Kosten- und Gebührenrecht

Normenkontrollantrag gegen Veränderungssperre – Kostentragung nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen

Aktenzeichen  15 N 15.697

Datum:
4.3.2016
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 17 Abs. 3
VwGO VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Bei der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen gem. § 161 Abs. 2 VwGO sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, aber auch eine durch das Nachgeben einer Partei bewirkte Herbeiführung des erledigenden Ereignisses einzubeziehen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache das Gericht von dem Gebot, anhand eingehender Erwägungen abschließend über den Streitstoff zu entscheiden. Es ist daher nicht mehr Aufgabe des Gerichts, für die überschlägige Überprüfung des Streitstoffs Beweise zu erheben. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

Das durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien (Schriftsätze vom 5. Februar 2016 und vom 22. Februar 2016) beendete Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, aber auch eine durch das Nachgeben einer Partei bewirkte Herbeiführung des erledigenden Ereignisses einzubeziehen (vgl. BVerwG, B. v. 24.10.2006 – 9 A 23/06 – juris; B. v. 11.12.2009 – 9 A 25/08 – juris; B. v. 11.1.2010 – 10 C 6/09 – juris; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 161 Rn. 18).
Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt als offen zu bewerten. Der Antragsteller greift den „erneuten Erlass einer Veränderungssperre für das Gebiet ‚…‘ gemäß § 17 Abs. 3 BauGB“ an (vgl. den im Gerichtsverfahren vorgelegten Auszug aus dem Sitzungsbuch der Antragsgegnerin über den Satzungsbeschluss am … … 2014). Auch wenn der Senat vormals im Eilverfahren gem. § 47 Abs. 6 VwGO nach summarischer Prüfung die ursprünglich beschlossene Veränderungssperre für wirksam erachtete (BayVGH, B. v. 11.10.2012 – 15 NE 12.1687), ist dem Gericht nach den von den Parteien im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen und gegebenen Informationen eine Beurteilung, ob die Voraussetzungen für den erneuten Erlass der Veränderungssperre gem. § 17 Abs. 3 VwGO vorlagen (vgl. hierzu z. B. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 6.1.2012 – OVG 2 S 26.11 – juris Rn. 8 m. w. N.), nicht im Ansatz möglich. Der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit jedoch nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache das Gericht von dem Gebot, anhand eingehender Erwägungen abschließend über den Streitstoff zu entscheiden (BVerwG, B. v. 24.2.2008 – 3 C 5/07 – juris Rn. 2). Es ist daher nicht mehr Aufgabe des Gerichts, für die überschlägige Überprüfung des Streitstoffes Beweise zu erheben (vgl. auch BayVGH, B. v. 3.12.2009 – 1 B 09.2026).
Obwohl unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Erfolgsaussichten der Normenkontrollklage derzeit als offen einzuschätzen sind, sind die Kosten in beiden Verfahren der Antragsgegnerin in vollem Umfange aufzuerlegen. Denn sie hat das erledigende Ereignis durch Aufhebung der Veränderungssperre (Satzungsbeschluss des Stadtrats vom … … 2015) selbst herbeigeführt und sich daher aus eigenem Willensentschluss in die Rolle des Unterlegenen begeben (vgl. BayVGH, B. v. 23.3.2003 – 20 N 02.2591 – juris Rn. 2).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Nach Nr. 9.8.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58), an dem sich das Gericht orientiert, beträgt der Streitwert bei der Normenkontrolle gegen eine Veränderungssperre die Hälfte des Streitwerts für die Normenkontrolle (hier: einer Privatperson, Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs) gegen den Bebauungsplan. In Orientierung an den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten erscheint hier ein Streitwert i.H. von 15.000 € für die Normenkontrolle gegen die Veränderungssperre als angemessen (vgl. auch zum Ersterlass der vorliegenden Veränderungssperre BayVGH, B. v. 20.2.2013 – 15 N 12.566; BayVGH, B. v. 11.10.2012 – 15 NE 12.1687). Es besteht mithin kein Anlass, vom vorläufig festgesetzten Streitwert abzurücken.

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