Kosten- und Gebührenrecht

Streitwert bei Anfechtung einer Nebenbestimmung zur Erlaubnis für Ausbildungsorganisation

Aktenzeichen  8 C 20.1549

Datum:
26.10.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30453
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 32 Abs. 2 S. 1
VO (EU) 1178/2011 Art. 1
GKG § 52 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Orientierungshilfe für die Bemessung des Streitwerts bieten die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wendet sich eine Flugschulenbetreiberin gegen Nebenbestimmungen einer Erlaubnis zur Ausbildung von fliegendem Personal, ist der Streitwert bei Fehlen näherer Angaben zum wirtschaftlichen Interesse mit 5000 EUR zu bemessen. (Rn. 7 – 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 31 K 19.1077 2020-05-20 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Streitwertbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 20. Mai 2020.
Die Klägerin, die eine Flugschule betreibt, begehrte mit der zugrundeliegenden Klage die Aufhebung von Nebenbestimmungen im Bescheid vom 31. Januar 2019, mit dem ihr vom Beklagten die luftverkehrsrechtliche Erlaubnis zur Ausbildung von fliegendem Personal in der Zivilluftfahrt in einer Ausbildungsorganisation erteilt worden ist. Hintergrund war das aus Sicht des Beklagten bestehende Missverhältnis zwischen tatsächlich erfolgten Ausbildungsstunden und sog. „Einführungsflugstunden“ zum Zweck der Gewinnung neuer Flugschüler. Die Nebenbestimmung B.13 enthielt dazu nähere Vorgaben. In A.2 und A.3 des Tenors wurde im Hinblick auf derartige Verstöße eine Frist für die Abhilfe gesetzt und es wurden für den Fall der Nichtbeachtung Sanktionen angedroht.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Mai 2020 vollumfänglich stattgegeben, den Bescheid in den Teilen A.2, A.3 sowie B.13 aufgehoben und mit Beschluss vom selben Tag den Streitwert auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Gegen die Streitwertfestsetzung wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus eigenem Recht. Er ist der Auffassung, der Streitwert sei auf 50.000 Euro heraufzusetzen. Die Festsetzung müsse sich entsprechend Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit an den erzielbaren Umsatzanteilen der Klägerin in Höhe von 40.000 Euro pro Jahr orientieren sowie an Nr. 26.1 bis 26.3 und 47.1 bis 47.7 des Streitwertkatalogs. Für die Regelungen A.2 und A.3 sei zudem eine Erhöhung jeweils um den Auffangstreitwert von 5.000 Euro geboten.
II.
Über die Streitwertbeschwerde entscheidet nach § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG der Senat, weil der angegriffene Streitwertbeschluss nicht von einem Einzelrichter, sondern von der Kammer erlassen wurde. Sie ist als Beschwerde des nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG aus eigenem Recht beschwerdeberechtigten Prozessbevollmächtigten der Klägerin zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klagepartei für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG kommt nicht zum Zug, wenn sich die aus dem Antrag der Klagepartei objektiv für sie ergebende Bedeutung der Sache wertmäßig nach Ermessen bestimmen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2016 – 22 C 16.1849 – juris Rn. 8). Denn es handelt sich bei § 52 Abs. 2 GKG nicht um einen Regelstreitwert, sondern um einen subsidiär anzuwendenden Auffangstreitwert, auf den nur bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine Bewertung nach § 52 Abs. 1 GKG abgestellt werden darf (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2016 – 14 C 15.2798 – juris Rn. 6; vgl. auch Geiger, BayVBl 1997, 106/107). Bestehen genügend Anhaltspunkte, um das wirtschaftliche Interesse zu bestimmen, kommt eine Festsetzung des Streitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG nicht in Betracht.
Eine Orientierungshilfe, welcher Wert angemessen ist, bieten die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, denen zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und einer weitestmöglichen Gleichbehandlung besonderes Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2.15 u.a. – JurBüro 2016, 23 = juris Rn. 4; vgl. auch BVerfG, B.v. 8.12.2011 – 1 BvR 1393/10 – juris Rn. 6). Der Senat orientiert sich bei der Festsetzung des Streitwerts in ständiger Rechtsprechung an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Entgegen dem Beschwerdevortrag ergibt sich daraus aber keine Streitwerterhöhung. Es handelt sich weder um einen Streitgegenstand aus dem Lebens- oder Arzneimittelrecht, so dass eine Orientierung an Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs nicht in Betracht kommt (Jahresbetrag der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen), noch aus dem Verkehrswirtschaftsrecht, so dass Abschnitt 47. des Streitwertkatalogs nicht herangezogen werden kann. Soweit der Klägerbevollmächtigte geltend macht, die Streitwertfestsetzung sei am 26. Abschnitt des Streitwertkatalogs (Erlaubnis für Luftfahrtpersonal) auszurichten, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. Nach Nr. 26.2 und 26.3 richtet sich der Streitwert bei Berufs- und Verkehrsflugzeugführern nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Verdienstes. Dazu finden sich jedoch keine näheren Anhaltspunkte. Selbst in der Beschwerdebegründung werden lediglich Angaben zu Umsatzanteilen gemacht. Dagegen wurde nicht im Einzelnen dargelegt, welche Folgen einerseits die Durchsetzung der Nebenbestimmung auf die Ausübung der Unternehmenstätigkeit, vor allem auf die Verdienstmöglichkeiten der Klägerin, gehabt hätte und welche Auswirkungen andererseits sich im Vergleich dazu aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 20. Mai 2020 ergeben. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Bewertung nach § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an den Leitgedanken von Nr. 26.2 und 26.3 des Streitwertkatalogs durfte daher auf den Auffangstreitwert abgestellt werden.
Der Umstand, dass die Klägerin auch die Beanstandung mit Fristsetzung in A.2 des streitgegenständlichen Bescheids sowie die darauf bezogene, in A.3 enthaltene Androhung weiterer verwaltungsrechtlicher Sanktionen angefochten hat, führt ebenfalls zu keiner Erhöhung des Streitwerts. Darin sind nämlich keine selbständigen Gegenstände, sondern lediglich Maßnahmen zu sehen, die der Durchsetzung und Vollstreckung der Nebenbestimmung B.13 dienten. Dies geht aus den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids vom 31. Januar 2019 hervor (S. 13 f. der Akte des Verwaltungsgerichts). Die Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 311 vom 25.11.2011, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2020/723 der Kommission vom 4. März 2020 (ABl. L 170 vom 2.6.2020), enthält im Anhang VI (Anforderungen an Behörden bezüglich des fliegenden Personals), Teil ARA, Teilabschnitt GEN (ARA.GEN), in Nr. 350 ARA.GEN entsprechende Befugnisse der Aufsichtsbehörden zur Durchsetzung von Anforderungen. Darin liegt die Rechtsgrundlage für die Regelungen in A.2 und A.3. Das Urteil vom 20. Mai 2020 geht daher zu Recht davon aus, dass es sich dabei nur um unselbständige, auf die Nebenbestimmung B.13 bezogene Beanstandungen und Androhungen handelt (Az.: M 31 K 19.1077, Rn. 15), die dem entsprechend akzessorisch sind (a.a.O., Rn. 37). Der Rechtsgedanke, dass derartige unselbständige Maßnahmen zur Durchsetzung einer Anordnung nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen sind, kommt nicht zuletzt in Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs zum Ausdruck.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 152 Abs. 1 VwGO).


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