Kosten- und Gebührenrecht

Keine Wiedereinsetzung in versäumte Rechtsmittelfrist

Aktenzeichen  22 ZB 20.1947

Datum:
14.9.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24766
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 166
ZPO § 117 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ist einem Beteiligten wegen seiner Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zuzumuten, so darf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO nur dann gewährt werden, wenn der Beteiligte bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen vorlegt. Dazu gehört auch, dass er die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem vorgeschriebenen Vordruck nebst entsprechenden Belegen einreicht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 19.1216 2020-06-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beantragung der Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
Durch Urteil vom 22. Juni 2020 wies das Verwaltungsgericht München die Klage gegen einen an den Kläger gerichteten Gewerbeuntersagungsbescheid des Landratsamts E. vom 17. Januar 2019 ab. Das Urteil wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 22. Juli 2020 zugestellt.
Mit am 21. August 2020 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz vom 20. August 2020 beantragte der Kläger persönlich die Zulassung der Berufung. Er wurde am gleichen Tag durch das Verwaltungsgericht telefonisch darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung von einem Rechtsanwalt gestellt werden müsse und dass Prozesskostenhilfe beantragt werden könne, dies aber innerhalb der Rechtsmittelfrist erfolgen müsse. Mit am 22. August 2020 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte der Kläger daraufhin die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Er legte eine Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse bei und verwies in seinem Anschreiben darauf, dass er Belege nachreichen wolle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen. Die Bewilligungsvoraussetzungen liegen nicht vor (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
1.1 Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht innerhalb der inzwischen abgelaufenen Rechtsmittelfrist durch einen Prozessbevollmächtigten gestellt wurde und eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt.
Die Frist für die Beantragung der Zulassung der Berufung beträgt gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO einen Monat und begann mit der am 22. Juli 2020 ordnungsgemäß bewirkten Zustellung des angefochtenen Urteils an den Kläger (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB), da diese Entscheidung mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrungversehen war (§ 58 Abs. 1 VwGO). Die Frist endete mit Ablauf des 24. August 2020, da der 22. August 2020 auf einen Samstag fiel (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO).
Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss gemäß § 67 Abs. 4 Sätze 1, 3, 7 VwGO von einem Prozessbevollmächtigten im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO gestellt werden. Dies gilt unabhängig davon, dass der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht an diese Voraussetzung gebunden ist (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Der vom Kläger persönlich innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung entsprach dem nicht.
Auch eine eventuelle Wiedereinsetzung in die abgelaufene Frist zur Beantragung der Zulassung der Berufung scheidet hier aus: Ist einem Beteiligten wegen seiner Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zuzumuten, so darf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO nur dann gewährt werden, wenn der Beteiligte bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen vorlegt. Dazu gehört auch, dass er entsprechend § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 ZPO die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem vorgeschriebenen Vordruck nebst entsprechenden Belegen einreicht (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PKH 15.03 – juris Rn. 5 f.; BGH, B.v. 16.12.1997 – VI ZB 48.97 – juris Rn. 7). Hier fehlt es vollständig an der Vorlage von Belegen, die jedoch erforderlich wären, um die Angaben des Klägers in dem von ihm ausgefüllten Vordruck zu untermauern (s. auch OVG NW, B.v. 31.1.2011 – 12 A 2680.09 – juris Rn. 6). Die Ankündigung, bestimmte Belege nachreichen zu wollen, genügt den Anforderungen der Rechtsprechung nicht.
1.2 Angesichts der fehlenden Nachweise hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ergibt sich aus seinem Vortrag darüber hinaus nicht hinreichend, dass er bedürftig im Sinne des § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO wäre.
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zu verwerfen, weil er nicht fristgerecht durch einen Prozessbevollmächtigten gestellt wurde und eine Wiedereinsetzung ausscheidet (s.o. 1.1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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