IT- und Medienrecht

Zu tragende Abschleppkosten bei hinter der Windschutzscheibe hinterlegter Mobilfunknummer

Aktenzeichen  122 C 31597/15

Datum:
2.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
SVR – 2017, 223
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 242, § 249 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1, § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 858, § 859 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1 Bezahlt derjenige, der sein Kfz auf dem Grundstück eines anderen abgestellt hatte, die für die von diesem veranlasste Entfernung des Fahrzeugs angefallenen Abschleppkosten direkt an den Abschleppunternehmer, dem etwaige Schadensersatzansprüche vom Grundstückseigentümer zuvor abgetreten worden waren, so ist für einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch gleichwohl der Grundstückseigentümer passivlegitimiert; der Abschleppunternehmer fungiert lediglich als dessen Zahlstelle.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Abstellen eines Fahrzeugs auf dem nicht der Öffentlichkeit gewidmeten Grundstück eines anderen ohne dessen Einwilligung stellt eine Eigentums- und Besitzverletzung sowie verbotene Eigenmacht iSd § 858 Abs. 1 BGB dar. (redaktioneller Leitsatz)
3 § 859 Abs. 3, § 858 Abs. 1 BGB berechtigen in diesem Fall den Betroffenen, das Fahrzeug abschleppen zu lassen. Dass derjenige, der das Fahrzeug abgestellt hat, seine Mobilfunknummer hinter der Windschutzscheibe platziert hat, steht dem jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Betroffene mitten in der Nach bei einem ihm völlig unbekannten KfZ-Halter anrufen müsste. (redaktioneller Leitsatz)
4 Ersatzfähig sind in einem solchen Fall die Abschleppkosten einschließlich eines Nachtzuschlags jedenfalls dann, wenn sie ortsüblich sind, Kosten für die Dokumentation des Vorgangs jedenfalls dann, wenn sie erst in Folge der verbotenen Eigenmacht ausgelöst wurden (vgl. BGH BeckRS 2014, 15950). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der früheren Beklagten Tectrareal Property Management GmbH.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 253,00 € festgesetzt.

Gründe

Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
a) Die Beklagte ist allerdings auch hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs passiv legitimiert, da sie die Zahlung des Klägers „empfangen“ hat. Zwar zahlte der Kläger für das Abschleppen seines Kfz an die Fa. B. Abschleppdienst, die jedoch – durch die Inkassoabtretung legitimiert – nur wie eine Zahlstelle der Beklagten fungierte. Der Sache nach machte die Fa. B. die in der Besitzentziehung liegenden Schadensersatzansprüche der Beklagten geltend.
b) Die Beklagte ist nicht rechtgrundlos bereichert.
Der Beklagten stand gegen den Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung aus § 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 858, 859 BGB zu, so dass die Zahlung des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erfolgte.
Indem der Kläger sein Fahrzeug auf dem nicht der Öffentlichkeit gewidmeten Grundstück der Beklagten abstellte, verletzte er deren Eigentum und Besitz. Hierin liegt eine verbotene Eigenmacht und ein teilweiser Besitzentzug (§§ 858, 859 Abs. 3 BGB). Der Kläger handelte auch schuldhaft (§ 823 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dem Kläger hätte diese Verletzung des Eigentums und des Besitzes der Beklagten beim Abstellen seines Fahrzeugs auffallen müssen. Er räumt selbst ein, dass entsprechende Hinweisschilder für eine private Nutzung der Parkfläche vorhanden waren.
c) Der Kläger schuldet der Beklagten den sich aus der Schutzgesetzverletzung ergebenden Schaden. Dieser liegt in den Aufwendungen der Beklagten, die diese infolge des Besitzentzugs eingegangen war. Insoweit dürfen aber nur solche Aufwendungen angesetzt werden, die ihrerseits im Einklang mit der Rechtsordnung stehen und insbesondere ihrerseits keine Besitzstörung des Klägers auslösten. Dies ist bei den am 24.10.2015 aufgewandten Abschleppkosten aber nicht der Fall.
Das von der Beklagten veranlasste Abschleppen war rechtmäßig (§§ 859 Abs. 3, 858 Abs. 1 BGB). Das Abschleppen beendete die widerrechtliche Besitzentziehung durch den Kläger; sie erfolgte „sofort“ nachdem diese eingetreten war (§ 859 Abs. 3 BGB). Die Beklagte ist bei ihren Entscheidungen – anders als eine staatliche Stelle – nicht an den (grundrechtlichen) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. Ihr Handeln muss sich allerdings an § 242 BGB und daran messen lassen, nur erforderliche Aufwendungen zur Schadenbeseitigung treffen zu dürfen (§ 249 Abs. 1 BGB).
Danach musste die Beklagte, die dort Parkplätze für übernachtende Bahnmitarbeiter bereit hält, mitten in der Nacht nicht bei einem ihr völlig unbekannten Kfz-Halter anrufen, mit dem sie ersichtlich in keinerlei geschäftlichen Kontakt stand (ggf. anders bei Kundenparkplätzen, wenn es um dort mutmaßlich um abgestellte Kundenfahrzeuge geht). Insoweit kann auch der weitere Vortrag des Klägers zu seinem allgemein gehaltenen Hinweis hinter der Windschutzscheibe als zutreffend unterstellt werden. Aus diesem Zettel ging nicht hervor, dass er sich nur wenige Minuten auf dem Parkplatz der Beklagten aufhalten will; ganz im Gegenteil suggeriert sein Hinweis, dass der Parkplatz von ihm nicht nur kurzfristig genutzt werden sollte. Ebenso wenig kann dem Zettel entnommen werden, dass sich der Kläger im Falle eines Anrufs sofort wieder einfinden werde. Sein Aufenthaltsort und der Zweck seines Aufenthalts werden darin nicht mitgeteilt. Die Beklagte durfte unter diesen Umständen das ihr zur Verfügung stehende effektivste Mittel des Abschleppens wählen, um die vom Kläger verübte Eigentumsstörung und die darin liegende verbotene Eigenmacht „sofort“ zu beenden.
d) Die von der Beklagten verlangten Kosten wurden erst durch die verbotene Eigenmacht des Klägers ausgelöst; sie sind daher eine kausale Schadensfolge. Hinsichtlich der Höhe der reinen Abschleppkosten (164,00 + 23,00 €) ist unstreitig, dass diese ortsüblich sind. Insoweit kann sich der Kläger, der sich damals in Augsburg aufgehalten und Kontakt zur örtlichen Polizei aufgenommen hatte, nicht auf das Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen. Auch die „Dokumentationskosten“ sind nach dem unstreitigen Vortrag erst in Folge der verbotenen Eigenmacht ausgelöst worden (vgl. dazu BGH NJW 2014, 3727).
2. Ein weitergehender Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht, da das von der Beklagten veranlasste Abschleppen des Fahrzeug des Klägers rechtmäßig war (§ 859 Abs. 1 BGB).
3. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Streitwertentscheidung hat ihre Grundlage in § 3 ZPO.
III.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da es sich um die Würdigung eines Einzelfalles handelt.


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