Kosten- und Gebührenrecht

Kostenfestsetzungsverfahren: Beginn der Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs bei Ersetzung der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung durch einen Prozessvergleichs im zweiten Rechtszug

Aktenzeichen  VII ZB 37/18

Datum:
4.11.2020
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:041120BVIIZB37.18.0
Normen:
§ 103 Abs 1 ZPO
§ 104 Abs 1 S 2 ZPO
§ 794 Abs 1 Nr 1 ZPO
Spruchkörper:
7. Zivilsenat

Leitsatz

Wird die in einem erstinstanzlichen Urteil getroffene Kostengrundentscheidung durch eine im zweiten Rechtszug im Wege des Prozessvergleichs getroffene Kostenregelung ersetzt, kann, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, eine Verzinsung zu erstattender Kosten nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst von einem Antragszeitpunkt nach dem Vergleichsschluss verlangt werden; maßgeblich ist das Eingangsdatum des auf den Prozessvergleich bezogenen Kostenfestsetzungsantrags (Abgrenzung von BGH, Beschluss vom 22. September 2015 – X ZB 2/15, NJW 2016, 165).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Nürnberg, 23. April 2018, Az: 12 W 253/18, Beschlussvorgehend LG Weiden, 9. November 2017, Az: 13 O 197/15

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 23. April 2018 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Weiden in der Oberpfalz (13 O 197/15) vom 9. November 2017 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten um die Verzinsung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs des Klägers für die erste Instanz.
2
Das Landgericht hat die Beklagte mit Endurteil vom 4. Oktober 2016 unter anderem zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt. Mit am 10. November 2016 beim Landgericht eingegangenem Kostenausgleichsantrag hat der Kläger für die erste Instanz auszugleichende Kosten in Höhe von 7.560,90 € angemeldet und Zinsantrag gestellt.
3
Die Beklagte hat Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 11. Oktober 2017 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, der unter anderem die Regelung beinhaltet, dass von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen der Kläger 7 % und die Beklagte 93 % zu tragen haben.
4
Mit Kostenausgleichsantrag, eingegangen beim Landgericht am 20. Oktober 2017, hat der Kläger für die zweite Instanz weitere Kosten in Höhe von 1.823,70 € angemeldet. Unter Berücksichtigung der bei der Beklagten angefallenen Kosten hat das Landgericht am 9. November 2017 einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, mit dem es die von der Beklagten an den Kläger nach dem Vergleich zu erstattenden Kosten auf 8.487,81 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 20. Oktober 2017 festgesetzt hat. Von den Kosten in Höhe von 8.487,81 € entfallen 6.942,75 € auf die erste sowie 1.545,06 € auf die zweite Instanz.
5
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Beschwerdegericht den Beschluss dahingehend geändert, dass die Beklagte die für die erste Instanz festgesetzten Kosten (6.942,75 €) schon ab dem 10. November 2016, ab Eingang des nach Erlass des landgerichtlichen Urteils gestellten Kostenfestsetzungsantrags zu verzinsen hat. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte die Aufhebung dieses Beschlusses und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Klägers.
II.
6
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
7
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in JurBüro 2018, 358 abgedruckt ist, hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe hinsichtlich des erstinstanzlichen Teilbetrags in Höhe von 6.942,75 € nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO Anspruch auf eine Verzinsung ab dem Tag des Eingangs des Kostenausgleichsantrags für die erste Instanz, also ab dem 10. November 2016. Zwar könnten grundsätzlich Zinsen gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst ab Eingang eines neuen Kostenausgleichsantrags nach Abschluss des Vergleichs in zweiter Instanz verlangt werden, mit dem die Parteien eine neue Grundlage für die Kostenverteilung geschaffen hätten. Jedoch habe der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22. September 2015 (X ZB 2/15, NJW 2016, 165) entschieden, dass in dem Fall, dass eine erstinstanzliche Kostenentscheidung nach § 91 Abs. 1 ZPO in der zweiten Instanz wegen einer Klagerücknahme wirkungslos werde und an deren Stelle eine inhaltsgleiche Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO trete, der Kostengläubiger Zinsen nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO schon ab Eingang des auf Grundlage der erstinstanzlichen Kostentscheidung gestellten Kostenausgleichsantrags verlangen könne, sofern zugunsten des Kostengläubigers durchgehend eine vollstreckbare Kostengrundentscheidung vorgelegen habe. Diese Überlegungen seien auf die hiesige Konstellation zu übertragen, bei der die erstinstanzliche Kostenentscheidung nicht durch gerichtliche Entscheidung, sondern durch Parteivereinbarung geändert worden sei. Entscheidend sei allein, ob ohne zeitliche Unterbrechung eine durchgehende Möglichkeit des Kostengläubigers bestanden habe, die erstinstanzlich angefallenen Kosten im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Dies sei im Umfang von 93 % der Kosten der Fall, denn aufgrund des vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteils hätte der Kläger 100 % der angemeldeten Kosten gegenüber der Beklagten vollstrecken können. Diese Vollstreckungsmöglichkeit sei erst mit Abschluss des Vergleichs vom 11. Oktober 2017 entfallen, durch den jedoch gleichzeitig und ohne zeitliche Unterbrechung eine neue Vollstreckungsmöglichkeit hinsichtlich der selben Kosten im Umfang von 93 % geschaffen worden sei.
8
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat im Kostenfestsetzungsbeschluss den Zinsbeginn für die Verzinsung der festgesetzten Kosten der ersten Instanz zu Recht auf den 20. Oktober 2017, anknüpfend an das Eingangsdatum des auf den Prozessvergleich gestützten Kostenausgleichsantrags, festgesetzt.
9
a) Der Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten kann auf Antrag (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden, § 103 Abs. 1 ZPO, welcher eine zumindest vorläufig vollstreckbare Kostengrundentscheidung enthält. Ist Zinsantrag gestellt, ist im Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen sind.
10
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss setzt die Kostenregelung um, die die Parteien in dem vor dem Berufungsgericht geschlossenen Vergleich vom 11. Oktober 2017 vereinbart haben. Weil dem Gläubiger Zinsen nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO frühestens von dem Zeitpunkt an zustehen, zu dem der Titel vorliegt, bestimmt sich – mangels anderweitiger Vereinbarung im Vergleich – der Zinsbeginn nach dem Eingangsdatum des auf den Vergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) bezogenen Kostenfestsetzungsantrags.
11
b) Die vergleichsweise getroffene Kostenregelung ermöglicht es nicht, für den Beginn des Zinsanspruchs auf den Eingang des auf die Kostengrundentscheidung im für vorläufig vollstreckbar erklärten landgerichtlichen Urteil gestützten Kostenausgleichsantrags abzustellen.
12
aa) Den frühestmöglichen Beginn der Zinspflicht bildet stets das Vorliegen des vollstreckbaren Titels. Der im Kostenfestsetzungsverfahren zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss füllt lediglich die Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Kostenbetrags aus, er ist sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch seines Bestands von der Kostengrundentscheidung abhängig. Wird sie aufgehoben oder abgeändert, verliert ein auf ihrer Grundlage erlassener Kostenfestsetzungsbeschluss im Umfang der Aufhebung oder Abänderung seine Wirkung (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2013 – VII ZB 13/12 Rn. 11, NJW 2013, 2438; Beschluss vom 5. Mai 2008 – X ZB 36/07 Rn. 5, NJW-RR 2008, 1082). Entsprechendes gilt, wenn die Kostenfestsetzung nur beantragt, aber noch nicht erfolgt war, bezogen auf den hierauf gestellten Zinsantrag. So liegt der Fall hier, denn die Kostengrundentscheidung des landgerichtlichen Urteils hat keinen Bestand mehr. Der Abschluss des Vergleichs hat den Prozess und dessen Rechtshängigkeit beendet (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 794 Rn. 19; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., § 794 Rn. 13), das landgerichtliche Urteil und der darauf beruhende Kostenfestsetzungsantrag sind wirkungslos geworden. Wird die Kostengrundentscheidung eines Urteils durch einen Prozessvergleich ersetzt, ist sie nicht mehr zur Kostenfestsetzung geeignet. Für die Verzinsung ist deshalb der auf den Vergleich gestützte Festsetzungsantrag maßgebend, es sei denn, die Parteien haben sich auf den Fortbestand der früheren Kostengrundentscheidung geeinigt (vgl. Dörndorfer in von Eicken/Hellstab/Dörndorfer/Asperger, Die Kostenfestsetzung, 23. Aufl., Rn. B 112).
13
bb) Der Vergleich enthält keinerlei Vereinbarung zu Zinsansprüchen. Die Auslegung der im Vergleichswege getroffenen Kostenvereinbarung ergibt nicht, dass die Parteien der landgerichtlichen Kostengrundentscheidung prozessual oder materiell-rechtlich weiter eine Bedeutung beimessen wollten, die es erlauben könnte, den Zinsbeginn an den Eingang des Kostenausgleichsantrags anzuknüpfen, der auf der Grundlage der landgerichtlichen Entscheidung beantragt wurde. Vergleichsweise vereinbart wurde eine andere, wenn auch teilweise übereinstimmende Kostenregelung, wonach die Beklagte 93 % der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen hat. Weder haben die Parteien die Kostengrundentscheidung von der prozessbeendenden Wirkung des Vergleichs ausgenommen noch eine Regelung getroffen, dass es ganz oder zumindest im Umfang von 93 % der Kosten bei der gerichtlichen Kostengrundentscheidung verbleiben soll (vgl. OLG München, Beschluss vom 30. November 2000 – 11 W 3051/00, MDR 2001, 414, juris Rn. 5 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Januar 1992 – 9 W 104/91, MDR 1992, 1007).
14
3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts können die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs bei Abänderung einer Kostengrundentscheidung im Rechtsmittelverfahren nicht auf den Fall des Abschlusses eines Prozessvergleichs in zweiter Instanz übertragen werden.
15
a) Mit Beschluss vom 20. Dezember 2005 (X ZB 7/05, NJW 2006, 1140) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass er bei einer Änderung der Kostenquote im Berufungsverfahren derjenige Betrag der erstinstanzlichen Kosten, der übereinstimmend sowohl nach der erst- wie nach der zweitinstanzlichen Kostengrundentscheidung zu erstatten ist, seit dem Eingang des (ursprünglichen) Kostenfestsetzungsantrags zu verzinsen ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass auch in Fällen, in denen das Berufungsgericht eine andere Kostenquote bestimmt, darin regelmäßig keine Aufhebung der erstinstanzlichen Kostengrund-entscheidung zu sehen sei. Vielmehr werde die Kostenentscheidung – wie die Sachentscheidung – nur insoweit abgeändert, als sie inhaltlich von der Vorentscheidung abweiche. Die Zusammenfassung der teilweisen Bestätigung und teilweisen Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung im Berufungsurteil diene lediglich der Vereinfachung, eine Aufhebung der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung im Ganzen sei damit jedoch nicht verbunden. Bei einer solchen Sachlage müsse hinsichtlich der Verzinsung der für die erste Instanz zu erstattenden Kosten weiterhin auf den Eingang des ursprünglichen Kostenausgleichsantrags abgestellt werden, da ansonsten jede noch so geringfügige Verschiebung der Kostenquote zu einem späteren Einsetzen der Verzinsung führen würde, was für den Kostengläubiger nachteilig wäre und zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde.
16
Anknüpfend hieran hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 22. September 2015 (X ZB 2/15, NJW 2016, 165) entschieden, dass der Zinsbeginn auf den Eingang des auf Grundlage der vorangegangenen Entscheidung eingereichten Kostenfestsetzungsantrags zu bestimmen ist, wenn eine zugunsten eines Beklagten ergangene Kostengrundentscheidung aufgrund einer Klagerücknahme wirkungslos ist und durch eine inhaltsgleiche Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 4 ZPO zugunsten des Beklagten ersetzt wird. Denn werde eine Kostengrundentscheidung nur teilweise aufgehoben oder abgeändert, bilde sie weiterhin eine geeignete Grundlage für die Verzinsung hinsichtlich derjenigen Kosten, die sowohl nach der ursprünglichen als auch nach der geänderten Entscheidung zu erstatten seien. Für die Konstellation, dass die Kostengrundentscheidung zwar formell wirkungslos, aber durch eine inhaltlich gleichlautende, ebenfalls vollstreckbare Kostenregelung ersetzt werde, könne nichts anderes gelten. Zwar beruhe formal betrachtet die Durchsetzbarkeit des Erstattungsanspruchs nicht mehr auf der ursprünglichen Entscheidung, für den Fortbestand des daran anknüpfenden Zinsanspruchs reiche es aber aus, wenn zugunsten des Gläubigers durchgehend eine vollstreckbare Kostengrundentscheidung vorgelegen habe, er also ohne zeitliche Unterbrechung die Möglichkeit gehabt hätte, den Anspruch auf Ersatz der in Rede stehenden Kosten durchzusetzen.
17
b) Ob diese Rechtsprechung auf den Fall übertragen werden kann, dass die Parteien die Kostengrundentscheidung der ersten Instanz in einem Prozessvergleich in zweiter Instanz durch eine andere ersetzen, ist umstritten. Während sich das OLG Dresden mit Beschluss vom 10. Juli 2019 (3 W 542/19, NJW 2019, 3525) der Auffassung des Beschwerdegerichts angeschlossen hat, wird diese Frage in der Literatur, teilweise unter Bezugnahme auf ältere obergerichtliche Entscheidungen (OLG Köln, Beschluss vom 30. September 2013 – 17 W 78/13, JurBüro 2014, 365, juris Rn. 9; OLG München, Beschluss vom 8. Februar 1996 – 11 W 749/96, NJW-RR 1996, 703, juris Rn. 4 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 31. August 1992 – 23 W 428/92, MDR 1993, 585, juris Rn. 2; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Januar 1992 – 9 W 104/91, MDR 1992, 1007) überwiegend verneint (Musielak/Voit/Flockenhaus, 17. Aufl., § 104 Rn. 12; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 41. Aufl., § 104 Rn. 16a; BeckOK ZPO/Jaspersen, Stand: 1. September 2020, § 103 Rn. 13a; Stein/Jonas-Muthorst, ZPO, 23. Aufl., § 104 Rn. 27; a. A. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 104 Rn. 6).
18
c) Der Senat entscheidet die Streitfrage dahin, dass nach Abschluss eines Vergleichs in der Rechtsmittelinstanz, soweit die Parteien hierzu im Vergleich nichts Abweichendes vereinbaren, eine Verzinsung der hiernach zu erstattenden Kosten der ersten Instanz nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst von einem Antragszeitpunkt nach dem Vergleichsabschluss verlangt werden kann.
19
Der Kläger kann darum die Verzinsung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs erster Instanz erst ab dem 20. Oktober 2017 verlangen. Zwar ist die vergleichsweise vereinbarte Kostenregelung, wonach die Beklagte 93 % der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen hat, bezogen auf die Kosten der ersten Instanz im Hinblick auf 93 % teilidentisch. Für den Fall, dass schon ein Kostenfestsetzungsbeschluss für die erste Instanz erlassen worden wäre, hätte der Kläger aus diesem bis zum Vergleichsabschluss vollstrecken können. Durch den Vergleichsabschluss ist die Kostenquote des landgerichtlichen Urteils obsolet geworden, diese Situation prozessualer Überholung hätte auch bei Erlass eines Berufungsurteils, in dem die Kostenquote so abgeändert worden wäre, entstehen können.
20
Gleichwohl lässt sich die für die Abänderung gerichtlicher Kostenentscheidungen in der Rechtsmittelinstanz entwickelte Rechtsprechung zum Zinsbeginn nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO wegen gravierender Unterschiede der jeweiligen Ausgangssituation nicht auf einen in zweiter Instanz abgeschlossenen Prozessvergleich mit Kostenregelung übertragen, zudem besteht in dieser Konstellation kein Bedürfnis für eine Vorverlagerung des Zinsbeginns anknüpfend an einen früheren Kostenfestsetzungsantrag.
21
aa) Mit dem in zweiter Instanz geschlossenen Prozessvergleich regeln die Parteien ihre Beziehung neu. Der Vergleich bildet eine Zäsur, die Parteien vereinbaren die Beendigung des Rechtsstreits, entkoppelt vom bisherigen Prozessergebnis. Mit dem Abschluss des Vergleichs in zweiter Instanz verlieren alle zuvor getroffenen Entscheidungen ihre Wirksamkeit, jede früher ergangene Entscheidung als Basis der Kostenfestsetzung entfällt. Von ihr geht – vorbehaltlich einer Regelung dazu im Vergleich – keine Wirkung mehr aus. Vielmehr gilt nach § 98 Satz 2 ZPO Kostenaufhebung, sofern sich die Parteien nicht auch über die Kosten des Rechtsstreits verglichen haben. Verständigen sich die Parteien im Vergleich über die Kosten, gilt diese neue Regelung anstelle der ersatzlos weggefallenen Kostengrundentscheidung aus dem wirkungslos gewordenen erstinstanzlichen Urteil. Durch den Vergleich wird eine völlig neue Grundlage für die Kostenverteilung geschaffen.
22
bb) Anders als im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Kostenentscheidungen (§ 308 Abs. 2 ZPO) können die Parteien im Vergleich die Kostentragung völlig frei und insbesondere unabhängig vom Prozessergebnis vereinbaren, mögen die Prozessaussichten auch regelmäßig bei den Vergleichsgesprächen eine zentrale Rolle spielen. Die Parteien sind weder gehalten, die Vereinbarung zu den Kosten entsprechend dem jeweiligen Nachgeben in der Hauptsache zu treffen, noch haben sie sich dabei an den Erfolgsaussichten im Prozess zu orientieren, wie dies §§ 91 ff. ZPO für die gerichtliche Kostenentscheidung vorgeben. Vielmehr bilden die Prozesskosten einen Teil der zur Disposition der Parteien stehenden Verhandlungsmasse.
23
Aus diesem Grund erlaubt eine durch Vergleich getroffene Kostentragungsregel – anders als die gerichtliche Kostenentscheidung, die sich an dem Obsiegen beziehungsweise Unterliegen, mithin den Erfolgsaussichten im Prozess zu orientieren hat – nicht ohne Weiteres einen Rückschluss darauf, ob damit eine Bestätigung oder Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Entscheidung samt der darauf beruhenden Kostengrundentscheidung verbunden sein sollte. Selbst der Vereinbarung einer mit der ursprünglichen Kostengrundentscheidung identischen Kostentragungsregel im Vergleich lässt sich nicht entnehmen, ob die Parteien damit eine Bestätigung oder Aufrechterhaltung des bisherigen Prozess-ergebnisses aussprechen wollten (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. Februar 1996 – 11 W 749/96, NJW-RR 1996, 703, juris Rn. 4). Gleichfalls wird – vorbehaltlich anderer Anhaltspunkte – keine Entscheidung über den Fortbestand des materiellen Gehalts der ersten Kostengrundentscheidung getroffen. Es fehlt also gerade an der Kontinuität der Kostenentscheidung, welche aber zentraler Gesichtspunkt dafür ist, um bei abändernden Kostenentscheidungen im Rechtsmittel die Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs erster Instanz ab dem Eingang des Kostenfestsetzungsantrags erster Instanz laufen zu lassen, wenn und soweit sich die Kostengrundentscheidungen (durchgehend) decken.
24
cc) Es besteht auch kein Bedürfnis, die höchstrichterliche Rechtsprechung, die zu gerichtlichen Kostenentscheidungen ergangen ist, auf in zweiter Instanz abgeschlossene Prozessvergleiche mit Kostenregelung zu erstrecken. Zum einen sind die Parteien frei, im Vergleich Zinsansprüche zu Haupt- und Nebenforderungen zu begründen oder die Modalitäten der Verzinsung des prozessualen Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu regeln. Zum anderen besteht die Möglichkeit, eine erstinstanzlich getroffene Kostengrundentscheidung als solche mit dem Vergleich ausdrücklich zu bestätigen oder etwa zu vereinbaren, dass ein hierauf ergangener Kostenfestsetzungsbeschluss zwischen den Parteien weiter Geltung beanspruchen soll. Die Parteien haben also die Möglichkeit, im Vergleich eine Schlechterstellung hinsichtlich des Verzinsungsbeginns des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs erster Instanz zu vermeiden, der bei einer gerichtlichen Entscheidung aufgrund der formalen Anknüpfung an die Letztentscheidung, die die erstinstanzlich getroffene Kostenentscheidung teilweise bestätigt, entstehen kann.
III.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Pamp     
      
Kartzke     
      
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Sacher     
      
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