Kosten- und Gebührenrecht

Keine weitere Beihilfe für Behandlungen in einer Privatklinik – Fallpauschale

Aktenzeichen  Au 2 K 14.1167

Datum:
20.10.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 109976
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 80 Abs. 4
BBhV § 24, § 26 Abs. 2
SGB V § 111

 

Leitsatz

Eine beihilfefähige Anerkennung von Aufwendungen für Leistungen, die in Form von ambulanten, voll- oder teilstationären Komplextherapien erbracht und pauschal berechnet werden, ist nur dann möglich, wenn im Bereich der Sozialversicherungen bereits entsprechende Vereinbarungen von Krankenkassen oder Rentenversicherungsträgern mit Leistungsträgern getroffen wurden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
Der Beihilfebescheid der Beklagten vom 20. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer weiteren – über den bereits im Beihilfebescheid vom 20. Mai 2014 gewährten Betrag von 1.289,96 EUR hinausgehende – Beihilfeleistung in Höhe von 5.796,95 EUR.
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, gegeben war (BVerwG U. v. 30.4.2009 – 2 C 127.07 – juris Rn. 7; U. v. 15.12.2005 – 2 C 35.04 – BVerwGE 125, 21). Danach finden hier die Beihilfevorschriften Anwendung, die im Kalenderjahr 2014 Gültigkeit besaßen. Das ist die auf der Grundlage von § 80 Abs. 4 BBG ergangene Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I 2009, S. 326) in der Fassung der 4. Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 12. Dezember 2012 (BGBl. I 2012, S. 2657), da die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nach dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung entstanden sind.
Der Kläger kann sich hinsichtlich der Gewährung einer weiteren Beihilfe weder mit Erfolg auf § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BBhV noch auf § 24 BBhV berufen.
Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BBhV sind die Aufwendungen bei Behandlungen in Krankenhäusern, die nicht nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung abrechnen, u. a. wie folgt beihilfefähig:
Nr. 1: bei Indikationen, die mit Fallpauschalen nach dem Krankenhausentgeltgesetz abgerechnet werden können, die allgemeinen Krankenhausleistungen (Absatz 1 Nummer 2) bis zu dem Betrag, der sich bei Anwendung des Fallpauschalenkatalogs nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Krankenhausentgeltgesetzes für die Hauptabteilung ergibt; dabei wird die obere Grenze des nach § 10 Absatz 9 des Krankenhausentgeltgesetzes zu vereinbarenden einheitlichen Basisfallwertkorridors zugrunde gelegt,
Nr. 2: in allen anderen Fällen der Basispflegesatz und der Abteilungspflegesatz, soweit der tägliche Gesamtbetrag folgende Beträge nicht übersteigt: a) bei vollstationärer Behandlung Volljähriger 293,80 Euro.
Bei der „…“ Klinik in … handelt es sich um ein Krankenhaus im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 1 BBhV, welches die Bundespflegesatzverordnung oder das Krankenhausentgeltgesetz nicht anwendet. Weiter legte die Beklagte der Ermittlung des beihilfefähigen Betrags richtigerweise die Norm des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBhV zugrunde, da beim Kläger eine Indikation vorlag, die mit den Fallpauschalen nach dem Krankenhausentgeltgesetz abgerechnet werden konnte. Anhand der seitens der „…“ Klinik mitgelieferten Diagnosen und Prozeduren ist als Krankheitsbild des Klägers der DRG Code M60C (Krankheiten und Störungen der männlichen Geschlechtsorgane; bösartige Neubildung der männlichen Geschlechtsorgane, ohne äußerst schwere CC, ohne hoch- und mittelgradig komplexe Chemotherapie) zugrunde zu legen. Für die Berechnung war auf das daraus resultierende Basiskostengewicht von 0,656 abzustellen und mit der oberen Korridorgrenze (des gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 KHEntgG zu ermittelnden einheitlichen Basisfallwertkorridors für 2014) in Höhe von 3.235,74 EUR zu multiplizieren, was zu einem Basisentgelt in Höhe von 2.122,65 EUR führt. Der ab dem 13. Tag anfallende Zuschlag (sogenannter Langliegerzuschlag) war nicht beihilfefähig, da bei der Vergleichsberechnung unabhängig von der tatsächlichen Verweildauer jeweils von der mittleren Verweildauer auszugehen ist (vgl. BBhVVwV Nr. 26.2.1. Satz 3). Unter Berücksichtigung des nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 BBhV abzuziehenden Eigenbehalts von 10,00 EUR je Kalendertag bei vollstationären Krankenhausaufenthalten im Sinne des § 26 BBhV, höchstens jedoch für 28 Tage, mindert sich der beihilfefähige Betrag um weitere 280,00 EUR, so dass die Beklagte zu Recht einen erstattungsfähigen Betrag von 1.842,65 EUR festsetzte und dem Beihilfesatz des Klägers in Höhe von 70 Prozent entsprechend im Beihilfebescheid vom 20. Mai 2014 eine Beihilfe von 1.289,86 EUR gewährte.
Eine Beihilfefestsetzung mit Basis- und Abteilungspflegesatz (höchstens 293,80 EUR täglich bei Volljährigen) im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BBhV konnte entgegen der Ansicht des Klägers nicht erfolgen, da es für das Krankheitsbild des Klägers eine Fallpauschale nach dem Krankenhausentgeltgesetz gibt und somit § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBhV vorrangig anzuwenden war.
Auch unter Beachtung von § 24 BBhV steht dem Kläger keine weitergehender Beihilfeanspruch zu. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind Aufwendungen für Leistungen, die in Form von ambulanten, voll- oder teilstationären Komplextherapien erbracht und pauschal berechnet werden abweichend von § 6 Abs. 3 und § 23 Abs. 1 BBhV in angemessener Höhe beihilfefähig. Als Ausnahme vom Grundsatz der Einzelleistungsvergütung nach § 6 Abs. 3 BBhV können bei Komplextherapien damit auch pauschal berechnete Kosten als beihilfefähig anerkannt werden. Da aufgrund des nicht erkennbaren Leistungsinhaltes die Angemessenheit nicht zweckmäßig bewertet werden kann, ist die Anerkennung jedoch nur möglich, wenn im Bereich der Sozialversicherungen bereits entsprechende Vereinbarungen von Krankenkassen oder Rentenversicherungsträgern mit Leistungsträgern getroffen wurden. Hierbei ist davon auszugehen, dass die genannten Sozialleistungsträger nur angemessene Vergütungshöhen vereinbaren, die in der vereinbarten Höhe auch als beihilfefähig anerkannt werden können (Mildenberger/Pühler/Pohl/Wiegel, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand Juli 2016, § 24 BBhV, Anm. 5; vgl. auch BBhVVwV Nr. 24.1.2).
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Behandlung des Klägers in der „…“ Klinik für Ganzheitsmedizin … im Zeitraum 2. April bis 7. Mai 2014 (36 Tage) um eine Komplextherapie im Sinne des § 24 BBhV gehandelt hat. Da der Kläger eine entsprechende Vereinbarung im Sinne der Nr. 24.1.2 BBhVVwV weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren vorlegte, war davon auszugehen, dass eine solche zwischen der „…“ Klinik und den Versicherungsträgern nicht geschlossen wurde. Die von der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung übergebene Kopie eines Versorgungsvertrags gemäß § 111 SBG V zwischen der „…“ Klinik und diversen Krankenversicherungen enthält keine Regelung über die angemessene Vergütungshöhe von Komplextherapien.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und 4, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.796,95 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,– EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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