Kosten- und Gebührenrecht

Geltendmachung von Kosten aus einem selbständigen Beweisverfahren

Aktenzeichen  13 W 916/17

Datum:
8.6.2017
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 3, § 91a, § 269 Abs. 3

 

Leitsatz

Werden Kosten aus einem selbständigen Beweisverfahren in dem sich anschließenden Hauptsacheverfahren als Schadensersatz geltend gemacht, ist die Klage insoweit unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Bei den Kosten des Beweisverfahrens handelt es sich nämlich um Kosten des Rechtsstreits, die im Falle eines nachfolgenden Hauptsacheverfahrens im Rahmen des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs ausgeglichen werden. Bei der Streitwertfestsetzung für das Hauptsacheverfahren sind die eingeklagten Kosten allerdings zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 O 4092/14 2017-05-12 Bes LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Auf die Streitwertbeschwerde der Beklagten wird Ziffer 2 des Beschlusses des Landgerichts Traunstein vom 12.05.2017, Az. 1 O 4092/14, wie folgt abgeändert:
Der Streitwert wird bis zum 20.07.2017 auf 7.975,60 €, anschließend auf 5.959,07 € festgesetzt.
2. Auf die Beschwerde der Beklagten wird Ziffer 1 des Beschlusses des Landgerichts Traunstein vom 12.05.2017, Az. 1 O 4092/14, wie folgt abgeändert:
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klagepartei 61% und die Beklagte 39% zu tragen.
3. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen Beschwerde werden gegeneinander aufgehoben.
4. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für die sofortige Beschwerde wird auf 500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagte wendet sich zum einen gegen die Streitwertfestsetzung durch das Landgericht, zum anderen gegen die Kostenentscheidung in einem Beschluss gem. § 91 a ZPO.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Zahlung von Werklohn in Höhe von 5.959,07 € für den Einbau eines Betonbodens. Da die Beklagte nach Rechnungstellung das Vorliegen von Mängeln einwandte, führten die Parteien vor dem Amtsgericht Rosenheim – Zweigstelle Bad Aibling – unter dem Az. 13 H 59/13 ein selbständiges Beweisverfahren durch, dessen Streitwert vom Amtsgericht auf 8.000,00 € festgesetzt wurde.
Mit der Klage in hiesigem Verfahren machte die Klägerin zum einen den Werklohn in Höhe von 5.959,07 €, zum anderen die ihr entstandenen Kosten aus dem selbständigen Beweisverfahren in Höhe von 1.916,53 € geltend. Nach einem Hinweis des Erstgerichts, dass die Kosten aus dem selbständigen Beweisverfahren im Rahmen der Kostenerstattung in hiesigem Verfahren zu berücksichtigen seien, nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.07.2016 (Bl. 73/75) der Akte, die Klage in Höhe von 1.916,53 € zurück.
Im Termin vom 12.08.2016 einigten sich Parteien (im Rahmen einer „Absichtserklärung“) darauf, dass die Klägerin eine kostenlose Sanierung durchführen und anschließend die Rechnung von der Beklagten bezahlt werde.
Nachdem dies entsprechend der Absichtserklärung tatsächlich geschah, erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.
Mit Beschluss vom 12.05.2017 (Bl. 101/103 d.A.) hob das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander auf und setzte den Streitwert auf 5.919,07 € fest. Der Beschluss wurde der Beklagten am 18.05.2017 zugestellt. Dagegen legte sie mit Schriftsatz vom 23.05.2017 (Bl. 107/109 d.A.) „sofortige Beschwerde“ ein.
Die Beschwerde wurde damit begründet, dass die Kostenentscheidung unbillig sei und die Kosten der Klägerin hätten auferlegt werden müssen. Außerdem sei durch das Landgericht nicht berücksichtigt worden, dass die Klage in Höhe von 1.916,53 € zurückgenommen worden sei. Überdies sei der Streitwert bis zur Klagerücknahme auf 7.875,60 € festzusetzen.
Das Landgericht Traunstein half den Beschwerden mit Beschluss vom 01.06.2017 nicht ab (Bl. 116/117 d.A.), sondern legte die Akten mit Verfügung vom gleichen Tage dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vor, wo sie am 06.06.2017 eingingen.
II.
1. Die Streitwertbeschwerde ist gemäß § 68 GKG i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zur Entscheidung ist gem. § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Einzelrichter berufen.
2. Die Beschwerde ist begründet, da das Landgericht Traunstein den Streitwert zu Unrecht auf 5.959,07 € festgesetzt hat. Dabei hat es übersehen, dass die Klägerin zunächst 7.975,60 € eingeklagt hat und dieser Betrag gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO bis zur teilweisen Rücknahme der Klage maßgeblich ist.
Zwar handelt es sich bei dem Betrag in Höhe von 1.916,53 € um Kosten aus dem selbständigen Beweisverfahren, dennoch handelt es sich nicht um Kosten im Sinne von § 4 ZPO, die unberücksichtigt bleiben. Die Kosten wurden ausgerechnet und hier als Schadensersatz geltend gemacht. Somit sind sie auch bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen.
Dass diese Klage wohl von Anfang an unzulässig war, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlte, da es sich bei den Kosten des Beweisverfahrens um Kosten des Rechtsstreits handelt, die somit im Falle eines nachfolgenden Hauptsacheverfahrens im Rahmen des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs ausgeglichen werden (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rn. 136), spielt für die Streitwertfestsetzung keine Rolle.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 68 Abs. 3 GKG.
4. Einer Entscheidung über die Zulassung der weiteren Beschwerde bzw. der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, wenn das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht entschieden hat.
Eine Rechtsbeschwerde gibt es im Verfahren der Streitwertfestsetzung nicht, da deren Funktion gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG die weitere Beschwerde gemäß § 66 Abs. 4 GKG übernimmt (vgl. Zöller- Herget, 30. Aufl., § 3 Rn. 9). Die weitere Beschwerde ist aber nur statthaft, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden hat (vgl. Herget, a.a.O.). Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG findet eine weitere Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes von Gesetzes wegen nicht statt. Eine weitere Beschwerde oder eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gibt es mithin nicht (vgl. Zimmermann in Binz, Dörndorfer/ Petzold/ Zimmermann, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl., 2009, § 68 GKG Rn. 28, zitiert nach Beck-Online). Außerdem käme eine Zulassung – so sie denn möglich wäre – durch den Einzelrichter im Hinblick auf § 568 S.2 ZPO ohnehin nicht in Betracht.
III.
1. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist gem. §§ 91 a Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr.1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zur Entscheidung ist gem. § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Einzelrichter berufen.
2. Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
Aus der obigen Entscheidung zum Streitwert folgt, dass die Klagerücknahme in Höhe des Betrages von 1.916,53 € wegen der Regelung des § 269 Abs. 3 ZPO bei der Kostenentscheidung zu Lasten der Klagepartei zu berücksichtigen ist.
Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung des Landgerichts zutreffend, dass nach summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes eine hälftige Teilung der Kosten angemessen ist. Insoweit wird auf die Begründung der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
Ausgehend von einem Streitwert von 7.975,60 € verliert die Klagepartei somit 1.916,53 € zuzüglich der Hälfte von 5.919,07 € (= 2.959,35 €), insgesamt also in Höhe von 4.876,07 €. Die Beklagte verliert in Höhe von 2.959,35 €. Daraus ergeben sich die im Tenor ausgesprochenen Prozentwerte.
3. Die Kostenquote im Verfahren der sofortigen Beschwerde muss sich von der Kostenquote des Hauptsacheverfahrens unterscheiden, weil ursprünglich Kostenaufhebung angeordnet war und die Beklagte nunmehr beantragte, die Kosten insgesamt der Klagepartei aufzuerlegen. Dieses Ziel der Beschwerde hat sie nur teilweise erreicht, weil sie selber weiterhin 39% zu tragen hat. Die Kostenaufhebung erschien daher angemessen.
4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 3 ZPO kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.


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