Kosten- und Gebührenrecht

Kostenerinnerung, Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts durch beklagte Körperschaft des öffentlichen Rechts, Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren, Frühzeitige Bestellung eines Rechtsanwalts durch die Beklagte, Gebot, die mit der Prozessführung verbundenen Aufwendungen im Interesse des kostenpflichtigen Beteiligten so niedrig wie möglich zu halten

Aktenzeichen  M 31 M 22.2258

Datum:
26.4.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11110
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165, § 151
VwGO § 162 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. März 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. März 2022. Sie ist der Auffassung, dass die auf Antrag der Antragsgegnerin zu ihren Lasten festgesetzte Rechtsanwaltsvergütung nicht erstattungsfähig sei.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat mit Beschluss vom 18. Februar 2002 im Verfahren M 31 K 21. … das zuwendungsrechtliche Klageverfahren der Antragstellerin nach Klagerücknahme eingestellt und ihr die Kosten auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsantrag vom 8. März 2022 beantragten die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin für das Klageverfahren die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV-RVG, der Post- und Telekommunikationsdienstleistungsentgelte nach Nr. 7002 VV-RVG und der Umsatzsteuer auf die Vergütung nach Nr. 7008 VV-RVG. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. März 2022, den Bevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 11. März 2022, setzte die Urkundsbeamtin die Kosten antragsgemäß fest.
Am 24. März 2022 beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten hiergegen
die Entscheidung des Gerichts.
Die antragsgemäß festgesetzte Rechtsanwaltsvergütung sei ausnahmsweise nicht erstattungsfähig. Nicht anerkannt werden könne die Erstattung von Kosten eines Rechtsanwalts, wenn die Zuziehung gegen Treu und Glauben verstoße, insbesondere wenn sie offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan sei, dem Gegner Kosten zu verursachen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seiner jüngeren Rechtsprechung dargelegt, dass Aufwendungen für eine frühzeitige Heranziehung eines Rechtsanwaltes nicht erstattungsfähig seien, wenn der Grundsatz, dass jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet sei, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalls verletzt sei. So liege der Fall mit Blick auf die Abläufe und Umstände des Einzelfalls hier. Folglich sei der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben und der Antrag vom 8. März 2022 abzulehnen.
Die Antragsgegnerin tritt der Erinnerung mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 12. April 2022 entgegen.
Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und ihn unter dem 22. April 2022 dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren M 31 K 21.5428 verwiesen.
II.
1. Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung, in der die zugrunde liegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. statt vieler BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 9 ff.). Die die streitige Kostenfestsetzung auslösende Verwaltungsstreitsache M 31 K 21.5428 wurde nach Klagerücknahme durch die Antragstellerin mit Beschluss vom 18. Februar 2022 gemäß § 92 Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO) mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 2 VwGO eingestellt. Folglich ist der Berichterstatter nach auch im vorliegenden Erinnerungsverfahren zur Entscheidung berufen (§ 87a Abs. 1 Nr. 5 VwGO; vgl. z.B. Bamberger in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 87a Rn. 10 und 16) .
2. Die nach §§ 165, 151 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige, am 24. März 2022 fristgerecht bei Gericht eingegangene Erinnerung der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. März 2022, der den Bevollmächtigten der Antragstellerin am 11. März 2022 zugestellt worden ist, ist unbegründet.
Die von der Antragsgegnerin mit Kostenfestsetzungsantrag ihrer Bevollmächtigten vom 8. März 2022 geltend gemachte Rechtsanwaltsvergütung ist von der Urkundsbeamtin im streitbefangenen Kostenfestsetzungsbeschluss dem Grunde wie der Höhe nach zutreffend als erstattungsfähig anerkannt worden.
2.1 Zu den nach § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähigen Kosten eines Verwaltungsrechtsstreits gehören die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (BVerwG, B.v. 30.9.2014 – 9 KSt 6.14 – juris), soweit sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (BVerwG, B.v. 27.6.2019 – 2 KSt 1.19 – juris).
Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Das Gesetz sieht weder nach seinem Wortlaut und seiner Systematik noch nach Sinn und Zweck der getroffenen Regelung vor, dass bei der Kostenfestsetzung die Notwendigkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts geprüft und zum Maßstab für die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten, die auf der Grundlage der gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmt werden, gemacht wird. Die Vorschrift macht es entbehrlich, bei Rechtsanwälten als Bevollmächtigten im Einzelfall zu prüfen, ob ihre Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Zwar gilt nach der Rechtsprechung auch für die Anwaltskosten das das gesamte Kostenrecht beherrschende, aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Gebot, die mit der Prozessführung verbundenen Aufwendungen im Interesse des kostenpflichtigen Beteiligten so niedrig wie möglich zu halten (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.2014 aaO). Dieser Grundsatz schränkt jedoch das Recht eines Beteiligten, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Bevollmächtigten zu bedienen, nicht ein. Dies gilt auch zugunsten von Körperschaften des öffentlichen Rechts wie hier der Beklagten (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 10 C 15.474 – juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 26.6.2012 – 1 K 25.09 – juris Rn. 3; Neumann/Schaks in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 56 f.; Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 18 f., jeweils m.w.N.).
Eine von strengen Voraussetzungen abhängige (vgl. VG Neustadt a.d.W., B.v. 31.8.2017 – 5 O 965/17.NW – juris Rn. 7) Ausnahme vom vorstehenden Grundsatz der Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten greift nur dann ein, wenn die Beauftragung als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Beauftragung offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Prozessgegner Kosten zu verursachen (vgl. z.B. Schübel-Pfister in: Eyermann, aaO, Wysk in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 162 Rn. 60).
Ein solcher Ausnahmefall liegt indes nicht schon dann vor, wenn eine Klage – wie hier – zunächst nur zur Fristwahrung erhoben wird und der Beklagte schon daraufhin einen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragt (vgl. Naumann/Schaks, aaO Rn. 58 m.w.N.). Der von der Antragstellerseite maßgeblich für ihre gegenteilige Auffassung herangezogene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Februar 2018, 15 C 17.2522, führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn die dort für das Berufungszulassungs- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf der Grundlage insbesondere der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. rechtsgrundsätzlich dazu B.v. 17.1.1995 – 4 B 1.95 – juris) referierten Grundsätze für die Begrenzung der Geltendmachung von „frühzeitigen“ Anwaltskosten des Gegners im Rechtsmittelzulassungsverfahren lassen sich auf die hier inmitten stehende prozessuale Konstellation der erstinstanzlichen Klage nicht übertragen. Entscheidend für jene Verfahrenskonstellationen ist die gerichtliche Prüfung der jeweiligen Zulassungstatbestände (§ 124 Abs. 2, § 132 Abs. 2 VwGO) auf Grundlage der Darlegungen des Rechtsmittelführers (§ 124a Abs. 4 Satz 4, § 133 Abs. 3 VwGO) von Amts wegen, ohne dass es dazu zunächst einer Anhörung anderer Verfahrensbeteiligter bedürfte. Prozessuale Nachteile drohen den anderen Beteiligten hierbei grundsätzlich erst dann, wenn beabsichtigt wird, die Berufung oder Revision zuzulassen (bzw. nach § 133 Abs. 6 VwGO zu entscheiden). Die Einschaltung eines Rechtsanwalts vor diesem Verfahrensstadium ist somit in den vorgenannten Zulassungsverfahren regelmäßig verfrüht und im Lichte des Gebots der Kostenminimierung als treuwidrig zu beanstanden. Vor einer durch das Berufungs- oder Revisionsgericht selbst veranlassten Anhörung stellt es deshalb für die übrigen Verfahrensbeteiligten im Allgemeinen keine nahe liegende oder gar angemessene Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung dar, sich bereits in diesem Stadium des Verfahrens anwaltlicher Vertretung zu bedienen (vgl. aktuell z.B. OVG LSA, B.v. 4.8.2020 – 2 O 50/20 – juris Rn. 4; Olbertz in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 162 Rn. 46 f.). Eine Erstattung solcher verfrühten Rechtsanwaltskosten scheidet mithin grundsätzlich aus.
Zentraler Unterschied zum vorstehend Ausgeführten ist es vorliegend, dass die Antragstellerin durch Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 12. Oktober 2021 im erstinstanzlich Verfahren Klage erhoben hat. Auch der Umstand, dass dies nur vorsorglich und fristwahrend erfolgt ist, ändert daran nichts. Die Bevollmächtigten der Antragstellerin haben in der Klageschrift ausdrücklich ausgeführt, über die Fortführung des Klageverfahrens, die Antragstellung und die Begründung erst nach Akteneinsicht und Aufbereitung der Angelegenheit zu entscheiden und eine Antragstellung und Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorzubehalten. Im erstinstanzlichen Verfahren besteht allerdings regelmäßig bereits ab Rechtshängigkeit der Streitsache, die mit Erhebung der Klage eintritt (§ 90 Satz 1 VwGO), für die Beklagtenseite Anlass zur Rechtsverteidigung (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2001 – 4 C 01.768 – juris Rn. 2). Die beklagte Gegenseite kann und darf auch schon dann einen Rechtsanwalt beauftragen, wenn eine Klage zunächst nur fristwahrend erhoben wird (vgl. ThürOVG, B.v. 12.2.2014 – 4 VO 699/13 – juris Rn. 5; OVG Berin-Brandenburg aaO Rn. 5; OVG Lüneburg, B.v. 11.9.2009 – 302/09 – juris Rn. 13; OVG Hamburg, B.v. 12.6.2007 – 3 So 173/05 – juris Ls.; BWVGH, B.v. 29.8.1989 – NC 9 S 69/89 – NVwZ-RR 1989, 672; BayVGH, B.v. 12.11.1985 – 6 C 85 A.1556 ua – BayVBl. 1986, 317; B.v. 28.5.1982 – 4 C 81 A.602 – NJW 1982, 2394 f.).
Im Übrigen ist der Sachverhalt des vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit o.g. Beschluss vom 22. Februar 2018 entschiedenen Falles – anders als vorliegend – von der tatbestandlichen Besonderheit gekennzeichnet, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung dort mit der ausdrücklichen Bitte des Rechtsmittelführers an die Gegenseite versehen war, sich zur Vermeidung etwaig anfallender Gebühren vorläufig noch nicht am (weiteren) Verfahren zu beteiligen, bis eine etwaige Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung erfolge (vgl. juris Rn. 3). Gleiches gilt für den im vorgenannten Beschluss in seiner Randnummer 18 in Bezug genommenen früheren Beschluss vom 8. Februar 1993, 6 C 92.3331 (vgl. dort Rn. 1).
Das Gericht hat die Antragsgegnerin in der Erstzustellung vom 21. Oktober 2021 gebeten, sich innerhalb von sechs Wochen nach Eingang der Klagebegründung zur Klage und dem Streitwert zu äußern und die einschlägigen Behördenakten vorzulegen. Daraufhin haben ihre Bevollmächtigten mit Schreiben vom 25. Oktober 2021 die Behördenakten vorgelegt und ihre Bevollmächtigung angezeigt. Im Anschluss daran beantragten die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2021 und 31. Januar 2022 eine Verlängerung der Frist zur Klagebegründung, die vom Gericht auch antragsgemäß, zuletzt bis 3. März 2022, gewährt wurde. Die Klage wurde sodann mit Schriftsatz vom 17. Februar 2022 zurückgenommen. Mithin endete das Klageverfahren erst nach Aktenvorlage und zudem mehrfacher Verlängerung der Frist zur Klagebegründung.
Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles erweist sich die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Überzeugung des Gerichts nicht als verfrüht, auch wenn bis zur Klagerücknahme noch keine Klagebegründung durch die Bevollmächtigten der Antragstellerin vorlag und mit Blick auf die gerichtliche Erstzustellung und die darin gesetzte Frist auch noch nicht vorliegen musste. Zum Zeitpunkt der Aktenvorlage unter Vertretungsanzeige am 25. Oktober 2021 bestand aus Sicht der Antragsgegnerin jedenfalls kein Anlass, daran zu zweifeln, dass das Klageverfahren tatsächlich auch durchgeführt werden sollte. Dass dazu auf Antragstellerseite – wie in der gerichtlichen Praxis sehr häufig der Fall – nach Klageerhebung zunächst erst noch eine Prüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage einer vollständigen Kenntnis der Behördenakte erfolgt ist, ändert hieran nichts. Bei dieser nicht unüblichen Verfahrenssituation erweist sich – wie ausgeführt – jedenfalls vorliegend die Einschaltung eines Rechtsanwalts seitens der Antragsgegnerin bereits ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nicht als offensichtlich nutzlos oder nur dazu angetan, der Antragstellerseite als Prozessgegnerin mutwillig Kosten zu verursachen. Die Antragsgegnerin konnte zum Zeitpunkt der Aktenvorlage und Vertretungsanzeige ihrer Bevollmächtigten auch nicht davon ausgehen, dass die Klage erfolglos bleiben bzw. verlässlich zurückgenommen würde. Das prozessuale Verhalten der Antragstellerin und ihrer Bevollmächtigten waren jedenfalls nicht geeignet, die Einschaltung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin als einen Verstoß gegen das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Kostenminderungsgebot anzusehen. Auch die Bitte in der Erstzustellung des Gerichts an die Antragsgegnerin, eine Klageerwiderung erst innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Erhalt der Klagebegründung einzureichen, lässt nicht den Schluss zu, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Beauftragung eines Rechtsanwalts hätte erfolgen dürfen. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit ist dabei im Übrigen nicht, ob der Prozessgegner oder das Gericht die Tätigkeit des bevollmächtigten Anwalts für nutzlos halten, sondern, ob sie für die von ihm vertretene Partei von Nutzen ist. Dass die Prozessvertretung für die Antragsgegnerin offensichtlich nutzlos war, lässt sich jedoch nicht feststellen. Sie ersparte sich zumindest den Einsatz eigenen Personals für die Bearbeitung der gegen sie gerichteten Klage. Sie ist zudem auch nicht zur Minderung der Kosten für die Gegenseite verpflichtet, für die Prozessführung eigene Bedienstete einzusetzen (OVG Hamburg, aaO Rn. 8). Zutreffend weist die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht als Verstoß gegen das Gebot der Kostenminderung anzusehen ist, wenn sie sich, nachdem sie sich mit einer Klage konfrontiert sah und ihr damit ein Prozessrisiko entstand, schon frühzeitig anwaltlichen Beistands bediente. Zu berücksichtigen ist dabei im Übrigen – letztlich aber lediglich ergänzend und ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankäme – auch, dass sich die Antragsgegnerin mit Blick auf eine Vielzahl von zuwendungsrechtlichen Verwaltungsstreitsachen im Zusammenhang mit den außerordentlichen Corona-Wirtschaftshilfen von den von ihr auch vorliegend beauftragten Bevollmächtigten vor den Verwaltungsgerichten vertreten lässt und sie auch im Verfahren M 31 K 21.5428 entsprechend verfahren ist.
Rechtsanwaltsgebührenrechtlich wird das Vorstehende zudem von Nr. 3101 Alt. 1 VV-RVG ausdrücklich gestützt. Danach ermäßigt sich die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG auf 0,8, wenn der Beklagte auf eine zur Fristwahrung eingelegte Klage einen Rechtsanwalt beauftragt, danach aber die Klage alsbald zurückgenommen wird. So liegt der Fall mit Blick auf den entsprechend gefassten Kostenfestsetzungsantrag vom 8. März 2022 auch hier.
2.2 Im Übrigen wurde die Kostenfestsetzung von der Antragstellerseite in ihrer gebührenrechtlichen Begründung (Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 VV-RVG, Post- und Telekommunikationsdienstleistungsentgelte gem. Nr. 7002 VV-RVG und Umsatzsteuer auf die Vergütung gem. Nr. 7008 VV-RVG) weder tatbestandlich noch rechnerisch beanstandet noch sind für das Gericht insoweit Mängel erkennbar.
Nach alledem war die Erinnerung der Antragstellerin mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen; das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.


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