Kosten- und Gebührenrecht

PKH-Beschwerde: Umdeutung einer Erledigungserklärung in eine Beschwerderücknahme

Aktenzeichen  19 C 21.1644

Datum:
19.8.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 27752
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 6 E 21.431 2021-05-18 VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Gründe

Das Beschwerdeverfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil es aufgrund der Erklärungen des Klägervertreters mit Schriftsätzen vom 14. Juli 2021 und 18. August 2021 beendet worden ist.
Zwar hat der Klägervertreter die Prozesskostenhilfebeschwerde nicht ausdrücklich zurückgenommen, sondern erklärt, dass sich die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht gegen dessen VKH-Beschluss (gemeint wohl: PKH-Beschluss) gerichtet habe. Allerdings war die Beschwerde vom 3. Juni 2021 ohne jede Einschränkung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Mai 2021 eingelegt worden, damit auch gegen Ziffer I. dieses Beschlusses, mit dem der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung abgelehnt wurde. Es liegt damit eine wirksame Beschwerde auch gegen diesen Teil des Beschlusses vor.
Soweit die Erledigungserklärung des Klägervertreters in den Schriftsätzen vom 14. Juli 2021 und 18. August 2021 auch Gültigkeit für dieses Verfahren beanspruchen sollte, ist indes für eine Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO in einem die Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO betreffenden Antrags- oder Beschwerdeverfahren kein Raum. Bei Prozesskostenhilfeangelegenheiten handelt es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren, wie es § 161 Abs. 2 VwGO („Rechtsstreit“) verlangt, sondern um ein nichtstreitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren, in dem sich als Beteiligte nur der Kläger und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen. Für die Beschwerde gegen ein die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnendes Verfahren gilt insoweit nichts anderes. Eine Erledigungserklärung mit dem Ziel, der Gegenseite die Kosten auferlegen zu lassen, ist in Prozesskostenhilfeverfahren daher ausgeschlossen (BGH, B.v. 15.7.2009 – I ZB 118/08 – FamRZ 2009, 1663; OLG Hamm, B.v. 31.1.2006 – 2 WF 12/06 – FamRZ 2006, 1855; Thüringer LAG, B.v. 9.9.2011 – 6 Ta 155/11 – juris, jeweils zu § 91a ZPO; Hüßstege in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 41. Aufl. 2020, § 91a Rn. 7; Gehle in Baumbach/Lauter-bach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO, 78. Aufl. 2020, § 91a Rn. 14; Althammer in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 91a Rn. 58.34 jeweils m.w.N.).
Die Erledigungserklärung kann aber in eine Rücknahme der Beschwerde umgedeutet werden. Auch im Verfahrensrecht gilt in entsprechender Anwendung des § 140 BGB der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Prozesshandlung in eine zulässige und wirksame Prozesserklärung umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse entgegensteht (vgl. BGH, U.v. 6.12.2000 – XII ZR 219/98 – NJW 2001, 1217; B.v. 7.12.2010 – VIII ZB 14/10 – NJW 2011, 1292).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Umdeutung der unzulässigen Erledigungserklärung in eine Beschwerderücknahme entspricht dem mutmaßlichen Interesse des Klägers, weil sein Ziel der sofortigen Beendigung des Prozesskostenhilfeverfahrens auch durch Rücknahme der Beschwerde erreicht werden kann. Die negative Kostenfolge des § 155 Abs. 2 VwGO steht dem nicht entgegen. Zwar ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen – anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz – grundsätzlich kostenpflichtig (BayVGH, B.v. 3.6.1986 – 7 C 84 A 996 – BayVBl 1987, 572). Hier gilt aber etwas anderes, weil das Verfahren der Beschwerderücknahme gerichtsgebührenfrei ist (die Festgebühr nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG fällt nur dann an, wenn die Beschwerde (teilweise) verworfen oder zurückgewiesen wird), Auslagen nicht angefallen sind und eine Kostenerstattung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten in Prozesskostenhilfesachen nach § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO ohnehin nicht stattfindet. Die gleiche Kostenfolge würde sich auch im Fall einer Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ergeben, und zwar selbst dann, wenn die Kosten aus Billigkeitsgründen nicht dem Kläger auferlegt würde.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2, § 152 Abs. 1 VwGO).


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