Kosten- und Gebührenrecht

Prozeßbevollmächtigter, Erstattungsfähigkeit, Kostenfestsetzungsbeschluß, Rechtsmißbrauch, Kostenfestsetzungsantrag, Rechtsanwaltskosten, Kosten des Erinnerungsverfahrens, Verwaltungsgerichte, Kostenerinnerung, Antrag auf Zulassung, Berufungsverfahren, Verfahrensgebühr, Kostengrundentscheidung, Rechtsmittelverfahren, Verwaltungsgerichtsordnung, Fristwahrung, Rechtsmissbräuchliches Verhalten, Zweckentsprechende Rechtsverfolgung, Gelegenheit zur Stellungnahme, Statthaftigkeit

Aktenzeichen  M 15 M 20.30090

Datum:
14.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41817
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 165

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Mit Urteil vom 14. Mai 2018 (…) hob das Verwaltungsgericht … den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. Oktober 2017 auf, wobei die Kosten der Beklagten (Erinnerungsführerin) auferlegt wurden. Deren Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. April 2019 abgelehnt (…).
Auf Kostenfestsetzungsantrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2019 erging am 10. Oktober 2019 Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die der Klägerseite zu erstattenden Aufwendungen auf … € festgesetzt wurden.
Hiergegen beantragte die Beklagte am 22. Oktober 2019 die Entscheidung des Gerichts.
Für den Kläger sei es nicht erforderlich gewesen, alsbald nach Eingang des Antrags auf Zulassung der Berufung einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen, denn das Oberverwaltungsgericht als Rechtsmittelgericht prüfe die Voraussetzungen der Statthaftigkeit der Berufung (§ 124 VwGO) und der Zulassung und Begründung der Berufung (§ 124 a VwGO) von Amts wegen. Zu diesem Zeitpunkt finde regelmäßig keine Anhörung des Rechtsmittelgegners statt, da hierzu kein Anlass bestehe. So werde regelmäßig von Oberverwaltungsgerichten darauf hingewiesen, dass dem Kläger ggf. gesondert Gelegenheit zur Stellungnahme nach Ablauf der Antragsbegründungsfrist eingeräumt werde. Beauftrage der Kläger dennoch einen Rechtsanwalt mit der Vertretung und finde diesbezüglich eine Besprechung statt, so sei dem Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr zwar entstanden. Da aber zu diesem Zeitpunkt keine Notwendigkeit für die Einschaltung eines Rechtsanwalts bestanden habe, könne der Prozessbevollmächtigte des Klägers diese Kosten nicht vom unterlegenen Prozessgegner erstattet verlangen. Auf Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt wurde verwiesen. Darüber hinaus müsse zur Vertretung im Rechtsmittelverfahren ein Auftrag auch für diese Instanz von der Partei erteilt worden sein, was die Klägervertreterin nicht dargelegt habe.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers führte mit Schreiben vom 14. Januar 2020 aus, dass es sich hier tatsächlich nicht um Einwendungen gegen die angefallenen Kosten, sondern um Einwendungen gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs handele, wonach die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Es sei allein Sache des jeweiligen Betroffenen, ob er einen Rechtsanwalt beiziehe oder nicht. Der Kläger selbst sei gegenüber dem Obergericht nicht postulationsfähig (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO).
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht durch die Beklagte, sondern durch die Klagepartei eingelegt worden sei. Hierzu habe sich der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen müssen.
Die Parteien erhielten hierzu Gelegenheit zur (erneuten) Stellungnahme bis 1. Februar 2020. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 24. Januar 2020 darauf hin, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung von der Beklagten gestellt worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren … verwiesen.
II.
Zur Entscheidung über die vorliegende Kostenerinnerung ist im Rahmen der Annexzuständigkeit der auch für die Hauptsache zuständige Einzelrichter berufen, der die Kostengrundentscheidung getroffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 11 VR 40/95 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 03.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 9 ff.).
1. Die Kostenerinnerung ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhoben (§§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Die Urkundsbeamtin hat zu Recht die Kosten für die Prozessbevollmächtigte des Klägers für erstattungsfähig erachtet:
2.1 Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistandes stets erstattungsfähig. Das Gesetz sieht weder nach seinem Wortlaut und seiner Systematik noch nach Sinn und Zweck der getroffenen Regelung vor, dass bei der Kostenfestsetzung die Notwendigkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts geprüft und zum Maßstab für die Erstattungsfähigkeit der Kosten gemacht wird. Die Vorschrift macht es entbehrlich, bei Rechtsanwälten als Bevollmächtigten im Einzelfall zu prüfen, ob ihre Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Zwar gilt nach der Rechtsprechung auch für die Anwaltskosten der das gesamte Kostenrecht beherrschende Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Dieser Grundsatz, der insbesondere bei der Prüfung der Erstattungsfähigkeit von Auslagen eines Rechtsanwalts Platz greift, schränkt jedoch das Recht eines Beteiligten, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Bevollmächtigten zu bedienen, nicht ein (vgl. Eyermann, Kommentar zur VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 18 f. m.w.N.).
2.2 Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Beauftragung als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, was der Fall ist, wenn die Beauftragung offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Prozessgegner Kosten zu verursachen (Eyermann, Kommentar zur VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 18 f. m.w.N.) oder wenn noch nicht einmal der Antrag auf Zulassung der Berufung zugestellt wurde (vgl. VG Augsburg, B.v. 25.5.2012 – Au 4 M 12.598 – juris Rn. 18). Selbst bei Einlegung der Berufung zur Fristwahrung brauchen die Antragsgegner daher mit der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren grundsätzlich nicht abzuwarten, bis dieser etwa durch die Berufungsbegründung zu erkennen gegeben hat, das Berufungsverfahren durchführen zu wollen (vgl. VG Würzburg, B.v. 8.4.2014 – W 3 M 14.51 – juris Rn.15; VGH BW, B.v. 27.7.1990 – 2 S 1395/90 – juris Rn. 2 m.w. N.). Im Normalfall darf ein Prozessbeteiligter einen Prozessbevollmächtigten bereits dann einschalten, wenn ein Rechtsmittel eingelegt ist, weil § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Kostenerstattung keinen bestimmten Verfahrensstand erfordert (VG Augsburg, B.v. 25.5.2012 – Au 4 M 12.598 – juris Rn. 18).
2.3 Ein Ausnahmefall von der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten ist hier nicht gegeben. Vielmehr wurde die Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgrund des Antrags der Beklagten auf Zulassung der Berufung vom 29. Juni 2018, der bereits mit einer Begründung versehen war, vom BayVGH mit Schreiben vom 6. Juli 2018 gebeten, binnen vier Wochen Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme bzw. der Antrag, den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückzuweisen, erfolgte dann mit Schriftsatz vom 4. August 2018. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerseite kann dem nicht entnommen werden, zumal sich der Kläger gemäß § 67 Abs. 4 VwGO vor dem BayVGH durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen muss und der Kläger bereits im ersten Verfahren von der Prozessbevollmächtigten vertreten wurde.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagtenseite zitierten Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (1 O 147/08, 1 O 132/10, 1 O 128/10 – jeweils juris). Denn in diesen Entscheidungen ging es allein darum, ob die Kosten eines Rechtsanwalts als „notwendig“ zu erstatten sind, wenn der Gegner des Zulassungsantrags ohne Kenntnis der Zulassungsgründe und vor der durch das Berufungsgericht veranlassten Anhörung einen Rechtsanwalt beauftragt hat. Wie bereits ausgeführt, hatte die Klägerseite hier nicht nur Kenntnis von den Zulassungsgründen der Beklagten, sondern wurde auch vom BayVGH ausdrücklich angehört (vgl. a. BayVGH, B.v. 8.2.1993 – 6 C 92.3331 – juris).
2.4 Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Prozessbevollmächtigte für die Berufungsinstanz vom Kläger nicht beauftragt worden war, wie die Beklagte geltend macht. Vielmehr bezieht sich die dem Gericht vorgelegte Vollmacht allgemein auf eine gerichtliche Vertretung und ermächtigt ausdrücklich zur Einlegung von Rechtsmitteln.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar (vgl. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3).


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