen ist. Dabei wurde der Verbrauch anhand des Vorjahresverbrauchs gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGS/WAS vom 27. Juli 2016 zulässigerweise geschätzt und zeitanteilig für den Abrechnungszeitraum angesetzt.
Erweist sich der auf der Grundlage einer solchen Schätzung abgerechnete Verbrauch nachträglich als unzutreffend, ist es grundsätzlich möglich, diesem Umstand durch eine Nacherhebung von Gebühren Rechnung zu tragen. Dies setzt jedoch voraus, dass ein von der ursprünglichen Schätzung abweichender Wasserverbrauch tatsächlich nachgewiesen ist.
Dieser Nachweis kann gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS/WAS vom 27. Juli 2016 primär durch das Ablesen eines tatsächlich vorhandenen, jedoch bislang nicht abgelesenen Wasserzählers erbracht werden, sofern dieser über eine gültige Eichung i.S.v. § 36 der Verordnung über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung non Messgeräten auf dem Markt sowie über ihre Verwendung und Eichung (Mess- und Eichverordnung – MessEV) verfügt.
Daran fehlt es für die am 15. Mai 2018 bzw. am 22. Mai 2018 abgelesenen Daten jedoch. Die Eichfrist des Wasserzählers war bereits im Jahr 2013 abgelaufen, so dass es sich im Zeitpunkt des Ablesens im Mai 2018 gem. § 37 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie Fertigpackung (Mess- und Eichgesetz – MessEG) vom 25. Juli 2013 (BGBl. I S. 2722, 2723), zuletzt geändert durch Art. 87 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626), nicht mehr um einen geeichten Wasserzähler handelte.
Eine Gleichstellung mit einem geeichten Wasserzähler gem. § 38 MEssEG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte ausweislich der vorgelegten Behördenakten keinen entsprechenden Eichantrag bei der dazu gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 MessEG i.V.m. § 1 Nr. 2 der Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Mess- und Eichwesens (Zuständigkeitsverordnung Mess- und Eichwesen – ZustVMessE) vom 15. April 2015 (GVBl. S. 76, BayRS 7141-1-W) zuständigen Stelle gestellt hat.
Zwar besteht nach Ablauf der Eichfrist eines Wasserzählers für dessen Messergebnisse kein „Beweisverwertungsverbot“ (statt vieler vgl. LG Bautzen, U.v. 30.4.2010 – 1 S 87/09 – zit. in BGH, U.v. 17.11.2010 – juris), jedoch fehlt es den abgelesenen Daten des Wasserzählers an der Richtigkeitsvermutung, die aus der durch die Eichung nachgewiesenen Einhaltung der gem. § 37 Abs. 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 MessEG vorgeschriebenen technischen Anforderungen resultiert. Mithin kann nach Ablauf der Eichfrist der Nachweis eines atypisch hohen Wasserverbrauchs nicht allein mit dem Verweis auf das abgelesene Messergebnis geführt werden.
Für eine Gebührennacherhebung wegen eines tatsächlich erhöhten Wasserverbrauchs müssen in diesem Fall weitere Umstände hinzutreten, aus denen auf die Richtigkeit der Messererbnisse des nicht mehr geeichten Wasserzählers geschlossen werden kann. So kann der Richtigkeitsnachweis beispielsweise durch eine zeitnah zur Ablesung durchgeführte Befundprüfung gem. § 39 Abs. 1 MessEG geführt werden, da diese in ihrem Umfang der Eichprüfung im Wesentlichen gleichgestellt ist. Eine solche Befundprüfung hat hier jedoch nicht stattgefunden.
Andere Umstände, wie beispielsweise ein nachgewiesener Wasserrohrbruch, die für die Richtigkeit der durch den Wasserzähler im Mai 2018 gemessenen Wasserverbrauch sprechen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Im Gegenteil, der plausible und seitens der Beklagten nicht angezweifelte Vortrag des Klägers, das Grundstück sei seit 2013 unbewohnt und der Haupthahn abgedreht gewesen, sprechen tendenziell gegen den durch den Wasserzähler angezeigten Wasserverbrauch, so dass es an tatsächlichen Anhaltspunkten für eine nachträgliche Korrektur der ursprünglichen Schätzung des Wasserverbrauchs fehlt.
Eine Umkehr der Beweislast im Hinblick auf die fehlende Mitwirkung des Klägers beim Ablesen des Wasserzählers oder bei dessen Austausch nach Ablauf der Eichfrist kommt hingegen nicht in Betracht. So fehlt es nach Aktenlage schon tatsächlich am Nachweis, dass die Schreiben überhaupt an den Kläger versandt wurden. Denn es handelte sich um maschinell erstellte Serienbriefe, deren tatsächliche Versendung nicht dokumentiert wurde. Im Übrigen wäre es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, den Kläger nochmals individuell wegen des Ablaufs der Eichfrist zu kontaktieren und den Austausch des Wasserzählers nötigenfalls zwangsweise durchzusetzen. Letztendlich hatte es die Beklagte auch in der Hand, nach dem Ausbau des Wasserzählers im Mai 2018 eine Befundprüfung zu veranlassen und damit Klarheit über die Richtigkeit des abgelesenen Wasserverbrauchs zu schaffen.
Mithin verbleit es dabei, dass es für die verfahrensgegenständliche Gebührenänderung keine Grundlage gibt. Auf die Frage der zeitlichen Verteilung des gemessenen Wasserverbrauchs kommt es dabei nicht an.
Der Änderungsbescheid vom 25. September 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 2. November 2020 waren im verfahrensgegenständlichen Umfang aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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