Kosten- und Gebührenrecht

Notwendige Kosten des Rechtsstreits – Aufwendungen zur gerichtlich angeordneten Begutachtung

Aktenzeichen  8 W 57/17

Datum:
7.6.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144102
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1, § 104

 

Leitsatz

1 In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Aufwendungen, die eine Prozesspartei zur gerichtlich angeordneten Begutachtung hatte, zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreits zählen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wären die zur Vor- und Nachbereitung einer gerichtlichen Begutachtung nötigen Arbeiten nicht von einer Prozesspartei beauftragt worden, hätte sie der gerichtliche Sachverständige durch von ihm eingeschaltete Hilfskräfte zwar nicht ausführen lassen müssen, aber immerhin können. Hierdurch wären die nämlichen Kosten entstanden (§ 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JVEG). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

21 O 234/09 2016-12-20 LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Schweinfurt zu den von der Klägerin / Drittbeklagten und dem Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten der I. Instanz und des Beweissicherungsverfahrens 21 OH 46/09 vom 20.12.2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 373,51 Euro festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Schweinfurt hat mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 20.12.2016 – die von der Beklagtenpartei an die Klägerin zu erstattenden Kosten der I. Instanz und des Beweissicherungsverfahrens 21 OH 46/09 auf 3.048,10 Euro (Beschluss „K1“) festgesetzt;
– die von der Beklagtenpartei an den Drittwiderbeklagten zu erstattenden Kosten der I. Instanz und des Beweissicherungsverfahrens 21 OH 46/09 auf 2.561,78 Euro festgesetzt;
und mit weiteren Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 20.12.2016, jeweils berichtigt mit Beschlüssen vom 28.12.2016,
– die von der Klägerin / Drittbeklagten und dem Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten der I. Instanz und des Beweissicherungsverfahrens 21 OH 46/09 auf 816,22 Euro festgesetzt;
– die von der Klägerin / Drittbeklagten und dem Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner an die Beklagtenpartei zu erstattenden Gerichtskosten der I. Instanz und des Beweissicherungsverfahrens 21 OH 46/09 auf 570,61 Euro festgesetzt.
Gegen die Beschlüsse hat der Beklagte am 05.01.2017 sowie am 19.01.2017, jeweils fristgericht, sofortige Beschwerden eingelegt. Mit einer anwaltlichen Beschwerdebegründung vom 16.02.2017 rügte er zum einen den doppelten Ausgleich der im Hauptsacheverfahren angefallenen Gerichtskosten und zum anderen den nur teilweisen Ansatz seiner Auslagen als Partei. Es seien zu Unrecht Aufwendungen von nur 2.660,70 Euro anerkannt und eingestellt worden, obwohl ausweislich den eingereichten Rechnungen des Bauunternehmens A. GmbH vom 21.02.2005 und vom 02.06.2006 Beträge von 52,20 Euro bzw. von 5.088,08 Euro tatsächlich angefallen und als notwendige Parteiauslagen nachgewiesen seien. Die am 18.05.2006 und am 19.05.2006 entstandenen Kosten seien solche der notwendigen Nachbereitung des Ortstermins gewesen. Hinsichtlich der Begründung wird ergänzend auf den Schriftsatz vom 16.02.2017 Bezug genommen.
Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Schweinfurt hat mit Abhilfebeschluss vom 17.05.2017 der Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.12.2016, mit dem die von der Beklagtenpartei an die Klägerin zu erstattenden Kosten der I. Instanz und des Beweissicherungsverfahrens 21 OH 46/09 auf 3.048,10 Euro festgesetzt wurden (Beschluss „K1“), statt gegeben und ihren Beschluss vom 20.12.2016 dahingehend geändert, dass nun die zu erstattenden Kosten 2.778,06 Euro sind. Tatsächlich seien die Gerichtskosten von ihr irrtümlich doppelt zugunsten der Klägerin berücksichtigt worden.
Zu dem zweiten angegriffenen Punkt, dem nur teilweisen Ausgleich von geltend gemachten Parteikosten gemäß Rechnungen vom 21.02.2005 und vom 02.06.2006 im Hauptsacheverfahren, hat die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Schweinfurt hingegen mit gesondertem Beschluss vom 17.05.2017 der sofortigen Beschwerde des Beklagten nicht abgeholfen. Auf ihr Schreiben an die Prozeßbevollmächtigten aller Parteien vom 04.04.2016 nimmt sie Bezug. Dort führte sie aus, dass die Aufwendungen für den 18.05.2006 und den 19.05.2006 – anders als die für den 15.02.2005, 16.05.2006 und 17.06.2006 – nicht notwendige des Rechtsstreits gewesen sein könnten. Ausgrabungsarbeiten nach den Ortsterminen seien nicht mehr der Begutachtung durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen dienlich gewesen.
Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Schweinfurt hat die Akten sodann am 17.05.2017 dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortigen Beschwerden des Beklagten sind gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO zulässig. Angegriffen ist lediglich noch der Kostenfestsetzungsbeschluss zu den an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten der I. Instanz und des Beweissicherungsverfahrens 21 OH 46/09 (= der oben an dritter Stelle genannte Kostenfestsetzungsbeschluss).
In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
Festsetzbar sind nur Prozesskosten (§ 103 Abs. 1 ZPO) bzw. die Kosten des Rechtsstreits (§ 91 Abs. 1 ZPO). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Aufwendungen, die eine Prozesspartei zur gerichtlich angeordneten Begutachtung hatte, zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreits zählen (siehe die Nw. bei Pastor in Werner/Pastor, Bauprozess, 13. Aufl., Rn. 91 mit Fn. 249 sowie bei KG, B. v. 18.12.2006, 1 W 364/06). Das ist einsichtig. Wären die zur Vor- und Nachbereitung einer gerichtlichen Begutachtung nötigen Arbeiten nicht von einer Prozesspartei beauftragt, hätte sie der gerichtliche Sachverständige durch von ihm eingeschaltete Hilfskräfte zwar nicht ausführen lassen müssen, aber immerhin können. Hierdurch wären die nämlichen Kosten entstanden (§ 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JVEG). Auch dann hätten die Prozessparteien entsprechend der Regelung zur Kostentragung im Endurteil den Aufwand tragen müssen, entweder schon durch ihre Vorauszahlungen auf die gerichtlichen Auslagen oder im Wege der Kostenerstattung (OLG Dresden, Beschluss vom 28.05.2015 – 3 W 473/15 -, Rn. 6, juris).
Dass der Aufwand des Beklagten für die Heranziehung des Bauunternehmens A. GmbH ein prozessbezogener, konkret ein solcher zur Ermöglichung der Begutachtung und zur anschließenden Beseitigung der damit einhergehenden Schäden war, ist beklagtenseits durch Vorlage der Rechnungen und die Ausführungen, beginnend mit denen im Schriftsatz vom 28.01.2015, nur in eingeschränktem Maße und letztlich nur in dem von der Rechtspflegerin anerkannten Teil ausreichend dargelegt und glaubhaft (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Unstreitig fanden am 15.02.2005, am 16. und am 17.05.2006 Termine des Sachverständigen B. vor Ort statt. An diesen Tagen können Arbeiten zur Freilegung von Bauteilen notwendig gewesen und auch durchgeführt worden sein. Insoweit erfolgte die Anerkennung als notwendige, prozessbezogene Aufwendungen des Beklagten. Dies gilt aber nicht für Arbeiten, die am 18. oder 19.05.2006 vor Ort durchgeführt wurden. Die im Schriftsatz vom 25.02.2015 aufgestellte Behauptung, die Rechnung des Bauunternehmens A. GmbH vom 02.06.2006 i.H.v. 5.088,08 Euro beziehe sich ausschließlich auf am 16. und am 17.05.2006 erbrachte Arbeiten ist nicht mit den Arbeitsberichten und Arbeitsbeschreibungen in der vorgelegten Rechnung vom 02.06.2006 in Einklang zu bringen. Aus dieser Rechnung ergibt sich nämlich, dass sich nahezu die Hälfte des Rechnungsbetrages auf Freigrabungsarbeiten bezieht, die nicht an diesen Tagen erbracht wurden, vielmehr erst später. Selbst wenn die den Ortsterminen zeitlich nachfolgenden Freilegungsarbeiten noch auf den Rat oder auf die Veranlassung des Sachverständigen hin erfolgt sein sollten, wie der Beklagte später behauptet hat, handelt es sich nicht um Aufwendungen, die eine Prozesspartei zur gerichtlich angeordneten Begutachtung hatte; vielmehr doch wohl ehr um solche, die der Mängelbeseitigung dienten oder diese vorbereiten oder sonstigen Zielen des Beklagten dienlich sein sollten. Bodenaushub und Freigrabungen von Bauteilen nach dem Ortstermin fördern jedenfalls nicht mehr die Feststellungen von Sachverständigen im Rahmen des ihnen vom Gericht erteilten Auftrags.
Zutreffend hat deshalb die Rechtspflegerin die am 18.05.2006 sowie 19.05.2006 für Ausgrabungen angefallene Kosten nicht als Aufwendungen, die eine Prozesspartei zur gerichtlich angeordneten Begutachtung hatte und die notwendige in Bezug auf den Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO waren, gewertet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes orientiert sich an der mit dem Rechtsmittel erstrebten Ermäßigung des Kostenerstattungsbetrages. Die Rechtspflegerin hat aus der Rechnung des Bauunternehmens A. GmbH vom 02.06.2006 (Bl. 847 f. d.A.) von 4.386,28 Euro (netto) lediglich 2.293,78 Euro (netto) angesetzt. Von der Differenz von 2.092,50 Euro (netto) bzw. 2.490,07 Euro (brutto) hätte der Beklagte 85% selbst zu tragen (vgl. Ziffer 6 des landgerichtlichen Endurteil).
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist.


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