Kosten- und Gebührenrecht

Beschwerde, Prozesskostenhilfe nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens

Aktenzeichen  10 C 20.2808

Datum:
8.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9412
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 2
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
ZPO § 117 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 24 K 19.6028 2020-10-28 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2020 (M 24 K 19.6028), mit dem dieses seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – unter Beiordnung der Bevollmächtigten – für seine Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG abgelehnt hat.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Antragsteller zuletzt im Wesentlichen beantragt, den Beklagten − unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2019 − zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen und − unter Beiordnung der Bevollmächtigten − Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Antragstellerseite hat mit Klageerhebung die Vorlage einer Erklärung des Antragstellers über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse angekündigt (vgl. VG München, Gerichtsakte, Bl. 2). Dies ist indes in der Folge nicht geschehen, insbesondere nicht mit den im Anschluss daran eingereichten Schriftsätzen (vgl. VG München, Gerichtsakte, Bl. 17 bis 19 u. Bl. 32).
Mit Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 2020 hat das Verwaltungsgericht die Klage des Antragstellers abgewiesen und zugleich mit Beschluss vom selben Tag den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten unter Verweis auf den vorgenannten Gerichtsbescheid mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt (vgl. BA S. 17). Gegen den als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid, der ihm am 4. November 2020 zugestellt wurde, hat der Antragsteller weder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung noch die Zulassung der Berufung beantragt.
Mit seiner am 18. November 2020 eingelegten Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die erfolgte Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse legte er auch im Beschwerdeverfahren nicht vor.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zwar nach § 146 Abs. 2 VwGO tauglicher Beschwerdegegenstand, da es die begehrte Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen der fehlenden persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen, sondern mangels hinreichender Erfolgsaussichten verneint hat (s.o.).
b) Allerdings sind im vorliegenden Fall die zeitlichen Grenzen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren überschritten.
aa) Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO – unter Beiordnung eines Bevollmächtigten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO – ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist der Fall, wenn der vorgetragene Rechtsstandpunkt der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei bei summarischer Prüfung wenigstens vertretbar erscheint (vgl. Reichling in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 37. Aufl., Stand: 1.7.2020, § 114, Rn. 28 m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Bewilligungsreife, der gegeben ist, sobald die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen vorliegen und die Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme angehört worden ist (vgl. BayVGH. B.v. 27.5.2019 – 10 C 19.315 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Im Rechtsmittelverfahren der Beschwerde gilt, dass nach rechtskräftigem Abschluss des zugrundeliegenden Hauptsacheverfahrens auf ein in der Erstinstanz rechtzeitig gestelltes und mit den erforderlichen Unterlagen eingereichtes Prozesskostenhilfegesuch hin bei bestehender Klärungsbedürftigkeit von schwierigen Sach- und Rechtsfragen die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht anders zu beurteilen sind, als wenn die erste Instanz darüber bei Entscheidungsreife hinsichtlich der Prozesskostenhilfe sogleich entschieden hätte. Denn auf den Zeitpunkt der Entscheidung hat der Antragsteller regelmäßig keinen Einfluss, und es darf ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn die Erstinstanz über sein Gesuch erst so spät entscheidet, dass eine Klärung in der Rechtsmittelinstanz vor Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BGH, B.v. 7.3.2012 – XII ZB 391/10 – juris Rn. 16). Insbesondere darf ihm nicht angelastet werden, dass er in Bezug auf die Hauptsache mögliche Rechtsmittel nicht ergriffen beziehungsweise mögliche Verfahrenshandlungen vorgenommen hat, da er das Risiko, mit den Kosten der weiteren Prozessführung belastet zu werden, mangels abschließender Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch nicht hinzunehmen braucht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 27a m.w.N.).
Die erforderlichen Unterlagen schließen nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die vollständig ausgefüllte und unterschriebene Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) in der Form des § 117 Abs. 4 ZPO sowie die entsprechenden Nachweise ein. Bei einem anwaltlich vertretenen Antragsteller bedarf es auch keines Hinweises auf das Erfordernis des § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Wird eine derartige Erklärung samt entsprechender Belege erst nach rechtskräftigem Abschluss der Instanz vorgelegt, tritt die Bewilligungsreife für die begehrte Prozesskostenhilfe auch erst zu diesem Zeitpunkt ein, mit der Folge, dass eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die bereits abgeschlossene Instanz ausscheiden muss (vgl. OVG NW, B.v. 5.10.2006 − 18 E 760/06 – juris Rn. 8). Eine solche scheidet erst Recht aus, wenn die erforderlichen Unterlagen weder der Erstinstanz noch dem Rechtsmittelgericht vorgelegt wurden und daher Bewilligungsreife nie eingetreten ist (stRspr. d. Senats, vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 10 C 15.1468 – juris Rn. 4 ff.).
bb) So liegt der Fall hier. Die zugrundeliegende Hauptsache, das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht, ist mit Rechtskraft des als Urteil wirkenden Gerichtsbescheids rechtskräftig abgeschlossen (s.o.). Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit die Hauptsache schwierige Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen hat, hat der Antragsteller bislang eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse samt entsprechender Nachweise nicht vorgelegt. Eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die bereits abgeschlossene Instanz scheidet daher aus.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr anfällt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
3. Diese Entscheidung ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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