Kosten- und Gebührenrecht

Kostenerstattung, Beschwerde, Berufung, Kostenerstattungsanspruch, Gegenstandswert, Abwesenheitsgeld, Beweisverfahren, Verfahren, Streitwert, Rechtspfleger, Kostenfestsetzungsantrag, Auslegung, Rechtsanwaltskosten, Akteneinsicht, Co KG, Kosten des Rechtsstreits, Kosten des Berufungsverfahrens

Aktenzeichen  11 W 40/22

Datum:
1.2.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2481
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

12 HK O 2773/16 2021-12-09 Kostenfestsetzungsbeschluss LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 09.12.2021 wird dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagtenpartei an die Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG zu erstattenden Kosten auf 9.173,35 € (anstatt 15.209,62 €) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 19.08.2021 festgesetzt werden.
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
3. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagte 60% und die Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG 40%.
4. Die Gerichtskosten trägt die Beklagte. Die Gebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
5. Der Wert der Beschwerde beträgt 15.209,62 €.

Gründe

I.
Die Klägerin machte im Zivilverfahren vor dem Landgericht München I unter Az. 12 HK O 2773/16 gegen die Beklagte für die Lieferung und Montage von Büromöbeln nach geleisteter Anzahlung noch eine Restzahlung in Höhe von 152.778,03 € geltend.
Vorausgegangen war ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht München I unter Az. 12 HK OH 18767/15, welches die Klägerin als Antragstellerin gegen die Firma S. GmbH & Co. KG (Herstellerin der Möbel) als Antragsgegner zu 1) und gegen die Beklagte als Antragsgegnerin zu 2) führte. Mit Schriftsatz vom 09.12.2015 verkündete die Antragsgegnerin zu 1) (Fa. S. GmbH & Co. KG) der Fa. H. GmbH und Co KG (Lieferant der verwendeten Lacke) den Streit mit der Aufforderung dem selbständigen Beweisverfahren auf Seiten der Antragsgegnerin zu 1) beizutreten. Mit Schriftsatz vom 14.01.2016 ersuchte der anwaltliche Vertreter der Streitverkündungsempfängerin, der Fa. H. GmbH und Co KG, um Akteneinsicht, bevor entschieden werde, ob und auf welcher Seite der Streitbeitritt erfolgen solle. In der Folgezeit beteiligte sich die Fa. H. GmbH und Co KG an dem Beweisverfahren ohne, dass eine ausdrückliche Streitbeitrittserklärung erfolgt wäre. In diesem Zusammenhang bezeichnete sich die Fa. H. GmbH und Co KG im Anwaltsschriftsatz vom 05.07.2016 als Streithelferin der Antragsgegnerin zu 1). Die Fa. H. GmbH und Co KG wurde im Folgenden auch als Streithelferin der Antragsgegnerin zu 1) im Verfahren geführt.
Im Hauptsachverfahren unter Az. 12 HK O 2773/16 verkündete die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.02.2016 der Firma S. GmbH und Co KG den Streit, die mit Schriftsatz vom 30.06.2016 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beitrat ist und ihrerseits der Fa. H. GmbH und Co KG den Streit verkündete (Bl. 43 d.A.). Die Firma H. GmbH und Co KG trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin mit Schriftsatz vom 18.10.2016 bei.
Mit Endurteil vom 25.10.2018 aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28.09.2018 sprach das Landgericht dem Kläger die Restkaufpreiszahlung in Höhe von 150.737,18 € zu und wies die Klage jedoch im Übrigen im Hinblick auf die Montagekosten ab. Der Beklagten wurden die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention sowie einschließlich der Kosten für das selbständige Beweisverfahren vor dem Landgericht München I, Az. 12 HK OH 18767/15 auferlegt.
Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung und erhob in zweiter Instanz Widerklage.
Mit Endurteil des Oberlandesgerichts München vom 22.07.2021 (Az. 23 U 4002/18) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2021 wurde die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der Kosten der Nebeninterventionen zu 1) und zu 2) wurden der Beklagten auferlegt.
Die Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG beantragte mit Schriftsatz vom 10.08.2021 für das selbständige Beweisverfahren sowie für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren insgesamt Rechtsanwaltskosten in Höhe von 15.374,56 € zur Festsetzung gegen die Beklagte. Im Einzelnen wurden folgende Positionen in Ansatz gebracht:
Selbständiges Beweisverfahren, Gegenstandswert 222.929,50 €
1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG 2.772,90 €
1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG 2.559,60 €
Fahrtkosten, Benutzung des eigenen KFZ am 22. und 23.05.2016 (2 X 661 km x 0,30 €) gemäß Nr.7003 VV RVG 396,60 €
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr.3 VV RVG (22.05.2016) 70,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr.3 VV RVG (23.05.2016) 70,00 €
Hotelkosten 119,00 € Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Dokumentenpauschale für Kopien / Fax (124 Seiten s/w) Nr.7000 Nr.1a VV RVG 36,10 € Aktenversendepauschale 12,00 €
Gesamt: 6.056,20 € Erstinstanzliches Verfahren, 12 HK O 2773/16, Gegenstandswert 152.778,03 €
1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG 2.109,60 € 
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr.3 VV RVG (Tag der Anreise zum Gerichtstermin 01.12.2016) 70,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr.3 VV RVG (Tag des Gerichtstermins 01.12.2016 und Rückreise) 70,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr.3 VV RVG (Tag der Anreise zum Gerichtstermin 22.03.2018) 70,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr.3 VV RVG (Tag des Gerichtstermins 22.03.2018 und Rückreise) 70,00 €
Bahn- und Hotelkosten gem. Anlagen 565,96 €
Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Dokumentenpauschale für Kopien / Fax (154 Seiten s/w) Nr.7000 Nr.1a VV RVG 40,60 € Gerichtskosten Akteneinsicht 12,00 €
Gesamt: 3.028,16 € Zweitinstanzliches Verfahren, 23 U 4002/18, Gegenstandswert 217.379,68 €
1,6 Verfahrensgebühr Berufung nach Nr. 3200 VV RVG 3.412,80 €
1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG 2.559,60 €
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr.3 VV RVG (Tag der Anreise zum Gerichtstermin) 70,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr.3 VV RVG (Tag des Gerichtstermins und Rückreise) 70,00 €
Bahn- und Hotelkosten gem. Anlagen 157,80 €
Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Gesamt: 6.290,20 €
Die Beklagtenpartei trat dem Kostenfestsetzungsantrag der Streithelferin mit Schriftsatz vom 29.09.2021 entgegen. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens seien nicht gegen die Beklagte festzusetzen, da die Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG im selbständigen Beweisverfahren wie auch die Beklagte auf Antragsgegnerseite gestanden habe und deshalb eine Kostenerstattung durch die Beklagte ausscheide. Zudem erscheine auch der für das selbständige Beweisverfahren angesetzte Streitwert unzutreffend. Für die Kosten der ersten und der zweiten Instanz bestehe ebenfalls kein Kostenerstattungsanspruch, da es sich bei der Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG um die Sub-Streitverkündete der Streitverkündeten Fa. S. GmbH & Co. KG gehandelt habe und deshalb grundsätzlich ein Erstattungsanspruch nicht in Betracht käme. Die ohne Terminsangaben verbliebenen Abwesenheitsgelder könnten ebensowenig wie die ohne Aufschlüsselung verbliebenen Bahn- und Hotelkosten nachvollzogen werden.
Die Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG erwiderte mit Schriftsatz vom 19.10.2021 hierauf, dass die Kostenentscheidung eindeutig sei. Sie umfasse, ohne dass es insoweit einer ausdrücklichen Klarstellung bedurft hätte, auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens. Im Übrigen ließen sich die geltend gemachten Kosten zur Terminswahrnehmung auch aus den Verhandlungsprotokollen nachvollziehen, die die Anwesenheit des anwaltlichen Vertreters der Streithelferin bei den jeweiligen Terminen dokumentiere.
Die Beklagtenpartei hielt im Schriftsatz vom 29.10.2021 an ihrer Rechtsauffassung fest, dass es an einen Kostentitel zugunsten der Fa. H. GmbH und Co KG fehle, da es sich bei ihr nicht um eine Nebenintervenientin im Sinne des Gesetzes handele. Ihr sei von keiner Hauptpartei des Prozesses der Streit verkündet worden. Zudem habe sich die Fa. H. GmbH und Co KG im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich auf Seiten der Beklagten befunden. Die Einzelansätze könnten nur dann eine Rolle spielen, wenn sie glaubhaft gemacht worden wären. Dies sei hier nicht der Fall.
Auf Anfrage des Gerichts reichte die Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG eine Rechnung vom 23.05.2016 über Hotelkosten nach. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.12.2021 setzte das Landgericht München I die von der Beklagtenpartei an die Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG gemäß dem rechtskräftigen Endurteil des Landgerichts München I vom 25.10.2018 und des rechtskräftigen Endurteils des Oberlandesgerichts München vom 22.07.2021 zu erstattenden Kosten auf 15.209,62 € nebst Zinsen fest. Der Rechtspfleger brachte dabei die beantragten Kosten für das selbständige Beweisverfahren sowie für das erst- und das zweitinstanzliche Verfahren in Ansatz, wobei lediglich bei den Reisekosten die Festsetzungsbeträge auf die jeweiligen Nettobeträge reduziert und die Übernachtungskosten nur bis maximal 100,00 € (netto) und ohne Frühstück berücksichtigt wurden.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.12.2021 legte die Beklagtenpartei mit Schriftsatz vom 23.12.2021 sofortige Beschwerde ein und verwies hinsichtlich der Begründung auf den Schriftsatz vom 29.10.2021.
Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 12.01.2022 nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht München zur Beschwerdeentscheidung vor.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO). Das Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg. Die zugunsten der Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG im Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I berücksichtigten Rechtsanwaltskosten für das selbständige Beweisverfahren in Höhe von 6.036,27 € wurden zu Unrecht festgesetzt und sind in Abzug zu bringen. Hierdurch vermindert sich der Erstattungsbetrag von 15.209,62 € auf 9.173,35 €. Im Übrigen erwies sich die sofortige Beschwerde jedoch als unbegründet.
1. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.10.2018 stellt hier keine hinreichende Kostengrundentscheidung im Sinne des § 103 ZPO für die Erstattung der im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten der Nebenintervenientin Fa. H. GmbH und Co KG dar.
Dem Wortlaut der Kostenregelung aus dem Endurteil vom 25.10.2018 nach hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Nebenintervention sowie einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen.
Der Rechtspfleger und die Beschwerdegegner indes haben in diesem Zusammenhang die Kostenregelung so ausgelegt, dass nicht nur die Kosten der Nebenintervention im erstinstanzlichen Verfahren, sondern auch die Kosten der Nebenintervention im selbständigen Beweisverfahren der Beklagten auferlegt wurden. Dieser Auslegung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
a) Grundsätzlich gilt im Festsetzungsverfahren, dass der Kostentitel nur der Höhe nach ergänzt, d.h. betragsmäßig beziffert wird. Rechtspfleger und Richter sind daher an die Kostengrundentscheidung selbst dann gebunden, wenn diese unrichtig oder unzulässig ist. Eine fehlerhafte oder unvollständige Grundentscheidung, darf im Festsetzungsverfahren weder korrigiert noch ergänzt werden. Diese Befugnis steht im Rahmen der §§ 319, 321 ZPO nur dem für das Erkenntnisverfahren zuständigen Gericht zu, an das der mit dem Kostenfestsetzungsgesuch befasste Rechtspfleger ggf. zwecks Klärung heranzutreten hat. Hierdurch wird indes die Auslegung einer unklaren, mehrdeutigen oder widersprüchlichen Kostengrundentscheidung nicht von vornherein ausgeschlossen, solange der sachliche Gehalt des Titels nicht verändert wird. Anzustreben ist eine möglichst praxisgerechte Lösung, die sich in den engen Grenzen einer wortlautorientierten Auslegung hält. Diese ist insofern objektiviert, als eigene Vorstellungen des Festsetzungsorgans unberücksichtigt bleiben müssen, soweit diese im Kostentitel selbst keine Entsprechung finden (MüKoZPO/Schulz, ZPO, 6. Auflage 2020, zu § 104 Rn. 62; vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 104 Rn. 21_16 Stichwort „Auslegung“; Senat Beschluss vom 02.11.2017 – 11 W 1591/17).
b) Der Kostenausspruch im Endurteil des Landgerichts München I vom 25.10.2018, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe, beinhaltet hier keine automatische Kostentragungspflicht der Beklagten im Hinblick auf die Kosten der Nebenintervenientin Fa. H. GmbH und Co KG für das selbständige Beweisverfahren.
aa) Zutreffenderweise folgen die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zwar bei Identität der Parteien und des Streitgegenstandes als Kosten des Rechtsstreits der Kostenaufteilung in der Hauptsache, ohne dass es einen gesonderten Kostenausspruch bedürfte (vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Zöller/Herget, ZPO, zu § 91 Rn. 13 Stichwort „selbständiges Beweisverfahren“). Hier fehlt es jedoch schon an der persönlichen Identität. Unabhängig davon, ob die Fa. H. GmbH und Co KG im selbständigen Beweisverfahren wirksam den Streitbeitritt erklärte, handelt es sich bei der unterstützten Hauptpartei im selbständigen Beweisverfahren ausschließlich um die Fa. S. GmbH & Co. KG, als Antragsgegnerin zu 1), die selbst nicht Partei im Hauptsacheverfahren ist. Zwar kann eine Kostenentscheidung zugunsten eines im selbständigen Beweisverfahren beigetretenen Streithelfers im Hauptsacheverfahren sogar auch dann erfolgen, wenn der Streithelfer selbst an dem Hauptsachverfahren nicht mehr beteiligt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 05.12.2013 – VII ZB 15/12), Voraussetzung ist jedoch, dass zumindest einer der unterstützten Hauptparteien des selbständigen Beweisverfahrens auch im Hauptsachverfahren als Partei ein Kostenerstattungsanspruch zusteht (vgl. BGH, Beschluss vom 23.07.2009 – VII ZB 3/07). Es reicht insoweit nicht aus, dass die unterstützte Hauptpartei des selbständigen Beweisverfahrens im Hauptverfahren dem Streit beigetreten ist. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass die Frage der Identität der Parteien von einer bloßen Streitverkündung nicht berührt wird (OLG München Beschluss vom 24.2.2000 – 11 W 896/00, BeckRS 2000, 2638 Rn. 9). Der Streithelfer ist selbst nicht Partei oder dieser gleichzustellen (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 42. Auflage, zu § 66 Rn.1). Ist ein Streithelfer nur einem oder mehreren Antragsgegnern beigetreten, gegen die keine Klage erhoben worden ist, kann er demzufolge eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten – soweit die weiteren Voraussetzungen vorliegen – nur gemäß § 494 a Abs. 2 ZPO im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens erreichen, nicht jedoch im Zuge der Hauptsachentscheidung (BGH, Beschluss vom 23.07.2009 – VII ZB 3/07; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Auflage, Anhang III, Rn. 46).
bb) Die Kosten der Nebenintervention im selbständigen Beweisverfahren wären auch bei unterstellter personeller und sachlicher Identität nicht automatisch den Kosten des selbständigen Beweisverfahrens als Teil der Kosten des Rechtsstreits zuzurechnen.
Die grundsätzliche Anerkennung der Zulässigkeit von Streitverkündung und Streithilfe auch in einem selbstständigen Beweisverfahren (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – VII ZR 108/95, BGHZ 134, 190) hat zur Folge, dass die entsprechenden Vorschriften analog anzuwenden sind. Über die Kosten einer (einfachen) Nebenintervention verhält sich § 101 Abs. 1 ZPO. Danach sind dem Gegner der vom Nebenintervenienten unterstützten Hauptpartei die durch die Nebenintervention verursachten Kosten insoweit aufzuerlegen, als er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; im Übrigen hat sie der Nebenintervenient zu tragen. Übertragen auf das selbstständige Beweisverfahren bedeutet das, dass dem Antragsteller die durch die Nebenintervention auf Seiten des Antragsgegners verursachten Kosten insoweit im Rahmen eines gesonderten Kostenausspruchs aufzuerlegen sind, als er die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu tragen hat (BGH, Beschluss vom 23.07.2009 – VII ZB 3/07). Grundsätzlich gilt nämlich, dass die Kosten der Nebenintervention von den Kosten des Rechtsstreits zu unterscheiden sind (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 42. Auflage, zu § 101 Rn.6). Ohne eine ausdrückliche Entscheidung zu seinen Gunsten kann der Streithelfer deshalb keine Kostenerstattung verlangen, da eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits nicht die Kosten des Streithelfers erfasst (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Auflage, Anhang III, Rn. 51). Aus diesem Grund können hier die Kosten der Nebenintervenientin des selbständigen Beweisverfahrens nicht ohne gesonderten Ausspruch als Kosten des selbständigen Beweisverfahrens oder des Rechtsstreits behandelt werden.
c) Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch bestünde nur dann, wenn die Kostengrundentscheidung ausdrücklich auch die Kosten der Streithelferin für das selbständige Beweisverfahren mit umfassen würde. Dies ist hier aber nicht der Fall.
aa) Der Zusatz im Kostenausspruch des Landgerichts „einschließlich der Kosten der Nebenintervention“ begründet hier keine Kostentragungspflicht der Beklagten im Hinblick auf die Kosten der Nebenintervenientin Fa. H. GmbH und Co KG für das selbständige Beweisverfahren. Dieser Zusatz bewirkt lediglich, dass die Kosten der Nebenintervention des Hauptsacheverfahrens der Beklagten auferlegt werden. Einen überschießenden Erklärungsgehalt, dass damit auch die Kosten der Nebenintervention des selbständigen Beweisverfahrens geregelt werden sollten, lässt sich weder dem Wortlaut des Tenors noch den Entscheidungsgründen entnehmen. Es ist nämlich zu beachten, dass sich hier – zumindest bei formaler Betrachtung – die Nebenintervention im selbständigen Beweisverfahren wesentlich von der Nebenintervention im Hauptsachverfahren unterscheidet. Während im selbständigen Beweisverfahren nur ein Streithelfer und zwar auf Seiten der Antragsgegnerin zu 1) auftrat, sind es im Hauptsachverfahren zwei Streithelfer die auf Seiten der Klägerin und damit früheren Antragstellerin dem Streit beigetreten sind. In diesem Falle hätte das Landgericht, wenn es tatsächlich den Erstattungsanspruch nicht nur auf die Kosten der Nebenintervention im erstinstanzlichen Verfahren, sondern auch auf die Nebenintervention im selbständigen Beweisverfahren erstrecken wollte, auch dies unter Benennung der einzelnen Streithelfer gesondert tenorieren müssen.
bb) Soweit es im erstinstanzlichen Kostenausspruch heißt: „einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens“ sieht hierin der Senat auch nur die Kostentragung im Hinblick auf die Parteien des Hauptsacheverfahrens, also der Klägerin und der Beklagten, berührt. Einen weitergehenden Kostenerstattungsansprüche des Streithelfers des selbständigen Beweisverfahrens, der im Übrigen mangels persönlicher Identität über das rechtlich zulässige hinausgehen würde, vermag der Senat darin nicht zu erkennen. Insbesondere nimmt das Landgericht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auf die Identität der beiden Verfahren Bezug, die allerdings nur hinsichtlich der Parteien nicht jedoch hinsichtlich des Streithelfers zu bejahen ist.
2. Hinsichtlich der Kosten der Streithelferin für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren existieren hingegen mit dem Endurteil des Landgerichts München I vom 25.10.2018 und dem Endurteil des Oberlandesgerichts München vom 22.07.2021 hinreichende Kostentitel im Sinne des § 103 ZPO.
a) Soweit die Beklagtenpartei bemängelt, dass es sich bei der Fa. H. GmbH und Co KG um eine Sub-Streithelferin handelt, da ihr erst durch die weitere Streithelferin Fa. S. GmbH & Co. KG der Streit verkündet worden sei, verfängt dieser Einwand nicht. Auch wenn die Streitverkündung nicht durch die Partei, sondern durch eine weitere Streithelferin erfolgt ist nach § 72 Abs. 3 ZPO, so ist die Fa. H. GmbH und Co KG dem Streit mit Schriftsatz vom 18.10.2016 auf Seiten der Klägerin beigetreten und damit zur Streithelferin der Klägerin geworden. Ein Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention wurde nicht gestellt. Sie ist demnach auch als Streithelferin der Klägerin anzusehen. Der Streitbeitritt eines Nebenintervenienten nach § 66 ZPO ist zwar in der Praxis oft Folge einer Streitverkündung, setzt diese jedoch nicht zwingend voraus, vielmehr ist der Streitbeitritt des Streithelfers unabhängig von der Streitverkündung zu sehen (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 42. Auflage, zu § 66 ZPO Rn.1; Haertlein: Beteiligung Dritter am Rechtsstreit – Streithilfe und Streitverkündung in JA 2007, 10).
b) In den Kostenentscheidungen des Landgerichts München I vom 25.10.2018 und des Oberlandesgerichts München vom 22.07.2021 werden die Kosten der Nebenintervention ausdrücklich der Beklagtenpartei auferlegt. Anhaltspunkte dafür, dass zwischen den Kosten der beiden Streithelferinnen unterschieden werden sollte, ergeben sich aus den insoweit eindeutigen Kostenregelungen nicht. Das Oberlandesgericht bezeichnet sogar darin ausdrücklich die beiden Streithelfer.
3. Die Festsetzung der Rechtsanwaltskosten der Streithelferin Fa. H. GmbH und Co KG für die erste und zweite Instanz in Höhe von 2.904,22 € und 6.269,13 € weist auch der Höhe nach keine Fehler zum Nachteil der Beklagten auf.
a) Bei der Entscheidung ist zu beachten, dass das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine rasche, vereinfachte, anhand der Prozessakten vorzunehmende gebührenrechtliche Überprüfung zugeschnitten und deshalb knapp, bündig und formal ausgestaltet ist. Die Voraussetzungen zur Berücksichtigung eines Ansatzes sind im Kostenfestsetzungverfahren gemäß §§ 104 Abs. 2 S. 1, 294 ZPO glaubhaft zu machen, dem Rechtspfleger bzw. dem Gericht ist also die Einschätzung zu vermitteln, dass die Voraussetzungen „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ feststehen (BGH, Beschluss vom 13.07.2011 – IV ZB 8/11 Rz. 10; Senatsbeschluss vom 22.02.2016 – 11 W 192/16; Zöller-Herget, ZPO, 32. Aufl., § 104 Rz. 8).
b) Soweit die fehlende Glaubhaftmachung der angesetzten Reisekosten zur Terminswahrnehmung bemängelt wird, ist zu sehen, dass sich die Wahrnehmung der einzelnen Gerichtstermine durch den anwaltlichen Vertreter der Streithelferin bereits aus der Prozessakte, namentlich den Verhandlungsprotokollen, ergibt. Die Höhe der Kosten wurden im Einzelnen durch die Vorlage entsprechender Belege glaubhaft gemacht.
c) Zutreffend hat das Landgericht auch bei den Auslagen des Rechtsanwalts im Rahmen der Terminswahrnehmung nur die Nettobeträge herangezogen und bei den Übernachtungskosten auch die Kosten für Frühstück, die bereits mit dem Tage- und Abwesenheitsgeld abgegolten sind, unberücksichtigt gelassen.
d) Im Übrigen wurden keine konkreten Einwendungen gegen einzelne Kostenpositionen erhoben; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
4. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Gerichtskosten sind nur angefallen, soweit die sofortige Beschwerde zurückgewiesen wurde. Sie sind deshalb von der Beklagten zu tragen. Wegen des nicht unerheblichen Erfolgs des Rechtsmittels war es sachgerecht, die Gebühr auf die Hälfte zu ermäßigen (Nr.1812 KV-GKG).


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