Kosten- und Gebührenrecht

Löschung von Daten in polizeilichen Datenbanken

Aktenzeichen  10 C 20.2308

Datum:
2.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30383
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPAG  Art. 54 Abs. 2 S. 2, Art. 62 Abs. 2 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 2, § 1078

 

Leitsatz

1. Im Falle eines isolierten Prozesskostenhilfeantrags ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten nicht der der Bewilligungsreife, sondern der der gerichtlichen Entscheidung über das Gesuch. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Daten im polizeilichen Kriminalaktennachweis oder in einem internen Vorgangsbearbeitungssystem sind zu löschen, wenn kein Restverdacht einer rechtswidrigen Straftat mehr besteht. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 19.2118 2020-09-07 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Klägerin bzw. Antragstellerin (im Folgenden: Klägerin) ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Verpflichtungsklage auf Löschung von Daten in polizeilichen Datenbanken weiter.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Bevollmächtigten (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt. Der Senat unterstellt zwar zu Gunsten der in Salzburg wohnenden Klägerin, dass sie nach den dem Verwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht leistungsfähig ist und daher vom Grundsatz her Anspruch auf „grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe“ (§ 114 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1078 ZPO) besteht. Allerdings ist der Antrag unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum für die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt dieses Beschlusses nach summarischer Überprüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Allerdings geht der Senat – insofern entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – davon aus, dass die Klägerin bei sachgerechter Auslegungen ihrer Erklärungen Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Klage begehrt. Für das Vorliegen eines solchen sog. isolierten Prozesskostenhilfeantrags spricht zunächst die optisch mehrfach hervorgehobene Formulierung der anwaltlich nicht vertretenen, selbst aber offenbar gerichtserfahrenen Klägerin im verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 2. Mai 2020, wonach „die Klage (…) mit Prozesskostenhilfe fristgerecht eingebracht“ wird. Soweit diese Formulierung auch noch eine Auslegung als Klage mit Prozesskostenhilfeantrag zulässt, stellt die Klägerin mit Schriftsatz vom 9. August 2020 im Zusammenhang mit dem Antrag des Beklagten, die Klage kostenpflichtig abzuweisen klar, dass sie die Klage „ausdrücklich nur unter Prozeßkostenhilfe als hierfür Berechtigte eingebracht“ habe. Zusammengenommen können diese beiden Erklärungen nur dahingehend ausgelegt werden, dass die Klägerin noch keine Klage erheben wollte, der Prozesskostenhilfeantrag vielmehr für eine noch zu erhebende Klage gestellt war.
Im Falle eines isolierten Prozesskostenhilfeantrags eines anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten nicht der der Bewilligungsreife, sondern der der gerichtlichen Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch, weil Kosten für das beabsichtigte Klageverfahren bisher gar nicht angefallen sind (BayVGH, B.v. 9.3.2020 – 11 ZB 19.991 – juris Rn. 12.).
Gemessen daran böte eine noch zu erhebende Verpflichtungsklage auf Löschung der von der Klägerin beanstandeten Eintragungen in den polizeilichen Datenbeständen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Hinsichtlich der bereits gelöschten Eintragungen im Kriminalaktennachweis (KAN) und im Integrierten Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei (IGVP) wäre eine noch zu erhebende Klage in Ermangelung eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Hinsichtlich der noch vorhandenen (einen) Eintragung im KAN (ein im August 2012 aufgenommenes Verfahren gegen die Klägerin wegen des Verdachts des Leistungskreditbetrugs) und den wohl noch vorhandenen sieben Eintragungen im IGVP (vgl. die Mitteilung des Beklagten vom 29.6.2020 an das Verwaltungsgericht) wäre eine solche Klage unbegründet. In der Sache hat das Verwaltungsgericht nämlich zu Recht angenommen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Löschung der derzeit noch vorhandenen Eintragungen hat.
Nach Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG sind in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn (Nr. 1) ihre Erhebung oder weitere Verarbeitung unzulässig war, (Nr. 2) sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen, oder (Nr. 3) bei der zu bestimmten Fristen oder Terminen vorzunehmenden Überprüfung oder aus Anlass einer Einzelfallbearbeitung festgestellt wird, dass ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe nicht mehr erforderlich ist. Ferner sind nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG personenbezogene Daten, die im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gewonnen wurden, unverzüglich zu löschen, wenn der der Speicherung zugrundeliegende Verdacht entfallen ist.
Der Tatverdacht ist entfallen, wenn kein Straftatbestand erfüllt ist, die Betroffene nicht als Täterin in Betracht kommt oder ihr ein Rechtfertigungsgrund zur Seite steht. Dagegen reicht zur weiteren Speicherung ein weiterhin bestehender Anfangsverdacht im strafprozessualen Sinne aus, es muss sich nicht um einen hinreichenden Tatverdacht i.S.d. § 203 StPO handeln. Eine Einstellung nach §§ 153 ff. StPO lässt den Tatverdacht nicht entfallen. Bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO ist jeweils zu prüfen, ob die Einstellung wegen erwiesener Unschuld erfolgt ist, oder ob ein „Restverdacht“ fortbesteht, wenn etwa ein Tatnachweis vor Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geführt werden kann (stRspr des Senats, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 30.1.2020 – 10 C 20.10 – juris Rn. 8 m.w.N.). In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat das Verwaltungsgericht in Bezug die Eintragung im KAN unter Heranziehung der Strafakten zu Recht festgestellt, dass im Hinblick auf den Vorwurf eines Leistungskreditbetrugs noch ein Restverdacht besteht, zumal das Verfahren nach § 153a StPO eingestellt wurde, was einen fortbestehenden Tatverdacht voraussetzt (BayVGH, B.v. 10.6.2013 – 10 C 13.62 – juris Rn. 5.). Gegen die Richtigkeit dieser Beurteilung im Einzelnen werden in der Beschwerde keine konkreten, auf die Begründung des Verwaltungsgerichts bezogenen Anhaltspunkte vorgetragen, die eine andere rechtliche Betrachtung rechtfertigen könnten. Das Beschwerdevorbringen wiederholt lediglich wortwörtlich die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 9. August 2020, mit dem sich bereits das Verwaltungsgericht auseinandergesetzt hat.
Ein Löschungsanspruch besteht auch nicht hinsichtlich der (nicht mit der Eintragung im Kriminalaktennachweis korrespondierenden) sonstigen Eintragungen in der polizeilichen Vorgangsverwaltung IGVP, die allesamt eine Anzeigeerstattung durch die Klägerin dokumentieren. Ein Löschungsanspruch nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG besteht schon deswegen nicht, weil die Klägerin in diesen Fällen nicht der Tatverdächtige gewesen ist. Ein Löschungsanspruch kann auch nicht auf Art. 62 PAG gestützt werden, weil die Daten im Sinne von Art. 62 Abs. 2 Satz Nr. 1 PAG rechtmäßig erhoben wurden. Die Anzeigen sind auf Wunsch der Klägerin von der Polizei registriert worden und werden bis zum Zeitpunkt der regelmäßigen Aussonderung auch im Sinne des Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAG für die weitere Aufgabenerfüllung der Polizei benötigt (vgl. BayVGH, U.v. 21.1.2009 – 10 B 07.1382 – juris Rn. 43).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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