IT- und Medienrecht

Zuweisung von Übertragungskapazitäten

Aktenzeichen  M 17 S 20.5077

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36384
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 S. 2
BayMG Art. 4, Art.11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Nr.7, Art. 25 Abs. 8, Art. 26 Abs. 4
RfS § 5 Abs. 3 S. 2, § 7 Abs. 4
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilten Bescheid, durch den die Verpflichtung der Beigeladenen zur Verbreitung des Spartenprogramms der Antragstellerin aufgehoben wurde.
Mit Bescheiden vom 5. Februar 2019 und vom 5. Dezember 2019 wurden der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin die Kapazitäten im Versorgungsgebiet Landkreis … … … und Landkreis … die UKW-Frequenzen … 93,1 MHz, … 90,4 MHz sowie einer DAB-Kapazität von 96 CU im lokalen Versorgungsgebiet Voralpenland jeweils zur Verbreitung des lokalen Hörfunkangebots Radio … einschließlich der Angebote des Spartenanbieters der Antragstellerin (drei Stunden wöchentlich) bis zum 30. Juni 2025 zugewiesen. In Ziff. 9 des Kooperationsvertrags vom 15. Dezember 2015 zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen war als pauschale Vergütung für die von der Antragstellerin eingebrachten Beiträge (als „Werbezeiten“) bezeichnet, ein monatlicher Pauschalbetrag in Höhe von 2.500,00 DM € zzgl. der gesetzlichen MwSt., der sich ab dem 1. Januar 1997 jährlich um 3,5% erhöht, vereinbart worden.
Mit Schreiben vom 28. Mai 2020 beantragte die Beigeladene eine Programmänderung dahingehend, dass die Verbreitung des Spartenangebots der Antragstellerin und die damit einhergehenden monatlichen Zahlungen ab Mitte Juni 2020 ausgesetzt werden. Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie seien die Werbeumsätze der Beigeladenen um mindestens 40% zurückgegangen. Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 4. Juni 2020 angehört. Nach Vorberatung durch den Hörfunkausschuss fasste der Medienrat in der Sitzung vom 23. Juli 2020 den Beschluss, die Verpflichtung zur Verbreitung des Spartenangebots der Antragstellerin einstweilig aufzuheben.
Mit Bescheid vom 4. August 2020 hob die Antragsgegnerin die in den Bescheiden vom 5. Februar 2019 und vom 5. Dezember 2019 enthaltene Verpflichtung der Beigeladenen zur Verbreitung des Spartenangebots … … (drei Stunden wöchentlich) und zur monatlichen Zahlung von 1.521,90 € an die Antragstellerin bis zur Feststellung der Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin auf (Nr. 1 des Bescheids). Die Zuweisung der technischen Übertragungskapazitäten gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 der Rundfunksatzung (RfS) sei auf Antrag der Zuweisungsinhaberin nach § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS zu ändern, da ein wichtiger Grund vorliege und die Interessen des durch die Auflage begünstigten Spartenanbieters nicht unzumutbar beeinträchtigt seien. § 7 Abs. 4 RfS enthalte keine abschließende Aufzählung wichtiger Gründe und statuiere nicht die Notwendigkeit eines programmlichen Bezugs des wichtigen Grundes. Deshalb stelle die vorliegende, durch die Corona-Krise verursachte wirtschaftliche Ausnahmesituation des Hauptanbieters, die die Fortführung des genehmigten Programmangebots gefährde, einen wichtigen Grund für das Programmänderungsverlangen dar. Der Geschäftsführer der Beigeladenen habe belegen können, dass der Rückgang der Umsatzerlöse seit Beginn der Corona-Krise rund 40% ausgemacht habe. Das Versorgungsgebiet der Beigeladenen sei das kleinste im Voralpenland und als Einfrequenzstandort den Auswirkungen der Corona-Krise stärker unterworfen als Funkhäuser mit mehreren Programmen. Die von der Antragstellerin angebotene Stundung der Zahlungen führe zu keiner dauerhaften Entlastung, da diese sich nicht auf die Verschuldung auswirke. Im Rahmen der Abwägung der Interessen der Antragstellerin als durch die Auflage begünstigter Spartenbetreiberin und der Beigeladenen als durch die Auflage belasteten Hauptanbieterin überwiege das langfristige Interesse des Fortbestehens einer leistungsfähigen Anbietergesellschaft das kurzfristige Interesse des Spartenanbieters an der Fortführung der Verbreitung seines Spartenangebots über die für das Gesamtangebot zugewiesene Übertragungskapazität. Wenn die Verbreitung des Hauptangebots mangels Solvenz des Hauptanbieters eingestellt werden müsse, entfalle auch die Verbreitung des Spartenangebots. Dies würde nicht nur zu einem Verlust an Programmvielfalt führen, sondern auch dazu, dass im Versorgungsgebiet … kein lokales Hörfunkangebot mehr über UKW zu empfangen wäre.
Mit Schriftsatz vom 13. August 2020, der bei Gericht am 14. August 2020 eingegangen ist, hat die Antragstellerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, Klage gegen den Bescheid vom 4. August 2020 erhoben, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen M 17 K 20.3702 anhängig ist. Mit Bescheid vom 28. August 2020 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung von Nr. 1 des Bescheids vom 4. August 2020 an. Die sofortige Vollziehung sei zur Aufrechterhaltung des Sendebetriebs der Beigeladenen erforderlich. Die Beigeladene sei derzeit finanziell nicht in der Lage, die Sendungen der Antragstellerin zu finanzieren. Das Abwarten des Ausgangs des Gerichtsverfahrens berge die Gefahr der Schaffung eines irreversiblen Rechtszustandes durch Eintreten der Insolvenz der Beigeladenen.
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020, bei Gericht eingegangen am 5. Oktober 2020, begründete der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Klage und beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 13. August 2020 gegen den Bescheid vom 4. August 2020 wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die im Antrag der Beigeladenen auf Programmänderung vom 28. Mai 2020 angegebene finanzielle Notsituation fraglich sei und nicht mit Zahlen belegt worden sei. Aus dem Antrag selbst wie auch aus dem in den Akten befindlichen Schriftverkehr aus der Zeit vor der Corona-Krise werde deutlich, dass die Beigeladene die Zulieferungen der Antragstellerin aus Gründen nicht mehr verbreiten habe wollen, die am Inhalt des Spartenprogramm der Antragstellerin lägen. Es sei durch die vorhandenen Unterlagen im Zeitpunkt der Entscheidung nicht belegt gewesen, dass der Beigeladenen eine Insolvenz drohe. Die Begründung des Bescheids sei lediglich formelhaft formuliert. Der Verweis darauf, dass … … schon aufgrund der Ausrichtung als Spartenangebot nicht wesentlich zur Programm- und Meinungsvielfalt im Versorgungsgebiet beitrage, Programminhalte für die verschiedenen Sendegebiete selten lokalisiert würden, häufige Wiederholungen geliefert würden und es einem Großteil der Beiträge an Aktualität und bestimmten Rubriken auch an Modernität fehle, zeige die Voreingenommenheit und die Willkür der Antragsgegnerin bei der Begründung des Bescheids. Die Anhörung sei fehlerhaft gewesen, da die im Anhörungsschreiben vom 4. Juni 2020 genannten Anlagen nicht beigefügt gewesen seien. Es hätten Geheimermittlungen stattgefunden, ohne dass die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt hätte, falsche Ermittlungsergebnisse richtigzustellen. Stellungnahmen der Pfarrer, Kirchenorganisationen, dem Bezirk Oberbayern und dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. seien unberücksichtigt gelassen worden. Außerdem seien Preise für das Programm von … … nicht berücksichtigt worden. Vor der Sitzung des Medienrats am 23. Juli 2020 sei neben der Stundung von Vergütungsbeträgen auch ein Rangrücktritt nach § 19 Abs. 2 InsO angeboten worden. Dieses Angebot sei in der Tischvorlage für die Sitzung des Medienrates nicht erwähnt worden; der Medienrat habe von der seitens der Antragstellerin angebotenen Vereinbarung nichts erfahren. Die Zahlung von ca. 1.200 € monatlich würde nicht zur Einstellung des Sendebetriebs führen. Die Umsatzeinbußen beschränkten sich auf die vergangenen Monate. Nach der neuesten Studie des Marktforschungsinstitut „The Nielsen Company“ sei bereits ab Juli 2020 ein Umsatzplus von 13,7% bei den Bruttoeinnahmen gegenüber dem Vorjahr zu erwarten. Der Trend sei eindeutig. Auch im Rahmen des mit Bescheid angeordneten Sofortvollzugs sei keine ordnungsgemäße Güterabwägung erfolgt; der Bescheid sei nur formelhaft begründet worden. Mit Schriftsatz vom 3. November 2020 trug der Bevollmächtigte der Antragstellerin ergänzend vor, dass die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin, eine ihr in Aussicht gestellte Sonderförderung (zusätzliche Mittel für die qualitätsvolle Produktion der bürgernahen Programmformate in der bisherigen Sendezeit bei … … … bzw. … … …*) umzuwidmen und zur Aufrechterhaltung ihres Programms bei der Beigeladenen zu verwenden, abgelehnt habe. Dies zeige, dass die angeblichen coronabedingten finanziellen Engpässe lediglich einen Deckmantel für die streitgegenständliche Entscheidung dargestellt hätten.
Mit Schriftsatz vom 20. November 2020 beantragte der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Aus dem Diskussionsverlauf der Sitzung des Medienrats vom 23. Juli 2020 sowie aus der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids sei zu entnehmen, dass die programmliche Bewertung des Spartenprogramms der Antragstellerin kein tragender Bescheidsgrund für die verfügte Aussetzung der Verbreitungs- und Vergütungsverpflichtung gewesen sei. Entscheidender Grund sei die wirtschaftlich bedrohliche Lage gewesen, die noch anhalte. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob programmliche Defizite der Antragstellerin bestehen und ihrerseits geeignet wären, einschneidende medienrechtliche Maßnahmen zu rechtfertigen. Hinsichtlich der von der Antragstellerin gerügten fehlerhaften Anhörung wurde darauf hingewiesen, dass der Antragstellerin die Anlagen zum Anhörungsschreiben mit E-Mail vom 5. Juni 2020 unter Verlängerung der Anhörungsfrist bis zum 18. Juni 2020 zugeleitet worden seien. Die Äußerung der Antragstellerin habe im Rahmen der Vorberatung durch den Hörfunkausschuss und im Rahmen der Entscheidung durch den Medienrat Berücksichtigung gefunden. Die Antragstellerin habe sich weiterhin mit Schreiben vom 14. Juli 2020 und vom 22. Juli 2020 zur Sache geäußert. Bei den von der Antragstellerin monierten „Geheimermittlungen“ habe es sich um die programminhaltliche Bewertung des Angebots der Antragstellerin gehandelt, die zu den Pflichtaufgaben der Antragsgegnerin zähle und permanent stattfinde. Die Dokumentation sei aus den Akten ersichtlich und nicht „geheim“. Bezüglich der gerügten Nichtberücksichtigung diverser positiver Stellungnahmen und Preise sei darauf zu verweisen, dass diese außerhalb der Aussetzungsentscheidung, die auf wirtschaftlichen und versorgungssichernden Erwägungen fuße, in Nr. 3 des Tenors des Bescheids vom 4. August 2020 Niederschlag gefunden hätten. Die Antragsgegnerin habe auf den Antrag der Beigeladenen auf Programmänderung nach § 7 Abs. 4 RfS reagiert, mit dem diese geltend gemacht habe, dass sie bei Aufrechterhaltung der Verbreitungs- und Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Antragstellerin einer wirtschaftlichen Notlage ausgesetzt sei, die aufgrund der damit in Zusammenhang stehenden Insolvenzgefährdung den Fortbestand der Beigeladenen gefährde. Die Aufklärung dieser Umstände obliege der Antragsgegnerin im Rahmen der Wahrnehmung ihres Aufgabenspektrums nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 7 des Bayerischen Mediengesetzes (BayMG), nach Art. 4 BayMG und auch nach Art. 26 Abs. 4 BayMG. Ein wichtiger Grund habe mit der Insolvenzgefährdungslage der Beigeladenen vorgelegen, die die Fortexistenz der Beigeladenen in Frage gestellt habe. Prognostisch sei die Antragsgegnerin diesbezüglich davon ausgegangen, dass eine wirtschaftliche Verbesserung jedenfalls nicht bis 31. Dezember 2020 erfolgen können werde. Diese Einschätzung habe sich durch die aktuellen Pandemieentwicklungen bestätigt. Dass § 7 Abs. 4 RfS keinen programminhaltlichen Bezug für das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraussetze, ergebe sich bereits aus der für die Satzungsbestimmung relevanten Ermächtigungsgrundlage des Art. 25 Abs. 8 BayMG i.V.m. Art. 26 Abs. 6 BayMG. Die Gefährdung der Fortexistenz der Beigeladenen als Hauptanbietergesellschaft sei durch die Antragsgegnerin, in deren Verantwortung insbesondere die Sicherstellung einer landesweiten ausgewogenen Rundfunkstruktur liege, nicht hinnehmbar. Würde die Hauptanbietergesellschaft wegfallen, gäbe es auch für die Antragstellerin keine Möglichkeit mehr, bei dieser ihr Spartenangebot zu verbreiten. Die durch die Corona-Krise eingetretenen Umsatzeinbußen seien so massiv, dass ein monatlicher Zahlungsbetrag in Höhe von 1.278,23 € (2.500 DM) netto eine Insolvenzgefährdungslage erzeuge. Zur Glaubhaftmachung der existenziellen wirtschaftlichen Gefährdungslage wurden BWA-Auszüge vorgelegt, aus denen sich die Umsatzeinbußen der Monate März bis Juli 2020 ergeben; die Umsatzeinbußen für die Monate August bis Dezember wurden mit 40% (August, September), 45% (Oktober, November) und 50% (Dezember) geschätzt. Bei der wirtschaftlichen Betrachtung sei weiterhin zu berücksichtigen, dass es sich bei der Beigeladenen um einen Programmanbieter an einem sog. Einfrequenzstandort handle, die auch in „normalen“ Zeiten nur kostendeckend arbeite und keine Rücklagen für „schwierige“ Zeiten und unvorhersehbare Ereignisse bilden könne. In Anbetracht dieser Tatsache und des Vorsichtsprinzips, das verlange, dass vorhersehbare Risiken und Verluste zu berücksichtigen seien, sei es gerechtfertigt, dass die Beigeladene alle Maßnahmen ergreife um eine Insolvenz abzuwenden. Die Beigeladene habe pandemiebedingten staatlichen Nothilfen des Bundes in Anspruch genommen. Diesbezüglich wurde darauf hingewiesen, dass diese Hilfen zweckgebunden gewesen seien und nur dazu dienten, Hörfunkanbieter temporär durch eine anteilige Übernahme der Distributionskosten zu unterstützen. Die Nothilfen hätten nicht für Angelegenheiten mit programminhaltlichem Bezug eingesetzt werden dürfen und hätten deshalb auch nicht für die Bezahlung an Spartenanbieter für zur Verfügung gestellte Angebote verwendet werden dürfen. Die Nothilfen seien der Höhe nach nicht dazu geeignet gewesen, das wirtschaftliche Gefüge der Beigeladenen nachhaltig zu sichern. Der Umstand, dass die Beigeladene die Fördervoraussetzung des Nachweises eines tatsächlichen coronabedingten Förderbedarfs im förderrelevanten Zeitraum erbracht habe und ihr Förderhilfen auf Bundesebene zuteil worden seien, zeige, dass Umsatzeinbußen in erheblichem Maße vorgelegen hätten. Die Nothilfen seien aufgrund der Zuordnung und auch in ihrer Größenordnung nicht geeignet, die Insolvenzgefährdung der Beigeladenen abzuwenden. Das Eintreten der Insolvenz müsse nicht „eurogenau“ als sicher eintretend dargestellt werden, sondern es sei ausreichend, dass eine ernstliche Bedrohungslage belegbar sei. Der Antragsgegnerin komme in diesem Rahmen eine Einschätzungsprärogative zu. Aufgabe der Antragsgegnerin sei es – auch vor dem Hintergrund des Art. 111a Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Bayern (BV) und des Art. 2 Abs. 1 BayMG, das Lokalradio in einer Krisenzeit – wie der Corona-Pandemie – so zu stabilisieren, dass erwartet werden könne, dass es seine lokale Grundversorgungsfunktion erfüllen könne. Die redaktionelle Unabhängigkeit des Anbieters dürfe nicht durch prekäre wirtschaftliche Verhältnisse in Gefahr geraten. Eine Gefährdungslage des Hauptanbieters müsse verhindert werden. Im Rahmen der in den Verfügungen vom 4. August 2020 und vom 28. August 2020 getroffenen Abwägung habe sich keine unzumutbare Beeinträchtigung der Antragstellerin ergeben; eine existenzbedrohende Lage sei nicht ersichtlich. Auch werde nicht in statusbeseitigender Form in den grundrechtlichen Status der Antragstellerin eingegriffen. Sie habe weiterhin die Möglichkeit, ihr Angebot am Standort Rosenheim (Radio Charivari, Radio Galaxy) gegen entsprechende entgeltliche Vergütung der Anbietergesellschaft zu verbreiten.
Der Vertreter der Beigeladenen trug mit Schreiben vom 26. Oktober 2020 vor, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Beigeladene, die sich ausschließlich aus Werbung finanziere, infolge der Corona-Pandemie erheblich verschlechtert hätten. Das Handeln im Sinne eines „ordentlichen Kaufmanns“ erfordere es, alle denkbaren Möglichkeiten der Kostenminimierung zu überprüfen und auszuschöpfen, um eine Insolvenz zu vermeiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten dieses sowie des Hauptsacheverfahrens M 17 K 20.3702 sowie die vorgelegte Behördenakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin (M 17 K 20.3702) nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist zulässig, bleibt in der Sache aber erfolglos. Ihre Anfechtungsklage wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, da Nr. 1 des angefochtenen Bescheids vom 4. August 2020 bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt. Unabhängig davon überwiegt das Vollzugsinteresse des angefochtenen Bescheides das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.
1. Die Klage gegen die Nr. 1 des Bescheids vom 4. August 2020 hat nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung, weil die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 28. August 2020 den Sofortvollzug dieser Anordnung angeordnet hat. In solchen Fällen kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen.
2. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bzw. eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) kommt nicht in Betracht. Formelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusstmacht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts notwendig erscheinen lassen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch typisierte Begründungen ausreichen.
Vorliegend geht aus der Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend hervor, dass für die Antragsgegnerin handlungsleitend die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Beigeladenen war, die dazu führen würde, dass diese den Sendebetrieb nicht länger aufrechterhalten kann. Die Antragsgegnerin hat in der Begründung darauf hingewiesen, dass die Beigeladene aufgrund der Corona-Krise im Mai 2020 Einnahmeverluste von ca. 60% zu verzeichnen gehabt habe und derzeit finanziell nicht in der Lage sei, die Sendungen der Antragstellerin zu vergüten. Alle weiteren Einsparpotentiale seien seitens der Beigeladenen bereits ausgeschöpft worden. Wann mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München in der Hauptsache zu rechnen sei, könne derzeit nicht abgeschätzt werden. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage stelle in wirtschaftlicher Hinsicht eine unbillige Härte für die Beigeladene dar. Es sei zu befürchten, dass die Beigeladene bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung zahlungsunfähig oder überschuldet sei. Damit hat die Antragsgegnerin fallbezogen die von ihr als maßgeblich angesehenen Umstände angegeben.
3. Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen Maßnahme kann kein Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, ist eine von der Einschätzung der Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen.
Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses der Antragstellerin einerseits – vorläufig das Spartenangebot weiterhin gegen Vergütung durch die Beigeladene zu verbreiten – mit dem widerstreitenden Interesse andererseits – Abwendung einer drohenden Insolvenz der Beigeladenen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der lokalen Rundfunkversorgung -, dass dem Interesse am Vollzug des Bescheids vom 4. August 2020 der Vorrang einzuräumen ist. Denn die in der Hauptsache angefochtene Aufhebung der Verpflichtung der Beigeladenen zur Verbreitung des Spartenangebots … … (zwei Stunden wöchentlich und Einzelbeiträge) und zur monatlichen Zahlung von 1.521,90 € bis zur Feststellung der Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen in Ziffer I. des Bescheids vom 4. August 2020 erweist sich nach der gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig.
3.1 Die Änderung der Kapazitätszuweisung ist formell rechtmäßig.
Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 4. Juni 2020 ordnungsgemäß angehört, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG. Die infolge eines Büroversehens nicht beigefügten Anlagen wurden der Antragstellerin mit E-Mail vom 5. Juni 2020 übersandt; die im Schreiben vom 4. Juni 2020 vorgesehene Äußerungsfrist (bis 12. Juni 2020) wurde bis zum 18. Juni 2020 verlängert.
Der Bescheid enthält eine den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG entsprechende Begründung. Es wurden unter Darstellung des Sachverhalts die wesentlichen Entscheidungsgründe einzelfallbezogen dargelegt.
3.2 Die Änderung der Kapazitätszuweisung ist nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Änderung der Kapazitätszuweisung ist Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BayMG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 RfS.
Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BayMG obliegt der Antragsgegnerin die Entscheidung über die Zuweisung technischer Übertragungskapazitäten. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 RfS kann die Landeszentrale die Zuweisung von technischen Übertragungskapazitäten auch nach Bestandskraft eines Bescheides ändern, soweit dadurch die Interessen der betroffenen Anbieter nicht unzumutbar beeinträchtigt sind.
Die Änderung der jeweils mit einer die Antragstellerin begünstigten Auflage versehenen Kapazitätszuweisungen an die Beigeladene (Bescheide vom 5. Februar 2019 und vom 5. Dezember 2019) durch den streitgegenständlichen Bescheid ist nicht zu beanstanden.
Der Antragsgegnerin kommt gem. Art. 4, Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayMG bei der Zuweisung von Übertragungskapazitäten auf der Grundlage des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 BayMG, die durch das pluralistisch zusammengesetzte Gremium des Medienrats (Art. 12 BayMG) wahrgenommen wird, eine Einschätzungsprärogative zu, da sie dafür Sorge zu tragen hat, dass das Gesamtangebot der privaten Rundfunkprogramme in Bayern ausgewogen ist, die Meinungsvielfalt sichert und eine ausgewogene landesweite Rundfunkstruktur besteht. Diese Einschätzungsprärogative besteht auch bei der Änderung einer Kapazitätszuweisung. Die Zuweisungsentscheidung bzw. die Änderung der Zuweisungsentscheidung kann daher gerichtlich grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden, ob die Antragsgegnerin von einem unzutreffenden oder unvollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, sie die gesetzlichen Beurteilungsmaßstäbe falsch angewendet hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder die Position der Antragstellerin als Trägerin der Rundfunkfreiheit keine hinreichende Beachtung erfahren hat (vgl. hierzu VGH Mannheim, B.v. 13.12.2002 – 1 S 2480/02; VG Stuttgart, B.v. 16.7.2008 – 1 K 256/08).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Gericht ist der Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung der Antragsgegnerin.
3.2.1 Es ist nicht zu beanstanden, dass Anlass für die Änderung ein Antrag auf Programmänderung durch die Beigeladene war. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS kann der Anbieter eine Änderung des Sende- und Programmschemas und des Programmnamens sowie Abweichungen von einem programminhaltlichen Schwerpunkt aus wichtigem Grund verlangen. Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 28. Mai 2020 die Programmänderung aufgrund einer massiven Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage infolge erheblicher Einbußen an Werbeeinnahmen aufgrund der Corona-Krise. Bei Aufrechterhaltung der Verbreitungs- und Zahlungsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin sehe sie sich einer wirtschaftlichen Notlage ausgesetzt, die zu einer Insolvenzgefährdung führe und deshalb ihren Fortbestand als Hauptanbieterin gefährde.
Die Situation der Gefährdung der Fortführung des genehmigten Programmangebots infolge einer durch Einnahmeeinbußen aufgrund der Corona-Krise verursachten wirtschaftlichen Notlage stellt einen wichtigen Grund im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS dar. Der unbestimmte Rechtsbegriff des „wichtigen Grundes“ ist in § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS nicht näher konkretisiert, insbesondere verlangt der Wortlaut des § 7 Abs. 4 RfS keinen programminhaltlichen Bezug des wichtigen Grundes. Dass ein „wichtiger Grund“ nicht nur ein Grund mit programminhaltlichem Bezug sein kann, wird auch durch § 7 Abs. 4 Satz 2 RfS deutlich, wonach ein wichtiger Grund insbesondere vorliegen kann, wenn das Angebot eines anderen Anbieters angeordnet wird oder auf Dauer wegfällt.
Der von der Beigeladenen im Rahmen ihres Antrags gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 RfS angegebene Sachverhalt wurde von der Antragsgegnerin geprüft. Aus dem Protokoll der Sitzung des Medienrats vom 23. Juli 2020 geht hervor, dass sich die Antragsgegnerin zur Ermittlung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen auf die nachgewiesenen Umsatzeinbußen gestützt hat, die im April 2020 rund 40% betrugen, wobei den fehlenden Einnahmen Ausgaben in unveränderter Höhe gegenüberstanden. Berücksichtigt wurde auch das seitens der Antragstellerin unterbreitete Angebot, die Zahlungen zu stunden und einen Rangrücktritt zu erklären. Eine Stundung wurde jedoch nicht für geeignet befunden, die finanzielle Notlage der Beigeladenen abzuwenden, da sich eine Stundung nur auf die Liquidität auswirkt und nicht zu einer dauerhaften Entlastung führt. Die Antragsgegnerin ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass im Falle einer Insolvenz der Beigeladenen auch das Spartenangebot der Antragstellerin nicht mehr über das Sendegebiet der Beigeladenen verbreitet werden könnte.
3.2.2 Die von der Antragsgegnerin nach § 7 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 RfS getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden; Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin von einem unzutreffenden oder unvollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, sie die gesetzlichen Beurteilungsmaßstäbe falsch angewendet hat, sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder die Position der Antragstellerin als Trägerin der Rundfunkfreiheit nicht hinreichend beachtet hat, sind nicht ersichtlich.
Wie oben ausgeführt, hat sich die Antragsgegnerin zur Ermittlung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen maßgeblich auf die belegten Umsatzeinbußen der Beigeladenen gestützt. Wie der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, musste im Zeitpunkt der Entscheidung nicht auf den einzelnen Euro genau nachgewiesen werden, dass eine Insolvenz der Beigeladenen sicher droht, da die Einnahmeentwicklung während der ersichtlich nicht beendeten Corona-Krise nur im Wege einer Prognose beurteilt werden konnte. Im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung hat die Antragsgegnerin auch den Umstand berücksichtigt, dass die Beigeladene als Programmanbieterin an einem sog. Einfrequenzstandort auch in normalen Zeiten nur kostendeckend arbeitet.
Entgegen der Auffassung des Vertreters der Antragstellerin stellt es kein Ermittlungsdefizit der Antragsgegnerin dar, dass sie sich im Zusammenhang mit der zu treffenden Entscheidung nicht mit dem Programminhalt der Antragstellerin auseinandergesetzt hat bzw. keine weitere Nachforschungen bezüglich eines im Raum stehenden etwaigen Vorliegens programmlicher Defizite angestellt hat. Denn die streitgegenständliche Entscheidung beruhte ausschließlich auf der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen, die im Falle einer Insolvenz der Beigeladenen zum Wegfall des lokalen Hörfunks im betroffenen Sendegebiet führen würde.
Bei der vom Vertreter der Antragstellerin zitierten Passage der Bescheidsgründe, dass … … aufgrund der Ausrichtung als Spartenangebot nicht wesentlich zur Programm- und Meinungsvielfalt im Versorgungsgebiet beitrage, Programminhalte für die verschiedenen Sendegebiete selten lokalisiert würden, häufige Wiederholungen geliefert würden und es einem Großteil der Beiträge an Aktualität und bestimmten Rubriken auch an Modernität fehle, handelt es sich um einen von der Antragsgegnerin im Rahmen der Prüfung, ob die Interessen der Antragstellerin unzumutbar betroffen sind (§ 5 Abs. 3 Satz 2, 2. HS RfS) berücksichtigten Aspekt und nicht um den maßgeblichen Grund, aus dem die Entscheidung getroffen wurde. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Antragsgegnerin insoweit von sachfremden Erwägungen ließ. Ausweislich des Protokolls der Sitzung des Medienrats vom 23. Juli 2020 war allein die wirtschaftliche Lage ursächlich für die streitgegenständliche Entscheidung. Dies bestätigt auch der Umstand, dass die Änderung der Kapazitätszuweisung nur bis zur Feststellung der wirtschaftlichen Konsolidierung der Beigeladenen angeordnet wurde, wobei bereits ab dem 1. Januar 2021 ein Antrag auf Feststellung der wirtschaftlichen Konsolidierung gestellt werden kann.
Da programminhaltliche Erwägungen nicht ursächlich für die streitgegenständliche Entscheidung waren, konnten die von Antragstellerseite angeführten positiven Stellungnahmen verschiedener Stellen und Auszeichnungen keine Berücksichtigung finden.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Beurteilung, ob die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen die streitgegenständliche Anordnung erforderlich macht, die Auswirkungen auf die Ausgewogenheit des Gesamtangebots der privaten Rundfunkprogramme in Bayern und der landesweiten Rundfunkstruktur im Blick hatte. Da im Falle der zu befürchtenden Insolvenz der Beigeladenen ein lokaler Hörfunkanbieter wegfallen würde, diente die vorübergehende Entscheidung der Sicherung des lokalen Hörfunks in diesem Bereich.
Die vorübergehende Aussetzung der Verpflichtung zur Verbreitung des Spartenangebots und zur monatlichen Zahlung war auch verhältnismäßig. Die Entlastung der Beigeladenen von den Zahlungsverpflichtungen von monatlich 1.521,90 € ist geeignet, die drohende Insolvenzgefährdung der Beigeladenen abzuwenden. Die Maßnahme ist auch erforderlich. Insbesondere führen die von der Antragstellerin angebotenen Möglichkeiten einer Stundung oder eines Rangrücktritts nicht zum Entfallen der Forderungen. Die von Antragstellerseite ins Feld geführte Möglichkeit der Umschichtung einer etwaigen Sonderförderung scheitert bereits an den vom Medienrat artikulierten Bedingungen, an die die Förderung geknüpft ist (zusätzliche Mittel für die qualitätsvolle Produktion der bürgernahen Programmformate in der Sendezeit bei … … … bzw. … … …*). Da die Änderung der Kapazitätszuweisung nur bis zur Feststellung der wirtschaftlichen Konsolidierung der Beigeladenen angeordnet wurde, ist sie auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne.
Die Antragsgegnerin hat auch die Position der Antragstellerin als Trägerin der Rundfunkfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) hinreichend beachtet. Durch die streitgegenständliche Entscheidung wird das grundrechtlich geschützte Senderecht der Antragstellerin vorübergehend eingeschränkt, es wird ihr jedoch nicht entzogen. Die Antragstellerin hat bis zur Feststellung der Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen grundsätzlich die Möglichkeit, andere Verbreitungswege zu nutzen, insbesondere durch Nutzung ihrer unverändert bestehenbleibenden Sendezeit im Sendegebiet von … … … und von … … … Zutreffend hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen zudem berücksichtigt, dass die Grundrechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin durch den Wegfall der Sendemöglichkeit bei der Beigeladenen als Hauptanbieterin stärker ausfallen würde, wenn die Beigeladene infolge einer Insolvenz nicht fortexistieren würde. Auch in diesem Fall würde die Sendemöglichkeit des Spartenprogramms bei der Hauptanbieterin entfallen – und zwar dauerhaft.
3.2.3 Die Änderung der Kapazitätszuweisung beeinträchtigt die Interessen der Antragstellerin nicht unzumutbar, § 5 Abs. 3 Satz 2 RfS.
Es ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht substantiiert vorgetragen, dass das Fortbestehen des Spartenanbieters als solches durch den Wegfall der monatlichen Einnahmen in Höhe von 1.521,90 € gefährdet wäre. Die Antragstellerin ist nach Angaben des Vorsitzenden des Hörfunkausschusses in der Sitzung des Medienrates vom 23. Juli 2020 der einzige Spartenanbieter in Bayern, der von den Hauptanbietern finanziert werde; alle anderen bayerischen Spartenanbieter brächten ihr Programm kostenlos in das Hauptprogramm ein und finanzierten sich eigenständig über verschiedene Erlösmodelle wie z. B. Spenden, Sponsoring, Mitgliedsbeiträge oder Stiftungsgelder.
Bezüglich der Beeinträchtigung der grundrechtlichen Rechtsposition der Antragstellerin als Trägerin der Rundfunkfreiheit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
4. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vom 4. August 2020 überwiegt nach den vorstehenden Ausführungen das Vollzugsinteresse des angefochtenen Bescheids das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Denn eine durch die dargelegte finanzielle Schieflage der Beigeladenen drohende Insolvenz hätte gewichtigere Auswirkungen für die Ausgewogenheit des Gesamtangebots der privaten Rundfunkprogramme als die vorübergehend für die Antragstellerin entfallende entgeltliche Verbreitung ihres Spartenprogramms bei der Beigeladenen, zumal die Antragstellerin ihrerseits eine drohende finanzielle Notlage infolge des vorübergehend wegfallenden Entgelts (alle anderen Spartenanbieter werden ohnehin nicht vom Hauptanbieter finanziert) nicht glaubhaft gemacht hat.
Der Antrag war daher abzulehnen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, dürfen ihr keine Kosten auferlegt werden (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Mangels erfolgreichen Antrags der Beigeladenen entspricht es auch der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Ziff. 37.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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