Kosten- und Gebührenrecht

Erfolglose Beschwerde wegen Unanfechtbarkeit des Bescheids über den Verlust des Freizügigkeitsrechts

Aktenzeichen  10 C 19.701

Datum:
6.6.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13743
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FreizügG/EU § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 2 S. 8, § 11 Abs. 1 S. 1
GKG § 21 Abs. 1, § 68 Abs. 1 S. 1
VwGO § 92 Abs. 3, § 146 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2, 127 Abs. 4
AufenthG § 11 Abs. 8

 

Leitsatz

1. Bei der Rücknahmeerklärung muss eindeutig hervorgehen, ob der Antrag auf Verkürzung der Frist für die Wiedereinreise und auf Erteilung von Betretenserlaubnissen aufrechterhalten werden soll. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch unabhängig von der Bestandskraft eines Bescheids, mit dem der Verlust eines Freizügigkeitsrecht festgestellt wird, kann das Anliegen gegenüber der Beklagten nach § 7 Abs. 2 S. 8 FreizügG/EU weiterhin verfolgt werden.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Versagung der Prozesskostenhilfe, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 ZPO nicht (fristgerecht) vorgelegt wurden, kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (vgl. auch BayVGH, B.v. 25.1.2018 – BeckRS 2018, 1362). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 18.2044 2019-02-28 Ent VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe

Am 11. Dezember 2018 erhob der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. November 2018, mit dem diese den Verlust seines Rechts auf Freizügigkeit festgestellt, die Wirkungen der Verlustfeststellung auf fünf Jahre ab Ausreise befristet und seine Abschiebung nach Rumänien angeordnet bzw. angedroht hatte, und beantragte hierfür „Verfahrenskostenhilfe“.
Mit einer „Verzichtserklärung“, die seine Bevollmächtigte am 22. Februar 2019 dem Verwaltungsgericht vorlegte, erklärte der Kläger, dass er „die Rücknahme der Klage wünsche“. Mit Beschluss vom 28. Februar 2019 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein (Nr. I.), erlegte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf (Nr. II.), setzte den Streitwert auf 5.000 Euro fest (Nr. III.) und lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ab (Nr. IV.).
Am 1. April 2019 legte der Kläger gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Zur Begründung sei auszuführen, dass die Klage nicht zurückgenommen, sondern lediglich auf Teilbereiche beschränkt worden sei. Gegen die Auferlegung der Kosten und gegen die Ablehnung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe werde somit Beschwerde eingelegt. Auf ein gerichtliches Hinweisschreiben vom 10. Mai 2019, dass unklar sei, wogegen sich die Beschwerde richte, weil der angefochtene Beschluss überwiegend unanfechtbar sei, teilte die Bevollmächtigte des Klägers am 28. Mai 2019 mit, die „Ausweisung“ werde nicht weiter angegriffen, jedoch werde der Antrag auf Herabsetzung der Frist zur Wiedereinreise des Klägers auf ein Jahr nach Vollzug der Ausweisung aufrechterhalten. Außerdem sei dem Kläger zur Ausübung seines Umgangsrechts mit seinen vier Kindern ein Betretungsrecht mindestens sechsmal pro Jahr für je eine Woche einzuräumen.
Die Beschwerde ist zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist; der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. Februar 2019 ist unanfechtbar.
a) Die Einstellung des Verfahrens nach Klagerücknahme und die Auferlegung der Verfahrenskosten (Nr. I. und II. des Beschlusses) sind unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 und § 158 Abs. 2 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat auch nicht zu Unrecht das Verfahren (vollständig) eingestellt, so dass das Verfahren (teilweise) fortzusetzen wäre. Aus der schriftlichen Erklärung des Klägers ergibt sich eindeutig, dass er die Klage vollständig zurücknehmen wollte. In dem Schreiben der Bevollmächtigten vom 22. Februar 2019, mit dem diese Erklärung dem Verwaltungsgericht vorgelegt worden ist, wird mitgeteilt, dass der Kläger „mit einer Beschränkung der Klage einverstanden“ sei; dabei wird aber nicht erkennbar, dass diese trotz der Erklärung des Klägers noch teilweise weiterverfolgt sollte. Dass – wie im Schreiben vom 28. Mai 2019 vorgetragen – der Antrag auf Verkürzung der Frist für die Wiedereinreise und auf Erteilung von Betretenserlaubnissen aufrechterhalten werden sollte, geht daraus nicht hervor; die Erteilung von Betretenserlaubnissen war ohnehin nicht Gegenstand der erhobenen Anfechtungsklage. Diese Anliegen kann der Kläger im Übrigen auch unabhängig von der Bestandskraft des Bescheids vom 13. November 2018 gegenüber der Beklagten weiterhin verfolgen (§ 7 Abs. 2 Satz 8 FreizügG/EU bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. § 11 Abs. 8 AufenthG).
b) Die (zutreffende) Streitwertfestsetzung (Nr. III. des Beschlusses) wird vom Kläger erkennbar nicht angegriffen. Da der Kläger hierzu keine Ausführungen macht, kann auch nicht festgestellt werden, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigen würde, was jedoch Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Beschwerde wäre (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG).
c) Ebenso unanfechtbar ist die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten (Nr. IV des Beschlusses). Denn nach § 146 Abs. 2 VwGO können Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – das Verwaltungsgericht die Prozesskostenhilfe ausschließlich deswegen versagt hat, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 ZPO nicht (fristgerecht) vorgelegt wurden (BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 9 C 17.910 – juris Rn. 2; OVG LSA, B.v. 14.11.2018 – 2 O 129/18 – juris Rn. 2; NdsOVG, B.v. 5.9.2017 – 13 PA 235/17 – juris Rn. 2; OVG Berlin-Bbg, B.v. 21.6.2016 – OVG 3 M 55.16 – juris Rn. 2; OVG NW, B.v. 9.9.2014 – 14 E 891/14 – juris Rn. 2; Kaufmann in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2019, § 146 Rn. 2; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 11; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Sept. 2018, § 146 Rn. 11)
Selbst wenn man mit früherer Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 3.7.2014 – 10 C 14.495 – juris Rn. 2) davon ausgehen würde, dass der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO nur die Fälle betrifft, in denen das Verwaltungsgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgrund einer inhaltlichen Prüfung verneint hat, und somit im vorliegenden Fall nicht greift, ergäbe sich kein Erfolg der Beschwerde. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife nicht vor, weil nicht erkennbar ist, dass die Klage hinreichende Erfolgsaussichten im Sinn von § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehabt hätte. Bei einer summarischen Prüfung des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 13. November 2018 (Bl. 4-12 d. VG-Akte) haben sich keine Hinweise auf dessen Rechtswidrigkeit ergeben. Die Beklagte hat mit Blick auf die strafrechtlichen Verurteilungen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FreizügG/EU ebenso wie ihre Ermessenserwägungen eingehend dargelegt; sie hat dabei auch gewürdigt, dass der Kläger schon seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr zu seiner Ehefrau und den Kindern hatte und die Ehefrau angegeben hat, um die Sicherheit ihrer Kinder zu fürchten, wenn der Kläger in Deutschland verbleiben würde. Der Kläger hatte sich im Anhörungsverfahren gegenüber der Beklagen nicht geäußert; er ist auch den tatsächlichen Feststellungen und den rechtlichen Folgerungen in dem Bescheid weder im Klage- noch im Beschwerdeverfahren entgegengetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m § 127 Abs. 4 ZPO).
Gerichtskosten werden gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben, weil die Rechtsmittelbelehrungfür den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. Februar 2019 fehlerhaft bzw. irreführend war (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 9 C 17.910 – juris Rn. 9; OVG LSA, B.v. 14.11.2018 – 2 O 129/18 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 5.9.2017 – 13 PA 235/17 – juris Rn. 3; OVG Berlin-Bbg, B.v. 21.6.2016 – OVG 3 M 55.16 – juris Rn. 3); diese belehrt nämlich dahin, dass „gegen diesen Beschluss“ die Beschwerde zustehe, und nennt sodann die Voraussetzungen für eine Streitwertbeschwerde nach § 68 Abs. 1 GKG.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es somit nicht.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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