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Aktenzeichen  10 C 20/19

Datum:
30.10.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2019:301019U10C20.19.0
Normen:
§ 3 Nr 4 IFG
§ 9 Abs 1 KredWG
§ 4d Abs 1 FinDAG
§ 4d Abs 5 FinDAG
§ 4d Abs 9 FinDAG
Art 54 Abs 1 EURL 39/2014
Art 53 EURL 36/2013
Art 71 EURL 36/2013
Art 73 EURL 65/2014
Art 76 Abs 1 EURL 65/2014
Spruchkörper:
10. Senat

Leitsatz

Das von § 9 Abs. 1 KWG geschützte aufsichtsrechtliche Geheimnis der Finanzaufsichtsbehörden erfasst auch Informationen, die der Behörde von Dritten in der Erwartung vertraulicher Behandlung übermittelt werden.

Verfahrensgang

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 11. März 2015, Az: 6 A 329/14, Urteilvorgehend VG Frankfurt, 9. Juli 2013, Az: 7 K 205/12.F, Urteil

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Einsicht in Unterlagen der beklagten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
2
Der Kläger ist Vorstandsmitglied einer Bank, die der Aufsicht der Beklagten untersteht. Aufgrund der Anzeige eines Dritten ermittelte die Beklagte wegen des Verdachts nicht ordnungsgemäß getätigter Kreditgeschäfte. Sie ging Hinweisen nach, dass der Vorstandsvorsitzende der Bank, der Kläger im Parallelverfahren – 10 C 21.19 -, über Treuhandverträge – u.a. mit Frau M. B. – eine GmbH vollständig kontrolliert habe, die als Komplementärin an anderen Gesellschaften beteiligt gewesen sei; an diese habe die Bank Großkredite vergeben. Als überprüfungsbedürftig wurde insbesondere angesehen, ob bei Annahme einer Kreditnehmereinheit die speziellen Vorschriften für Organkredite eingehalten worden waren.
3
Mit Bescheid vom 9. August 2011 verlangte die Beklagte vom Kläger – und zugleich vom Vorstandsvorsitzenden – Auskunft nach § 44 Abs. 1 Satz 1 KWG zu den Umständen der Kreditvergabe. Im aufsichtsrechtlichen Verfahren wurde dem Kläger Akteneinsicht gewährt mit Ausnahme von Blatt 111 und 112 der Akten. Daraufhin begehrte der Kläger auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes Einsicht in die beiden zurückgehaltenen Aktenseiten. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2011 unter Verweis auf die Ausschlussgründe nach § 3 Nr. 1 Buchst. d, Nr. 4 (i.V.m. § 9 Abs. 1 KWG) und Nr. 7 IFG wegen des Schutzes des Informanten ab. Im Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2011 stützte die Beklagte ihre Entscheidung darüber hinaus auf weitere Versagungsgründe.
4
Im Klageverfahren erstreckte die Beklagte die Verweigerung der vollständigen Einsicht auf insgesamt weitere 8 Seiten der Akten über den IFG-Antrag und des Widerspruchsverfahrens. Sie wurden nur mit Schwärzungen vorgelegt, um Rückschlüsse auf die Identität des Informanten zu vermeiden. Mit Urteil vom 9. Juli 2013 wies das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung ab, dass der Informationszugangsanspruch nach § 3 Nr. 7 IFG ausgeschlossen sei.
5
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 11. März 2015 zurückgewiesen: Der Informationszugang sei gemäß § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. dem Berufsgeheimnis nach § 9 KWG zu verweigern. Diese Vorschrift sei vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. November 2014 – C-140/13 [ECLI:EU:C:2014:2362], Altmann – über das bisherige Verständnis hinaus richtlinienkonform im Sinne einer umfassenderen Geheimhaltung der vorhandenen Unterlagen auszulegen. Dem Berufsgeheimnis unterlägen allerdings nicht sämtliche Informationen, die die Beklagte im Kontext ihrer aufsichtlichen Tätigkeit gewinne; eine Bereichsausnahme für die Bankenaufsicht habe der Gesetzgeber nicht normiert. Die streitigen Unterlagen enthielten jedoch vertrauliche Informationen im Sinne der unionsrechtlichen Bestimmungen. Dieser Begriff erfasse nicht nur Informationen, die dem sogenannten Bankgeheimnis zuzurechnen seien, sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der beaufsichtigten Unternehmen, sondern auch solche Informationen, die dem aufsichtsrechtlichen Geheimnis zuzuordnen seien. Dazu gehörten nach den Erläuterungen der Beklagten die streitbefangenen Seiten. Sie stellten entweder Informationen dar, die die Beklagte im Aufsichtsbereich oder im Verfahren zur Aufsicht über die betroffene Bank erhalten habe, oder Unterlagen, die bei ihr daraufhin erstellt worden seien. Auf eine Ausnahme vom Verbot der Weitergabe vertraulicher Informationen könne der Kläger sich nicht berufen. Seine Behauptung, die strafrechtliche Relevanz des Vorgangs prüfen zu lassen, führe nicht auf den Ausnahmetatbestand für “Fälle, die unter das Strafrecht fallen”.
6
Der Kläger hat die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 3. Mai 2016 – 7 C 14.15 – hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in dem mit Vorlagebeschluss vom 4. November 2015 – 7 C 4.14 – eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren (Rechtssache C-15/16) ausgesetzt.
7
Zur Begründung der Revision trägt der Kläger – nach Fortsetzung des Verfahrens auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2018 – C-15/16 [ECLI:EU:C:2018:464], Baumeister – vor: Ein Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 9 Abs. 1 KWG liege nicht vor. Bei den zurückgehaltenen Informationen handele es sich nicht um Geheimnisse im Sinne dieser Vorschrift. Der von § 9 Abs. 1 KWG geschützte Personenkreis, auf den sich die Informationen beziehen müssten, sei auf die beaufsichtigten Institute, deren Kunden und deren Beschäftigte beschränkt. Frau B., die allein als Informantin in Betracht komme, gehöre nicht dazu. Informationen über den Kläger sowie die Bank würden zwar durch § 9 Abs. 1 KWG geschützt; deren Interessen seien aber nicht berührt, da er selbst – auch für die Bank – Einsicht begehre. Als “Verlängerung” des Bankgeheimnisses schütze § 9 Abs. 1 KWG darüber hinaus nur Informationen, die über die Bank zur Beklagten gelangten. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fielen die begehrten Informationen, die von Dritten stammten, nicht unter das aufsichtsrechtliche Geheimnis. Zum einen liege die Voraussetzung, dass die Information nicht öffentlich zugänglich sei, nicht vor. Es komme entscheidend darauf an, ob die Information gerade dem jeweiligen Antragsteller nicht zugänglich sei. Die Identität der Informantin sei ihm aber schon aufgrund der vorgelegten Aktenteile bekannt. Von den Sachinformationen auf den streitigen Seiten habe er Kenntnis, falls diese der Wahrheit entsprächen. Zum anderen sei ein Nachteil für den Informanten oder eine Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen Funktionierens der Überwachungstätigkeit der Beklagten bei Weitergabe der Informationen schon deswegen ausgeschlossen, weil ihm weder in der Sache etwas Neues noch unbekannte Überwachungsmethoden der Beklagten offenbart würden. Jedenfalls habe das Gericht ohne Kenntnis der konkreten Inhalte der zurückgehaltenen Unterlagen und vor Durchführung eines in-camera-Verfahrens von einem Berufsgeheimnis nicht ausgehen dürfen. Des Weiteren gälten angesichts des Alters der Informationen, die einen Bezug zu Geschäftsgeheimnissen hätten, erhöhte Darlegungsanforderungen. Selbst wenn ein Berufsgeheimnis vorläge, könnte sich die Beklagte nicht auf eine Pflicht zu dessen Wahrung berufen. Denn es gehe um einen Fall, der unter das Strafrecht falle. Die vermutlich falschen Angaben der Frau B. müsse er in strafrechtlicher Hinsicht überprüfen können. Im Übrigen lägen weder der vom Verwaltungsgericht herangezogene Versagungsgrund nach § 3 Nr. 7 IFG noch andere Ausschlussgründe vor.
8
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. März 2015 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juli 2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. September 2011 und ihres Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2011 zu verpflichten, dem Kläger vollständige Akteneinsicht in die Seiten 111 und 112 der Akte BA 41 – K 5403 – 106845/001, in die Seiten 4, 5, 6, 7, 39, 54 und 125 der Akte BA 41 – K 5404 – 106845/000001 sowie in die Seite 33 der Widerspruchsakte Q 26 – QR 7310 – 2011/0381 zu gewähren.
9
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
10
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und verweist ergänzend auf die Regelungen über das Hinweisgebersystem nach § 4d FinDAG, der in Absatz 5 die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes insoweit ausschließe.


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