Kosten- und Gebührenrecht

Erfolglose Kostenerinnerung – Abänderungsverfahren

Aktenzeichen  M 9 M 16.50033

Datum:
14.3.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 117023
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 165, 151
RVG § 15 Abs. 2
RVG § 16 Nr. 5

 

Leitsatz

1 Das Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung stellen gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar (§ 16 Nr. 5 RVG), da der Rechtsanwalt hier in der Regel auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (BayVGH BeckRS 2012, 52607; BeckRS 2007, 24529).  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Kostengrundentscheidung im Abänderungsverfahren regelt lediglich die hierin neu angefallenen Kosten und ersetzt nicht die Kostenentscheidung im Ausgangsverfahren.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 2. Juni 2015 (M 9 S. 15.50007) wurde der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt (Ziffer I des Beschlusses). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsteller auferlegt (Ziffer II des Beschlusses). Mit Beschluss vom 17. Dezember 2015 (M 9 S7 15.50829) wurde der Beschluss vom 2. Juni 2015 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO in Ziffer I. abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom … Dezember 2014 unter Ziffer 2 enthaltende Abschiebungsandrohung angeordnet. Die Kosten des Verfahrens wurden der Antragsgegnerin auferlegt. In beiden Verfahren war der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten vertreten.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers Kostenfestsetzung im Verfahren M 9 S7 15.50829 und machte Rechtsanwaltsgebühren nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 261,30 €, eine Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20 € sowie Mehrwertsteuer hieraus von 53,45 € geltend.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Dezember 2015 lehnte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kostenfestsetzung ab. Zur Begründung führte sie aus, das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO und das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO seien gebührenrechtlich eine Einheit. Der Rechtsanwalt könne die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Auch sei der Arbeitsanfall des Rechtsanwalts im Wesentlichen bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden. Da der Rechtsanwalt bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO für den Antragsteller tätig gewesen sei, seien die ihm dort bereits entstandenen Kosten nicht nochmals erstattungsfähig. Nur erstmals im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO entstandenen Kosten könnten geltend gemacht werden, solche seien aber nicht beantragt worden.
Am 13. Januar 2016 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Dezember 2015 die Entscheidung des Gerichts beantragt.
Er trägt vor, die beiden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 80 Abs. 7 VwGO seien mit getrennten Kostenentscheidungen abgeschlossen worden. Der Antragsteller könne in zwei prozessual selbständigen Verfahren in denen unterschiedliche Kostenentscheidungen ergangen seien aus der ihm günstigeren Kostenentscheidung die ihm im Eilverfahren einmalig erwachsenen Kosten verlangen. Auf entsprechende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts München wurde Bezug genommen (B.v. 11.09.2015 – M 17 M 15.50729 und B.v. 10.03.2015 – M 24 M 15.30075).
Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und ihn mit Schreiben vom 25. Januar 2016 dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 4. Februar 2016 beantragt die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Es handle sich bei dem Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO und dem Abänderungsverfahren gem. § 80 Abs. 7 VwGO gebührenrechtlich um dieselbe Angelegenheit. Im Verfahren gem. § 80 Abs. 7 VwGO seien deshalb keine neuen Gebühren entstanden, die auf Grundlage der Kostenentscheidung im Beschluss vom 17.Dezember 2015 geltend gemacht werden könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden sowie der Verfahren M 9 S. 15.50007 und M 9 S7 15.50829 verwiesen.
II.
Über die Erinnerung entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde, hier also durch den Einzelrichter nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG.
Die gemäß § 165 Satz 2 VwGO i.V.m. § 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Kostenerinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Urkundsbeamtin hat eine Festsetzung der vom Bevollmächtigten des Antragstellers mit Kostenantrag vom 23. Dezember 2015 geltend gemachten Gebühren für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zu Recht abgelehnt.
Nach § 16 Nr. 5 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) stellen das Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und jedes Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit dar (BayVGH, B.v. 26.01.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13). Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten im Hinblick auf Verfahren, in denen er vorher bereits tätig war, in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit benötigt, sondern vielmehr ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen kann (BayVGH, B. v. 24.4.2007 – 22 M 07.40006 – juris). Gebühren dürfen in derselben Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG nur einmal gefordert werden. Daher kann ein – wie im vorliegenden Fall – bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig gewordener Prozessbevollmächtigter für das nachfolgende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut eine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG) beanspruchen und keine gesonderte Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) geltend machen. Diese Gebühren sind bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden und daher im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erstattungsfähig (VG München, B.v. 27.07.2015 – M 9 M 15.50297).
Die erst im Abänderungsverfahren zugunsten des Antragstellers erfolgte Kostengrundentscheidung bezieht sich nur auf das Abänderungsverfahren selbst und regelt damit die Kostenerstattungspflicht nur für die im Abänderungsverfahren neu angefallenen Kosten. Insofern ist sie aufgrund ihres eigenen Regelungsgegenstandes auch nicht überflüssig. Sie ersetzt nicht die im Ausgangsverfahren ergangene Kostenentscheidung, diese bleibt vielmehr erhalten (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Rdnr. 108 zu § 80). Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO stellt ein selbständiges neues Verfahren und keine besondere Art eines Rechtsmittelverfahrens für Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 VwGO dar. Gegenstand des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO ist nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern die Neuregelung der Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts für die Zukunft. Dies stellt auch § 16 Nr. 5 RVG vergütungsrechtlich klar (VG Münster, B.v. 8.5.2014 – 6 L 776/13.A – juris Rn. 2). Für den Fall, dass – wie hier – im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO – wie auch der Bevollmächtigte des Antragsteller selbst einräumt – keine weiteren anwaltschaftlichen Kosten entstanden sind als diejenigen, die schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entstanden waren, geht die neue Kostengrundentscheidung ins Leere (VG München, B.v. 27.07.2015 – M 9 M 15.50297).
Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits entstandenen Kosten müssen daher auch in diesem Verfahren abgerechnet werden. Ein Wahlrecht, die Kosten erst nach dem Obsiegen im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen den dort Unterlegenen geltend zu machen, besteht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 83b AsylVfG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


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